Ähnlich, und doch anders
Da bin ich wieder. Als ich vor sechs Jahren den letzten Beitrag schrieb, dachte ich nicht, daß ich mich hier noch einmal melden würde. Erstens war ich vorwiegend in langweiligen europäischen Großstädten, wo es nicht soviel Bemerkenswertes zu erzählen gab. Zweitens war ich offline ziemlich umtriebig, ich war auf Parties und Bällen, habe neue Sportarten probiert (Polo, Tauchen, Radfahren), neue Freunde gefunden und auch wieder verloren – all das hat mich auf Trab gehalten.

Jetzt hingegen fühlt es sich ein bißchen wie 2008 an – ich bin wieder in einem fremden Land, das Sozialleben ist eingeschränkt, und ich habe zum ersten Mal wieder das Bedürfnis, kleine Erlebnisse des Alltags zu teilen, weil der Alltag hier so ganz anders ist.

Hier, das ist Abidjan, Cote d’Ivoire. Nicht Elfenbeinküste, bitte, das verbitte ich mir, aus Loyalität zu meinen Gastgebern, denen das sehr wichtig ist. Abidjan war in den siebziger Jahren eine der fortschrittlichsten Metropolen Afrikas. Kakaoexporte haben Strassen, Schulen, und Hochhäuser finanziert. Dann kam die Wirtschaftskrise, dann der Bürgerkrieg, aber seit zehn Jahren geht es wieder aufwärts.

In Abidjan kann man als Expat prima leben, jedenfalls kein Vergleich mit Kinshasa, damals. Es gibt mehrere Einkaufszentren, Schnellstrassen, nicht nur Burger King sondern auch Sushi, Supermärkte, einen Golfclub, immer noch Hochhäuser, offizielle Taxis (inoffizielle natürlich auch).

Im Unterschied zu damals, bin ich hier nicht nur auf Stippvisite. Mein Arbeitgeber hätte mir einen kompletten Container verschifft, wenn ich denn gewollte hätte – wollte ich aber nicht. Angekommen bin ich mit zwei Koffern. Acht Wochen später kamen sieben Umzugskisten Luftfracht an (das wird eine Geschichte für sich). Heute besitze ich außerdem eine komplett neue Wohnungseinrichtung (Sofa, Esstisch, Schreibtisch, Konsolen, Regale (auch eine Geschichte), zwei Bilder, ein Bett, zwei Matratzen, zwei Moskitonetze, neues Geschirr und Besteck, Flaschenöffner und was man sonst so in der Küche braucht – und ein Auto. Wie es sich gehört, ein SUV natürlich. In knallrot, damit ich in der Anarchie des hiesigen Straßenverkehrs gesehen werde, periphere Sicht und Leuchtfarben und so. Der Autoerwerb ist nicht nur eine Geschichte, sondern eher drei.

Ich habe also schon so einiges erlebt in den drei Monaten, die ich jetzt hier bin. Und ich bin froh, wieder hier zu sein – ich bin ja kein Fan von “Africa is a country” Artikeln und Perspektiven, Afrika ist so vielseitig und jedes Land verdient Aufmerksamkeit mit seiner eigenen Identität. Aber gemeinsam ist allen Ländern, daß der Alltag anders ist, und ich empfinde es immer noch als Privileg, hier sein zu dürfen, und mehr von der Welt zu sehen, als ich mir hätte erträumen können.

Ich freue mich immer noch jeden Abend am Sonnenuntergang, der hier soviel öfter ein echtes Naturschauspiel ist.



Ich freue mich, im Kofferraum des Taxis vor mir (Modell Toyota Corolla) sieben kleine Ziegen zu entdecken.



Ich freue mich, wenn die Polizisten mich rüberwinken, denn dann folgt eine unterhaltsame Unterhaltung. Ich freue mich, wenn ich alltägliche Straßenszenen beobachten kann, während ich im Stau stehe.



In diesem Punkt hat sich also seit “damals” in Kinshasa nichts verändert – ob das heute noch jemand lesen will, weiß ich nicht, aber wir werden ja sehen… .

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arboretum, Dienstag, 5. Mai 2020, 07:24
Welcome back!

strelnikov, Dienstag, 5. Mai 2020, 10:19
Jippi, herzlich willkommen!

damals, Dienstag, 5. Mai 2020, 13:10
Ich freu mich auch, dass Sie wieder Nachrichten bringen aus Ländern, in die ich nie reisen werde. Willkommen zurück!

damenwahl, Dienstag, 5. Mai 2020, 16:40
Danke - wie schön, dass einige der alten Leser noch hier sind! Ein bisschen, wie die alte WG zu besuchen und festzustellen, daß sich nicht viel verändert hat... ich richte mich dann mal auf dem Sofa ein und hole einen Gin Tonic.

destello, Dienstag, 5. Mai 2020, 20:19
Auch ich freue mich! Ich war eher ein stiller, aber trotzdem begeisterter Leser. Aber eine Frage habe, ich: warum nicht "Elfenbeinküste"? Ist doch das Gleiche auf Deutsch.

damenwahl, Mittwoch, 6. Mai 2020, 00:41
Um der internationalen Verwirrung ein Ende zu machen, hat die Regierung in den 80er Jahren eine Entscheidung getroffen, und darum gebeten, im internationalen diplomatischen Verkehr nur noch als "Cote d'Ivoire" bezeichnet zu werden - und darauf legen sie einfach großen Wert. Vielleicht so ähnlich wie sich Personen auch die Verkürzung, Verniedlichung oder Verballhornung ihres Namens verbitten?

destello, Mittwoch, 6. Mai 2020, 16:50
Ich finde die Diplomatie interessant, habe aber keine Ahnung von den Gepflogenheiten, insofern bitte ich mögliche komische Fragen zu entschuldigen.
Was meinen Sie mit "Verwirrung"? Mir fällt kein Land ein, dass ich mit dem Namen Elfenbeinküste verwechseln könnte.
Kann ein Land also definieren, wie es in allen Sprachen genannt werden möchte? Könnte also auch Deutschland sagen, dass es im diplomatischen Verkehr nur noch Deutschland genannt werden möchte und nicht mehr Germany, Allemagne oder Tyskland?

damenwahl, Donnerstag, 7. Mai 2020, 00:43
Verwirrung, weil es so viele Versionen gab, im Französischen auch (historisch) nur "Zahnküste", Ivory Coast, und es gab noch weitere ... Und ja, natürlich können Länder das definieren. Kongo hat sich in Zaire umbenannt, und dann zurück zu Kongo. Erst kürzlich wurde aus Swaziland Eswatini. Und wenn jemand ausdrücklich um eine gewisse Version bittet, ist es ja nur höflch, das auch zu respektieren. Wobei die koloniale Vergangenheit, Autonomiebestrebungen, Identitätsfindung etc. sicher eine Rolle dabei spielen, wie wichtig das ist.

destello, Donnerstag, 7. Mai 2020, 02:00
Das kenne ich auch. Ich lebe seit 18 Jahren in Mexiko und hier gibt es große Narben wegen der kolonialen Vergangenheit, nur mit dem Namen kannte ich das nicht. Wobei, wenn Spanien Mexiko immer noch "Nueva España" nennen würde, käme das wohl nicht gut an.