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Schuß fahren
damenwahl | 19. Januar 10 | Topic 'Liebschaften'
Ich bin kein mutiger Mensch. Ich habe Angst vor Horrorfilmen, ungesicherten Höhen, und auch vor schnellem Tempo, wenn kein Autokäfig um mich herum ist. Sollte Sie das jetzt wundern bei jemandem, der freiwillig im Kongo war: Kinshasa ist völlig ungefährlich und kein Ausweis besonderen Mutes.
Ich war noch ein Teenager als meine Eltern meinten, die sportliche Bildungslücke namens Skifahren schließen zu müssen und mich im Winter in die Alpen verfrachteten. Zu alt für den Kinderkurs, zu jung für den Erwachsenenkurs, quälte ich mich eine Woche lang entsetzlich auf zwei Brettern den Idiotenhügel hinunter. Überhaupt meinte das Schicksal es nicht gut mit mir, der von Freunden geliehene Schneeanzug war eine Scheußlichkeit sondergleichen und jenen einen Tag, den ich mich mit der Gruppe auf eine richtige Piste wagte, fegte mich jemand beim Kreuzen der Liftstrecke vom Teller und mir die Skier von den Füßen. Ich irrte minutenlang – mich einsam in der Wildnis wähnend – mit den Skiern in der Hand hin und her, bis die Gruppe mich auf der Abfahrt wieder einsammelte. Den Rest der Woche verbrachte ich ausschließlich auf dem Idiotenhügel zwischen Halbwüchsigen und verabscheute die ganze Angelegenheit, einzig die köstliche Schweizer Schokolade morgens beim Bäcker tröstete mich über die Qualen hinweg, die ich in diesem Urlaub erleiden mußte.
Jahre später entschied der erweiterte Freundeskreis, ein anderes Alpenland zum Skifahren aufsuchen zu wollen und ich mußte wider Willen mittun, um nicht die größte und längste Party meiner Studienzeit zu verpassen. Ich legte mir schicke Skikleidung zu, in der ich wenigstens optisch kein Malheur auf der Piste mehr sein würde und wappnete mich fürs Schlimmste. Erstaunlicherweise war ich dieses Mal trotz aller Defizite in der Körperkoordination den blauen Pisten schon nach zwei Tagen gewachsen, insbesondere jener Abfahrt von der Hütte hinunter, wo sich alle mittags und spätnachmittags zur Pause trafen. Allerdings: der Lift führte nur auf einen ersten Gipfel, von wo aus man ein kurzes Stück abwärts und dann noch etwas weiter aufwärts zur Hütte auf einem zweiten Gipfel fahren mußte – vernünftigerweise die Abfahrt im Schuß nehmend, um auf der anderen Seite hochzugleiten. Ich jedoch – traute mich nicht. Stets wartete ich geduldig auf der Kuppe, bis niemand mehr in Sichtweite war, der mir hätte in die Quere kommen können, kurvte dann vorsichtig in kleinen Bögen den Abhang hinunter und arbeitete mich sodann auf der anderen Seite mühsam wieder hoch, einen Skier nach dem anderen. Zweimal täglich rutschte ich vorsichtig aus dem Lift, stand am Rande der Abfahrt und fixierte die andere Seite, sehnsüchtig die anderen eleganten Skihaserln bewundernd, die grazil das kleine Stück hinunter- und auf der anderen Seite mühelos wieder hochrauschten, aber unfähig, es ihnen nachzutun. Drei Tage lang marterte ich mich, wollte so gerne und traute mich nicht. Einen Knoten im Bauch, hin- und hergerissen zwischen Wollen und Bedenken, rutschte ich ein Stück vor an die Kante, rutschte zurück, rutschte wieder vor und wagte es doch nicht. Man versuchte, mir Mut zu machen, mich zu überzeugen, wie leicht mir das Schuß fahren fallen würde, redete mir gut zu, bot an, mich zu begleiten – ich aber blieb standhaft zaghaft und traute mich nicht, so gerne ich auch irgendwie und eigentlich wollte.
Beinahe war der Urlaub schon vorbei und ich zögerte und zauderte noch immer, ein ums andere Mal, als jemand sich meiner Zwiespältigkeit annahm, mir mittags auf die Kuppe folgte und nach kurzer, wie stets erfolgloser, Diskussion kurzerhand von hinten einen Schubs gab und mich feige Nuß endlich im Schuß den Hang hinunterschickte. Der Schnee knirschte unter den Skiern, ich kämpfte ums Gleichgewicht und sah mich schon blamabel hinfallen vor aller Augen. Erschrocken von der mir aufgezwungenen Courage und dabei froh, daß man mir die Entscheidung abgenommen hatte, ging es abwärts, so viel schneller als ich dachte. Mit klopfendem Herzen und in einer Welle von Adrenalin und Glück fegte mir der Fahrtwind um die Nase, während ich den Hang hinunter und auf der anderen Seite ach! so elegant wieder hinaufglitt – und es war großartig. Völlig unbegreiflich, warum ich nicht früher die Chance genutzt hatte, jede Sekunde genießend, stets mit ein bißchen Herzklopfen, weil es so schnell und so abwärts ging, verbrachte ich die verbleibende Zeit damit, vor Freude jauchzend Schuß zu fahren. Und konnte gar nicht genug bekommen von diesem Vergnügen.
Ich war noch ein Teenager als meine Eltern meinten, die sportliche Bildungslücke namens Skifahren schließen zu müssen und mich im Winter in die Alpen verfrachteten. Zu alt für den Kinderkurs, zu jung für den Erwachsenenkurs, quälte ich mich eine Woche lang entsetzlich auf zwei Brettern den Idiotenhügel hinunter. Überhaupt meinte das Schicksal es nicht gut mit mir, der von Freunden geliehene Schneeanzug war eine Scheußlichkeit sondergleichen und jenen einen Tag, den ich mich mit der Gruppe auf eine richtige Piste wagte, fegte mich jemand beim Kreuzen der Liftstrecke vom Teller und mir die Skier von den Füßen. Ich irrte minutenlang – mich einsam in der Wildnis wähnend – mit den Skiern in der Hand hin und her, bis die Gruppe mich auf der Abfahrt wieder einsammelte. Den Rest der Woche verbrachte ich ausschließlich auf dem Idiotenhügel zwischen Halbwüchsigen und verabscheute die ganze Angelegenheit, einzig die köstliche Schweizer Schokolade morgens beim Bäcker tröstete mich über die Qualen hinweg, die ich in diesem Urlaub erleiden mußte.
Jahre später entschied der erweiterte Freundeskreis, ein anderes Alpenland zum Skifahren aufsuchen zu wollen und ich mußte wider Willen mittun, um nicht die größte und längste Party meiner Studienzeit zu verpassen. Ich legte mir schicke Skikleidung zu, in der ich wenigstens optisch kein Malheur auf der Piste mehr sein würde und wappnete mich fürs Schlimmste. Erstaunlicherweise war ich dieses Mal trotz aller Defizite in der Körperkoordination den blauen Pisten schon nach zwei Tagen gewachsen, insbesondere jener Abfahrt von der Hütte hinunter, wo sich alle mittags und spätnachmittags zur Pause trafen. Allerdings: der Lift führte nur auf einen ersten Gipfel, von wo aus man ein kurzes Stück abwärts und dann noch etwas weiter aufwärts zur Hütte auf einem zweiten Gipfel fahren mußte – vernünftigerweise die Abfahrt im Schuß nehmend, um auf der anderen Seite hochzugleiten. Ich jedoch – traute mich nicht. Stets wartete ich geduldig auf der Kuppe, bis niemand mehr in Sichtweite war, der mir hätte in die Quere kommen können, kurvte dann vorsichtig in kleinen Bögen den Abhang hinunter und arbeitete mich sodann auf der anderen Seite mühsam wieder hoch, einen Skier nach dem anderen. Zweimal täglich rutschte ich vorsichtig aus dem Lift, stand am Rande der Abfahrt und fixierte die andere Seite, sehnsüchtig die anderen eleganten Skihaserln bewundernd, die grazil das kleine Stück hinunter- und auf der anderen Seite mühelos wieder hochrauschten, aber unfähig, es ihnen nachzutun. Drei Tage lang marterte ich mich, wollte so gerne und traute mich nicht. Einen Knoten im Bauch, hin- und hergerissen zwischen Wollen und Bedenken, rutschte ich ein Stück vor an die Kante, rutschte zurück, rutschte wieder vor und wagte es doch nicht. Man versuchte, mir Mut zu machen, mich zu überzeugen, wie leicht mir das Schuß fahren fallen würde, redete mir gut zu, bot an, mich zu begleiten – ich aber blieb standhaft zaghaft und traute mich nicht, so gerne ich auch irgendwie und eigentlich wollte.
Beinahe war der Urlaub schon vorbei und ich zögerte und zauderte noch immer, ein ums andere Mal, als jemand sich meiner Zwiespältigkeit annahm, mir mittags auf die Kuppe folgte und nach kurzer, wie stets erfolgloser, Diskussion kurzerhand von hinten einen Schubs gab und mich feige Nuß endlich im Schuß den Hang hinunterschickte. Der Schnee knirschte unter den Skiern, ich kämpfte ums Gleichgewicht und sah mich schon blamabel hinfallen vor aller Augen. Erschrocken von der mir aufgezwungenen Courage und dabei froh, daß man mir die Entscheidung abgenommen hatte, ging es abwärts, so viel schneller als ich dachte. Mit klopfendem Herzen und in einer Welle von Adrenalin und Glück fegte mir der Fahrtwind um die Nase, während ich den Hang hinunter und auf der anderen Seite ach! so elegant wieder hinaufglitt – und es war großartig. Völlig unbegreiflich, warum ich nicht früher die Chance genutzt hatte, jede Sekunde genießend, stets mit ein bißchen Herzklopfen, weil es so schnell und so abwärts ging, verbrachte ich die verbleibende Zeit damit, vor Freude jauchzend Schuß zu fahren. Und konnte gar nicht genug bekommen von diesem Vergnügen.
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