Dienstag, 15. September 2009
Bis morgen. In Deutschland.

Ich freue mich gleichermaßen auf Pause vom Tollhaus wie auf die Rückkehr.

Permalink (4 Kommentare)   Kommentieren





Montag, 14. September 2009
Krisen, diverse
Im Moment bin ich vermutlich des Teufels dickster Haufen. Ich habe die Aufgaben aus meinem bisherigen Vertrag hier zu beenden, gleichzeitig erwartet mein neuer Vorgesetzter schon jetzt maximalen Einsatz – bei minimaler Koordinierung seinerseits – bezüglich der neuen Aufgaben ab Oktober. Ich schreibe bis spät nachts an Bewerbungen, in der Hoffnung, noch eine Ehrenrunde an der Universität drehen zu können und stecke außerdem bis zum Hals in einem administrativen Mehrfrontenkrieg. Mein Visum kann natürlich nicht hier verlängert werden, dafür reicht die Zeit nicht mehr. Wohlgemerkt: ich hatte rechtzeitig gefragt, aber bis mein Arbeitgeber sich bewegte, vergingen drei Tage und die fehlen jetzt. Ich brauche eine neue Versicherung, die keine Ausschlußklausel für vorhersehbare Kriegsereignisse enthält – jeder Mensch bei normalem Verstand würde wohl Länder die mit einer Reisewarnung des Auswärtigen Amtes bewehrt sind, als vorhersehbar unruhig einstufen. Da meine Eltern in den letzten Monaten umgezogen sind und mein Wohnsitz damit ebenfalls, habe ich unzählige Versicherungen, Banken und sonstige Organisationen, die mich meistens mit überflüssiger Werbung, gelegentlich jedoch mit wichtigen Informationen beglücken über die Änderung meiner Adresse zu informieren. Ich muß zum Zahnarzt, zum Friseur – der schöne Franzose, Sie wissen schon, ich will mithalten können, damit er im Oktober vielleicht doch mal mit mir ausgeht -, meine Schwester sehen, meine Eltern sehen, eine Einkaufsliste in Din A4 Größe abarbeiten – und das sind nur die unbedingt notwendigen Dinge.

Gerade jetzt ist unser Haus eine infrastrukturelle Krisenregion. Am Samstag war der Strom so ungleichmäßig, daß wir mit der Musik aus dem Restaurant unten und der flackernden Neonröhre auf unserer Terrasse eine Diskothek hätten eröffnen können. Nachdem mein Rechnerakku leer war, hatte es sich also digital ausgearbeitet und eine Stunde später in der Dämmerung dank Totalstromausfall war auch analog nichts mehr zu machen. Der schöne Franzose hat mich zum Abendessen versetzt, der Abend mit einigen anderen Kollegen trotzdem lustig. Leider so lustig, daß ich gestern morgen nach nur fünf Stunden Schlaf – ich kann es nicht ändern, aus mir unerfindlichen Gründen sitze ich seit der Ankunft in Afrika morgens um spätestens sieben hellwach im Bett – weder Frühstück noch Kaffee zur unmittelbaren Katerbekämpfung anrichten konnte. Der Kühlschrank: nicht mehr kühl. Der Herd: nicht heiß. Eine Stunde später gingen sogar die letzten Lampen aus und dann wurde auch das Wasser abgestellt. Außerdem mußte ich unbedingt ins Büro, um Internetzugang zu haben – hatte aber keinen Fahrer. Mein Taxifahrer macht Wochenende oder Kirche oder Ausflüge, die Kollegen hatten ihren Fahrern freigegeben, mein Mitbewohner war anderweitig verpflichtet. Mangels Alternativen habe ich eine Sicherungskopie aller wichtigen Dateien gemacht, nur wenig Bargeld in die Hosentasche gesteckt (und, ich gebe es zu, eine eiserne Reserve in die Strümpfe) und bin zu Fuß durch die fast menschenleeren Straßen zum Büro gelaufen. Das dauerte nur zwanzig Minuten, danach fühlte ich mich allerdings dank der Temperaturen, die zunehmend der Bezeichnung Tropen Rechnung tragen, völlig fertig. Nur um festzustellen, daß die lieben Kollegen gestern sämtliche Wasserspender geleert haben. Glück im Unglück, als ein Kollege im Obergeschoß eintraf und ich dort im Konferenzraum eine Flasche mopsen konnte. Ich fasse also zusammen: kein vernünftiges Frühstück – trotz Sonntag -, lauwarmer Kaffee (der Wasserkocher verweigerte jenseits der 50 Grad den Dienst), durstig und naßgeschwitzt im Büro und den ganzen Tag dort geblieben. Zu Hause wäre ja nach drei Stunden Arbeitsschluß wegen Rechnerbatterie gewesen, ich hatte also keine Wahl. Schon um 8h21 morgens rief mich der sonderbare Verehrer an, zuerst von seinem Handy, danach von seinem Bürotelefon. Was soll ich sagen, ich bin nicht drangegangen. Habe auch meinen Französischlehrer nur per SMS vertröstet. Und den Rest des Tages sämtliche Anrufe von unbekannter Nummer ignoriert. Leider war auch der Kollege dabei, der mir seinen Fahrer anbieten wollte. Dumm, aber auch. Hungrig um sechs nach Hause gekommen, im Geiste schon die Nudeln im Topf gekocht, die Zucchini angebraten und den Knoblauchduft in der Nase, stellte sich heraus, daß unser Herd immer noch nicht funktionierte. Im Supermarkt gegenüber ein Hühnchen mit Fritten geholt, leider war die Straße gerade stark befahren als ich sie überqueren wollte, so daß es am Ende kaltes Hühnchen und pappige Fritten wurden. Soviel dazu.

Permalink (0 Kommentare)   Kommentieren





Sonntag, 13. September 2009
Geldgeldgeld
Ein völlig unvorstellbares Detail, an das man sich unglaublich schnell gewöhnt, ist die Dollarisierung der Wirtschaft hier. Neben dem Franc Congolais, in 50, 100, 200 und 500 Franc-Scheinen, kann man überall auch mit Dollar bezahlen. Münzen habe ich seit acht Wochen nicht mehr in Händen gehalten. Gibt es nicht. Mehr noch: mit Dollar kommt man weiter als mit Franc. Als die Währung etabliert wurde, war der Wechselkurs ungefähr zwei zu eins, sagt mir jemand. Heute ist ein Dollar 750 oder 800 Franc wert. Wenn ich mittags ein Sandwich für 6 Dollar in der Bäckerei kaufe und mit zwanzig Dollar bezahle, bekomme ich 10 Dollar und 3.000 Francs zurück. Ungefähr, das ändert sich täglich. Franc verwendet man im Wesentlichen zum Trinkgelder geben und nach einer Woche hat man genug an Rückgeld gesammelt, daß sich das Portemonnaie kaum noch schließen läßt, zahlt einmal einen zehn Dollar Betrag mit Franc und hat wieder Luft in der Tasche. Was im Alltag eine simple Unannehmlichkeit für mich bedeutet, ist für das Land jedoch ein riesiges Problem. Läden müssen Kassen anschaffen, die Kassenzettel in beiden Währungen fakturieren können. Die Zentralbank braucht ein Zahlungssystem, das mit beiden Währungen umgehen kann. Unternehmen müssen Bilanzen in beiden Währungen aufstellen, wollen sie nicht in die Schmuddelecke abgeschoben werden. Und wirklich jeder kämpft mit der Volatilität des Franc und den sich ständig ändernden Wechselkursen. Im Supermarkt bezahle ich an der Kasse mit Dollar, dann geht einer der Hiwis dort zu einem Schalter, dort wird das große Rückgeld in Dollar abgezählt und die Kassiererin gibt mir den Rest in Franc heraus. In einem anderen, etwas bescheideneren Etablissement des Lebensmitteleinzelhandels ist die Kasse mit Dollar gefüllt, dafür hat die Kassiererin unterm Tisch einen Schuhkarton mit Franc, aus dem sie die Restbeträge auszahlt.

Kurios für den Besucher von auswärts ist der diskriminierende Umgang mit den verschiedenen Scheinen. Die Franc Scheine sehen ziemlich häufig so schmuddelig aus, daß man ihnen gerne man eine Geldwäsche angedeihen lassen, oder sie vielleicht in S*grotan einweichen wollen würde. 100er und 500er sind sich ohnehin sehr ähnlich und vor lauter Siffigkeit dann endgültig nicht mehr zu unterscheiden. Vor kurzem kam mir ausnahmsweise mal ein völlig neuer Franc Schein in die Hände – eine Serie aus dem Jahr 2002. Andere 2002er sind hingegen völlig zerfleddert. Die kongolesische Münze hat vermutlich ihre Arbeit schon vor Jahren eingestellt, schließe ich daraus, mangels Nachfrage. Dollar Scheine hingegen – müssen makellos sein. Ein Franc Schein darf gerne fünf Mal zusammengeklebt sein, das nimmt ihm nichts von seinem Wert. Einen Dollar Schein mit haarfeinem 2mm Riß hingegen können Sie genauso gut zum Zigaretten Drehen verwenden. Ich trage seit acht Wochen einen solchen mit mir herum und bin ihn nicht los geworden. Serien, die älter als 2000 sind, kommen als Zahlungsmittel ebenfalls nicht in Frage und auch wenn es sich manchmal anbieten würde, mit Ein-Dollarscheinen kleine Beträge zu bezahlen (um ein Rückgeld von 8000 Francs zu vermeiden, ein solches Päckchen würde schon fast einen Geldkoffer rechtfertigen) muß man schon gut verhandeln, um diese an den Mann zu bringen. Letztes Wochenende war ich auf einem Markt Souvenirs kaufen, am ersten Stand händigte man mir zehn Dollar in Einern als Rückgeld aus.
Am zweiten Stand wollte man diese jedoch nicht akzeptieren. Erst als ich von meinem Kauf zurücktrat und erklärte: entweder diese Scheine oder gar keine – haben sie es sich anders überlegt, und knurrend die Einer akzeptiert.
Wenn Sie mich jetzt fragen: warum der ganze Aufwand, muß ich meine völlige Unwissenheit bekennen: ich akzeptiere es einfach als eine weitere Irrationalität in diesem völlig verrückten Land.

Permalink (8 Kommentare)   Kommentieren