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Handarbeitsstunde
Mein erstes Kleid war aus heutiger Sicht fürchterlich. Knöchellang, aus dunkelblauem Nickistoff und schrecklich brav. Das nächste aus violettem Samt mit Wasserfallausschnitt war schon besser und ungefähr zu Abiturzeiten kriegte ich die Kurve zur Mode. Nachdem ich zum Abiball von einer Freundin ein chinesisches Kleid geliehen hatte, kaufte ich kurz danach mein erstes richtiges Abendkleid: es war hellblau mit diagonalen braunen und goldenen Streifen, ansonsten sehr schlicht und ich mag es heute noch – auch wenn ich es seit Jahren nicht mehr getragen hatte. Es folgten einige Jahre mit Varianten von „langer schwarzer Rock mit Corsage“, bis der Rock irgendwann nicht mehr nur einen heruntergetretenen Saum, sondern tatsächlich Risse im Futter hatte und aufs Altenteil kam.
Das richtige Kleid zu finden ist gar nicht so einfach. Über die unzähligen Scheußlichkeiten, die man so auf Kleiderständern findet, habe ich ja schon berichtet. Selbst die schönen Kleider jedoch erfüllen lange nicht immer alle Anforderungen. Nach Ausschluß von Glitzer, Strass, Rüschen und Polyester gilt es weitere Kriterien zu erfüllen: es muß tanzfreundlich sein – der Rock also nicht zu eng, ohne Schleppe, das Oberteil muß fest sitzen, auf daß man nicht irgendwann oben ohne dasteht (auch das hatte ich schon). Bustieroberteile gehen also nur, wenn sie perfekt passen, was sie selten tun. Sehr dünne Spaghettiträger sind prinzipiell prima, aber leider an soviel Frau wie mir oft ein bißchen lächerlich – richtige Träger sehen besser aus. Es darf nicht zu lang sein (sonst tritt man drauf) aber auch nicht zu kurz – wir sind ja nicht bei armenDoktoranden Leuten.
Dunkelblau geht gar nicht – das ist in den meisten Fällen eine Farbe von Damen, die nicht schwarz tragen wollen, aber sich auch mehr als blau nicht trauen. Grau ist großmütterlich. Dem Teint schmeicheln sollte es möglichst auch, womit bei mir gelb und rot entfallen. Trotzdem hätte ich aber gerne etwas eigenwilliges, das nicht jeder hat. Und das ganze bitte für unter 300 Euro. Seit Jahren träume ich davon, ein Kleid ganz nach meinen Wünschen schneidern zu lassen, karierte Seide fände ich chic, aber am Ende täte es mir doch zu weh, deutlich mehr als 300 Euro in etwas zu investieren, das ich allerhöchstens drei Mal trage – danach habe ich mir ein Kleid meistens leidgesehen (von den hochgezogenen Augenbrauen der üblichen verdächtigen Damen meines erweiterten Bekanntenkreise gar nicht zu reden). Angesichts der vielfältigen Herausforderung beim Schnitt bin ich ein großer Freund klassisch-schlichter Kleider in extravaganten Farben.
So wie dieses hier.
In den Stoff habe ich mich sofort verliebt. Er lag in Kinshasa vor dem Büro auf einem der unzähligen kleinen Stände. Sehr bunt, etwas steif, ein bißchen glänzend von der Wachsbeschichtung. Irgendwie klassisch – und doch eigenwillig. Klassisch auf LSD, könnte man sagen. Beim Brainstorming mit Schneiderin Céline kamen wir irgendwann aufs Abendkleid. Eine Freundin ließ sich bei der Gelegenheit eines der typisch afrikanischen Kleider schneidern, die im Schnitt ja häufig fast wie Abendkleider sind und so ließ ich mir für umgerechnet etwa zwanzig Dollar etwas machen. Etliche klägliche Malversuche meinerseits später hatte die Schneiderin verstanden, was ich mir vorstellte, und versprach, Ihr Bestes zu tun. Wie üblich wurde es erst auf die letzte Minute vorm Abflug fertig, aber: es passte. Perfekt.
Und stellte zu Hause ein ums andere Mal bei jeder Gelegenheit fest, daß das Kleid irgendwie doch nicht das richtige für gerade jene Gelegenheit war. Zu fein für Anlässe, bei denen es auch ein kurzes Kleid täte – und zu wenig elegant und zuviel eigenwillig für richtige Bälle. Schon vor der Einkaufstour in Wien hatte ich überlegt, ob man das gute Stück nicht irgendwie aufrüschen könnte. Meine Idee, den Rock mit Tüll zu unterfüttern und die rückseitige Naht so weit zu öffnen, daß man den Tüll dort auch sähe, wurde sogar von einer Schneiderin hier für machbar und hübsch befunden – sollte allerdings inklusive Material 300 Franken kosten, was mir dann doch zuviel für ein solches Experiment war.
Heute hat es mich dann wieder gepackt, das schöne Wetter verführt ohnehin zu nachmittäglichen Einkaufsbummeln und in einem der vielen Abendmoden-Geschäfte gab es einen halbfertigen Unterrock für lächerliche 40 Franken. Das Ding am Unterrock anzunähen, so dachte ich mir, kann so schwierig nicht sein. Falsch gedacht. Drei Stunden, einen steifen Rücken und gefühlte zehn Meter Nähgarn später ist der Tüll immer noch etwas schief, aber dem kann ich vielleicht noch mit einer Schere zu Leibe rücken. Drei Stunden! Für einen lächerlichen Meter Umfang Naht! Habe völlig unterschätzt, daß der voluminöse Tüll es schwer macht, unter den Rock zu greifen, um die Nadel aufzunehmen. Wie sperrig Tüll ist. Wie wenig Licht so ein kleiner Kronleuchter gibt, wenn man diffizile Handarbeiten ausführen möchte. Einen halben Meter Naht aufzutrennen zum Beispiel. Céline in Kinshasa hat gute Arbeit geleistet - der Abschluß war so eng genäht, daß ich mit der Schere kaum drankam. Immerhin sitzt der Tüll jetzt etwa so, wie es mir von Anfang an vor dem inneren Auge stand. Jetzt muß ich nur noch meine geschätzte vietnamesische Schneiderin dazu bringen, mir bis Donnerstag den Saum wieder zu schließen und den Tüll hinten festzustecken.
Und das Häkchen vom Bustier enger zu machen. Nicht vergessen.
Das richtige Kleid zu finden ist gar nicht so einfach. Über die unzähligen Scheußlichkeiten, die man so auf Kleiderständern findet, habe ich ja schon berichtet. Selbst die schönen Kleider jedoch erfüllen lange nicht immer alle Anforderungen. Nach Ausschluß von Glitzer, Strass, Rüschen und Polyester gilt es weitere Kriterien zu erfüllen: es muß tanzfreundlich sein – der Rock also nicht zu eng, ohne Schleppe, das Oberteil muß fest sitzen, auf daß man nicht irgendwann oben ohne dasteht (auch das hatte ich schon). Bustieroberteile gehen also nur, wenn sie perfekt passen, was sie selten tun. Sehr dünne Spaghettiträger sind prinzipiell prima, aber leider an soviel Frau wie mir oft ein bißchen lächerlich – richtige Träger sehen besser aus. Es darf nicht zu lang sein (sonst tritt man drauf) aber auch nicht zu kurz – wir sind ja nicht bei armen
Dunkelblau geht gar nicht – das ist in den meisten Fällen eine Farbe von Damen, die nicht schwarz tragen wollen, aber sich auch mehr als blau nicht trauen. Grau ist großmütterlich. Dem Teint schmeicheln sollte es möglichst auch, womit bei mir gelb und rot entfallen. Trotzdem hätte ich aber gerne etwas eigenwilliges, das nicht jeder hat. Und das ganze bitte für unter 300 Euro. Seit Jahren träume ich davon, ein Kleid ganz nach meinen Wünschen schneidern zu lassen, karierte Seide fände ich chic, aber am Ende täte es mir doch zu weh, deutlich mehr als 300 Euro in etwas zu investieren, das ich allerhöchstens drei Mal trage – danach habe ich mir ein Kleid meistens leidgesehen (von den hochgezogenen Augenbrauen der üblichen verdächtigen Damen meines erweiterten Bekanntenkreise gar nicht zu reden). Angesichts der vielfältigen Herausforderung beim Schnitt bin ich ein großer Freund klassisch-schlichter Kleider in extravaganten Farben.
So wie dieses hier.
In den Stoff habe ich mich sofort verliebt. Er lag in Kinshasa vor dem Büro auf einem der unzähligen kleinen Stände. Sehr bunt, etwas steif, ein bißchen glänzend von der Wachsbeschichtung. Irgendwie klassisch – und doch eigenwillig. Klassisch auf LSD, könnte man sagen. Beim Brainstorming mit Schneiderin Céline kamen wir irgendwann aufs Abendkleid. Eine Freundin ließ sich bei der Gelegenheit eines der typisch afrikanischen Kleider schneidern, die im Schnitt ja häufig fast wie Abendkleider sind und so ließ ich mir für umgerechnet etwa zwanzig Dollar etwas machen. Etliche klägliche Malversuche meinerseits später hatte die Schneiderin verstanden, was ich mir vorstellte, und versprach, Ihr Bestes zu tun. Wie üblich wurde es erst auf die letzte Minute vorm Abflug fertig, aber: es passte. Perfekt.
Und stellte zu Hause ein ums andere Mal bei jeder Gelegenheit fest, daß das Kleid irgendwie doch nicht das richtige für gerade jene Gelegenheit war. Zu fein für Anlässe, bei denen es auch ein kurzes Kleid täte – und zu wenig elegant und zuviel eigenwillig für richtige Bälle. Schon vor der Einkaufstour in Wien hatte ich überlegt, ob man das gute Stück nicht irgendwie aufrüschen könnte. Meine Idee, den Rock mit Tüll zu unterfüttern und die rückseitige Naht so weit zu öffnen, daß man den Tüll dort auch sähe, wurde sogar von einer Schneiderin hier für machbar und hübsch befunden – sollte allerdings inklusive Material 300 Franken kosten, was mir dann doch zuviel für ein solches Experiment war.
Heute hat es mich dann wieder gepackt, das schöne Wetter verführt ohnehin zu nachmittäglichen Einkaufsbummeln und in einem der vielen Abendmoden-Geschäfte gab es einen halbfertigen Unterrock für lächerliche 40 Franken. Das Ding am Unterrock anzunähen, so dachte ich mir, kann so schwierig nicht sein. Falsch gedacht. Drei Stunden, einen steifen Rücken und gefühlte zehn Meter Nähgarn später ist der Tüll immer noch etwas schief, aber dem kann ich vielleicht noch mit einer Schere zu Leibe rücken. Drei Stunden! Für einen lächerlichen Meter Umfang Naht! Habe völlig unterschätzt, daß der voluminöse Tüll es schwer macht, unter den Rock zu greifen, um die Nadel aufzunehmen. Wie sperrig Tüll ist. Wie wenig Licht so ein kleiner Kronleuchter gibt, wenn man diffizile Handarbeiten ausführen möchte. Einen halben Meter Naht aufzutrennen zum Beispiel. Céline in Kinshasa hat gute Arbeit geleistet - der Abschluß war so eng genäht, daß ich mit der Schere kaum drankam. Immerhin sitzt der Tüll jetzt etwa so, wie es mir von Anfang an vor dem inneren Auge stand. Jetzt muß ich nur noch meine geschätzte vietnamesische Schneiderin dazu bringen, mir bis Donnerstag den Saum wieder zu schließen und den Tüll hinten festzustecken.
Und das Häkchen vom Bustier enger zu machen. Nicht vergessen.
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