Wann ist man ein Held?
damenwahl | 10. Februar 11 | Topic 'Liebschaften'
Ich war nie ein Kind von Traurigkeit, wenn es darum ging, mich in Abenteuer zu stürzen. Mit sechzehn alleine nach Amerika, mit Mitte zwanzig dann Marokko, wenig später Ägypten, Tunis und dann Kongo. Mit Ausnahme der letzten Station waren das alles nicht gerade Risikoländer, aber ich hatte natürlich gehörigen Respekt davor, mich in ein Flugzeug zu setzen ohne genau zu wissen, was mich – je nach Situation – am anderen Ende der Reise erwarten würde. Manchmal Freunde Gastfamilien, manchmal Taxifahrer, manchmal niemand. Es ist bisher immer gut gegangen, und gerade im Kongo hatte ich ja einen verläßlichen Arbeitgeber, hinter dessen breitem Rücken ich mich notfalls würde verstecken können.
Dieses Mal war anders. Ich habe mich gestern nachmittag ins Bett gelegt und bin 24h nicht mehr aufgestanden, erschöpft von der Agonie einer mühsamen Entscheidungsfindung, bei der ich immerhin auch einiges über mich gelernt habe.
Ich wollte - das konnte ja niemandem entgehen - von Anfang an unbedingt nach Kairo. Dabei sein. Darüber schreiben. Es war nicht immer klar, zu welchen Konditionen, wer bezahlt die Reisekosten, wie versichert man eine solche Reise, wer publiziert, was ich berichten könnte, und wer holt mich raus, wenn meine Abenteuerlust gewaltig daneben geht?
Die letzten beiden Punkte waren am Ende die entscheidenden, mit deren Bewertung meine Entscheidung stand und fiel, und das wie ein Stehaufmännchen. Wie in einem Kaleidoskop fielen mir immer neue Gegengründe und Risiken ein - und dem begegnete immer wieder das Gefühl, da unbedingt hinzumüssen. Ich kann das nicht erklären - es war einfach so. Die machen Geschichte, ich wollte dabei sein.
Ich bin der felsenfesten Überzeugung, daß Ägypten in dieser Situation Journalisten braucht. Öffentlichkeit schafft Sicherheit im Land, wo andauernde Berichterstattung sicherlich dazu beigetragen hat, am Dienstag neue Massen zu motivieren. Berichterstattung sorgt auch dafür, daß festgenommene Personen – von ägyptischen Aktivisten bis zu deutschen Journalisten – wieder freikommen, oder gleich frei bleiben. Und schließlich sorgt Öffentlichkeit auch dafür, daß internationaler Druck auf das Regime erhalten bleibt. Lange habe ich mit mir gerungen, ob ich überhaupt einen nennenswerten Beitrag leisten kann zur Publizität. Nett schreiben zu können ist schließlich noch keine Qualifikation zum Krisenreporter, und auch Verhandlungs- und Krisentrainings sind am Ende nur graue Theorie – gegenüber der Praxis, die zum Teil in den vergangenen Tagen in Farbe über die Bildschirme flimmerte. Möglicherweise, so überlegte ich, habe ich mehr Herz für das Land und Ansätze von Landeskenntnis aufgrund früherer Aufenthalte – dafür fehlt mir allerdings die Sicherheit eines großen Hofstaats von Kollegen. Sicherheitstechnisch hätte man dafür natürlich auch argumentieren können, daß ich mehr als Rucksacktouristin denn als Journalistin gefahren wären und damit in bestimmten Punkten möglicherweise unterhalb des Radars geflogen wäre.
Viele komplizierte Überlegungen habe ich angestellt über den gesellschaftlichen Nutzen eines solchen Unterfangens. Denn den muß es geben. Jeder Krisenreporter wie auch jeder, der in riskanten Ländern arbeitet, hat ein Abenteuergen in sich. Es ist verdammt cool, Khartoum oder Kabul als Arbeitsort angeben zu können, das private Umfeld zu Hause gruselt sich so schön fasziniert, wenn man von solchen Orten berichtet, und nicht zuletzt beweist man auch sich selbst, was für ein harter Hund (oder harte Hündin) man ist. Spaß an Grenzerfahrungen gehört ebenfalls dazu, ausgeprägte Neugier auf fremde Länder wie auch das Gefühl der Langeweile bei normalen Berufen. Kurz: niemand, der so etwas machen möchte, tut es ausschließlich aus altruistischen Gründen. Behaupte ich, aus eigener Erfahrung und meiner Einschätzung von Kollegen. Wieviel Altruismus im Einzelfall drinsteckt, sieht man den Leuten nicht an. Trotzdem finde ich, daß die Risiken eines gesellschaftlichen Auftrags zur Legitimation bedürfen. Jeder würde wohl zustimmen: es muß Journalisten geben, die von solchen Orten berichten. Ohne couragierte Einzelpersonen wüssten wir nichts über die Apartheid, den Fall der Berliner Mauer oder den Krieg in Afghanistan. Jeder Berichterstatter und Helfer geht Risiken ein, die immer auch die Familie berühren, in manchen Fällen sogar die Gesellschaft insgesamt. Man denke nur an Susanne Ostmann, die damals im Irak sicherlich gute Arbeit machte, aber eben auch sehr leichtsinnig war und am Ende vom AA auf Kosten des Steuerzahlers befreit werden mußte.
Als vernunftbegabter Mensch informiert man sich gut, besorgt sich passende Versicherungen, wägt die Restrisiken ab und schätzt ein, wieviel Leichtsinn übrig bleibt. Denn der ist immer im Gepäck. Die Risiken sind nicht abschätzbar, schon gar nicht beim ersten Mal, und damit muß man sagen: jeder Trip solcher Art enthält ein Teilchen Leichtsinn. Wo aber verlaufen die Grenzen zwischen den vertretbaren Risiken für eine sinnvolle Aufgabe und reinem Leichtsinn aus Abenteuerlust?
Nach vierzehn Tagen endloser Überlegungen habe ich immer noch keine Antwort gefunden. Hätte mir eine Zeitung Öffentlichkeit und Rückendeckung zugesagt, ich wäre jetzt inmitten der jubelnden Massen auf dem Tahrir. Die Risiken mit einer Zeitung im Rücken hätte ich überschaubar gefunden, eine der Nutznießer hätte Mitverantwortung übernommen und meine Familie entlastet - das hätte ich daher als vertretbar eingestuft. Leider kam es anders. Einen Abnehmer meiner Berichte hätte es wohl gegeben, aber im Krisenfall wäre ich auf mich alleine gestellt gewesen – und auch wenn ich fast jede Stunde wieder mit mir ringe, habe ich mich unter diesen Umständen dagegen entschieden. Mit bleischwerem Herzen und bitterer Enttäuschung über die verpasste Chance.
Es gibt für solche Dinge immer ein erstes Mal und vermutlich gab es viele Menschen vor mir, die sich für das Risiko entschieden haben – obwohl sie alleine waren, ohne gemütlich geteilte Verantwortung mit den breiten Schultern eines Unternehmens. Andere wiederum machen so etwas überhaupt nur, wenn sie das Sicherheitsnetz einer Organisation unter sich wissen. Ich habe nach endlosem Ringen entschieden, daß ich das nicht machen kann. Hätte es nämlich jemand anderen als mich betroffen und wäre schief gegangen, ich hätte gesagt: wie verantwortungslos. Alleine, als Frau, ohne Erfahrung in akuten Krisensituationen, ohne Rückendeckung, in solche Risiken: das geht nicht. Aus Verantwortung und Rechenschaft gegenüber meiner Familie, meinen Freunden, aber auch gegenüber der Gesellschaft, die vielleicht am Ende mit dem Finger auf mich leichtsinniges Huhn gezeigt hätte.
Wenn Menschen so etwas machen, entscheidet vermutlich am Ende der Erfolg über die Bewertung. Möglicherweise, wäre ich jetzt dort, würde ich teilnehmen an der Geschichte und könnte darüber berichten. Wer weiß, welche Gesprächspartner oder Abenteuer mit gutem Ausgang dort auf mich gewartet hätte. Vielleicht hätte ich den Grundstein für eine journalistische Karriere gelegt oder wäre eine Heldin der Live-Berichterstattung geworden. Meine Eltern wären stolz gewesen, die Zweifler der letzten Tage hätten sich in den hinteren Reihen für ihr Découragement meiner Person geschämt und die Öffentlichkeit hätte gesagt: Wie mutig! Wie gut, daß es solche Menschen gibt!
Vielleicht aber auch hätte mich die Polizei fünf Tage lang festgesetzt, mir ein paar blaue Flecken verpasst, ich hätte meinen Arbeitgeber verärgert, der Familie viel Leid und Sorge bereitet und wäre ein Klotz am Bein irgendwelcher diplomatischen Stellen gewesen. Dann hätte die Öffentlichkeit mit dem Finger auf mich gezeigt, wie damals auf Susanne Ostmann, und geurteilt: Wie leichtsinnig! Wie dämlich muß so jemand sein!
Ich werde nie wissen, wie es ausgegangen wäre. Man könnte sagen, ich war zu vernünftig, um unüberschaubare Risiken einzugehen für eine eher unwesentliche Verbesserung der deutschen Presselandschaft. Man könnte auch sagen, ich hatte nicht genug A*sch in der Hose, um für das einzustehen, wovon ich zutiefst überzeugt bin. Keine Ahnung, was richtig ist.
Dieses Mal war anders. Ich habe mich gestern nachmittag ins Bett gelegt und bin 24h nicht mehr aufgestanden, erschöpft von der Agonie einer mühsamen Entscheidungsfindung, bei der ich immerhin auch einiges über mich gelernt habe.
Ich wollte - das konnte ja niemandem entgehen - von Anfang an unbedingt nach Kairo. Dabei sein. Darüber schreiben. Es war nicht immer klar, zu welchen Konditionen, wer bezahlt die Reisekosten, wie versichert man eine solche Reise, wer publiziert, was ich berichten könnte, und wer holt mich raus, wenn meine Abenteuerlust gewaltig daneben geht?
Die letzten beiden Punkte waren am Ende die entscheidenden, mit deren Bewertung meine Entscheidung stand und fiel, und das wie ein Stehaufmännchen. Wie in einem Kaleidoskop fielen mir immer neue Gegengründe und Risiken ein - und dem begegnete immer wieder das Gefühl, da unbedingt hinzumüssen. Ich kann das nicht erklären - es war einfach so. Die machen Geschichte, ich wollte dabei sein.
Ich bin der felsenfesten Überzeugung, daß Ägypten in dieser Situation Journalisten braucht. Öffentlichkeit schafft Sicherheit im Land, wo andauernde Berichterstattung sicherlich dazu beigetragen hat, am Dienstag neue Massen zu motivieren. Berichterstattung sorgt auch dafür, daß festgenommene Personen – von ägyptischen Aktivisten bis zu deutschen Journalisten – wieder freikommen, oder gleich frei bleiben. Und schließlich sorgt Öffentlichkeit auch dafür, daß internationaler Druck auf das Regime erhalten bleibt. Lange habe ich mit mir gerungen, ob ich überhaupt einen nennenswerten Beitrag leisten kann zur Publizität. Nett schreiben zu können ist schließlich noch keine Qualifikation zum Krisenreporter, und auch Verhandlungs- und Krisentrainings sind am Ende nur graue Theorie – gegenüber der Praxis, die zum Teil in den vergangenen Tagen in Farbe über die Bildschirme flimmerte. Möglicherweise, so überlegte ich, habe ich mehr Herz für das Land und Ansätze von Landeskenntnis aufgrund früherer Aufenthalte – dafür fehlt mir allerdings die Sicherheit eines großen Hofstaats von Kollegen. Sicherheitstechnisch hätte man dafür natürlich auch argumentieren können, daß ich mehr als Rucksacktouristin denn als Journalistin gefahren wären und damit in bestimmten Punkten möglicherweise unterhalb des Radars geflogen wäre.
Viele komplizierte Überlegungen habe ich angestellt über den gesellschaftlichen Nutzen eines solchen Unterfangens. Denn den muß es geben. Jeder Krisenreporter wie auch jeder, der in riskanten Ländern arbeitet, hat ein Abenteuergen in sich. Es ist verdammt cool, Khartoum oder Kabul als Arbeitsort angeben zu können, das private Umfeld zu Hause gruselt sich so schön fasziniert, wenn man von solchen Orten berichtet, und nicht zuletzt beweist man auch sich selbst, was für ein harter Hund (oder harte Hündin) man ist. Spaß an Grenzerfahrungen gehört ebenfalls dazu, ausgeprägte Neugier auf fremde Länder wie auch das Gefühl der Langeweile bei normalen Berufen. Kurz: niemand, der so etwas machen möchte, tut es ausschließlich aus altruistischen Gründen. Behaupte ich, aus eigener Erfahrung und meiner Einschätzung von Kollegen. Wieviel Altruismus im Einzelfall drinsteckt, sieht man den Leuten nicht an. Trotzdem finde ich, daß die Risiken eines gesellschaftlichen Auftrags zur Legitimation bedürfen. Jeder würde wohl zustimmen: es muß Journalisten geben, die von solchen Orten berichten. Ohne couragierte Einzelpersonen wüssten wir nichts über die Apartheid, den Fall der Berliner Mauer oder den Krieg in Afghanistan. Jeder Berichterstatter und Helfer geht Risiken ein, die immer auch die Familie berühren, in manchen Fällen sogar die Gesellschaft insgesamt. Man denke nur an Susanne Ostmann, die damals im Irak sicherlich gute Arbeit machte, aber eben auch sehr leichtsinnig war und am Ende vom AA auf Kosten des Steuerzahlers befreit werden mußte.
Als vernunftbegabter Mensch informiert man sich gut, besorgt sich passende Versicherungen, wägt die Restrisiken ab und schätzt ein, wieviel Leichtsinn übrig bleibt. Denn der ist immer im Gepäck. Die Risiken sind nicht abschätzbar, schon gar nicht beim ersten Mal, und damit muß man sagen: jeder Trip solcher Art enthält ein Teilchen Leichtsinn. Wo aber verlaufen die Grenzen zwischen den vertretbaren Risiken für eine sinnvolle Aufgabe und reinem Leichtsinn aus Abenteuerlust?
Nach vierzehn Tagen endloser Überlegungen habe ich immer noch keine Antwort gefunden. Hätte mir eine Zeitung Öffentlichkeit und Rückendeckung zugesagt, ich wäre jetzt inmitten der jubelnden Massen auf dem Tahrir. Die Risiken mit einer Zeitung im Rücken hätte ich überschaubar gefunden, eine der Nutznießer hätte Mitverantwortung übernommen und meine Familie entlastet - das hätte ich daher als vertretbar eingestuft. Leider kam es anders. Einen Abnehmer meiner Berichte hätte es wohl gegeben, aber im Krisenfall wäre ich auf mich alleine gestellt gewesen – und auch wenn ich fast jede Stunde wieder mit mir ringe, habe ich mich unter diesen Umständen dagegen entschieden. Mit bleischwerem Herzen und bitterer Enttäuschung über die verpasste Chance.
Es gibt für solche Dinge immer ein erstes Mal und vermutlich gab es viele Menschen vor mir, die sich für das Risiko entschieden haben – obwohl sie alleine waren, ohne gemütlich geteilte Verantwortung mit den breiten Schultern eines Unternehmens. Andere wiederum machen so etwas überhaupt nur, wenn sie das Sicherheitsnetz einer Organisation unter sich wissen. Ich habe nach endlosem Ringen entschieden, daß ich das nicht machen kann. Hätte es nämlich jemand anderen als mich betroffen und wäre schief gegangen, ich hätte gesagt: wie verantwortungslos. Alleine, als Frau, ohne Erfahrung in akuten Krisensituationen, ohne Rückendeckung, in solche Risiken: das geht nicht. Aus Verantwortung und Rechenschaft gegenüber meiner Familie, meinen Freunden, aber auch gegenüber der Gesellschaft, die vielleicht am Ende mit dem Finger auf mich leichtsinniges Huhn gezeigt hätte.
Wenn Menschen so etwas machen, entscheidet vermutlich am Ende der Erfolg über die Bewertung. Möglicherweise, wäre ich jetzt dort, würde ich teilnehmen an der Geschichte und könnte darüber berichten. Wer weiß, welche Gesprächspartner oder Abenteuer mit gutem Ausgang dort auf mich gewartet hätte. Vielleicht hätte ich den Grundstein für eine journalistische Karriere gelegt oder wäre eine Heldin der Live-Berichterstattung geworden. Meine Eltern wären stolz gewesen, die Zweifler der letzten Tage hätten sich in den hinteren Reihen für ihr Découragement meiner Person geschämt und die Öffentlichkeit hätte gesagt: Wie mutig! Wie gut, daß es solche Menschen gibt!
Vielleicht aber auch hätte mich die Polizei fünf Tage lang festgesetzt, mir ein paar blaue Flecken verpasst, ich hätte meinen Arbeitgeber verärgert, der Familie viel Leid und Sorge bereitet und wäre ein Klotz am Bein irgendwelcher diplomatischen Stellen gewesen. Dann hätte die Öffentlichkeit mit dem Finger auf mich gezeigt, wie damals auf Susanne Ostmann, und geurteilt: Wie leichtsinnig! Wie dämlich muß so jemand sein!
Ich werde nie wissen, wie es ausgegangen wäre. Man könnte sagen, ich war zu vernünftig, um unüberschaubare Risiken einzugehen für eine eher unwesentliche Verbesserung der deutschen Presselandschaft. Man könnte auch sagen, ich hatte nicht genug A*sch in der Hose, um für das einzustehen, wovon ich zutiefst überzeugt bin. Keine Ahnung, was richtig ist.
berenike,
Donnerstag, 10. Februar 2011, 22:40
Ich kann Ihnen nicht sagen, was richtig ist. Wie sollte ich es wissen. Aber ich habe nicht den Eindruck, dass Sie sich schon endgültig entschieden haben. Sie müssten sich dann nicht so rechtfertigen.
Wie auch immer Sie sich entscheiden oder entschieden haben oder auch in Zukunft entscheiden werden, Sie werden sich immer richtig entscheiden, weil es im Nachhinein kein richtig oder falsch mehr gibt - das gilt auch für Susanne Ostmann.
Und für mich bleiben Sie trotzdem eine sehr mutige Person. Denn es ist auch mutig auf den Zehnmeterturm zu steigen und wieder herunterzuklettern, weil man sich nicht zu springen traut und für diese Erkenntnis den Spott der anderen in Kauf nimmt.
Wie auch immer Sie sich entscheiden oder entschieden haben oder auch in Zukunft entscheiden werden, Sie werden sich immer richtig entscheiden, weil es im Nachhinein kein richtig oder falsch mehr gibt - das gilt auch für Susanne Ostmann.
Und für mich bleiben Sie trotzdem eine sehr mutige Person. Denn es ist auch mutig auf den Zehnmeterturm zu steigen und wieder herunterzuklettern, weil man sich nicht zu springen traut und für diese Erkenntnis den Spott der anderen in Kauf nimmt.
damenwahl,
Donnerstag, 10. Februar 2011, 22:48
Doch, die Entscheidung ist gefallen, liebe Berenike. Ich muß nächste Woche wieder arbeiten und hänge dann bis Mitte März in allerlei unumgänglichen Verpflichtungen. Morgen wäre der letzte Tag gewesen, um zu fliegen. Und ich habe vor einer Stunde noch last-minute-Einkäufe üfr Journalistenhühner gemacht und dann zu Hause entschieden: die Situation kann auch kippen, wenn das Militär übernimmt. Und im Evakuierungsfall wollte ich dort nicht allein sein. Insofern: diese Revolution wird ohne mich stattfinden - zumal es ja aussieht, als würden Suleiman und Militär noch heute Abend die Macht übernehmen.
Mich würde aber ernsthaft interessieren, was meine Leser so denken - weil ich großen Respekt vor Ihrer aller Klugheit habe und mich immer wieder so freue, so ein großartiges Publikum hier zu haben! Meine Eltern zum Beispiel haben mit der Fingerzeig-Schuldgefühl-Keule gedroht und ich weiß: genauso sehen sie Helden nach gescheiterter Mission. Über Helden mit Erfolg haben wir nicht gesprochen.
Mich würde aber ernsthaft interessieren, was meine Leser so denken - weil ich großen Respekt vor Ihrer aller Klugheit habe und mich immer wieder so freue, so ein großartiges Publikum hier zu haben! Meine Eltern zum Beispiel haben mit der Fingerzeig-Schuldgefühl-Keule gedroht und ich weiß: genauso sehen sie Helden nach gescheiterter Mission. Über Helden mit Erfolg haben wir nicht gesprochen.
berenike,
Donnerstag, 10. Februar 2011, 22:54
Laut Zeit-Online ist er zurückgetreten.
Aber ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, was gerade verlässliche Quellen sind.
Aber ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, was gerade verlässliche Quellen sind.
berenike,
Donnerstag, 10. Februar 2011, 22:55
Ein Held ist, wer Scheitern in Kauf nimmt. Ich bin nicht immer ein Held nach meiner eigenen Definition.
damenwahl,
Donnerstag, 10. Februar 2011, 23:07
Nope: ich vertraue AJE, die haben nämlich Korrespondenten vor Ort. http://english.aljazeera.net/news/middleeast/2011/02/2011210172519776830.html
Damn, ich hätte doch da sein sollen. Und mich der ZEIT andienen, die hätten es ja offenbar nötig gehabt.
Re Scheitern. Man nimmt bei jedem Unterfangen, das man angeht, Scheitern in Kauf - und Sie fangen ziemlich viel an, also sind Sie auch eine Heldin, oder?
Damn, ich hätte doch da sein sollen. Und mich der ZEIT andienen, die hätten es ja offenbar nötig gehabt.
Re Scheitern. Man nimmt bei jedem Unterfangen, das man angeht, Scheitern in Kauf - und Sie fangen ziemlich viel an, also sind Sie auch eine Heldin, oder?
energist,
Freitag, 11. Februar 2011, 03:22
Ich muß bei diesen ganzen Held-Definitionen immer an den Helden Hynrek aus der Unendlichen Geschichte denken, der sich doch so sehr einen Drachen wünscht, damit er seine Dame beeindrucken kann.
Die meisten Helden die ich kenne haben in der entsprechenden Situation einfach nicht nachgedacht oder waren so sehr in eine Reaktion hineintrainiert, daß diese automatisch ablief. Kind aus dem Fluß gezogen, Kameraden aus dem Feuer gezogen – niemand wälzt da erst große Gedanken und stellt moralische Problemstellungen auf.
(Das, was große Menschen wie ein Ghandi, ein Schweitzer oder ein Erös erwirken – unter bewußter Inkaufnahme von Risiken – fällt für mich nicht mehr unter Held, da ist dann schon etwas mehr dran.)
Die meisten Helden die ich kenne haben in der entsprechenden Situation einfach nicht nachgedacht oder waren so sehr in eine Reaktion hineintrainiert, daß diese automatisch ablief. Kind aus dem Fluß gezogen, Kameraden aus dem Feuer gezogen – niemand wälzt da erst große Gedanken und stellt moralische Problemstellungen auf.
(Das, was große Menschen wie ein Ghandi, ein Schweitzer oder ein Erös erwirken – unter bewußter Inkaufnahme von Risiken – fällt für mich nicht mehr unter Held, da ist dann schon etwas mehr dran.)
mark793,
Donnerstag, 10. Februar 2011, 23:07
Ah, ich sehe gerade, Frau Berenike hat das auch schon geschrieben, dass diese Abwägung keine Frage nach richtig oder falsch ist. Oder genauer gesagt, dass sich nach einer Entscheidung die Frage eigentlich nicht mehr stellt. Sehe ich auch so.
Sie haben sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, soweit ich sehe, alles in Betracht gezogen, was es zu berücksichtigen gibt. Ich denke, Ihre Entscheidung ist richtig, auch wenn ich überhaupt nicht der Meinung bin, dass Sie sich mit einer anderen Entscheidung zwangsläufig in die Sch**ß* geritten hätten. Aber die Risiken sind halt doch enorm, selbst mit einer Zeitung oder einem Sender im Rücken. Es wäre ohne all das schon eine Wahnsinnsunterrnehmung gewesen.
Sie haben sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, soweit ich sehe, alles in Betracht gezogen, was es zu berücksichtigen gibt. Ich denke, Ihre Entscheidung ist richtig, auch wenn ich überhaupt nicht der Meinung bin, dass Sie sich mit einer anderen Entscheidung zwangsläufig in die Sch**ß* geritten hätten. Aber die Risiken sind halt doch enorm, selbst mit einer Zeitung oder einem Sender im Rücken. Es wäre ohne all das schon eine Wahnsinnsunterrnehmung gewesen.
damenwahl,
Donnerstag, 10. Februar 2011, 23:23
Ich gehe doch davon aus (bei meinen Interessen), daß die Frage sich wieder stellen wird. Davon abgesehen wüßte ich einfach gerne, wie andere Menschen über sowas denken. Darf man, darf man nicht, und wenn ja: wann?
Natürlich ist man hinterher immer schlauer und steht mit sowas alleine da - ich wüßte nur gerne, wie andere entschieden hätten.
Natürlich ist man hinterher immer schlauer und steht mit sowas alleine da - ich wüßte nur gerne, wie andere entschieden hätten.
mark793,
Donnerstag, 10. Februar 2011, 23:41
Unter Abwägung aller von Ihnen genannten Faktoren wäre ich auch nicht da runter geflogen. Weiter würde ich das gar nicht verallgemeinern wollen in Richtung darf man, darf man nicht.
Was mich eine Weile sehr gejuckt hat, war das zerfallende Jugoslawien zwischen 1991 und 1994, aber da gab es auch gute Gründe, die dagegen sprachen. Nicht zuletzt die Frage, die mir ein paar Leute die mich sehr gut kannten, unabhäng voneinander stellten: was ich da unten eigentlich wirklich wollen würde - nur zugucken und berichten oder vielleicht doch, äh, Partei ergreifen? Ich hätte es nicht mit letzter Sicherheit sagen können, und so war es wohl besser, dem nicht aktiv auf den Grund zu gehen.
Was mich eine Weile sehr gejuckt hat, war das zerfallende Jugoslawien zwischen 1991 und 1994, aber da gab es auch gute Gründe, die dagegen sprachen. Nicht zuletzt die Frage, die mir ein paar Leute die mich sehr gut kannten, unabhäng voneinander stellten: was ich da unten eigentlich wirklich wollen würde - nur zugucken und berichten oder vielleicht doch, äh, Partei ergreifen? Ich hätte es nicht mit letzter Sicherheit sagen können, und so war es wohl besser, dem nicht aktiv auf den Grund zu gehen.
arboretum,
Donnerstag, 10. Februar 2011, 23:15
Sie erwähnten neulich den vierwöchigen Arabisch-Kurs, den Sie vor einigen Jahren absolvierten. Glauben Sie denn, dass Ihre Sprachkenntnisse wirklich ausreichen, um selbst Interviews in der Landessprache zu führen? Oder um mit den Behörden zu verhandeln, wenn nötig? (Wie man hörte verlangen die seit einigen Tagen von Journalisten eine Akkreditierung.)
Wer als Journalist Übersetzer braucht, erfährt immer weniger als jemand, der die Sprache fließend spricht - abgesehen davon, dass er seine Gesprächspartner womöglich auch gefährdet, weil er einfach mehr auffällt (die Dolmetscher und andere Zuarbeiter sind aufgrund der Zusammenarbeit mit ausländischen Journalisten sowieso immer potenziell gefährdet - und kommen im Zweifelsfall nicht aus dem Land heraus).
Und warum wollen Sie unbedingt auf den Tahrir-Platz, wo es doch in anderen Städten auch Demos geben soll? (Zum Teil sogar größere, hörte ich jedenfalls neulich im DRadio über Alexandria.) Und warum eigentlich nicht nach Tunesien? Da dürfte momentan auch noch einiges passieren.
Es ist ja nun nicht so, als arbeiteten in Kairo derzeit keine Journalisten. Karim El-Gawhary und Jürgen Stryjak vom Netzwerk Weltreporter arbeiten beide seit vielen Jahren als freie Journalisten in Kairo. El-Gawhary bloggt übrigens bei der taz, Stryjak ist neben der ARD-Korrespondentin Esther Saoub in jüngster Zeit häufiger im Deutschlandradio und Deutschlandfunk zu hören. Und ich gönne den beiden die vielen Aufträge und verstärkte Aufmerksamkeit. Die haben dort schon gearbeitet und versucht, ihre Themen an den Mann zu bringen, als der Rest der Welt (inklusive Redaktionen) sich noch nicht so brennend dafür interessierte.
Ich vermute auch, dass sich derzeit noch etliche andere Journalisten als Revolutionstouristen in Kairo tummeln, die eigens eingeflogen sind, weil sie "die Chance ergreifen" wollen. Die können zwar im Zweifelsfall weder die Sprache noch kennen sie sich dort aus, aber Hauptsache, irgendwas berichtet (die Qualität solcher Berichterstattung steht dann auf einem anderen Blatt).
Und was jene Journalistin angeht, die vom AA aus dem Irak gerettet werden musste, so dürfte die hinterher eine saftige Rechnung präsentiert bekommen haben. Wir Steuerzahler legen das Geld in der Regel nämlich nur vor, hinterher werden die Betroffenen zur Kasse gebeten.
Wer als Journalist Übersetzer braucht, erfährt immer weniger als jemand, der die Sprache fließend spricht - abgesehen davon, dass er seine Gesprächspartner womöglich auch gefährdet, weil er einfach mehr auffällt (die Dolmetscher und andere Zuarbeiter sind aufgrund der Zusammenarbeit mit ausländischen Journalisten sowieso immer potenziell gefährdet - und kommen im Zweifelsfall nicht aus dem Land heraus).
Und warum wollen Sie unbedingt auf den Tahrir-Platz, wo es doch in anderen Städten auch Demos geben soll? (Zum Teil sogar größere, hörte ich jedenfalls neulich im DRadio über Alexandria.) Und warum eigentlich nicht nach Tunesien? Da dürfte momentan auch noch einiges passieren.
Es ist ja nun nicht so, als arbeiteten in Kairo derzeit keine Journalisten. Karim El-Gawhary und Jürgen Stryjak vom Netzwerk Weltreporter arbeiten beide seit vielen Jahren als freie Journalisten in Kairo. El-Gawhary bloggt übrigens bei der taz, Stryjak ist neben der ARD-Korrespondentin Esther Saoub in jüngster Zeit häufiger im Deutschlandradio und Deutschlandfunk zu hören. Und ich gönne den beiden die vielen Aufträge und verstärkte Aufmerksamkeit. Die haben dort schon gearbeitet und versucht, ihre Themen an den Mann zu bringen, als der Rest der Welt (inklusive Redaktionen) sich noch nicht so brennend dafür interessierte.
Ich vermute auch, dass sich derzeit noch etliche andere Journalisten als Revolutionstouristen in Kairo tummeln, die eigens eingeflogen sind, weil sie "die Chance ergreifen" wollen. Die können zwar im Zweifelsfall weder die Sprache noch kennen sie sich dort aus, aber Hauptsache, irgendwas berichtet (die Qualität solcher Berichterstattung steht dann auf einem anderen Blatt).
Und was jene Journalistin angeht, die vom AA aus dem Irak gerettet werden musste, so dürfte die hinterher eine saftige Rechnung präsentiert bekommen haben. Wir Steuerzahler legen das Geld in der Regel nämlich nur vor, hinterher werden die Betroffenen zur Kasse gebeten.
damenwahl,
Donnerstag, 10. Februar 2011, 23:29
Nein, mein Arabisch reicht dafür definitiv nicht aus und ich hätte mich am Ende irgendwo im Mittelfeld der Journalisten eingeordnet. Ideal sind solche, die Arabisch fließend sprechen und dort jahrelang gelebt haben. Davon gibt es allerdings nicht so arg viele und ich hätte es vermutlich tatsächlich besser gemacht, als mancher Karrierist ganz ohne Draht zum Land. Auch deshalb war ich so unsicher: einerseits sehe ich, daß es definitiv qualifiziertere Kandidaten gegeben hätte. Andererseits hat der Experte der FAZ am Dienstag morgen ein Ende der Proteste vorhergesagt und die ZEIT kann nicht mal Twitter lesen, so scheint es.
Ich habe auch in Erwägung gezogen, irgendwo an die Peripherie zu fliegen (Dahab?, aber siehe Nachbarblog hier, nix los) - Alexandria wäre teurer, genauso gefährlich, aber uninteressanter gewesen. Dann schon eher Kairo. Wo ich leidlich orientiert bin (in Alex war ich nur 3 Tage) und übrigens auch Freunde habe, die mich alle herzlich eingeladen habe. Seufz.
Ich habe auch in Erwägung gezogen, irgendwo an die Peripherie zu fliegen (Dahab?, aber siehe Nachbarblog hier, nix los) - Alexandria wäre teurer, genauso gefährlich, aber uninteressanter gewesen. Dann schon eher Kairo. Wo ich leidlich orientiert bin (in Alex war ich nur 3 Tage) und übrigens auch Freunde habe, die mich alle herzlich eingeladen habe. Seufz.
energist,
Freitag, 11. Februar 2011, 03:06
Nebenbei gibt es vermutlich wenige Orte auf der Welt, wo man so wenig vom tatsächlichen Geschehen mitbekommt, wie mitten auf dem Tahrir Square. Was man dort aus erster Hand erfährt sind Stimmungen, Gerüchte, Euphorie, generell Emotionen. Das ist okay und sicherlich ein Grund dort zu sein, aber wie immer bei solchen Sachen... eher nutzlos am Ende – rein rationell betrachtet. Persönlich natürlich sicherlich ein Erlebnis, den „ich war dabei“-Faktor noch garnicht berechnet.
damenwahl,
Freitag, 11. Februar 2011, 10:35
Sicher richtig, lieber Energist. Ich würde mir aber auch nie anmassen, sachliche Artikel auch nur annähernd so gut schreiben zu können wie ein Experte mit fachlichem Hintergrund. Solche Situationen beschreiben hingegen, Geschichten erzählen und die Ereignisse lebendig machen auch für jene, die nicht im Moment nicht den ganzen Tag Twitter und AJE parallel gucken - das hätte ich vielleicht gekonnt.
arboretum,
Freitag, 11. Februar 2011, 18:57
Dass Sie Geschichten erzählen können, haben Sie uns (und sich) doch schon längst bewiesen. Und angesichts Ihrer Vorliebe für ungewöhnliche Arbeitsorte werden Sie das auch bestimmt wieder tun. Sei es nun aus Kairo - wo es auch später noch Geschichten zu erzählen geben wird -, oder irgendeinem anderen Ort. Wer weiß, vielleicht landen Sie ja beim nächsten Mal automatisch mittendrin, weil Sie einfach schon dort sind.
damenwahl,
Samstag, 12. Februar 2011, 00:50
Revolution in der Schweiz? Sehe ich im Moment nicht. Auslandsreisen leider auch nicht. Habe aber heute bei einem Freund aus einem anderen arabischen Wackelkandidaten die nächste Revolution bestellt - da könnte ich dann hin und wäre durch ihn gut aufgehoben. Hoffe, das klappt. Haha.
energist,
Freitag, 11. Februar 2011, 02:57
Scheiße, liebgewonnene Frau Damenwahl, ich bin sehr froh darüber, daß Sie nicht dort sind. Nicht weil ich Ihnen das nicht gönnte, oder weil ich generell von der zaudernden Sorte wäre.
Aber letzlich, das haben Sie ganz richtig gemacht, muß man doch immer schauen: was bringt es einem, was bringt es dem Rest der Welt. Und dem gegenüberstellen, welchen Schaden man mit der Entscheidung anrichtet, bei sich selbst und bei anderen. (Den Schaden bei sich selbst rechnet man als von etwas begeisterter oder generell ideologisch geprägter Mensch übrigens gerne raus – zumindest mache ich das immer und ich denke Ihnen wird es nicht anders gehen.) Sie haben das getan, sind zu einem – wie ich finde richtigen – Ergebnis gekommen... damit haben Sie schon mal tausendmal mehr getan als die meisten Andern. Darüber, daß dieses Ergebnis nicht mit dem, was das Herz leise hinterherruft, übereinstimmt, kann man sicherlich noch tausend Jahre wehklagen. Oder man kann es akzeptieren und weitermachen, während man versucht, vom jetztigen Standort aus zumindest ein bisschen was zu tun. Was Sie ja alleine schon durch die Erwähnung der ganzen Geschichte hier immer wieder tun.
„Dort wird gerade Geschichte geschrieben“ stand so sinngemäß in einer Ihrer letzten Beiträge. Auch wnn ich Ihnen da nicht zustimme, weil ich glaube, daß eines Tages in der kanonischen Geschichtsschreibung all diese Aufstände keine Würdigung finden werden... das zeigt doch, wie sehr Sie dabei sind. Und motiviert meinungsfaule oder abgelenkte Menschen wie mich, sich mit dem Thema zu beschäftigen, bei ägyptischen Freunden nachzubohren (die übrigens den ganzen Sachverhalt inzwischen alle recht zurückhaltend-ängstlich beurteilen, weil die anfängliche Begeisterung inzwischen Zweifeln gewichen ist) und sich ins Gespräch mit anderen einzubringen. Ja, das ist sicher nicht so aufregend, wie auf einem für den Rest der Welt namenlosen Platz von ebenso namenlosen Polizeieinheiten zusammengeknüppelt zu werden, aber unterm Strich vielleicht noch mehr wert.
Und ziehen Sie sich nicht so engstirnig an Ihrer Definition von Held hoch. Den eigenen Ansprüchen, so man sie hat, zu genügen ist immer am schwersten. Der Rest der Welt ist da gottseidank nicht so streng. (Dazu: http://www.youtube.com/watch?v=yW59LZsjE_g “There are no heroes—the hero is every one of us—the revolution belongs to the internet youth.”)
So, genug für heute abend von mir. Morgen früh ruft wieder die Arbeit. Aber auch wenn das bei Ihnen genauso ist: es gibt Dinge, die wir tun und solche die wir tun wollen. Und zumindest die letzten strahlen immer auch aus uns heraus in die Welt hinein. Manchmal sogar mehr als die anderen.
Gute Nacht =)
Aber letzlich, das haben Sie ganz richtig gemacht, muß man doch immer schauen: was bringt es einem, was bringt es dem Rest der Welt. Und dem gegenüberstellen, welchen Schaden man mit der Entscheidung anrichtet, bei sich selbst und bei anderen. (Den Schaden bei sich selbst rechnet man als von etwas begeisterter oder generell ideologisch geprägter Mensch übrigens gerne raus – zumindest mache ich das immer und ich denke Ihnen wird es nicht anders gehen.) Sie haben das getan, sind zu einem – wie ich finde richtigen – Ergebnis gekommen... damit haben Sie schon mal tausendmal mehr getan als die meisten Andern. Darüber, daß dieses Ergebnis nicht mit dem, was das Herz leise hinterherruft, übereinstimmt, kann man sicherlich noch tausend Jahre wehklagen. Oder man kann es akzeptieren und weitermachen, während man versucht, vom jetztigen Standort aus zumindest ein bisschen was zu tun. Was Sie ja alleine schon durch die Erwähnung der ganzen Geschichte hier immer wieder tun.
„Dort wird gerade Geschichte geschrieben“ stand so sinngemäß in einer Ihrer letzten Beiträge. Auch wnn ich Ihnen da nicht zustimme, weil ich glaube, daß eines Tages in der kanonischen Geschichtsschreibung all diese Aufstände keine Würdigung finden werden... das zeigt doch, wie sehr Sie dabei sind. Und motiviert meinungsfaule oder abgelenkte Menschen wie mich, sich mit dem Thema zu beschäftigen, bei ägyptischen Freunden nachzubohren (die übrigens den ganzen Sachverhalt inzwischen alle recht zurückhaltend-ängstlich beurteilen, weil die anfängliche Begeisterung inzwischen Zweifeln gewichen ist) und sich ins Gespräch mit anderen einzubringen. Ja, das ist sicher nicht so aufregend, wie auf einem für den Rest der Welt namenlosen Platz von ebenso namenlosen Polizeieinheiten zusammengeknüppelt zu werden, aber unterm Strich vielleicht noch mehr wert.
Und ziehen Sie sich nicht so engstirnig an Ihrer Definition von Held hoch. Den eigenen Ansprüchen, so man sie hat, zu genügen ist immer am schwersten. Der Rest der Welt ist da gottseidank nicht so streng. (Dazu: http://www.youtube.com/watch?v=yW59LZsjE_g “There are no heroes—the hero is every one of us—the revolution belongs to the internet youth.”)
So, genug für heute abend von mir. Morgen früh ruft wieder die Arbeit. Aber auch wenn das bei Ihnen genauso ist: es gibt Dinge, die wir tun und solche die wir tun wollen. Und zumindest die letzten strahlen immer auch aus uns heraus in die Welt hinein. Manchmal sogar mehr als die anderen.
Gute Nacht =)
damenwahl,
Freitag, 11. Februar 2011, 10:41
Und hier noch einmal, lieber Energist, etwas ausführlicher. Der Titel ist natürlich etwas flapsig gemeint und viel damit zu tun, wie mein Umfeld reagiert hat. Einerseits würde jeder von denen unterschreiben, daß es Journalisten und auch Helfer in Krisengebieten geben muß - wenn dann allerdings etwas passiert, sind das plötzlich keine aufrechten Menschen sondern, sonder leichtsinnige Abenteurer.
Und da frage ich mich: ist es fair, wenn solche Personen ausschließlich am zufälligen Ergebnis gemessen werden? Es scheint mir ungerecht, daß jene, die sowas erfolgreich und glücklicherweise ohne Unfälle machen, couragierte Helden sein sollen - jene aber, die Pech haben, vom der Gesellschaft als leichtsinnig verurteilt werden. Wobei eben der Unterschied vermutlich tatsächlich ist: mit Rückendeckung oder ohne. Und vielleicht auch, wie die Person am Ende subjektiv rüberkommt. Vielen werden hehre Motive unterstellt - aber Susanne Osthoff (habe was gelernt, Herr nnier) wurde harsch verurteilt, weil sie so eigenwillig wirkte.
Natürlich war ich gestern froh, nicht allein vor Ort zu sein. Erleichtert. Und ein Teil von mir denkt: vielleicht komme ich ja doch noch rüber, wenn das noch länger dauert, dort.
Und da frage ich mich: ist es fair, wenn solche Personen ausschließlich am zufälligen Ergebnis gemessen werden? Es scheint mir ungerecht, daß jene, die sowas erfolgreich und glücklicherweise ohne Unfälle machen, couragierte Helden sein sollen - jene aber, die Pech haben, vom der Gesellschaft als leichtsinnig verurteilt werden. Wobei eben der Unterschied vermutlich tatsächlich ist: mit Rückendeckung oder ohne. Und vielleicht auch, wie die Person am Ende subjektiv rüberkommt. Vielen werden hehre Motive unterstellt - aber Susanne Osthoff (habe was gelernt, Herr nnier) wurde harsch verurteilt, weil sie so eigenwillig wirkte.
Natürlich war ich gestern froh, nicht allein vor Ort zu sein. Erleichtert. Und ein Teil von mir denkt: vielleicht komme ich ja doch noch rüber, wenn das noch länger dauert, dort.
nnier,
Freitag, 11. Februar 2011, 09:42
(Ein kleiner Hinweis, der Name war Susanne Osthoff.)
damenwahl,
Freitag, 11. Februar 2011, 10:36
Ups, richtig. Ich war gestern so damit beschäftigt, den Ereignissen zu folgen, daß ich das völlig übersehen habe. Ist ja auch schon ein Weilchen her.
sopravvivere,
Freitag, 11. Februar 2011, 11:58
Ich weiss nicht... ich finde bei solchen Gedankengängen immer: man sollte "die Geschichte" denen überlassen, die es betrifft.
Als Aussenstehender ist man auch mittem drin, immer genau das: Aussen stehend. Man ist nicht Teil der Geschichte. Man gehört nicht dazu. Egal wie sehr man sich mit dem Geschehen und den Leuten identifizieren kann.
Klar, man kann darüber berichten. Aber auch dann ist man aussenstehen. Und ich persönlich finde, wenn man live aus einem Krisengebiet berichten möchte, muss man die Krise miterleben. Über längere Zeit. Um ansatzweise eine Ahnung zu haben, wie es sich anfühlt. Zusätzlich ist es natürlich wichtig, sich mit den Menschen austauschen zu können.
Für mich sind diese Kriterien genau so wichtig, wie das Risiko welches man eingeht. Und ich denke auch da, sieht man bereits den Unterschied von Aussenstehend zu Beteiligten.
Wir machen uns Gedanken, wie wir uns in Sicherheit bringen können, wie wir zurück in unsere "heile" Welt kommen. Während die "Geschichtenschreiber" in ihrer Welt gefangen bleiben. Egal wie die Geschichte ausgehen mag. Sie können nicht einfach auf Rettung hoffen, wenn es zu brezlig wird.
Und deshalb bin ich eigtlich grundsätzlich gegen solche ... nennen wir es ... Expeditionen.
Als Aussenstehender ist man auch mittem drin, immer genau das: Aussen stehend. Man ist nicht Teil der Geschichte. Man gehört nicht dazu. Egal wie sehr man sich mit dem Geschehen und den Leuten identifizieren kann.
Klar, man kann darüber berichten. Aber auch dann ist man aussenstehen. Und ich persönlich finde, wenn man live aus einem Krisengebiet berichten möchte, muss man die Krise miterleben. Über längere Zeit. Um ansatzweise eine Ahnung zu haben, wie es sich anfühlt. Zusätzlich ist es natürlich wichtig, sich mit den Menschen austauschen zu können.
Für mich sind diese Kriterien genau so wichtig, wie das Risiko welches man eingeht. Und ich denke auch da, sieht man bereits den Unterschied von Aussenstehend zu Beteiligten.
Wir machen uns Gedanken, wie wir uns in Sicherheit bringen können, wie wir zurück in unsere "heile" Welt kommen. Während die "Geschichtenschreiber" in ihrer Welt gefangen bleiben. Egal wie die Geschichte ausgehen mag. Sie können nicht einfach auf Rettung hoffen, wenn es zu brezlig wird.
Und deshalb bin ich eigtlich grundsätzlich gegen solche ... nennen wir es ... Expeditionen.
damenwahl,
Freitag, 11. Februar 2011, 12:16
Liebe sopravivvere... ich habe mich auch gefragt in den letzten Tage, ob ich mir diese Angelegenheit nicht zu sehr zu eigen mache. Schließlich ist es am Ende eben docht nicht mein Mauerfall, sondern deren Mauerfall, bei aller Sympathie für die Region und speziell meine Freunde dort.
Gleichzeitig meine ich schon: wenn alle so denken würden, gäbe es keine Journalisten und keine Berichterstattung - und das wäre auch nicht gut. Wobei ich auch definitiv für jene Journalisten die größten Sympathien habe, die auch schon im Dezember wußten, daß Tunesien und Ägypten erbärmliche Polizeistaaten mit vielen, vielen aufgebrachten jungen Leuten sind. Und das nicht erst im Januar entdeckt haben, weil ihre Redaktion den Auftrag erteilte.
Gleichzeitig meine ich schon: wenn alle so denken würden, gäbe es keine Journalisten und keine Berichterstattung - und das wäre auch nicht gut. Wobei ich auch definitiv für jene Journalisten die größten Sympathien habe, die auch schon im Dezember wußten, daß Tunesien und Ägypten erbärmliche Polizeistaaten mit vielen, vielen aufgebrachten jungen Leuten sind. Und das nicht erst im Januar entdeckt haben, weil ihre Redaktion den Auftrag erteilte.
sopravvivere,
Freitag, 11. Februar 2011, 12:49
Nein, natürlich bin ich nicht vollkommen gegen Berichterstattungen vor Ort. Es braucht solche Menschen, es braucht die Live-Bilder und die Meinungen der betroffenen Personen. Das muss sein! Unbedingt!
Nur denke ich, genau wie beschrieben, dass man länger vor Ort sein muss. Denn meiner Meinung nach, kann man auch erst dann richtig professionell und fundiert berichten.
Ein Kompliment an alle Fälle auch an Sie, dass Sie trotz der Sympathie und den Freunden die Sache rational und kritisch von allen Seiten beleuchten.
Nur denke ich, genau wie beschrieben, dass man länger vor Ort sein muss. Denn meiner Meinung nach, kann man auch erst dann richtig professionell und fundiert berichten.
Ein Kompliment an alle Fälle auch an Sie, dass Sie trotz der Sympathie und den Freunden die Sache rational und kritisch von allen Seiten beleuchten.
damenwahl,
Freitag, 11. Februar 2011, 12:58
Wie gesagt, ich würde als unbeteiligte Dritte auch lachen über jene, die mit null Ahnung dahin fliegen. Andererseits: wenn man nur die absoluten Profis ranläßt, gäbe es vermutlich nur eine Handvoll.