Freitag, 29. Januar 2010
Dummreisende
Es ist doch immer wieder überraschend zu sehen, wie wenig Umsicht und Verstand der durchschnittliche Reisende an den Tag legt. Spätestens wenn es ans Boarding im Flughafen geht, wird der Mensch zum Tier und vor dem Schalter werden subtile Hahnenkämpfe zwischen gepflegten Businessherrschaften ausgetragen, als gebe es einen besonders hohen Bonus. Jeden Millimeter Boden und jede Wendung der Schlange gilt es zu nutzen, während an der Oberfläche bedeutsame Gespräche über nichtssagende Wirtschaftsthemen geführt werden. Besonders kurios wird es jedoch, wenn die Fluggesellschaft die Bedingungen verschärft und das Boarding nach Reihen geordnet durchführen möchte. Wir bitten nun die Passagiere der Reihen 14 bis 21 zum Boarding. Wenn ich – Reihe 18 – mir dann die Personen anschaue, die in den Reihen 1 bis 14 sitzen, frage ich mich unwillkürlich: haben die Herren (es sind mehrheitlich Männer) ihren Abschluß in Betriebswirtschaft im Lotto gewonnen? An einer Privatuni gekauft? Am Zigarettenautomaten gezogen? Auch wenn ich keine sonderlich hohe Meinung vom BWL-Studium habe, muß ich doch zugestehen, ohne die Fähigkeit bis 14 zu zählen dürfte der Abschluß an einer ordentlichen Universität schwierig gewesen sein. Ähnlich dämliche Szenen spielen sich umgehend nach der Landung ab. Um mich herum melden sich unzählige Telefone mit jenen entsetzlichen Klingeltönen zurück. Haben die Menschen denn alle keinerlei Diskretion mehr? Ausmachen, den Ton, bitte. Davon abgesehen würde die Welt vermutlich auch nicht untergehen, wenn die Herrchen all der Spielereien noch fünf Minuten länger ohne telekommunikative Verbindung wären. Wenn man schon abhängig von sowas ist, würde ich mir ja wenigstens Mühe geben, meine Sucht diskret auszuleben, aber diese spezielle Sucht ist ja inzwischen gesellschaftsfähig geworden. Sobald die Maschine anhält, springt regelmäßig mindestens die Hälfte der Fluggäste auf, rafft ihr Gepäck zusammen und wendet sich zum Ausgang – nur um dann doch noch zehn Minuten lang im Gang herumzustehen. Wie zu erwarten war. Was treibt diese Personen? Glauben sie, es ging schneller, wenn sie schon stehen? Das Gegenstück am anderen Ende der Skala sind jene drei bis vier Exemplare, die zwar ebenfalls umgehend im Gang stehen, aber ihr Gepäck erst zusammensuchen, wenn die Schlange vor ihnen Richtung Ausgang verschwunden ist und damit dann tatsächlich alle anderen aufhalten.

Angenehm nett im Vergleich dazu die Szene am Flughafen-Bahnhof. Ich stand am äußersten Ende im Windschatten einer Glaswand, ein schlaksiger junger Mann mit Struwwelfrisur gesellte sich hinzu. Ein großer Backpacking Rucksack, eine Zeitung mit asiatischen Schriftzeichen im Gepäck, Aufkleber DBX am Gepäck. Dubai als Transit, vermute ich. Er sah sehr jung aus und ich fühlte mich sehr alt. Er stellte seinen Rucksack ab, grüßte (!), ließ sich auf die Bank fallen und öffnete hungrigen Blickes ein eingeschweißtes Putensandwich. Danach erhob er sich und erging sich in Turnübungen auf dem Bahnsteig. Streckte die langen Glieder, schlug die Fersen an den Hintern, zog die Knie hoch, und schlenkerte mit den Beinen. Alles völlig unbefangen, unter den neugierigen Blicken der übrigen Wartenden. Ließ ein Geldstück fallen, bückte sich und lächelte verlegen, als unsere Blicke sich trafen. Ein klein bißchen spontane Sympathie und Gemeinsamkeit in der flüchtigen, unverbindlichen Reisewelt. Sowas aber auch.

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