Donnerstag, 10. Dezember 2009
Kampfplaudern
Letzter Tag, letztes Meeting. Ein völlig desolates Büro – und das soll ein Ministerium sein? Leere Tische, ein paar Regale mit wenigen Ordnern. Zwei Computer, gesprungene Fliesen, Dreck in allen Ecken, mit Tesa befestigte Papierzettel weisen den Weg. Man sagt mir, mein Gesprächspartner sei noch nicht gesichtet worden, und plaziert mich in einem Büro mit einem weiteren leeren Schreibtisch. Ein mageres Bürschchen mit dreistem Gesicht fläzt sich im Stuhl gegenüber. Das Hemd am Kragen zu weit, der Krawattenknoten schief, die Schuhe aus Plastik, so hängt er auf der anderen Seite des Tisches in einem klapperigen Bürosessel.
Er sei IT-Mitarbeiter hier im Hause, habe aber auch Entwicklungspolitik studiert, und jetzt arbeite er hier im Cabinet de Ministre, für die Computer sei er verantwortlich. Und ich?
Ich habe keine Lust auf Gespräche, noch viel weniger mit ihm, und nenne knapp meinen Arbeitgeber. Ach!... da wolle er ja auch gerne arbeiten, er habe sich auch schon oft beworben, leider immer erfolglos. Ich kommentiere, daß perfektes Englisch unbedingte Voraussetzung sei und fixiere wieder die trostlose Aussicht draußen. Er wolle aber wirklich sehr gerne dort arbeiten.... und mit Kontakten sei es bestimmt viel leichter. Er habe aber doch schon Arbeit, hier im Ministerium, erkundige ich mich? Das sei ja nicht mehr als ein Zeitvertreib... und wenn er nur von jemandem eine Empfehlung bekommen könne... . Ich bedauere und entschuldige mich. Überhaupt, führt er nun in aller Länge aus, möge er sich gerne mit Menschen unterhalten, Kontakte knüpfen, mit Ausländern ganz besonders – das sei ja so erbaulich und spannend und nützlich.
Jetzt fragt er nach meiner Nationalität, Amerikanerin vielleicht, rät er? Nein, ich sei Deutsche. Ah! Deutschland - ein so schönes Land. Und würde ich Weihnachten also in Deutschland verbringen? Ja, bestätige ich, ebenso wie mein Mann und die Kinder, und hole mein Handy raus und fange an, Nachrichten zu tippen. Also, Deutschland, das sei ja ein sehr schönes Land, da habe er schon immer mal hinreisen wollen... sei es denn sehr schwierig, ein Visum zu bekommen? Ich bekenne meine Unwissenheit. Er läßt nicht locker, fragt nach Prozeduren und Dokumenten, unbeirrt davon, daß ich mich vollständig von meinem Handy einnehmen lasse. Ich erkläre, daß Dokumente und Prozeduren als Inhaberin eines deutschen Passes nun wirklich nicht mein Problem seien.
Einen Moment verstummt er. Überlegt. Reitet dann die nächste Attacke: ob Deutsch eine schwere Sprache sei.... er würde ja so ungemein gerne Deutsch lernen... ob ich ihm nicht Deutsch beibringen könne. Ich bedauere, ich sei keine Sprachlehrerin. So langsam werden die Pausen größer zwischen seinen Einlassungen, während ich wahllos Nachrichten an alle möglichen Leute schreibe, um das Gespräch zu unterbinden. Was mir an Kinshasa denn besonders gefallen habe? Das nun, ist eine schwierige Frage: die Geldgier der Einwohner? Die kaputten Straßen? Die schikanösen Polizisten? Die Notwendigkeit, bei der Arbeit hinter allem und jedem herlaufen zu müssen? Die Dreistigkeit, aus allem Nutzen schlagen zu wollen? Alles keine guten Antworten. Ich rette mich in die Schönheit des Landes.
Nach einer weiteren Pause versucht er es erneut: er würde ja wirklich so besonders gerne für meinen Arbeitgeber arbeiten! Ich erkläre, inzwischen schnippisch und genervt: da würde aber morgens um neun schon hart gearbeitet – keine Zeit für angenehme Plaudereien. Ha! Das passe perfekt, er sei ein sehr fleißiger Arbeiter und lange Überstunden gewohnt, stets sei er der erste im Büro, schon morgens um sieben, und auch der letzte, der abends geht.
Ich schaue ihn zweifelnd an, wie er so in seinem Stuhl hängt, konzentriere mich wieder auf mein Telefon und werde endlich von meinen eintreffenden Gesprächspartner erlöst.

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