Freitag, 24. Juli 2009
Kalte Küche
Da ich hoffe, daß es mich am Wochenende nicht ins Büro verschlagen wird, ich folglich kein Internet haben werde, bleibt die Küche hier am Wochenende kalt. Nur metaphorisch, allerdings, denn im wahren Leben verbringe ich meine Zeit seit der Ankunft hier vorwiegend mit Arbeiten und Essen. Die Auswahl an Freizeitgestaltungsmöglichkeiten ist einerseits eher begrenzt, andererseits gibt es hier viele sehr gute Restaurants (frankophone Länder haben ihre guten Seiten) und die Gesellschaft ist überaus spannend und anregend - kommt ja nicht jeder freiwillig hierher. Folglich muß ich sagen: ich habe in meinem gesamten Leben noch nie so oft so anständig gespeist wie hier.

In meiner ersten Woche waren wir einen Abend in einem feinen Restaurant, da hatte ich Hühnchen in Estragon-Sauce und zum Nachtisch Mousse au Chocolat (sündhaft gut, sündhaft teuer, wie Sie sich vielleicht noch erinnern). Dann waren wir auf Dienstreise und ich kam in den Genuß eines Buffets mit vorwiegend afrikanischen Spezialitäten. Besonders erwähnenswert dabei eine pappige weiße Masse – Fufu – die als Beilage gereicht wird und unter anderem aus Maniok und Mehl besteht. Völlig unspektakulär. Als Dessert gab es übrigens – Bananen, sonst nichts. Affenhirn war nicht dabei, soweit ich mich erinnere.

Letztes Wochenende kam schon morgens zum Frühstück Besuch vorbei, Samstag und Sonntag, nach einem kurzen Abstecher zur Patisserie. Im Gepäck: Pain au Chocolat, Pain à l’amande, und Rosinenschnecken. Am Sonntag plus Tartelettes. Weil Madame la Mitbewohnerin meist au régime ist und ich ein bescheidener Gast bin, verbringe ich den Rest der Woche damit, die Rest zu vernichten. Angenehm. Mittags waren wir dann ausnahmsweise afrikanisch essen, unter anderem gegrillte Ziege (im Hintergrund, Konsistenz wie Schuhsohle) und Hähnchen in Palmöl-Erdnußsauce (im Vordergrund, ausgesprochen gut).



Am Dienstag Abend waren wir alle in einem neuen Restaurant, angeschlossen an einen der lokalen Freizeitvereine für die bessere Gesellschaft (Schwimmbecken olympischer Maße, Gärten, Yogakurse und andere Spielereien - für jene, die es sich leisten können), alles in weiß, sehr hübsch, sehr lecker. Da alle Hauptgerichte gleichermaßen unverschämt teuer sind (jawohl, Einheitspreis), hatte ich vorige Woche Rinderfilet, diese Woche Langustenschwänze in Knoblauchsauce. Nächstes Mal versuche ich die Piccata auf Linguini, denke ich. Madame la Mitbewohnerin als echte Französin kommt natürlich nicht ohne Wein aus, und hat bei der Auswahl ein sehr glückliches Händchen, wie ich finde. Am Mittwoch nun hatten Kollegen auf Dienstreise hier zu Besuch ihr Gruyère, Bresaola und Paté mitgebracht, zum Dank wurde bei ihr gekocht, die Mitbringsel gab es zur Vorspeise. Dazu Wein. Danach Cognac (viel!) und Schokolade und Weintrauben (zu zehn USD das Pfund, aus Belgien importiert). Morgen Abend hat sie wieder Gäste zum Essen eingeladen. Ich freue mich schon.

Zum Mittagessen fahren wir ebenfalls immer in die Bäckerei mit den feinen Tartelettes, es scheint nur diese und eine weitere Option zu geben. Italienische Sandwiches. Im Moment bin ich mit der Auswahl noch sehr zufrieden, verschiedene Brotsorten mit gegrilltem Gemüse, Schafskäse, manchmal Schinken. Und bevor mir das irgendwann in zwei Wochen langweilig werden kann, wird dieser Punkt demnächst aus dem Speiseplan gestrichen, weil ich da alleine nicht mehr hinkomme, wenn meine Kollegin weg ist und ich jede Taxifahrt teuer werde bezahlen müssen. Ich nehme an, daß ich mir dann was von zu Hause mitbringen werde. Als weiterer glücklicher Umstand hat sich heute ergeben, daß ich ab nächster Woche in einem Appartement im achten Obergeschoß residieren werde – und ich habe mich nicht versichert, daß es angesichts der vielen Stromausfälle einen Generator im Haus gibt. Insofern kann ich dieses Wochenende getrost zuschlagen. Sport ist ab nächster Woche garantiert.

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Donnerstag, 23. Juli 2009
Vier Stromausfälle innerhalb einer Stunde? Beim nächsten bekommen ich einen hysterischen Lachkrampf. Leider passt mein dicker deutscher Laptopstecker nicht in die klapprigen roten chinesischen Steckdosen hier - folglich ist mein Rechner jedes Mal tot, wenn es hier dunkel wird. Außerdem stellt unser Nachbar abends immer die Wasserpumpe aus (deren Pfeifen ihm angeblich den Schlaf raubt), so daß abends in der gesamten Wohnung kein Wasser mehr aus dem Hahn kommt. Der kräht dafür morgens früh um vier mit schöner Regelmäßigkeit, irgendwo um die Ecke. Und das in einem der besseren Viertel einer Millionenstadt.

Das hier könnte das Stromproblem lösen, übrigens. Kongo hat nämlich die größten Wasserfälle der Welt - nach Volumen.

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Mittwoch, 22. Juli 2009
Lichtblick
Manchmal wünschte ich, Reisen in fremde Länder wie vor hundert Jahren auf dem Boden zurücklegen zu können. Dann könnte meine Seele vielleicht eher mithalten und mein Geist wäre nicht völlig überfordert von der Vielzahl der Eindrücke. Vor vier Wochen saß ich wochenends, spätnachmittags, mit einem Martini in der Hand am Swimming Pool in Tunis. Vergangenes Wochenende hingegen saß ich spätnachmittags mit einem Bier in der Hand am Kongo. Dem Fluß. Im Rücken ein Labyrinth unverputzter Baracken, Wellblechhütten und eine Schotterpiste. Alles „under construction“ durch die Chinesen in einem solchen Ausmaß, daß meine Kollegin den Weg beinahe nicht mehr gefunden hätte.
Mit Hilfe von Holzbrettern überquerten wir einen tiefen Straßengraben, hinein in einen staubigen Irrgarten Richtung Flußufer. Auf dem Rückweg waren die Holzbretter weg, einen anderen Ausweg gab es nicht, nach einigem Verhandeln tauchten für umgerechnet zehn Dollar die Holzbretter wieder auf. Vorher waren wir bei einem Künstler in einem der Vororte. Naive Malerei, wirklich nicht mein Geschmack. Völlig verblüfft war ich jedoch von der Vielfalt der Themen, den kritischen Gedanken und der Aufmerksamkeit, mit der auch das Weltgeschehen verfolgt wird. Die Bilder setzten sich ausnahmslos kritisch mit dem Kongo auseinander: Generationenkonflikt – anzugtragende Herren, die spärlich bekleidete Tussis traditionell gewandeten Damen vorziehen. Obama und Sarkozy auf Staatsbesuch. Die angrenzenden Nachbarländer. Taschendiebstahl und Straßentricksereien. Die Vereinten Nationen, Ärzte ohne Grenzen – alles dabei. Die Bilder müssen mir nicht gefallen und ganz sicher würde ich mir keines davon jemals an die Wand hängen, aber soviel Lebendigkeit, kritischer Geist und Zivilgesellschaft – das ist ein Lichtblick in all dem Elend. Ebenso wie regierungskritische Artikel in der Zeitung. Kollegen sagen, jeder kann gegen entsprechendes Geld Artikel in Zeitungen unterbringen – aber eben immerhin jeder. Das ist ermutigend, irgendwie.

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