Die Jugend von heute
Ich bin ja eigentlich treue Bahnfahrerin, aber man darf sich nicht den Neuerungen der Moderne verschließen und so habe ich endlich einmal die Mitfahrzentrale in Anspruch genommen für eine Fahrt, die mit der Bahn einfach zu lang gewesen wäre. Und zu teuer. Die lieben Mitreisenden böten Erzählstoff für etliche Blogbeiträge. Der Chef auf vier Rädern pendelt jedes Wochenende, bot mehr als faire Konditionen und hatte sichtlich seine Freude an der wechselhaften Gesellschaft, stellte Fragen und interessierte sich für alles. Obendrein verpflichtete ihn sein gutes Herz auch noch, uns bei der Heimkehr gen Mitternacht alle vor der jeweils eigenen Haustür abzusetzen, so daß ich meinen Weinvorrat zu deutschen Preisen aufstocken konnte. Kurz: ein leuchtendes Vorbild der Mitfahr-Gesellschaft.
Auf der Hin- und Rückfahrt eine junge Dame, auf dem Weg von einer deutschen Kleinstadt in die andere, von etwas unförmiger Gestalt, modisch nicht ganz auf der Höhe der Zeit mit ihrer unechten Gucci Tasche, aber im Vollbewußtsein ihrer schon länger dauernden Bekanntschaft mit unser aller Fahrer. Eher anstrengend, diese Mitfahrerin, in ihrer tantenhaften Betulichkeit.
Auf der Rückfahrt allerdings wurde es dann richtig interessant, leider auf eine Art, bei der ich mir ausgesprochen alt und weise vorkam. Für die letzte Strecke stiegen zwei junge Mediziner zu, beide hörbar und sichtbar aus besserem Elternhaus, für ihr praktisches Jahr in der Schweiz, davor beide einige Monate in den USA, beide nur wenige Jahr jünger als ich und doch sehr, sehr anders. Da sie umgehend eine Insider-Debatte über medizinische Operationstechniken begannen, waren der Fahrer und ich auf die Position der schweigenden Zuhörer verbannt, was aber gar nicht unspannend war. Spannende Einblicke in junge Menschen von heute, die mich, irgendwie, nachdenklich, zurückgelassen haben.
Er so: Chirurgie in den USA, das ist total der Hammer, da geht richtig die Party ab im OP, wenn die um die Carotis 'rumschneiden, da schläft keiner, sondern alle stehen um den Tisch 'rum.
Hier wurde Handy-Photos von hinterm Auge in den Fond gereicht, und ich wandte schleunigst den Blick zum Fenster hinaus.
Und auch: Ich war neulich bei meiner Schwester, die in der Neonatologie arbeitet, habe da Frühchen gesehen, 25. Woche geboren, soooooo klein, wild mit den Händen gestikulierend, überbordend vor Begeisterung, und auch Drillinge von einer 18-jährigen Mutter, sowas, naja, aber sooooooo süß, die Kleinen.
Das Mädel wiederum verwendete eher undamenhafte Wörter in grosser Zahl, die ich hier nicht wiedergeben möchte (er auch, aber Männern kann eine alte Tante wie ich das noch eher verzeihen) und diskutierte die Wahl des zukünftigen Wirkungsorts:
Am Anfang gerne eine große Stadt, Hamburg wäre cool, München wäre cool, Berlin wäre cool. Rhein wäre auch toll, die Rheinländer sind schon ein cooles Volk, glaub ich.
Das Ding ist wirklich mit der Familie, ich hab mir jetzt auch überlegt, wenn es mir in der Schweiz gefällt, und wenn man sich da wohl fühlt, dann ist man soweit weg von der Familie. Eltern, Großeltern fast nie sehen, das wollte ich eigentlich nie, jetzt ist es halt mal kurz so, aber später, schon gar nicht bei meinen eigenen Eltern.
Eher ein häuslicher Typ, offenbar, die Gute. Dazu hatte er allerdings auch eine Meinung:
Ja, das war jetzt auch bei der N. und mir das Ding, so. In meiner WG die Jungs wollen halt schon jeden Abend weggehen, der Sinn von weggehen ist ja, jemanden kennenzulernen, also, potentielle Partnerinnen, Jäger und Sammler und so, und wenn das erst mal erledigt ist, wird man ja auch ruhiger. Und, früher dachte ich, Chirurgie ist total cool, spannend, aber inzwischen denke ich, nachdem ich die Chefärzte und so gesehen habe bei der Arbeit, alle 2-3 Mal geschieden, da hat man doch kein Privatleben mehr Was is'n das, wenn Du den Sohn und die Frau, also, die Kinder, nie siehst.
Eine Meinung, der sie nur zustimmen konnte:
Ja, total, sehe ich genauso, deswegen werd ich wohl Augenheilkunde machen, das ist interessant, aber berechenbar. Chirugie ist spannend und so, gerade Thorax, aber irgendwie, mittelfristig ist das einfach nix. So 'ne vernünftige Balance zu haben ist einfach wichtig, man will ja auch mal Familie haben.
So ist das also mit den junge Leuten von heute.
Auf der Hin- und Rückfahrt eine junge Dame, auf dem Weg von einer deutschen Kleinstadt in die andere, von etwas unförmiger Gestalt, modisch nicht ganz auf der Höhe der Zeit mit ihrer unechten Gucci Tasche, aber im Vollbewußtsein ihrer schon länger dauernden Bekanntschaft mit unser aller Fahrer. Eher anstrengend, diese Mitfahrerin, in ihrer tantenhaften Betulichkeit.
Auf der Rückfahrt allerdings wurde es dann richtig interessant, leider auf eine Art, bei der ich mir ausgesprochen alt und weise vorkam. Für die letzte Strecke stiegen zwei junge Mediziner zu, beide hörbar und sichtbar aus besserem Elternhaus, für ihr praktisches Jahr in der Schweiz, davor beide einige Monate in den USA, beide nur wenige Jahr jünger als ich und doch sehr, sehr anders. Da sie umgehend eine Insider-Debatte über medizinische Operationstechniken begannen, waren der Fahrer und ich auf die Position der schweigenden Zuhörer verbannt, was aber gar nicht unspannend war. Spannende Einblicke in junge Menschen von heute, die mich, irgendwie, nachdenklich, zurückgelassen haben.
Er so: Chirurgie in den USA, das ist total der Hammer, da geht richtig die Party ab im OP, wenn die um die Carotis 'rumschneiden, da schläft keiner, sondern alle stehen um den Tisch 'rum.
Hier wurde Handy-Photos von hinterm Auge in den Fond gereicht, und ich wandte schleunigst den Blick zum Fenster hinaus.
Und auch: Ich war neulich bei meiner Schwester, die in der Neonatologie arbeitet, habe da Frühchen gesehen, 25. Woche geboren, soooooo klein, wild mit den Händen gestikulierend, überbordend vor Begeisterung, und auch Drillinge von einer 18-jährigen Mutter, sowas, naja, aber sooooooo süß, die Kleinen.
Das Mädel wiederum verwendete eher undamenhafte Wörter in grosser Zahl, die ich hier nicht wiedergeben möchte (er auch, aber Männern kann eine alte Tante wie ich das noch eher verzeihen) und diskutierte die Wahl des zukünftigen Wirkungsorts:
Am Anfang gerne eine große Stadt, Hamburg wäre cool, München wäre cool, Berlin wäre cool. Rhein wäre auch toll, die Rheinländer sind schon ein cooles Volk, glaub ich.
Das Ding ist wirklich mit der Familie, ich hab mir jetzt auch überlegt, wenn es mir in der Schweiz gefällt, und wenn man sich da wohl fühlt, dann ist man soweit weg von der Familie. Eltern, Großeltern fast nie sehen, das wollte ich eigentlich nie, jetzt ist es halt mal kurz so, aber später, schon gar nicht bei meinen eigenen Eltern.
Eher ein häuslicher Typ, offenbar, die Gute. Dazu hatte er allerdings auch eine Meinung:
Ja, das war jetzt auch bei der N. und mir das Ding, so. In meiner WG die Jungs wollen halt schon jeden Abend weggehen, der Sinn von weggehen ist ja, jemanden kennenzulernen, also, potentielle Partnerinnen, Jäger und Sammler und so, und wenn das erst mal erledigt ist, wird man ja auch ruhiger. Und, früher dachte ich, Chirurgie ist total cool, spannend, aber inzwischen denke ich, nachdem ich die Chefärzte und so gesehen habe bei der Arbeit, alle 2-3 Mal geschieden, da hat man doch kein Privatleben mehr Was is'n das, wenn Du den Sohn und die Frau, also, die Kinder, nie siehst.
Eine Meinung, der sie nur zustimmen konnte:
Ja, total, sehe ich genauso, deswegen werd ich wohl Augenheilkunde machen, das ist interessant, aber berechenbar. Chirugie ist spannend und so, gerade Thorax, aber irgendwie, mittelfristig ist das einfach nix. So 'ne vernünftige Balance zu haben ist einfach wichtig, man will ja auch mal Familie haben.
So ist das also mit den junge Leuten von heute.
nnier,
Dienstag, 10. August 2010, 23:15
"Neuerungen" nennen Sie das - hier hat die letzte Mitfahrzentrale vor einer Weile dichtgemacht. Ja, man macht interessante Erfahrungen (und ich erlaube mir schon wieder eine Selbstverlinkung, weil's gerade so schön passt) - der Kontakt zu den Mitreisenden ist, wie soll man sagen: intensiver als in der Bahn.