Das Elend dieser Welt
Früh morgens. Heute.
Wenn ich in meinem Hotelzimmer am Fenster stehe, schaue ich auf die Straßen vor dem Hotelportal. Gegenüber ist ein anderes, aber sehr schäbiges Hotel, in dem selbst die ärmste NGO ihre internationalen Mitarbeiter nicht unterzubringen wagen würde. Daneben ein heruntergekommenes Gebäude mit Appartements und kleinen Büros, unten einige Läden, gegenüber die Hauptfiliale eines Telekom-Anbieters. Tagsüber tobt in der Straße das pralle Leben. Vor dem Hotel stehen einige Wachkräfte und rufen gelegentlich die vielen kleinen Straßenhändler zur Ordnung. John, mein treuer Telefonkartenversorger, ein anderer bietet Geldwechsel, daneben Zigarettenverkäufer und Landkartenverkäufer und die an touristischen Orten unausweichlichen Anbieter von Tim und Struppi Bildern. Der Verkehr fließt unaufhaltsam, dauernd halten schöne Autos vor dem Portal und entlassen ihre Insassen in die glänzende, saubere Lobby, bevor die Fahrer sich auf den Parkplatz um die Ecke zurückziehen. Gegenüber auf der anderen Straßenseite weitere Verkäufer, gelegentlich passieren fliegende Händler die Straße, verkaufen billige Sandwiches und allerlei Krempel an die vor Ort auf der Straße stationierten Händler und Chauffeure. Dazwischen Frauen in ihren farbenfrohen Kleidern, die vom Schnitt immer wie europäisches Abendkleider aussehen, bettelnde Kinder und aller menschliches Strandgut, das irgendwie auf Ausbeute hofft angesichts der reichen Hotelklientel.
Sonntags nachts hingegen ist die Straße wie leergefegt. In der Ferne blinken einige Lichter am Mont Ngaliema, dem Edelviertel, unter mir leuchtet die Hotelreklame, ansonsten ist die Nacht hier dunkler als irgendwo in Europa. Die kleinen Läden gegenüber sind verrammelt, die Fenster im Appartementhaus fast alle dunkel. In der Gosse liegt Unrat, dadrüber thronen zwei Männer auf der Bürgersteigkante und unterhalten sich. Hinter ihnen sitzt eine junge, knappe gekleidete Frau auf einem Plastikstuhl und wartet – ich weiß nicht, worauf. In einer Nische vor einem der geschlossenen Läden liegt ein Mann. Er trägt eine dunkle Hose und ein helles Hemd, hat Pappen untergelegt. Ich kann im Abglanz der Hotelbeleuchtung nicht viel erkennen, aber er liegt wie ein Kind zusammengekauert in der Nische und schläft. Ohne daß ich es sehe, weiß ich, daß auf der anderen Straßenseite, auf der anderen Seite des Hotels weitere Menschen in den Nischen der Hotelmauern liegen, ich habe sie neulich beim heimkommen gesehen. Flüchtig, während mein Auto vorfuhr, habe ich den Anblick wohl wahrgenommen, aber über der Verabschiedung von den Kollegen und dem Treppensteigen zu meinem Zimmer, und der Planung des kommenden Tages den Eindruck schnell beiseite gewischt.
Jetzt aber stehe ich an meinem Fenster, hinter mir ein blitzend sauberes Bad und nicht minder sauberes Bett. Zwei mal zwei Meter, viel zu groß für mich alleine, zwei Kissen, eine riesige Bettdecke. Der dunkelrote Überwurf passt zu den dunkelroten Vorhängen und überhaupt ist alles recht hübsch. Neben mir, unter mir, über mir, weitere Zimmer von derselben Art, viele Betten und sicherlich manche davon leer. Gegenüber aber liegt der Mann und um die Ecke liegen Kinder auf der Straße. Kein Zuhause, kein Dach über dem Kopf, vermutlich höchstens eine Mahlzeit am Tag. Keine Bildung, kein Beruf, keine Zukunft. In einem Land, in dem man bei der Hochzeit noch Mitgift zahlen muß, vermutlich auch niemals Heirat und niemals Familie. Werden sie krank, wird sie kein Arzt behandeln. Werden sie alt, wird sich niemand kümmern. Werden sie sterben, bekommen sie ein Armengrab – falls es hier sowas gibt.
So gerne ich dem Gedanken ausweichen würde, ich kann nicht umhin, mich nach der Sinnhaftigkeit dessen zu fragen, was ich hier tue. Trägt meine Arbeit irgendwie dazu bei, diesem Mann zu helfen? Vermutlich nicht. Ich frage mich, ob ich irgend etwas anders machen könnte in meinem Leben, aber mir fällt nichts ein. Jetzt hinunter zu gehen und ihm hundert Dollar zu geben, würde wenig helfen. Könnte ich ihm eine Ausbildung bezahlen? Sagen wir mal, drei Jahre à 100 USD Lebenshaltungskosten im Monat, also 3.600 Dollar plus sechs mal 500 USD für Ausbildungskosten, macht insgesamt 6.600 Dollar insgesamt. Ich könnte also, vermutlich. Aber würde es was bringen? Und würde er das Geld nicht möglicherweise ganz anders anwenden? Würde er dann, mit Ausbildung, tatsächlich eine Stelle finden in diesem Land, wo ohne Kontakte und Beziehungen selbst der beste Universitätsabsolvent keine Chancen hat? Es ist leicht, festzustellen, sich selbst zu trösten, daß nichts, was ich persönlich ausrichten könnte mit meinen beschränkten Mitteln, mehr als ein Mini-Tropfen auf einem kochend-heißen Stein wäre und es daher von vorneherein sinnlos ist. Daß ich immerhin nicht meinen Hintern in einer Beratunsgesellschaft plattsitze und mein Geld damit verdiene, anderen den Job wegzurationalisieren. Obwohl mir das in jenem Moment lieber wäre, denn dann wäre ich nicht mit diesem Bild konfrontiert. Ich stehe immer noch am Fenster, länger als sonst, wenn die Zigarette schon aus ist. In so einem Moment kommt mir mein Leben sinnlos vor. Ich möchte nach Hause, ich möchte das nicht sehen, ich möchte dieses Bild nicht mein Leben lang mit mir herumtragen und wissen: es gibt Milliarden von Menschen, denen es auch an meinem Todestag, viele Jahre von heute, noch so elend gehen wird wie diesem Mann, gegenüber, in seiner Nische.
Ein Teil von mir möchte in solchen Momenten auf mehr verzichten. Weniger Gehalt, weniger Hotel, weniger Auto – damit mehr Geld bleibt, solchen Menschen zu helfen. Gleichzeitig habe ich Angst. Ich möchte nicht in fünfzig Jahren auf Hartz 4 angewiesen sein, ich möchte Rücklagen bilden, ich möchte ein angenehmes Leben haben, einkaufen, gut essen, in Konzerte gehen. Ich möchte nicht den letzten Pfennig meines Einkommens für gute Werke opfern, sondern auch Spaß an meinem eigenen Leben haben, aber wie kann ich das tun, wenn andere Menschen hungern? Zu Hunderttausenden? Wie kann ich, nachdem ich das gesehen habe, mich in meine weichen Federn kuscheln und vom nächsten Abenteuer träumen, während um mich herum 10 Millionen schlafen, für dieses Land kein Abenteuer ist, sondern bittere Realität?
Wenn ich in meinem Hotelzimmer am Fenster stehe, schaue ich auf die Straßen vor dem Hotelportal. Gegenüber ist ein anderes, aber sehr schäbiges Hotel, in dem selbst die ärmste NGO ihre internationalen Mitarbeiter nicht unterzubringen wagen würde. Daneben ein heruntergekommenes Gebäude mit Appartements und kleinen Büros, unten einige Läden, gegenüber die Hauptfiliale eines Telekom-Anbieters. Tagsüber tobt in der Straße das pralle Leben. Vor dem Hotel stehen einige Wachkräfte und rufen gelegentlich die vielen kleinen Straßenhändler zur Ordnung. John, mein treuer Telefonkartenversorger, ein anderer bietet Geldwechsel, daneben Zigarettenverkäufer und Landkartenverkäufer und die an touristischen Orten unausweichlichen Anbieter von Tim und Struppi Bildern. Der Verkehr fließt unaufhaltsam, dauernd halten schöne Autos vor dem Portal und entlassen ihre Insassen in die glänzende, saubere Lobby, bevor die Fahrer sich auf den Parkplatz um die Ecke zurückziehen. Gegenüber auf der anderen Straßenseite weitere Verkäufer, gelegentlich passieren fliegende Händler die Straße, verkaufen billige Sandwiches und allerlei Krempel an die vor Ort auf der Straße stationierten Händler und Chauffeure. Dazwischen Frauen in ihren farbenfrohen Kleidern, die vom Schnitt immer wie europäisches Abendkleider aussehen, bettelnde Kinder und aller menschliches Strandgut, das irgendwie auf Ausbeute hofft angesichts der reichen Hotelklientel.
Sonntags nachts hingegen ist die Straße wie leergefegt. In der Ferne blinken einige Lichter am Mont Ngaliema, dem Edelviertel, unter mir leuchtet die Hotelreklame, ansonsten ist die Nacht hier dunkler als irgendwo in Europa. Die kleinen Läden gegenüber sind verrammelt, die Fenster im Appartementhaus fast alle dunkel. In der Gosse liegt Unrat, dadrüber thronen zwei Männer auf der Bürgersteigkante und unterhalten sich. Hinter ihnen sitzt eine junge, knappe gekleidete Frau auf einem Plastikstuhl und wartet – ich weiß nicht, worauf. In einer Nische vor einem der geschlossenen Läden liegt ein Mann. Er trägt eine dunkle Hose und ein helles Hemd, hat Pappen untergelegt. Ich kann im Abglanz der Hotelbeleuchtung nicht viel erkennen, aber er liegt wie ein Kind zusammengekauert in der Nische und schläft. Ohne daß ich es sehe, weiß ich, daß auf der anderen Straßenseite, auf der anderen Seite des Hotels weitere Menschen in den Nischen der Hotelmauern liegen, ich habe sie neulich beim heimkommen gesehen. Flüchtig, während mein Auto vorfuhr, habe ich den Anblick wohl wahrgenommen, aber über der Verabschiedung von den Kollegen und dem Treppensteigen zu meinem Zimmer, und der Planung des kommenden Tages den Eindruck schnell beiseite gewischt.
Jetzt aber stehe ich an meinem Fenster, hinter mir ein blitzend sauberes Bad und nicht minder sauberes Bett. Zwei mal zwei Meter, viel zu groß für mich alleine, zwei Kissen, eine riesige Bettdecke. Der dunkelrote Überwurf passt zu den dunkelroten Vorhängen und überhaupt ist alles recht hübsch. Neben mir, unter mir, über mir, weitere Zimmer von derselben Art, viele Betten und sicherlich manche davon leer. Gegenüber aber liegt der Mann und um die Ecke liegen Kinder auf der Straße. Kein Zuhause, kein Dach über dem Kopf, vermutlich höchstens eine Mahlzeit am Tag. Keine Bildung, kein Beruf, keine Zukunft. In einem Land, in dem man bei der Hochzeit noch Mitgift zahlen muß, vermutlich auch niemals Heirat und niemals Familie. Werden sie krank, wird sie kein Arzt behandeln. Werden sie alt, wird sich niemand kümmern. Werden sie sterben, bekommen sie ein Armengrab – falls es hier sowas gibt.
So gerne ich dem Gedanken ausweichen würde, ich kann nicht umhin, mich nach der Sinnhaftigkeit dessen zu fragen, was ich hier tue. Trägt meine Arbeit irgendwie dazu bei, diesem Mann zu helfen? Vermutlich nicht. Ich frage mich, ob ich irgend etwas anders machen könnte in meinem Leben, aber mir fällt nichts ein. Jetzt hinunter zu gehen und ihm hundert Dollar zu geben, würde wenig helfen. Könnte ich ihm eine Ausbildung bezahlen? Sagen wir mal, drei Jahre à 100 USD Lebenshaltungskosten im Monat, also 3.600 Dollar plus sechs mal 500 USD für Ausbildungskosten, macht insgesamt 6.600 Dollar insgesamt. Ich könnte also, vermutlich. Aber würde es was bringen? Und würde er das Geld nicht möglicherweise ganz anders anwenden? Würde er dann, mit Ausbildung, tatsächlich eine Stelle finden in diesem Land, wo ohne Kontakte und Beziehungen selbst der beste Universitätsabsolvent keine Chancen hat? Es ist leicht, festzustellen, sich selbst zu trösten, daß nichts, was ich persönlich ausrichten könnte mit meinen beschränkten Mitteln, mehr als ein Mini-Tropfen auf einem kochend-heißen Stein wäre und es daher von vorneherein sinnlos ist. Daß ich immerhin nicht meinen Hintern in einer Beratunsgesellschaft plattsitze und mein Geld damit verdiene, anderen den Job wegzurationalisieren. Obwohl mir das in jenem Moment lieber wäre, denn dann wäre ich nicht mit diesem Bild konfrontiert. Ich stehe immer noch am Fenster, länger als sonst, wenn die Zigarette schon aus ist. In so einem Moment kommt mir mein Leben sinnlos vor. Ich möchte nach Hause, ich möchte das nicht sehen, ich möchte dieses Bild nicht mein Leben lang mit mir herumtragen und wissen: es gibt Milliarden von Menschen, denen es auch an meinem Todestag, viele Jahre von heute, noch so elend gehen wird wie diesem Mann, gegenüber, in seiner Nische.
Ein Teil von mir möchte in solchen Momenten auf mehr verzichten. Weniger Gehalt, weniger Hotel, weniger Auto – damit mehr Geld bleibt, solchen Menschen zu helfen. Gleichzeitig habe ich Angst. Ich möchte nicht in fünfzig Jahren auf Hartz 4 angewiesen sein, ich möchte Rücklagen bilden, ich möchte ein angenehmes Leben haben, einkaufen, gut essen, in Konzerte gehen. Ich möchte nicht den letzten Pfennig meines Einkommens für gute Werke opfern, sondern auch Spaß an meinem eigenen Leben haben, aber wie kann ich das tun, wenn andere Menschen hungern? Zu Hunderttausenden? Wie kann ich, nachdem ich das gesehen habe, mich in meine weichen Federn kuscheln und vom nächsten Abenteuer träumen, während um mich herum 10 Millionen schlafen, für dieses Land kein Abenteuer ist, sondern bittere Realität?
larifarimausetot,
Dienstag, 13. April 2010, 03:20
kein problem: 10 prozent vom netto sollten ohne allzu große einschränkungen gehen. ein tropfen zwar nur, aber ich fühle mich besser dadurch.
damenwahl,
Dienstag, 13. April 2010, 11:24
Keine Frage. Aber wer tut das schon? Die meisten meiner Bekannten kommen nicht mal auf 1 % vom Brutto. Und natürlich sagt sich das auf eine gewisse Distanz sehr viel leichter.
arboretum,
Dienstag, 13. April 2010, 22:28
Kommt auch immer etwas auf das Netto an, mitunter könnten da auch zehn Prozent nicht zu verschmerzen sein. Was aber nicht heißen soll, dass man mit einem geringen Netto gar nicht spenden kann. Es geht immer - nur vielleicht nicht zehn Prozent.
damenwahl,
Mittwoch, 14. April 2010, 11:33
Das ohnehin. Wobei mich manchmal der Verdacht beschleicht, daß diejenigen, die es am wenigstens verschmerzen können, am meisten geben. Die Investmentbanker mit sechsstelligen Gehältern hingegen gar nichts. Oder wenn, nur unter hinreichender Öffentlichkeit.
mark793,
Dienstag, 13. April 2010, 12:01
Mag das Gefälle auch nicht so krass erlebbar sein wie bei Ihnen in Afrika, aber die Frau, die fast jeden Tag mit der Obdachlosenlosenzeitung vor dem hiesigen Edeka-Markt steht, triggert bei mir ähnliche Fragestellungen ohne befriedigende Anworten.
Ich habe mich freilich auch schon bei Gedankengängen ertappt nach dem Motto, als ich mal in der Sch**ße steckte und nicht wusste, wie ich meine Miete zahlen soll, habe mir auch keiner was geschenkt. Aber das ist bei Licht besehen natürlich Blödsinn, tatsächlich verdanke ich es nicht allein meinen eigenen Anstrengungen, aus dem Loch auch wieder herausgekommen zu sein.
Aber alles in allem ist das Karitative mehr der Kompetenzbereich meiner Frau (die auch die Hauptverdienerin ist) - Patenschaften, Kindernothilfe, spotane Spenden bei Katastrophen wie Erdbeben etc. und das ganze Programm. Und auch wenn ich nicht immer das Gefühl habe, dass auch alle Mittel immer dahin gehen, wo sie sollen, finde ich es doch gut, einen Teil von unserem Überfluss abzuzweigen, selbst wenn das global gesehen nicht mal ein Tropfen auf dem heißen Stein ist.
Ich habe mich freilich auch schon bei Gedankengängen ertappt nach dem Motto, als ich mal in der Sch**ße steckte und nicht wusste, wie ich meine Miete zahlen soll, habe mir auch keiner was geschenkt. Aber das ist bei Licht besehen natürlich Blödsinn, tatsächlich verdanke ich es nicht allein meinen eigenen Anstrengungen, aus dem Loch auch wieder herausgekommen zu sein.
Aber alles in allem ist das Karitative mehr der Kompetenzbereich meiner Frau (die auch die Hauptverdienerin ist) - Patenschaften, Kindernothilfe, spotane Spenden bei Katastrophen wie Erdbeben etc. und das ganze Programm. Und auch wenn ich nicht immer das Gefühl habe, dass auch alle Mittel immer dahin gehen, wo sie sollen, finde ich es doch gut, einen Teil von unserem Überfluss abzuzweigen, selbst wenn das global gesehen nicht mal ein Tropfen auf dem heißen Stein ist.
damenwahl,
Dienstag, 13. April 2010, 15:55
Die Frage stellt sich mir auch immer, wohin mit der Spende. Ich verlasse mich da auf anerkanne Gütesiegel, den Anteil administrativer Kosten (das kann man alles recherchieren) und natürlich persönliche Erfahrungen. Dann habe ich es immerhin versucht.
damals,
Dienstag, 13. April 2010, 12:23
Ich denke, das Naheliegendste ist gar nicht, etwas zu tun, sondern zunächst erstmal: etwas nicht zu tun. So wie Sie es schon einmal andeuten: nicht bei bei einer solchen Beratungsfirma arbeiten. Wichtig wäre außerdem, finde ich, wo Sie das Geld für Ihre Altersvorsorge anlegen. Ist dabei die größte Rendite am wichtigsten oder die Sorge, dass mit Ihrem angelegten Geld nichts passiert, was Sie nicht wollen? (Das ist nämlich bei mir grad Thema ...)
damenwahl,
Dienstag, 13. April 2010, 15:53
Altersvorsorge hab ich keine. Es hat sich bisher nicht ergeben, könnte man sagen. Aber ja, verantwortliches Investment und verantwortliches Einkaufen können viel ausmachen.
schusch,
Dienstag, 13. April 2010, 15:32
Ich habs ja immer abgelehnt, ins Memling zu gehen. Der Kontrast drinnen zu draußen ist einfach zu unmittelbar und zu heftig für mich. Dieser Laden provoziert einfach solche Gedanken, Beklemmungen. Ich wäre dort verrückt geworden. Im GH kann man immerhin noch über die Stadt und den Fluss schauen oder im Garten sitzen. Man bekommt da noch etwas Luft zum Atmen. Da denkt es sich doch ganz anders.
damenwahl,
Dienstag, 13. April 2010, 15:54
Die Male, die ich das Grand Hotel gesehen habe, fand ich das noch viel seifenblasiger. Im Memling sehe ich die Leute zumindest jeden Tag auf der Straße, ich kann um die Ecke in die Supermarkt (sollte ich nicht allein, mache ich trotzdem) und überhaupt - ich fühle mich im M. näher dran. Aber das ist natürlich relativ.
schusch,
Dienstag, 13. April 2010, 21:52
Das GH hat mir zumindest einen der Ausblicke meines Lebens beschert: Aus dem 14. Stock den über den Fluss nach Brazza mit dem ganzen Wetter, dass es da so gibt, und einen Fußballplatz mit Ligaspielen darunter. Und ich habe mich in Gombè alleine auf die Straße getraut und bin zum Fluss gegangen. Keine Heldentat, ich weiß, aber immerhin. Du warst ja länger da, da wird man lockerer.
Das Memling ist ein Bunker. So einen krassen Unterschied zwischen drinnen und draußen auf den Zentimeter genau habe ich noch nie zuvor erlebt. Vielleicht ist das ehrlicher, anders wars mir angenehmer. Es muss nicht unbedingt alles auf einmal auf mich einstürzen. Mal Luftholen dazwischen hätte ich gerne noch.
Das Memling ist ein Bunker. So einen krassen Unterschied zwischen drinnen und draußen auf den Zentimeter genau habe ich noch nie zuvor erlebt. Vielleicht ist das ehrlicher, anders wars mir angenehmer. Es muss nicht unbedingt alles auf einmal auf mich einstürzen. Mal Luftholen dazwischen hätte ich gerne noch.
booooster,
Dienstag, 13. April 2010, 20:48
Puh. starker Stoff.
Ich drehe und wende mich seit geraumer Zeit darum. Es gibt ziemlich charmante Sachen. Ein Fahrrad in Uganda zum Beispiel, kann das Leben einer Familie verändern. Die Erzeugnisse kommen zum Markt, die Kinder zur Schule (Bicycle Project Sponsorship & Workshop). So ein Velo kostet 90 Euro. Und es bewirkt etwas. Nämlich das die Leute in ihren Döfern bleiben, weil sie dort leben können (solange sie nicht von irgendwelchen Milizen....) und nicht aus Not in die Stadt gehen, wo sie nur noch als menschlicher Abfall in den Nischen auffallen. Siehe hier: http://bit.ly/c7n8A4
Auch immer eine gute Idee: Eine zweckgebundene Spende geben. Die darf nämlich nicht für weitere Kosten verwendet werden....
Bei den Milizen setzt ein zweiter Punkt an: Keine neuen Handies kaufen. die Dinger brauchen Coltan, das läßt sich nicht wirtschaftlich heraus-recyclen. Aber so eine Coltan-Mine ist ein wunderbarer Trigger für einen lokalen low-intensity Konflikt: Warlord braucht Geld für Waffen, erobert Mine und Umgebung, verkauft Coltan gegen Waffen, um die Mine halten zu können.
Ich drehe und wende mich seit geraumer Zeit darum. Es gibt ziemlich charmante Sachen. Ein Fahrrad in Uganda zum Beispiel, kann das Leben einer Familie verändern. Die Erzeugnisse kommen zum Markt, die Kinder zur Schule (Bicycle Project Sponsorship & Workshop). So ein Velo kostet 90 Euro. Und es bewirkt etwas. Nämlich das die Leute in ihren Döfern bleiben, weil sie dort leben können (solange sie nicht von irgendwelchen Milizen....) und nicht aus Not in die Stadt gehen, wo sie nur noch als menschlicher Abfall in den Nischen auffallen. Siehe hier: http://bit.ly/c7n8A4
Auch immer eine gute Idee: Eine zweckgebundene Spende geben. Die darf nämlich nicht für weitere Kosten verwendet werden....
Bei den Milizen setzt ein zweiter Punkt an: Keine neuen Handies kaufen. die Dinger brauchen Coltan, das läßt sich nicht wirtschaftlich heraus-recyclen. Aber so eine Coltan-Mine ist ein wunderbarer Trigger für einen lokalen low-intensity Konflikt: Warlord braucht Geld für Waffen, erobert Mine und Umgebung, verkauft Coltan gegen Waffen, um die Mine halten zu können.
booooster,
Dienstag, 13. April 2010, 20:57
Ein kleiner Nachtrag: Keine Eheringe aus Gold. Ich habe errechnet, dass unsere Eheringe das Äquivalent von 60 Schwerlasttransportern Giftmüll in irgend einen Afrikanischen Busch gebracht haben :-(
Nicht dass ich wirklich etwas davon verstünde..... aber das bischen das ich verstehe macht mich schaudern.
Nicht dass ich wirklich etwas davon verstünde..... aber das bischen das ich verstehe macht mich schaudern.
damenwahl,
Dienstag, 13. April 2010, 21:34
Ja, die Basisarbeit ist oft am wirkungsvollsten, das ist auch meine Erfahrung. Zweckgebunden hat hingegen auch Nachteile, gerade bei Katastrophen. In Indonesien gingen soviele gebundene Spenden ein, daß das Geld gar nicht ausgegeben werden konnte und liegt daher immer noch auf Konten rum. Zumal ja die administrativen Kosten auch gedeckt werden müssen.
Was Gold betrifft: keine Handys mehr kaufen, das Koltan aus DR Kongo dient oft zur Rebellenfinanzierung. Andererseits (es gibt immer ein andererseits): Ohne Exporte kein Staatsbudget, ohne Staatsbudget keine handlungsfähige Regierung.
Das ist ja das Schlimme: ich fürchte, es gibt keinen goldenen Weg, kein Allheilmittel und kein Richtig. Jedenfalls nicht so klar, wie ich mir das wünschen würde.
Was Gold betrifft: keine Handys mehr kaufen, das Koltan aus DR Kongo dient oft zur Rebellenfinanzierung. Andererseits (es gibt immer ein andererseits): Ohne Exporte kein Staatsbudget, ohne Staatsbudget keine handlungsfähige Regierung.
Das ist ja das Schlimme: ich fürchte, es gibt keinen goldenen Weg, kein Allheilmittel und kein Richtig. Jedenfalls nicht so klar, wie ich mir das wünschen würde.
ulfur grai,
Mittwoch, 14. April 2010, 09:33
Das Konkrete, so zeigt das Gespräch auch hier, ist oft das Schwierige. Der Teufel steckt bekanntlich im (konkreten) Detail. Aber eins möchte ich doch positiv festhalten: Grundsätzlich denken alle, die sich hier geäußert haben. Sie treten einen Schritt zurück und machen sich Gedanken, über die eigene Lage und die anderer. Das finde ich in unserer nicht unzutreffend so genannten Ellenbogengesellschaft durchaus etwas Bemerkenswertes und Gutes. Zudem denken Sie hier alle in die richtige Richtung: Was kann ich tun? Verzichten, abgeben, helfen - im Kleinen und Konkreten. (Das Stichwort Microfinancing ist übrigens noch nicht gefallen.) Auch wenn eine Spende im Einzelfall mal nicht den richtigen Hilfsbedürftigen erreichen sollte, ich finde es schön, worum Ihre Gedanken hier kreisen, und Sie werden Ihren Weg finden, etwas zu tun.
damenwahl,
Mittwoch, 14. April 2010, 11:35
Werde ich einen Weg finden? Weiß ich nicht. Aber hoffen kann man immer.
Was das denken betrifft: natürlich stimme ich Ihnen zu - und fühle mich geehrt, weil ich wirklich tolle Leser habe.
Was Microfinance betrifft: kiva.org.
Was das denken betrifft: natürlich stimme ich Ihnen zu - und fühle mich geehrt, weil ich wirklich tolle Leser habe.
Was Microfinance betrifft: kiva.org.
ulfur grai,
Mittwoch, 14. April 2010, 11:42
Ja, genau. Da tragen wir auch manchmal ein Scherflein bei.
aidnography,
Donnerstag, 15. April 2010, 13:14
Einer meiner 'Lieblingspostings' zu dem Thema ist 'Suffering does not make you special'
Man kann ausfuehrlich darueber streiten, ob und wie 'verfuehrerisch' der westliche Lebensstil ist, aber er ist attraktiv. Der zentrale Satz ist aber fuer mich:
'There is nothing noble about suffering. People don’t do it on purpose, and a difficult life does not automatically make you stronger, wiser, or morally superior. Mostly, it makes you hungry and miserable. And having met and cared about people who do suffer does not require you to despise those who don’t.'
Ueber den 'Luxus' von Sterne-Hotels kann man wieder vortrefflich streiten-aber gute Bezahlung und Rentenanpsrueche sind dann eben eine andere Dimension, denn:
'There is no romance in poverty. There really are “poor but happy” people but there are also awful lot of poor, worried, struggling, worn down and sick people.'
Es lohnt sich in jedem Fall die verschiedenen postings zu lesen, denn EZ ist eben kompliziert-aber dafuer lieben wir sie ja auch ;)!
http://ourmanincameroon.com/2009/05/19/ngo-culture-shock/
Man kann ausfuehrlich darueber streiten, ob und wie 'verfuehrerisch' der westliche Lebensstil ist, aber er ist attraktiv. Der zentrale Satz ist aber fuer mich:
'There is nothing noble about suffering. People don’t do it on purpose, and a difficult life does not automatically make you stronger, wiser, or morally superior. Mostly, it makes you hungry and miserable. And having met and cared about people who do suffer does not require you to despise those who don’t.'
Ueber den 'Luxus' von Sterne-Hotels kann man wieder vortrefflich streiten-aber gute Bezahlung und Rentenanpsrueche sind dann eben eine andere Dimension, denn:
'There is no romance in poverty. There really are “poor but happy” people but there are also awful lot of poor, worried, struggling, worn down and sick people.'
Es lohnt sich in jedem Fall die verschiedenen postings zu lesen, denn EZ ist eben kompliziert-aber dafuer lieben wir sie ja auch ;)!
http://ourmanincameroon.com/2009/05/19/ngo-culture-shock/
damenwahl,
Donnerstag, 15. April 2010, 13:43
Keine Frage. Arm ist nicht gleich edel (ebenso blödsinnig wie die Anschauung vom "edlen Wilden"). Ich bin auch keineswegs der Ansicht, daß jeder Arbeitnehmer dieser Welt in der EZ arbeiten sollte - das wäre ja entsetzlich und ganz sicher der globalen Volkswirtschaft nicht förderlich. Aber manchmal schadet es nicht, sich angesichts der eigenen Probleme in Erinnerung zu rufen: existentielle Not ist anders. Und dafür muß auch gar nicht nach Afrika, die gibt es schließlich auch in Deutschland. Ich hoffe also, daß ich mich nicht wie jemand anhöre, der alle anderen Berufe verachtet.
Mir ging es eher um den Widerspruch zwischen dem extremen Hotelluxus und der fürchterlichen Armut, um das Gefällt in Zukunftsaussichten und Perspektiven, und um den inneren Widerspruch.
Ich habe tatsächlich keine Antwort in diesem Fall - nur Fragen.
Mir ging es eher um den Widerspruch zwischen dem extremen Hotelluxus und der fürchterlichen Armut, um das Gefällt in Zukunftsaussichten und Perspektiven, und um den inneren Widerspruch.
Ich habe tatsächlich keine Antwort in diesem Fall - nur Fragen.
c17h19no3,
Samstag, 24. April 2010, 14:01
man kann mit sehr wenig leben, ohne rentenversicherung, ohne auto, ohne urlaub, ohne ausreichend große wohnung, ohne sicherheiten, ohne komfort. wenn ich mal 65 bin, muss ich mich dann halt erschießen gehen. mit leih-pistole, weil kaufen wär zu teuer. ;)
und ich schätze mal, damit bin ich nicht die einzige in diesem land. freuen sie sich, dass es ihnen so gut geht.
und ich schätze mal, damit bin ich nicht die einzige in diesem land. freuen sie sich, dass es ihnen so gut geht.