Donnerstag, 8. April 2010
Neuigkeiten
Ich könnte von den ganzen unerfreulichen Neuigkeiten berichten, die das Schicksal in den letzten vierundzwanzig Stunden über mir ausgekippt hat, aber das wäre wenig unterhaltsam. Also reden wir lieber über die Neuigkeiten in meiner Lieblingskatastrophenmetropole.
Ich bin ja nun zum ersten Mal in einem der zwei besten Hotels am Platze und auch das ist eine interessante Erfahrung. Die Aussicht ist weniger malerisch und ich vermisse den Blick auf den Fluß enorm, aber das Zimmer ist nicht schlecht und der Service geradezu rührend bemüht – im Gegensatz zur Kaltschnäuzigkeit des Rezeptionspersonals. Komme ich abends in mein Zimmer, so hat jemand die Vorhänge zugezogen, den Fernseher angemacht (!?) und zwei kleine Schokobonbons mit dem Zimmerfrühstücksbestellformular dekorativ auf dem Bett platziert. Da ich die nie esse, sondern auf den Nachttisch beiseite lege, werden es immer mehr. Bis ich hier fertig bin, habe ich vermutlich eine ganze Tüte beisammen. Bedauerlicherweise wurde im Übereifer der Putzaktion (täglich neue Handtücher, täglich neue Bettwäsche) auch meine halbvolle Saftdose heute entsorgt bei der Zimmerreinigung und da die Minibar aus unerfindlichen Gründen abgeschlossen ist, kann ich nicht mal mehr eine Zigarette mit Getränk genießen. Sehr ärgerlich, das.
Das Frühstück hingegen ist ganz nach meinen Wünschen und ich begreife kaum die Beschwerden der Kollegen. Schön, für Obstsalat, Joghurt, verschiedene Müslis, Toast & Brot mit Aufschnitt plus Marmelade und Kleingebäck (Eierspeisen aller Art extra zu bezahlen) sind die 25 USD, die man dafür früher zusätzlich zur Übernachtung investieren mußte, recht viel, aber frische Ananas und Papaya plus ein Schokocroissant am Morgen machen mich zu einem glücklichen Menschen. Zumal inzwischen das Frühstück im Preis inbegriffen ist. Dafür ist der Zimmerpreis um 30 USD gestiegen. Ungeachtet solcher Petitessen ist dieses Hotel immer noch eine der angenehmsten Adressen vor Ort, bald allerdings könnte sich das ändern.
Eine große Baufirma hat nämlich inzwischen den wunderbaren Marché des Voleurs Valeurs dem Erdboden gleichgemacht, die dahinterliegende Baustelle für eines der zwei oder drei neuen Nobelhotelprojekte hat sich dafür geschwürartig ausgebreitet, und zwar in alle Richtungen. Der Souvenir-Markt (wo man sogar Leopardenfelle kaufen konnte) ist weg, der Rondpoint davor ebenfalls, der alte Busbahnhof Gare Centrale gleichermaßen, alles ist jetzt Baustelle und Wellblechzäune. Auch nach oben ist das Projekt gewachsen, seit Dezember sind fünf Etagen in die Höhe geschossen, der Anbau im Bungalowstil hingegen, der eines schönen Tages ein Helikopterlandeplatz werden soll, ist noch unsichtbar. Unter dem Fortschritt dieses Megaprojektes gelitten haben weiterhin die Straßen drumherum – das kann aber auch der Regen gewesen sein. Die Schlaglöcher sind so tief, daß man kaum noch vorwärts kommt, kleine Autos hoppeln geradezu über Schotterstrecken mit tennisballgroßen Steinen und selbst der geduldigste Kollege findet keine Worte, seiner Frustration Ausdruck zu verleihen. Eine Strecke von kaum fünf Minuten dauert inzwischen mindestens fünfzehn – nur wegen der Straßenqualität. Und auf der schlimmsten Straße, die ich überhaupt kenne, ist der Asphalt an einigen Stellen tunnelartig über einen Meter tief eingebrochen.

Wenn ich schon bei Straßen bin: die Chinesen im Flugzeug waren vielleicht dafür da, damit es beim Boulevard endlich vorwärts geht. Hoffe ich wenigstens. Der Boulevard ist ja als Hauptverkehrsstraße des Business-Stadtteils ziemlich breit, und am Tag meiner Ankunft wurde die Hälfte der Fahrbahn – Breite wie etwa dreispurig – neu geteert. Den gaffenden Menschenaufläufen am Straßenrand nach hätte man meinen sollen, hier würde ein Volksfest gefeiert, es war aber wirklich nur die Walzmaschine. Jetzt muß die neue Asphaltierung natürlich härten, oder so, und deswegen wurden sämtliche Einfahrten und die Mittelspur mit Felsbrocken in der Größe eines kleinen Fernsehers abgesperrt. Alle Meter liegt einer, man kann nirgendwo mehr abbiegen, alle Fahrzeuge drängen sich auf der verbliebenen Fahrbahnbreite und die Staus sind schlimmer denn je. Immerhin: praktisch ist es, daß Fahrbahnmarkierungen nie vorhanden waren, so muß man jetzt auch nichts ändern (die gelben Markierungen auf deutschen Straßen werden ganz sicher völlig überschätzt – die weißen auch, wenn ich so überlege). Trotzdem äußerten alle drei Fahrer der letzten zwei Tage die schönsten Hoffnungen, daß es nun bald sehr viel besser würde mit dem Verkehr und Kinshasas Straßen überhaupt auf einem guten Weg seien. Das wiederum halte ich für eine maßlose Fehleinschätzung, aber bitte.

Überhaupt, der Regen. Nicht nur hat er viele neue Schlaglöcher in die Straßen gespült, er macht auch das Klima ungewohnt unangenehm. Es ist heißer als zuvor, schlimmer noch: es ist feuchter. Meine Haare ringeln sich leicht von der Luftfeuchtigkeit und schon nach zwei Minuten im klimatisierten Auto beschlagen meine Brillengläser bis zur Undurchsichtigkeit, wenn ich nach draußen komme. In Deutschland hat man das im Winter, wenn man sehr feuchte Räume betritt (Turnhallen, Schwimmbäder) – hier habe ich das tagtäglich, nur umgekehrt und dadurch immer wieder Anlaß zur Verwunderung über die Fremdartigkeit dieses Landes, die mir in solchen Details manchmal am meisten bewußt wird.

Nicht fremd hingegen war mir der Fahrer D., dem ich gleich am ersten Tag vorm Hotel begegnete und der meine Hand mit der Leidenschaft eines werbenden Politikers schüttelte und über das ganze Gesicht strahlte. Nicht fremd war mir auch der andere Fahrer, der mir auf dem Hotelparkplatz aus dem Auto heraus zuwinkte, ebenfalls sichtlich erfreut. Das immerhin sind die kleinen Lichtblicke und die Gründe, warum ich dieses Land und vor allem seine Menschen so mag.

Permalink (5 Kommentare)   Kommentieren