Mittwoch, 2. Dezember 2009
Manieren - in mehr als einer Hinsicht
Erste Anzeichen von Übermüdung: wer bis abends um zehn oder elf arbeitet, kann morgens nicht um sechs schwimmen gehen – ich komme einfach nicht mehr hoch, trotz allen guten Willens. Ich hoffe auf heute Abend, vor der Abschiedsfeier einer Freundin, um die acht Riesen-Shrimps vom Vorabend zu kompensieren.
Der schöne Franzose hatte darauf bestanden, daß ich mit ihm und seinen Kollegen essen gehe, einer der Kollegen wolle mit mir über ein gemeinesames Fachgebiet und meine Erfahrungen im Kongo sprechen. Wir teilten uns auf zwei Autos auf, kaum waren wir angekommen, entschied sich das andere Auto für eine andere Destination, und am Ende saßen wir alle im Roi de Cossas. Auch wenn ich nur mäßig hungrig war, sind Shrimps in Knoblauchöl dort definitiv das Gericht der Wahl, und am Ende hatten acht von neun Personen um den Tisch herum Cossas vor sich stehen. Sieben von acht Personen hatten außerdem Lätzchen um den Hals – ich hingegen weigere mich konsequent, weiße Tücher umgebunden zu bekommen und verlasse mich auf meine gute Kinderstube. In aller Arroganz bin ich der Meinung: Cossas könne man wahrhaftig noch manierlich essen, ohne die Hälfte auf dem Hemd zu verteilen. Bisher ist es mir auch noch immer gelungen, mich nach der Mahlzeit unbeschadet vom Tisch zu erheben, so daß ich mich in meiner Meinung bestätigt sehe.
Zum Ende des Abends wurde es unerfreulich: einer der Kollegen hatte offenbar das bestellte Essen nicht erhalten – dafür etwas anderes? – und wurde, nach Kaffee oder Dessert gefragt, laut und unangenehm. Überaus verärgert lehnte er ab, beschwerte sich über das nicht servierte Essen, explodierte geradezu – das mag daran gelegen haben, daß ich die Vorgeschichte verpasst hatte. In jedem Fall wurde er sehr unangenehm, sehr unsouverän, sehr bösartig und sehr herrisch.
Und nun muß ich gestehen: ich bin letzte Woche auch einmal ausgerastet. Neben Bergen von Arbeit, der Suche nach einer Unterkunft für die letzten Tage hier nach Ende meines Mietvertrags, und endlosen Problemen mit meinem Fahrer (zu spät, nie da, verschwindet mitten im Tag, kommt morgens mit leerem Tank etc.) war meine Geduld so überstrapaziert, daß ich vor der Tür laut geworden bin. Im Nachhinein tat es mir leid, aber erst gestern – im Vergleich mit diesem sagenhaft herrischen, unangenehmen Typen – ist mir bewußt geworden, wie unschön mein Verhalten wirklich war. Habe mir fest vorgenommen, mich für den Rest der Woche von keiner Unannehmlichkeit mehr aus der Ruhe bringen zu lassen. Der Himmel möge hier zusammenbrechen, ich werde freundlich lächeln und souverän alles Ungemach über mich ergehen lassen.
So wie es aussieht, kann ich damit gleich anfangen: draußen stürzen Sintfluten vom Himmel und ich habe um zehn einen Termin mit einem Unternehmer, der schlimmstenfalls nicht einmal ein Dach überm Kopf hat.

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