Donnerstag, 22. Juli 2010
Hausgäste
Manche sagen, ich habe ein gutes Herz. Jener ausländischen Kollegin zum Beispiel, die vor kurzem zu ihrem Freund ins Umland gezogen ist, habe ich schon beim ersten Kaffee angeboten, sie könne natürlich gerne, bei Bedarf, gelegentlich, bei mir übernachten, auch wenn meine Wohnung so klein ist, daß man mit einer Luftmatratze auf dem Fußboden nur noch Pferdchenspringen spielen kann.

Ich konnte ja nicht ahnen, daß sie dieses Angebot noch vor dem dritten Kaffee in Anspruch nehmen würde. Hat sie aber. Streit mit dem Freund, der setzte sie vor die Tür und so bekam ich am Montag eine e-Mail, in der sie um Obdach bat. Auf unbegrenzte Zeit, bis sie eine eigene Wohnung hier gefunden hätte. Nun würde ich nieniemals Menschen in Not meine Hilfe verwehren, erst recht keiner jungen Frau im fremden Land, reichlich allein (wie ich meinte) und in Not war sie zweifelsfrei, also bekam ich Überraschungsbesuch. Kaufte auf dem Heimweg noch Wein, Abendbrot und Schokolade, räumte ein bißchen auf und harrte der Dinge, die da kämen.

Zuerst allerdings wollte die Gute noch eine Freundin zum Abendessen treffen. Und andere Freunde, auf ein Bier. Um elf Uhr abends dann holten wir ihren Koffer, der die frei Fläche meiner kleinen vier Wände um einen weiteren Quadratmeter dezimierte. Den Wein haben wir dann trotzdem noch angefangen, zum Trost.

Am zweiten Tag dann brachte sie was zum Abendessen mit und auch ein ganz apartes Bier aus ihrer wilden Heimat, wir plauschten, wir surften, wir hörten Musik, sie zeigte mir Fotos. Das war allerdings, nachdem ich schon vormittags eine Möglichkeit für sie gefunden hatte, die leerstehende Wohnung einer Freundin zu übernehmen, für unbegrenzte Zeit, und ich muß zugeben: mein großes Herz wurde etwas kleiner, nachdem sie dieses Angebot so gar nicht zu interessieren schien.

Heute nun kann ich berichten, schrumpfte mein angeblich großes Herz auf Kieselsteingröße. Während ich nämlich morgens Kaffe koche und Obst fürs Frühstück schnippele, macht Madame sich schön. Während ich nachts fast ersticke, verwahrt sie sich gegen offene Fenster. Und während ich heute hungrig die Zeit bis zu ihrer für halb neun angekündigten Ankunft vertrieb, erhielt ich um neun eine Nachricht, sie käme in einer Stunde. Nun ist es elf, und ich sitze hier immer noch, mit meiner Erdbeer-Bowle. Weil ich ihr eine Freude machen wollte, weil ich Gäste wie Gäste behandele, weil ich eine dumme Gans bin.

Sollten Sie mal in die Schweiz kommen, suchen Sie doch das Hotel Damenwahl auf.

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