Zivilisation
Gestern habe ich gerade zu einen Clash of Civilizations erlebt: eine junge Frau präsentierte Forschungsergebnisse basierend auf Daten aus Senegal. Man muß kein Held sein, um zu wissen, daß die Datenqualität in solchen Ländern mit dem reichlich sprudelnden Statistikquell eines Bundesamtes nicht zu vergleichen ist, das war schon in Ordnung. Schwieriger war es mit der überaus praktisch orientierten Fragestellung: so praktisch, daß es den hiesigen Wissenschaftlern zum Teil schwerfiel, den Sinn darin zu erkennen.

Es ging um Gesundheit und Sensibilisierung für Risiken und so schön es wäre, könnte man aus bestimmten Maßnahmen weniger Krankheitsfälle herauslesen - so einfach ist die Welt leider nicht. Immerhin: bestimmte Indikatoren wiesen darauf hin, daß verschiedene Informationsmaßnahmen unterschiedlich wirksam sind und das ist für den Praktiker durchaus relevant. In der Präsentation ging es trotzdem hoch her aufgrund fundamentaler Verständnisprobleme, Wissenschaftler aus dem Elfenbeinturm gegen pragmatische Praktiker, ein Kollege exponierte sich mit drastischen Fragen, ein anderer kam heldenhaft angeritten wie der Ritter auf dem weißen Pferd und nahm die junge Wissenschaftlerin in Schutz - das ist heute immer noch das Gesprächsthema des Tages, sonst passiert hier helten sowas aufregendes.

Hier ist es jetzt auch Gesprächsthema, es zeigt nämlich sehr schön das Bemühen von Entwicklungszusammenarbeit, die eigene Arbeit zu verbessern. Interessant in diesem Zusammenhang, wer sich bei der Entwicklungszusammenarbeit vorbildlicher Transparenz befleißigt und wer es bei Lippenbekenntnissen belässt.
Das deutsche BMZ hält sich wacker im oberen Mittelfeld, Niederlande und Vereinigtes Königreich sind die beiden bestplazierten bilateralen Geberländer, und siehe da: die vielgescholtenen multilateralen Organisationen belegen fast durchweg Spitzenplätze. Ganz oben die Weltbank, dahinter die EU, außerdem die Asian Development Bank und - Überraschung! - die African Development Bank. Wie die da oben gelandet sind, ist mir völlig rätselhaft, die Homepage war noch vor gut einem Jahr ein uninformatives Chaos, aber solche Neuigkeiten wärmen mir das Herz.
Auch die Vereinten Nationen schneiden nicht schlecht ab, es wird ja viel geklagt über Geldverschwendung bei den großen Organisationen, über Korruption und Vetternwirtschaft, ohne Beziehungen kommt man ohnehin nicht rein, und für jede Büroklammer muß man Papiere und Projektanträge ausfüllen.

Vor gut einem Jahr unterhielt ich mich mit einer jungen Frau, die gerade sehr ernüchtert von ihrem ersten Einsatz bei einer großen Organisatione zurückgekehrt war und befand: das viele Geld für Bürokratie und Formalia solle doch lieber in Projekte investiert werden. Ich habe vehement protestiert, meine ich doch, daß große Organisationen (ebenso wie Wirtschaftsunternehmen) nicht nur über Vertrauen funktionieren können. Vertrauen als organisatorische Grundlage geht gerade solange, wie eine Handvoll Vorgesetzer alle Mitarbeiter wirklich gut kennt. Wenn das nicht mehr gegeben ist, sind klare Regeln, Vorschriften und Kontrollen sehr viel geeigneter, gewisse Standards zu sichern. Standards, wie die Länge des Arbeitstages, die vertretbaren Reisekosten, die Formate von Unterlagen, die Verfahren zur Einstellung neuer Mitarbeiter - einfach alles. Vierzig Personen können sich da noch einigen und an einem Strang ziehen - 4.000 können das nicht und dann sind Regeln prima. Leider kosten Regeln und deren Durchsetzung Zeit und Geld, produzieren viel Papierkram und natürlich kann man sagen, das ist Verschwendung, wenn es doch um die Umsetzung wohltätiger Zwecke geht.

Ich finde es trotzdem gut, vernünftig, geradezu weise. Vertrauen in die Einhaltung von Regeln ist gut, Kontrolle mit Belegen ist besser, und es freut mich zu sehen, daß die vielen Papierberge, die bei großen Organisationen - unbestreitbar - produziert werden, auch zu etwas führen: einer Transparenz, die man messen kann. Da weiß man immerhin, wo unsere Steuergelder hinwandern, auch wenn solche Studien natürlich nicht viel über interne Effizienz sagen und mancher Mißstand unberücksichtigt bleibt.

Man soll sich ja auch über das Licht in der Finsternis freuen, nicht immer nur jammern und klagen.

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