Montag, 31. August 2009
Welt gewaschen
Das Wetter verändert sich. Ich habe keine Ahnung, wie Sie sich die Tropen vorgestellt haben, in der Realität – und in der Trockenzeit – ist es hier jedenfalls grau. Den ganzen Tag, von morgens früh bis abends spät, war der Himmel ein fettiges, ungewaschenes, graues Bettlaken, von einem Horizont zum nächsten. Nur wenige Male war soviel Sonnenschein Licht, daß die Blumentöpfe auf unserer Terrasse Schatten warfen – und auch in jenen Fällen mußte ich erst mühsam den Himmel nach dem helleren Grau absuchen.
Manchmal habe ich Samstags ungläubig meine Fotos aus Tunesien studiert und konnte nicht fassen, daß andernorts der Himmel so strahlendintensivleuchtendswimmingpoolpostkartenhellblau sein kann.
Die lieben Kollegen versprachen Besserung, mit Beginn der Regenzeit würde das Einheitsgrau gegen abwechselnd Regengrau und Sonnenschein ausgetauscht. Darauf warte ich nun und bin sehr gespannt. Tatsächlich merke ich in den letzten zwei Wochen kleine Änderungen. Einen Abend war der Himmel graublau, oder sagen wir: zartblau, das klingt hübscher und erklärt auch besser meinen Freudenausbruch beim Verlassen des Büros (die Wachleute haben vermutlich mal wieder gedacht: die komische weiße Schnalle).
Heute morgen nun war meine Nase schneller als die Augen. Anfangs dachte ich noch: es riecht nach Herbst, aber dann stellte sich heraus: es riecht nach Regen. Der erste richtige Regen der Saison. Es muß eine ganze Menge gewesen sein, denn die Straßen sind nun keine staubigen Schotterpisten mehr, sondern Schlammpisten und überall stehen Pfützen. Vor allem aber roch die Luft wie daheim nach einem Herbstregen, sehr grün, irgendwie. Und der Himmel über dem Fluß war blaßblau und strahlte wie noch nie zuvor. Gerührt stelle ich fest, daß dieses Land geradezu schön sein kann.
Man sagt mir im Büro, das sei natürlich noch kein richtiger Regen gewesen, allenfalls ein kleiner nächtlicher Schauer – ein Vorgeschmack gewissermaßen. Im Winter mache ich hübsche Fotos von den Wasserwänden, die hier angeblich herunterkommen in der Regenzeit. Unsere Terrasse scheint sich für solche Beobachtungen anzubieten – Sie dürfen gespannt sein.

Permalink (6 Kommentare)   Kommentieren





Samstag, 29. August 2009
Freiheit
Heute habe ich mir ein Stück meiner Freiheit zurückerobert. Die vermutlich einschneidendste Beschränkung hier ist der Mangel an Bewegungsunfreiheit. Nicht das ausfallende Wasser, nicht die Stromausfälle, weder die horrenden Preise noch das Verkehrschaos. Ebensowenig der Mangel an kulturellen Angeboten oder das sonderbare Klima – am schlimmsten ist es, nicht einfach auf die Straße gehen zu können. Ohne Auto ist das Leben hier ein Alptraum. Erstens gibt es keine Bürgersteige – wollte man laufen, täte man dies auf staubigen Seitenstreifen. Zweitens ist es höchst ungewöhnlich, Expatriates gehen hier nicht auf der Straße spazieren. Je nach Tageszeit und Gegend ist man mehr oder weniger schnell umlagert von Schuhputzern, fliegenden Händlern, avancierenden Verehrern und bettelnden Kindern. Das ist meistens harmlos, manchmal aufdringlich und selten gefährlich –dennoch muß man sich sorgsam überlegen, wann und wie man das Risiko eingeht, sich ohne den goldenen Käfig auf vier Rädern auf die Straße zu begeben.

Ein Samstag in grundsätzlich noch vertretbar, weil auf den Straßen genug Verkehr ist und die meisten Läden geöffnet haben. Die Warnungen meiner möglicherweise übervorsichtigen Kollegen in den Wind schlagend war ich daher heute tatsächlich bummeln, sozusagen. Ausschlaggebend war, daß ich heute keinen Fahrer habe, allerdings dringend ein Geschenk benötige. Nächste Woche hat mich ein kongolesische Freund zur Taufe seiner kleinen Tochter eingeladen und nach einigen Erkundigungen scheint es, daß Kleidung für die Kleine eine angemessene Wahl wäre. Trotzdem nicht einfach, denn abgesehen davon, daß es in diesem Land nicht viel zu kaufen gibt, handelt es sich außerdem noch um eine Familie, der der materielle Wert des Geschenks relativ gleichgültig sein kann, da an materiellen Werten bei ihnen kein Mangel herrscht. Umso wichtiger finde ich in solchen Situationen, ein wohlüberlegtes, sinnvolles und liebevoll ausgesuchtes Geschenk zu finden, um zumindest guten Willen zu zeigen.

Ein Kollege hatte vorgeschlagen, im größten Supermarkt der Stadt zu schauen, der gegenüber meiner Lieblingsbäckerei zum Mittagessen liegt. Nachdem ich die Strecke jedoch bisher nur aus dem Auto kenne, habe ich mich... sagen wir, in Schlangenlinien daraufzubewegt. Und auch gleich einen weiteren Grund gefunden, zukünftig wieder den Fahrer zu bemühen: ich kam schweißgebadet im Supermarkt an – wenn man sich bewegt (was ich ja sonst nur im Swimmingpool tue, wo es ohnehin naß ist), fühlt sich die vergleichsweise kühle Trockenzeit gar nicht mehr kühl an. Der ganze Aufwand war völlig umsonst, der Supermarkt bot lediglich scheußliche, billige und absolut inakzeptable chinesische Importkleidung zu zehn bis zwanzig Dollar für ein Kleidchen oder einen Zweiteiler. Das Spielzeug überzeugte mich auch nicht recht, für kluge Spiele ist die Kleine noch zu jung, und doofe Spiele möchte ich nicht schenken. Auf dem Heimweg wurde ich erfreulicherweise in einer Boutique doch noch fündig, dort gab es hübsche Kleidchen in besserer Qualität und sogar für die unerfahrene Käuferin Beratung bezüglich der Größe (woher bitte soll ich wissen, welche Größe ein 18 Monate altes Kind braucht?).

Auf dem Rückweg wurde ich ungebetenerweise von einem kleinen Jungen begleitet, der mir erklärte, er habe Hunger. Das behaupten hier fast alle Kinder und wahrscheinlich stimmt es auch. Trotzdem mag ich ungern Bargeld aushändigen, nicht aus Geiz, sondern aus Unsicherheit. Wüßte ich, daß der Bengel das Geld heim zu Mami trägt, die davon Abendessen kochen kann, wäre ich weniger zögerlich, aber angesichts meiner völligen Unkenntnis der Umstände tue ich mich schwer. Es gibt Straßenbanden, es gibt Drogen, und ganz zweifelsfrei noch andere – mir unbekannte – Methoden, das Geld zu verjubeln oder wenig sinnvollen Zwecken zuzuführen. Andererseits dauern mich die Kinder. In einem hilflosen Kompromißversuch habe ich mit dem Kleinen ein bißchen geplauscht und ihn dann in die nächste Bäckerei eingeladen, wo er sich Brot aussuchen durfte. Einen Moment hatte ich Angst, er könnte eine Auswahl treffen, die mein sehr kleines Budget sprengen würde (aus Sicherheitsgründen nur zehn Dollar eingesteckt) – aber ganz bescheiden (oder völlig verunsichert?) wählte er ein gewöhnliches Baguette. Als ich ihn aufforderte, noch etwas auszusuchen guckte er mich nur verwirrt aus großen Kulleraugen schweigend an. Ich habe noch zwei Milchbrötchen draufgelegt, bezahlt und ihm draußen die Tüte in die Hand gedrückt. Im günstigeren Fall, denke ich mir, hat er jetzt keinen Hunger mehr. Im schlechteren Fall kann Nahrung keinesfalls schaden. Schlimmstenfalls denkt er, daß die weiße Frau einen Knall hat. Mit der Meinung wäre er dann in guter Gesellschaft - das haben vermutlich so einige Leute gedacht, die mir heute begegnet sind. Die einzige hellhäutige Person außer meiner Wenigkeit auf der Straße war ein MONUC Soldat in Tarnfleck, der mir vor der Bäckerei entgegenkam. Und genauso ungläubig hinter mir herschaute wie die Kongolesen (ich habe mich umgedreht, aus Neugier - er war stehengeblieben). Schmutzig, verschwitzt, aber an einem Stück unversehrt heimgekehrt, zufrieden damit, mir ein Stück Bewegungsfreiheit zurückgeholt zu haben in einem Land, in dem gerade das Mangelware ist. So können sich Prioritäten und Wertschätzungen ändern.

Permalink (2 Kommentare)   Kommentieren





Freitag, 28. August 2009
Zeitverschwendung am Freitag
Es gibt ja bekanntlich Internet und Intranet. Und die dazu passende Sicherheit. Ich arbeite hier mit meinem eigenen Rechner und so wurde für mich ein externer Zugang zum Intranet mit Mailadresse und Codeschlüssel beantragt. Genauer: in Woche 1 wurde darüber gesprochen, so etwas müsse beantragt werden. In Woche 2 wurde darüber auch mit dem IT Verantwortlichen gesprochen. In Woche 3 verkündete meine Chefin, sie habe nunmehr den Schlüssel angefordert. In Woche 4 wartete ich immer noch. In Woche 5 erhielt ich meine Mailadresse und den Schlüssel, welcher allerdings noch initialisiert werden mußte. Die Mailadresse war mir nur über den Schlüssel zugänglich. Der Initialisierungslink hingegen wurde mir per Mail geschickt. Sehen Sie das Problem? In Woche 6 wartete ich und suchte den IT Verantwortlichen, der sich im Urlaub befand.

In meiner Not habe ich heute den Rechner eines Kollegen geliehen, weil ich eine offizielle Mail abschicken wollte. Zwischen vielen, vielen Nachrichten auch:
Access to Lotus Notes to be cut if you do not take Information Security Course.
Mit Frist September 1. Und nun sitze ich hier zwischen Bergen von Arbeit und quäle mich durch eine spannende interaktive Schulung zum Thema IT Sicherheit. Natürlich ist diese nicht so ausgelegt, daß man sich einfach nebenbei durchklickt und vielleicht noch was Vernünftiges machen kann. Nein, man muß sich tatsächlich konzentrieren und jedes Mal lesen, welche Aufgaben einem gestellt werden. Habe ich doch gerade versucht, Gegenstände anzuklicken, die ich hätte ziehen müssen. Was für eine Zeitverschwendung. Malware: Click on the screen below to see what could happen to your computer! Dazu biestig aussehende, anklickbare Insekten, die wie Surfer auf einem Päckchen reiten? Jedes Mal, wenn man ungeduldig zu schnell klickt (und ich bin gerade sehrsehr ungeduldig) muß man die ganze Seite neu laden. Sie dürfen die Zeitverzögerung wegen Satelliten-Internet hinzurechnen. Wollen die mich vereimern? Lieber Gott, laß mich nach Hause gehen. Oder aufs Dach, Fluß gucken und Kaffee trinken. Alles, nur nicht hier sein.

Übrigens: wir befinden uns am Ende von Woche 6. Ursprünglich wäre ich in Woche 8 wieder abgereist. Ich muß mich dann Montag wohl um meine Verlängerung kümmern, sonst geht der Kampf im Oktober von vorne los.

Und jetzt muß ich mich auf den Abschlußtest konzentrieren - ich wähle die textbasierte Version ohne das interaktive fun element.

Permalink (0 Kommentare)   Kommentieren