Sonntag, 8. Februar 2009
Stelle mich vor...
Ich sehe ja ein, daß diese Rubrik nicht endlos so traurig leer bleiben kann, auch wenn mir die demonstrative Selbstentblößung unsympathisch ist - versteckt in Beiträgen fühlt sich das gleich viel subtiler an. Es lebe daher die Zweitverwertung.

Ich habe zu viele Jahre an diversen Universitäten, Fakultäten und Instituten verbracht, dabei zum größeren Teil absolut entbehrliches Wissen gesammelt, und dennoch nicht halb so viel gelernt, wie ich gerne wollte. Deswegen kann ich auch nicht völlig ausschließen, daß ich irgendwann noch einen Anlauf mache, ein anständiger Mensch zu werden und was richtiges zu studieren.

Ich verdiene mein Geld - unter anderem, gelegentlich - mit einer reichlich alltäglichen Bürotätigkeit, die enorm an Renommierpotential gewinnt, weil die Büros häufig in fremden Ländern sind. Das macht die Arbeit zwar nur unwesentlich spannender, dafür aber das Leben außerhalb der Arbeit umso mehr. Zwischen Abenteuerreisen, für die ich auch noch bezahlt werde, sitze ich in der putzigen Schweiz, widme mich gelegentlich meiner immer noch sehr unzulänglichen Bildung, der Bestseller-Abteilung der Universitätsbibliothek und betreibe Elitessenwatch.

Ich mag Hunde gerne, Katzen weniger. Ich schreie nicht, wenn ich meine Wohnung mit Mäusen teilen muß, aber Ratten und Kakerlaken mag ich nicht besonders. Trotzdem schreie ich auch da inzwischen nicht mehr, sondern lächele souverän. Ich mag Belletristik lieber als Sachbücher, Alte Musik lieber als neue, und Essen lieber als Sport. Den betreibe ich allerdings auch gelegentlich, und wie mit den meisten Dinge im Leben: erst wenn man gar nicht mehr darf, merkt man, wie sehr es einem fehlt.

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Mr. President und ich...
Da bin ich. Wie so oft ein bißchen später als die anderen, aber immerhin. Ich habe letztes Jahr sozusagen einen edukativen Jackpot gewonnen – und werde jetzt dafür bezahlt, daß ich mich weiterbilde. Meine armen Eltern haben vermutlich heimlich gedacht „Muß das denn sein, das Kind war doch schon so lange an diversen Universitäten“, aber was soll ich sagen: es muß!

Ich bin jetzt in Washington und ich mag diese Stadt. Eben saß ich noch kurz auf der Treppe vorm Haus, ein Passant mit Hund kam vorbei und lächelte mich an: „Nice evening, how are you?“. Jahaa, nur die übliche Höflichkeit (und eine ehrliche Antwort ist keineswegs erwünscht, sondern geradezu ein Faux Pas), aber trotzdem - reizend!

Den Rummel um die Inauguration habe ich komplett verpaßt, mitsamt aller damit verbundenen Peinlichkeiten und Heilserlebnisse (er ist aus dem Auto ausgestiegen!... er hat Hände geschüttelt!... wobei die Hände vermutlich vor Kälte längst taubgefroren waren und das kaum zu schätzen wußten). Trotzdem ist Obama immer noch... präsent im Alltagsleben:
Die Souvenir-Läden sind mit seinem Porträt auf Tassen, T-Shirts und anderen Memorabilia überladen.
Auf den Grünstreifen zwischen den Straßen: Schilder mit Obama/Biden Schriftzug.
Auf meinem Papierticket für die U-Bahn: Obamas Gesicht.
Auf den Bussen: Grüße zur Amtseinführung von anderen Regierungschefs.
Beim Erwerb der elektronischen U-Bahn-Chipkarte hatte ich die Wahl zwischen einer 5 US$ Karte mit entsprechendem Aufladungswert, oder aber einer 5 US$ Karte ohne Aufladung – dafür aber mit Obamas Gesicht drauf. Und letzte Woche hatten meine Vermieter kurzzeitig einen Hund von Freunden in Pflege, so ein schmutzig-weißes Fellknäuel, das mit einem roten Mäntelchen bei uns anreiste. Und auf dem roten Mäntelchen? Ein Obama Aufnäher!

In der U-Bahn wirbt Ikea mit großen Plakaten in gelb und blau mit dem Slogan „Embrace Change 09“ – wenn das keine schöne Verbindung von Patriotismus und Kommerz ist, harmonisch vereint auf drei mal fünf Fuß Papier.

Obama und ich haben so einige Gemeinsamkeiten. Wir haben fast gleichzeitig einen neuen Job angefangen und unsere Arbeitsplätze liegen in derselben Straße. Und beide beschäftigen wir uns von Berufs wegen mit der Finanzkrise – irgendwie jedenfalls. Allerdings gibt es auch Unterschiede. Während ich nämlich – typisch Europäer – oft zu Fuß gehe oder bestenfalls U-Bahn fahre, steht Mr. President sein persönlicher Hubschrauber zur Verfügung, den man regelmäßig im Luftraum über dem Weißen Haus und der National Mall beobachten kann. Gleich daneben ist der Reagan Airport und sobald das Wetter sich bessert, werde ich mich mit einem Picknick-Korb irgendwo dort hinsetzen und den lieben langen Tag Flugzeuge anschauen, wie sie unfaßbar nah über den Kuppeln der Denkmäler einfliegen – und meinem Fernweh nachgeben.

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