Gutes tun
damenwahl | 17. August 10 | Topic 'Liebschaften'
Volkswirte sprechen manchmal von „the great divergence“, wenn sie die riesigen Unterschiede zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, vor allem im Bruttsozialprodukt und Lebensstandards diskutieren. Heute sprang mir „the great divergence“ in meinem Facebook Account entgegen. Einer meiner Studienfreunde aus lang vergangenen Zeiten (die Sorte, die keine Pflichtpraktika in der Produktion ableisten mußte, weil Papis Golffreunde die notwendigen Bestätigungen fabrizierten, während der junge Mann in Nizza dem Vergnügen frönte) verkündete, er sei nun „off to London“, auch wenn er das nicht genießen könne wegen zuviel Arbeit. Gleich darunter diskutierte eine Ex-Kollegin mit pakistanischen Wurzeln die Flutkatastrophe in dürren Worten, die der Realität nicht gerecht werden können. Zwei Leben, grosser Unterschied.
Man vergißt leicht, daß Pakistan ein riesiges und bevölkerungsreiches Land ist. Mit 803.000 Quadratkilometern ist es mehr als doppelt so groß wie Deutschland und hätten alle 170 Millionen Einwohner ein vernünftiges Einkommen (und kein Pro-Kopf-Einkommen von lächerlichen 1.000 USD pro Jahr), die Zustände nach der Flut wären immer noch verheerend. Jedes Land dieser Welt wäre mit dieser Situation heillos überfordert.
Haiti ist noch nicht lange her, ein Freund von mir leitet dort immer noch eine NGO und kümmert sich um Waisen und verlorene Kinder. Damals gab es viele Tote, viele Probleme, aber wenigstens sahen alle hin. Was mich ja beinahe schon wieder gestört hat. Diesmal jedoch gibt es kaum Tote, nur 20 Millionen obdachlose Flüchtlinge, und ein Viertel überflutete Landesfläche.
Die Zahlen sind so absurd, daß man vielleicht einen Moment drüber nachdenken, sie ins Verhältnis setzen muß. Ein Viertel der Landesfläche entspricht der Hälfte von Deutschland. Und 20 Millionen Menschen, das entspricht der Bevölkerung ganz Londons. Oder einem Viertel aller Bundesbürger. Ein Viertel aller Deutschen heimatlos, ohne Hab und Gut, auf der Flucht. Das ist mehr, als ich mir vorstellen kann. In Haiti waren die Zahlen noch sechsstellig – das hier jedoch ist eine andere Dimension. Der Tod allerdings kommt erst später, vielleicht interessiert es die Medien und Menschen deswegen so viel weniger. Sterben werden hunderttausende Kinder und Alte an Unterernährung und Seuchen, aber nicht sofort, sondern in ein paar Wochen. In dem Chaos wird es vermutlich auch kaum jemand zählen, die harten Fakten bleiben uns vielleicht erspart.
Und dann ist es doch so: Haiti, da denkt man an Südsee, Urlaub in DomRep, Sandstrände, fröhliche Musik, und jeder kennt jemanden, der schon mal in der Region war, so schön, toller Urlaub. Der Bürgerkrieg fand weitenteils unterhalb des europäischen Medienradars statt, das Elend, die Korruption, die Katastrophen dieses nicht-endenden UN-Sorgenkinds. Pakistan hingegen ist ein ganz anderer Fall. Da gibt es Korruption, Atomraketen und vor allem: Taliban. Taliban, die auch jetzt bestimmt die Hilfsgelder einsammeln, und – mit oder ohne Geld – uns bedrohen. Pakistan genießt keinen sehr schönen Ruf bei uns, sicher nicht ganz zu Unrecht. Pech für die hungernden, obdachlosen, verlorenen Pakistanis, daß solche Wahrnehmungen und Gefühle möglicherweise den Spendenreflex bremsen. Pech, wenn man das Gefühl hat, mit Spendengeldern nur korrupte Politiker zu alimentieren. Das mag so sein, ich weiß es nicht, aber gerade jetzt ist mir das auch egal.
Vor zwölf Jahren haben meine Geschwister und ich Weihnachten beschlossen, für die hungernden, frierenden Kinder in Afghanistan nach dem Erdbeben zu spenden, statt uns zu beschenken. Noch ist nicht Weihnachten und in Pakistan ist auch noch nicht Winter, aber spenden werde ich jetzt. Sofort.
Das geht übrigens sogar online, und alle zuverlässigen Organisationen veröffentlichen die Quote ihrer Verwaltungsausgaben. Welthungerhilfe sieht gut aus. DRK ebenso. Oder auf das DZI-Spendensiegel achten.
Man vergißt leicht, daß Pakistan ein riesiges und bevölkerungsreiches Land ist. Mit 803.000 Quadratkilometern ist es mehr als doppelt so groß wie Deutschland und hätten alle 170 Millionen Einwohner ein vernünftiges Einkommen (und kein Pro-Kopf-Einkommen von lächerlichen 1.000 USD pro Jahr), die Zustände nach der Flut wären immer noch verheerend. Jedes Land dieser Welt wäre mit dieser Situation heillos überfordert.
Haiti ist noch nicht lange her, ein Freund von mir leitet dort immer noch eine NGO und kümmert sich um Waisen und verlorene Kinder. Damals gab es viele Tote, viele Probleme, aber wenigstens sahen alle hin. Was mich ja beinahe schon wieder gestört hat. Diesmal jedoch gibt es kaum Tote, nur 20 Millionen obdachlose Flüchtlinge, und ein Viertel überflutete Landesfläche.
Die Zahlen sind so absurd, daß man vielleicht einen Moment drüber nachdenken, sie ins Verhältnis setzen muß. Ein Viertel der Landesfläche entspricht der Hälfte von Deutschland. Und 20 Millionen Menschen, das entspricht der Bevölkerung ganz Londons. Oder einem Viertel aller Bundesbürger. Ein Viertel aller Deutschen heimatlos, ohne Hab und Gut, auf der Flucht. Das ist mehr, als ich mir vorstellen kann. In Haiti waren die Zahlen noch sechsstellig – das hier jedoch ist eine andere Dimension. Der Tod allerdings kommt erst später, vielleicht interessiert es die Medien und Menschen deswegen so viel weniger. Sterben werden hunderttausende Kinder und Alte an Unterernährung und Seuchen, aber nicht sofort, sondern in ein paar Wochen. In dem Chaos wird es vermutlich auch kaum jemand zählen, die harten Fakten bleiben uns vielleicht erspart.
Und dann ist es doch so: Haiti, da denkt man an Südsee, Urlaub in DomRep, Sandstrände, fröhliche Musik, und jeder kennt jemanden, der schon mal in der Region war, so schön, toller Urlaub. Der Bürgerkrieg fand weitenteils unterhalb des europäischen Medienradars statt, das Elend, die Korruption, die Katastrophen dieses nicht-endenden UN-Sorgenkinds. Pakistan hingegen ist ein ganz anderer Fall. Da gibt es Korruption, Atomraketen und vor allem: Taliban. Taliban, die auch jetzt bestimmt die Hilfsgelder einsammeln, und – mit oder ohne Geld – uns bedrohen. Pakistan genießt keinen sehr schönen Ruf bei uns, sicher nicht ganz zu Unrecht. Pech für die hungernden, obdachlosen, verlorenen Pakistanis, daß solche Wahrnehmungen und Gefühle möglicherweise den Spendenreflex bremsen. Pech, wenn man das Gefühl hat, mit Spendengeldern nur korrupte Politiker zu alimentieren. Das mag so sein, ich weiß es nicht, aber gerade jetzt ist mir das auch egal.
Vor zwölf Jahren haben meine Geschwister und ich Weihnachten beschlossen, für die hungernden, frierenden Kinder in Afghanistan nach dem Erdbeben zu spenden, statt uns zu beschenken. Noch ist nicht Weihnachten und in Pakistan ist auch noch nicht Winter, aber spenden werde ich jetzt. Sofort.
Das geht übrigens sogar online, und alle zuverlässigen Organisationen veröffentlichen die Quote ihrer Verwaltungsausgaben. Welthungerhilfe sieht gut aus. DRK ebenso. Oder auf das DZI-Spendensiegel achten.
damenwahl,
Dienstag, 17. August 2010, 23:36
Wo ich schon mal dabei bin: ich bin nicht die einzige, der die Unlust zur Wohltätigkeit auffällt. Und in Haiti, so scheint es, ging auch nicht alles mit rechten Dingen zu.
badschandex,
Mittwoch, 18. August 2010, 01:36
Danke für die Erinnerung. Das habe ich gerade getan.