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In guter Gesellschaft
Den heutigen Tag in trauter Zweisamkeit mit meinen Dämonen verbracht. Einer dieser Tage, an denen einen jeder Anblick melancholisch macht, jeder Gedanke von Wehmut über vergangene Zeiten begleitet ist, und man ohne Unterlaß gedanklich am eigenen Scheitern kaut, all den Dingen im Leben, die man anders hätte besser machen können oder wo das Schicksal ungerecht war.
Wenn man in einem Umfeld wanderwütiger Kollegen lebt, selbst aber aller Wanderlust durch eine Überdosis verlustig gegangen ist, macht das solche Wochenenden nicht einfacher. Freitag zum Beispiel, mit einer Kollegin beim Kaffee:
Ich so: Und bist Du dieses Wochenende hier?
Sie so: Hm, eigentlich sollte ich ein paar Sachen von Zuhause besorgen, aber bei dem schönen Wetter im Zug zu sitzen... ich überlege noch.
Ich so: Die Kollegen Fritzchen und Fridolin wollen wandern gehen, ich habe überlegt, ein bißchen nach Konstanz zum Bummeln zu fahren.
Sie so, errötend: Ich wäre dann doch auch eher für wandern.
So ist das also. Eigentlich war mir am Samstag morgen über Frühstück und Zeitung die letzte Lust zu einem Einkaufsausflug auf der anderen Seite der Grenze vergangen und die paar Toilettenartikel, die ich kaufen wollte, so sagte ich mir, könnten in der Schweiz ja kaum soviel teurer sein. Ein paar Franken, was soll's. Nach zwei Stunden Arbeit vor dem Computer (Dämonen mögen Arbeit nicht, sind sehr faul, meine jedenfalls, und nehmen beim Anblick der Zahlen Reissaus) raffte ich mich zu den notwendigen Besorgungen auf, stand eine halbe Stunde später im Coop und stellte fest: Zeug-zum-Haare-schön-machen kostet hier 15,90 CHF. In Worten: fünfzehn Komma neunzig Franken. Die ganz billigen Varianten, in den unteren Regaletagen versteckt, noch immer zwölf Franken, die teuersten über zwanzig. Nachdem ich mich vom ersten Schrecken dieser Mondpreise erholt hatte, rechnete ich nach: zwölf Franken die Zugfahrt, vier Euro das gewünschte Produkt in Deutschland – rechnet man den Aufwand nicht ein, lohnt sich die Fahrt schon für eine dumme Flasche Drogerieprodukt.
Eine Stunde später war ich in Konstanz und durchaus angetan. Das ist wirklich ein putziges, kleines Nest. Viele schöne Häuser, alte Bleiglasfenster, versteckte Gassen, wunderbare Cafés. Selbstverständlich sah ich den einzigen Kollegen, der dort wohnt, auf dem Marktplatz. Er mich nicht, ich war versteckt hinter meiner Sonnenbrille, distanziert vom Leben um mich herum, ein Beobachter ohne gesehen zu werden. Gefühlt, zumindest.
Nachdem die Pflichteinkäufe abgearbeitet waren, sammelte ich den Rest des Tages unzusammenhängende Eindrücke vom Leben.
Ich wußte nicht, daß ich Kastanien am Geruch erkennen kann, aber so ist es. Noch bevor ich den ersten Baum auf dem Münsterplatz wahrgenommen hatte, war mir klar: hier stehen herbstliche Kastanien.
Ich habe keine Ahnung, warum ich als Kind Softeis so sensationell fand, heute schmeckte es einfach nur fade. Aber das Wasser des Bodensees im Hafen war so unendlich türkis, als hätte jemand die Realität gefotoshopt.
Die Schweizer sind mir immer noch ein Rätsel. Die eine Hälfte pflegt liebevoll verschindelte Giebelhäuschen mit bunten Klappläden. Gerne zum Beispiel grüne Fensterrahmen und rote Klappläden. Oder gelbe Wände und knallblaue Klappläden. Die andere wohnt in kubistischen Eigenwilligkeiten aus Stahl, Holz und Glas. Noch weniger verstehe ich sie, wenn sie den Mund aufmachen.
Worin besteht der Sinn, Wohnwagen in Campinganlagen zu sammeln, am Boden festzuschrauben und mit Terrasse und unhandlichen Gartenmöbeln zu dekorieren? Ich dachte, Wohnwägen wären zum Reisen da.
Schön: eine Obstplantage, bei der ein liebevoller Geist vor den Kopf jeder Bäumchen-Reihe einen Rosenzweig gepflanzt hatte. Mein Opa liebte Rosen. Und seinen Rosengarten. Ein paar Meter weiter ein Pferd, buchstäblich im Hintergarten weidend.
Die Post hatte erwartungsgemäß die am Mittwoch bestellte Buchsendung aus Deutschland noch nicht geliefert, dafür aber einen Brief aus den Staaten, ebenfalls Mittwoch aufgegeben. Verkehrte Welt. Gut, daß ich im Buchladen am Bahnhof noch eingekauft habe, jetzt bin ich fürs Wochenende gewappnet. Ach ja: und einen Fahrradhelm erstanden, morgen werde ich den Dämonen davonradeln. Die sind nämlich nicht nur faul, sondern auch unsportlich und langsam.
Wenn man in einem Umfeld wanderwütiger Kollegen lebt, selbst aber aller Wanderlust durch eine Überdosis verlustig gegangen ist, macht das solche Wochenenden nicht einfacher. Freitag zum Beispiel, mit einer Kollegin beim Kaffee:
Ich so: Und bist Du dieses Wochenende hier?
Sie so: Hm, eigentlich sollte ich ein paar Sachen von Zuhause besorgen, aber bei dem schönen Wetter im Zug zu sitzen... ich überlege noch.
Ich so: Die Kollegen Fritzchen und Fridolin wollen wandern gehen, ich habe überlegt, ein bißchen nach Konstanz zum Bummeln zu fahren.
Sie so, errötend: Ich wäre dann doch auch eher für wandern.
So ist das also. Eigentlich war mir am Samstag morgen über Frühstück und Zeitung die letzte Lust zu einem Einkaufsausflug auf der anderen Seite der Grenze vergangen und die paar Toilettenartikel, die ich kaufen wollte, so sagte ich mir, könnten in der Schweiz ja kaum soviel teurer sein. Ein paar Franken, was soll's. Nach zwei Stunden Arbeit vor dem Computer (Dämonen mögen Arbeit nicht, sind sehr faul, meine jedenfalls, und nehmen beim Anblick der Zahlen Reissaus) raffte ich mich zu den notwendigen Besorgungen auf, stand eine halbe Stunde später im Coop und stellte fest: Zeug-zum-Haare-schön-machen kostet hier 15,90 CHF. In Worten: fünfzehn Komma neunzig Franken. Die ganz billigen Varianten, in den unteren Regaletagen versteckt, noch immer zwölf Franken, die teuersten über zwanzig. Nachdem ich mich vom ersten Schrecken dieser Mondpreise erholt hatte, rechnete ich nach: zwölf Franken die Zugfahrt, vier Euro das gewünschte Produkt in Deutschland – rechnet man den Aufwand nicht ein, lohnt sich die Fahrt schon für eine dumme Flasche Drogerieprodukt.
Eine Stunde später war ich in Konstanz und durchaus angetan. Das ist wirklich ein putziges, kleines Nest. Viele schöne Häuser, alte Bleiglasfenster, versteckte Gassen, wunderbare Cafés. Selbstverständlich sah ich den einzigen Kollegen, der dort wohnt, auf dem Marktplatz. Er mich nicht, ich war versteckt hinter meiner Sonnenbrille, distanziert vom Leben um mich herum, ein Beobachter ohne gesehen zu werden. Gefühlt, zumindest.
Nachdem die Pflichteinkäufe abgearbeitet waren, sammelte ich den Rest des Tages unzusammenhängende Eindrücke vom Leben.
Ich wußte nicht, daß ich Kastanien am Geruch erkennen kann, aber so ist es. Noch bevor ich den ersten Baum auf dem Münsterplatz wahrgenommen hatte, war mir klar: hier stehen herbstliche Kastanien.
Ich habe keine Ahnung, warum ich als Kind Softeis so sensationell fand, heute schmeckte es einfach nur fade. Aber das Wasser des Bodensees im Hafen war so unendlich türkis, als hätte jemand die Realität gefotoshopt.
Die Schweizer sind mir immer noch ein Rätsel. Die eine Hälfte pflegt liebevoll verschindelte Giebelhäuschen mit bunten Klappläden. Gerne zum Beispiel grüne Fensterrahmen und rote Klappläden. Oder gelbe Wände und knallblaue Klappläden. Die andere wohnt in kubistischen Eigenwilligkeiten aus Stahl, Holz und Glas. Noch weniger verstehe ich sie, wenn sie den Mund aufmachen.
Worin besteht der Sinn, Wohnwagen in Campinganlagen zu sammeln, am Boden festzuschrauben und mit Terrasse und unhandlichen Gartenmöbeln zu dekorieren? Ich dachte, Wohnwägen wären zum Reisen da.
Schön: eine Obstplantage, bei der ein liebevoller Geist vor den Kopf jeder Bäumchen-Reihe einen Rosenzweig gepflanzt hatte. Mein Opa liebte Rosen. Und seinen Rosengarten. Ein paar Meter weiter ein Pferd, buchstäblich im Hintergarten weidend.
Die Post hatte erwartungsgemäß die am Mittwoch bestellte Buchsendung aus Deutschland noch nicht geliefert, dafür aber einen Brief aus den Staaten, ebenfalls Mittwoch aufgegeben. Verkehrte Welt. Gut, daß ich im Buchladen am Bahnhof noch eingekauft habe, jetzt bin ich fürs Wochenende gewappnet. Ach ja: und einen Fahrradhelm erstanden, morgen werde ich den Dämonen davonradeln. Die sind nämlich nicht nur faul, sondern auch unsportlich und langsam.
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