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Wenn alles gut läuft, macht das Leben in Abenteuerland Spaß. Für die gelegentlichen Unannehmlichkeiten wird man mit all den skurrilen Erlebnissen und interessanten Bekanntschaften reichlich entschädigt und insgesamt ist das Ärgernisse auch wert. Manchmal allerdings türmen sich die kleinen Probleme und Sorgen himmelhoch und abends ist man einfach nur noch frustriert und erschöpft.
Sonntag hatten wir den ganzen Tag kein Wasser, mein Fahrer kam zu spät, endlose Meetings im Büro, um fünf wurde es dunkel und begann orkanartig zu stürmen, ich bin nach Hause geeilt, um die Balkontür zu schließen, der Aufzug war kaputt und ich bin acht Etage rauf und wieder runter gesprintet. Mein Feuerzeug war hinüber, ein neues nur schwer aufzutreiben, beim Einkaufen hatte ich nur wenig Geld dabei und mußte sorgfältig rechnen (gar nicht so einfach, wenn die Preise in Francs ausgezeichnet sind aber in Dollar bezahlt wird). Montag morgen hatte ich aus völlig unerfindlichen Gründen einen neuen Fahrer – seine Erklärungen waren umständlich und kompliziert und ich habe sie nicht verstanden –, ich fürchte, daß ein Kollege kein ausschließlich kollegiales Interesse an mir hat und es ist leider nicht der schöne Franzose. Ein Meeting zog sich endlos hin, das Büro ist so überfüllt, daß ich morgen keinen Schreibtisch mehr habe, die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz gestaltet sich schwierig, ein anderes Meeting mußten wir auf der Terrasse abhalten, weil alle anderen Besprechungsräume belegt waren, von den Kollegen kümmerte sich niemand um Getränke, meine Höflichkeit gegenüber den Gästen reduzierte mich gefühlt von der Kollegin zur Praktikantin. Nach Einbruch der Dunkelheit wurde ich von Mücken belagert, auf der Terrasse bei uns zu Hause Käfer-Attacke. Ich war so fertig, daß ich beim ersten Anblick der Viecher – die ich da noch für Kakerlaken hielt – einen hysterischen Anfall bekam, wo man hintritt KäferKäferKäfer, die Straße ein Käferfriedhof, bis ins Bad sind sie vorgedrungen, und zu guter Letzt rief der schöne Franzose an und verkündete, er reise aus administrativen Gründen schon Freitag wieder ab. Trotz langatmiger Erklärungen seiner Gründe wollte er aber kein Bier mehr mit mir trinken gehen und ich werde mich wohl von all meinen romantischen Hoffnungen verabschieden müssen. Keinesfalls werde ich deshalb nachts vor Trauer in mein Kissen weinen, so weit ist es mit mir noch nicht, aber ein kleiner Flirt belebt den Alltag ganz ungemein.
Wie nett wäre es, wenn ich morgen den schönen Franzosen Nummer Zwei anrufe und sich daraus etwas ergibt. Nach Durchsicht meiner Aufzeichnungen von Samstag habe ich reichlich Fragen – lies: Gründe zum anrufen – und werde ihn außerdem bitten, meine Aufstellung der Daten gegenzulesen. Ich stelle mir vor, daß ich über Nacht nicht nur besser Französisch spreche, sondern auf wundersame Weise die Fähigkeit zum subtilen Flirt über mich kommen wird – gleichsam im Doppelpack. Ich werde mich bei diesem Telefonat nicht wie sonst mühsam durch die Sätze kämpfen und drei Mal nachfragen müssen, um den Sinn der Antworten erraten zu können, sondern einige überaus intelligente und kluge Fragen stellen, die Zeugnis von meiner herausragenden Auffassungsgabe ablegen. Dabei auch noch witzig sein und dem Gespräch eine leichte Note jenseits der geschäftlichen Formalien geben können. Wie es das Schicksal wollen wird, wird der zweite schöne Franzose ohnehin zum Ende der Woche für einige Termine nach Kinshasa kommen und mir anbieten, man könne sich noch einmal zusammensetzen. In meinem unglaublich überladenen Terminkalender ist dafür gerade noch Platz und wir werden uns für, sagen wir, Donnerstag Spätnachmittag verabreden. Ich werde mich richtig aufrüschen und überaus smart und elegant aussehen, diesmal ganz Zierde der holden Weiblichkeit. Er wird auch gut aussehen, vielleicht einen guten Anzug tragen und auf jeden Fall sehr gute Schuhe, und wir werden uns – dank meiner über Nacht erworbenen Eloquenz in Französisch – fantastisch verstehen und komplizierte Dinge bereden. Beiläufig werden wir darauf zu sprechen kommen, wie das Leben im Niemandsland im Vergleich zur Hauptstadt ist, daß er gelegentlich in Kinshasa ist, aber nicht allzu oft, daß er nicht viele Leute hier kennt, aber doch übers Wochenende bleiben wird. Die Einladung zu einem gemeinsamen Abendessen wird sich ganz selbstverständlich daraus ergeben und damit ist mein Abend hübsch geplant. Franzose Nummer eins hingegen wird vor Enttäuschung in sein Kissen beißen, wenn er mich eine Stunde später ebenfalls nach der Abendplanung fragt und ich vergeben bin, wird bitterlich enttäuscht sein und sich seine Zögerlichkeit nie im Leben verzeihen. Mit dem schönen Franzosen Nummer Zwei hingegen – der ein Glückspilz ist, daß er mit mir ausgehen darf – werde ich zum Beispiel ins Fleur du Sel gehen, weil es nicht zu groß und hübsch zu sitzen ist. Außerdem kann man zu fortgeschrittener Stunde an die Bar wechseln und dort beinahe vergessen, in Afrika zu sein. Jemand, der mehr oder minder alleine in der Mitte von Nirgendwo lebt, ist sicherlich sehr belesen und gebildet und wir werden uns fantastisch über Bücher, Politik und das Leben in Afrika austauschen. Das Essen wird wunderbar sein, aber lange dauern, und am Ende wird genug Vertrautheit da sein, um ein Dessert zu teilen. Beiläufig werden wir eine Mousse au Chocolat löffeln, beiläufig und ohne Gier, aber doch mit Genuß, und uns über Afrika und dieses großartige Land mit seinen unzähligen Problemen austauschen, und unser gemeinsames Faible für ein Leben jenseits von Paris und Berlin, und danach noch auf einen Absacker an die Bar wechseln. An einem Donnerstag wird die Bar ziemlich voll sein und wir werden an einem engen Ecktisch landen, wo man so nah beieinander sitzt, daß sich die Beine gelegentlich berühren, wenn man das Gewicht verlagert. Männer wie er trinken vermutlich einen Whisky oder Cognac, während ich einen Martini oder Amaretto nehme. Ich glaube, er raucht ebenfalls und das eröffnet weitere Möglichkeiten. Sich Feuer geben zu lassen ist immer ein wunderbarer Anknüpfungspunkt: beim ersten Mal vermeidet man die Berührung der Hände beinahe noch, aber irgendwann wird man mutiger und es sind diese Kleinigkeiten, die einen solchen Abend aufregend machen und die subtile Verständigung über die Absichten des anderen ermöglichen.
Meine gelegentlich schrägen Formulierungen und mein leichter Akzent – denn mehr als den werde ich bei einem solchen Anlaß nicht haben – werden keinesfalls inkompetent und dumm wirken, sondern charmant und niedlich. Überhaupt werde ich den ganzen Abend äußerst charmant und unterhaltsam sein – aber nicht zu sehr, sondern auch eine außerordentlich aufmerksame und interessierte Zuhörerin, Männer brauchen das – und am Ende des Abends, zu sehr fortgeschrittener Stunde, wird er mir völlig verfallen sein. Ich ihm ebenso. Da ich eine Dame bin und kein leichtes Mädchen, wird der Abend zu diesem Zeitpunkt enden, aber irgendwann zwischendurch wird mein kongolesischer Freund D. angerufen haben, um ausgehen in größerer Gruppe für Freitag vorzuschlagen und natürlich, herzlich gerne, darf ich den Franzosen Nummer Zwei mitbringen. Damit ist gesichert, daß sich weitere Treffen ergeben werden und so kann ich an diesem ersten Rendez-vous glücklich nach Hause gehen und von den unendlichen Möglichkeiten träumen, die das Leben manchmal bereit hält, wenn man es am wenigsten erwartet.
Schicksal, das wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, um in mein Leben einzugreifen. Und wenn ich schon den Mann meines Lebens und Vater meiner Kinder nicht bekommen kann, dann wünsche ich mir bitte wenigstens einen anständigen Schreibtisch für morgen.
Sonntag hatten wir den ganzen Tag kein Wasser, mein Fahrer kam zu spät, endlose Meetings im Büro, um fünf wurde es dunkel und begann orkanartig zu stürmen, ich bin nach Hause geeilt, um die Balkontür zu schließen, der Aufzug war kaputt und ich bin acht Etage rauf und wieder runter gesprintet. Mein Feuerzeug war hinüber, ein neues nur schwer aufzutreiben, beim Einkaufen hatte ich nur wenig Geld dabei und mußte sorgfältig rechnen (gar nicht so einfach, wenn die Preise in Francs ausgezeichnet sind aber in Dollar bezahlt wird). Montag morgen hatte ich aus völlig unerfindlichen Gründen einen neuen Fahrer – seine Erklärungen waren umständlich und kompliziert und ich habe sie nicht verstanden –, ich fürchte, daß ein Kollege kein ausschließlich kollegiales Interesse an mir hat und es ist leider nicht der schöne Franzose. Ein Meeting zog sich endlos hin, das Büro ist so überfüllt, daß ich morgen keinen Schreibtisch mehr habe, die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz gestaltet sich schwierig, ein anderes Meeting mußten wir auf der Terrasse abhalten, weil alle anderen Besprechungsräume belegt waren, von den Kollegen kümmerte sich niemand um Getränke, meine Höflichkeit gegenüber den Gästen reduzierte mich gefühlt von der Kollegin zur Praktikantin. Nach Einbruch der Dunkelheit wurde ich von Mücken belagert, auf der Terrasse bei uns zu Hause Käfer-Attacke. Ich war so fertig, daß ich beim ersten Anblick der Viecher – die ich da noch für Kakerlaken hielt – einen hysterischen Anfall bekam, wo man hintritt KäferKäferKäfer, die Straße ein Käferfriedhof, bis ins Bad sind sie vorgedrungen, und zu guter Letzt rief der schöne Franzose an und verkündete, er reise aus administrativen Gründen schon Freitag wieder ab. Trotz langatmiger Erklärungen seiner Gründe wollte er aber kein Bier mehr mit mir trinken gehen und ich werde mich wohl von all meinen romantischen Hoffnungen verabschieden müssen. Keinesfalls werde ich deshalb nachts vor Trauer in mein Kissen weinen, so weit ist es mit mir noch nicht, aber ein kleiner Flirt belebt den Alltag ganz ungemein.
Wie nett wäre es, wenn ich morgen den schönen Franzosen Nummer Zwei anrufe und sich daraus etwas ergibt. Nach Durchsicht meiner Aufzeichnungen von Samstag habe ich reichlich Fragen – lies: Gründe zum anrufen – und werde ihn außerdem bitten, meine Aufstellung der Daten gegenzulesen. Ich stelle mir vor, daß ich über Nacht nicht nur besser Französisch spreche, sondern auf wundersame Weise die Fähigkeit zum subtilen Flirt über mich kommen wird – gleichsam im Doppelpack. Ich werde mich bei diesem Telefonat nicht wie sonst mühsam durch die Sätze kämpfen und drei Mal nachfragen müssen, um den Sinn der Antworten erraten zu können, sondern einige überaus intelligente und kluge Fragen stellen, die Zeugnis von meiner herausragenden Auffassungsgabe ablegen. Dabei auch noch witzig sein und dem Gespräch eine leichte Note jenseits der geschäftlichen Formalien geben können. Wie es das Schicksal wollen wird, wird der zweite schöne Franzose ohnehin zum Ende der Woche für einige Termine nach Kinshasa kommen und mir anbieten, man könne sich noch einmal zusammensetzen. In meinem unglaublich überladenen Terminkalender ist dafür gerade noch Platz und wir werden uns für, sagen wir, Donnerstag Spätnachmittag verabreden. Ich werde mich richtig aufrüschen und überaus smart und elegant aussehen, diesmal ganz Zierde der holden Weiblichkeit. Er wird auch gut aussehen, vielleicht einen guten Anzug tragen und auf jeden Fall sehr gute Schuhe, und wir werden uns – dank meiner über Nacht erworbenen Eloquenz in Französisch – fantastisch verstehen und komplizierte Dinge bereden. Beiläufig werden wir darauf zu sprechen kommen, wie das Leben im Niemandsland im Vergleich zur Hauptstadt ist, daß er gelegentlich in Kinshasa ist, aber nicht allzu oft, daß er nicht viele Leute hier kennt, aber doch übers Wochenende bleiben wird. Die Einladung zu einem gemeinsamen Abendessen wird sich ganz selbstverständlich daraus ergeben und damit ist mein Abend hübsch geplant. Franzose Nummer eins hingegen wird vor Enttäuschung in sein Kissen beißen, wenn er mich eine Stunde später ebenfalls nach der Abendplanung fragt und ich vergeben bin, wird bitterlich enttäuscht sein und sich seine Zögerlichkeit nie im Leben verzeihen. Mit dem schönen Franzosen Nummer Zwei hingegen – der ein Glückspilz ist, daß er mit mir ausgehen darf – werde ich zum Beispiel ins Fleur du Sel gehen, weil es nicht zu groß und hübsch zu sitzen ist. Außerdem kann man zu fortgeschrittener Stunde an die Bar wechseln und dort beinahe vergessen, in Afrika zu sein. Jemand, der mehr oder minder alleine in der Mitte von Nirgendwo lebt, ist sicherlich sehr belesen und gebildet und wir werden uns fantastisch über Bücher, Politik und das Leben in Afrika austauschen. Das Essen wird wunderbar sein, aber lange dauern, und am Ende wird genug Vertrautheit da sein, um ein Dessert zu teilen. Beiläufig werden wir eine Mousse au Chocolat löffeln, beiläufig und ohne Gier, aber doch mit Genuß, und uns über Afrika und dieses großartige Land mit seinen unzähligen Problemen austauschen, und unser gemeinsames Faible für ein Leben jenseits von Paris und Berlin, und danach noch auf einen Absacker an die Bar wechseln. An einem Donnerstag wird die Bar ziemlich voll sein und wir werden an einem engen Ecktisch landen, wo man so nah beieinander sitzt, daß sich die Beine gelegentlich berühren, wenn man das Gewicht verlagert. Männer wie er trinken vermutlich einen Whisky oder Cognac, während ich einen Martini oder Amaretto nehme. Ich glaube, er raucht ebenfalls und das eröffnet weitere Möglichkeiten. Sich Feuer geben zu lassen ist immer ein wunderbarer Anknüpfungspunkt: beim ersten Mal vermeidet man die Berührung der Hände beinahe noch, aber irgendwann wird man mutiger und es sind diese Kleinigkeiten, die einen solchen Abend aufregend machen und die subtile Verständigung über die Absichten des anderen ermöglichen.
Meine gelegentlich schrägen Formulierungen und mein leichter Akzent – denn mehr als den werde ich bei einem solchen Anlaß nicht haben – werden keinesfalls inkompetent und dumm wirken, sondern charmant und niedlich. Überhaupt werde ich den ganzen Abend äußerst charmant und unterhaltsam sein – aber nicht zu sehr, sondern auch eine außerordentlich aufmerksame und interessierte Zuhörerin, Männer brauchen das – und am Ende des Abends, zu sehr fortgeschrittener Stunde, wird er mir völlig verfallen sein. Ich ihm ebenso. Da ich eine Dame bin und kein leichtes Mädchen, wird der Abend zu diesem Zeitpunkt enden, aber irgendwann zwischendurch wird mein kongolesischer Freund D. angerufen haben, um ausgehen in größerer Gruppe für Freitag vorzuschlagen und natürlich, herzlich gerne, darf ich den Franzosen Nummer Zwei mitbringen. Damit ist gesichert, daß sich weitere Treffen ergeben werden und so kann ich an diesem ersten Rendez-vous glücklich nach Hause gehen und von den unendlichen Möglichkeiten träumen, die das Leben manchmal bereit hält, wenn man es am wenigsten erwartet.
Schicksal, das wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, um in mein Leben einzugreifen. Und wenn ich schon den Mann meines Lebens und Vater meiner Kinder nicht bekommen kann, dann wünsche ich mir bitte wenigstens einen anständigen Schreibtisch für morgen.
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100 km - eine Weltreise
Ich glaube, das Schicksal möchte mir einen französischen Juristen an die Hand geben. Gestern Abend habe ich endlich den schönen Franzosen wiedergesehen beim Abendessen – schon seit Mittwoch wieder da, aber mir bis dahin noch nicht unter die Augen gekommen. Und bei meinem heutigen Termin bin ich gleich dem nächsten über den Weg gelaufen. Wirklich, hätte ich gewußt, daß mein Gesprächspartner ein so fescher junger Mann ist, hätte ich mir heute morgen mehr Mühe gegeben. Da ich nicht recht wußte, was mich an einem Samstag in einer Fabrik erwarten würde, hatte ich mich für schwarze Shorts mit Bügelfalte, ein graues Strickoberteil und flache Mokassins entschieden, war außerdem nach zwei Stunden Fahrt ohne Klimaanlage (vermaledeite Mietwagenfirma!) völlig durch und nicht gerade eine Zierde der holden Weiblichkeit. Mein Gesprächspartner hingegen sprang sportlich in reichlich kurzen (!) Shorts, Polo-Shirt und robusten Timberlands aus seinem Truck, sehr braungebrannt, sehr lockige Haare mit einem Zick-Zack-Haarreifen zurückgehalten – das fände ich normalerweise ganz fürchterlich, aber in Kombination mit dem markanten Gesicht und dem sportlichen Auftreten wirkte es authentisch und keineswegs feminin. Nein, wahrhaftig, ein schicker Mann, und etwa in meinem Alter. Aber das konnte ich einfach nicht wissen, als ich heute morgen um acht aufgebrochen bin. Mein Fahrer war etwas zu spät, aber noch war die Straße stadtauswärts Richtung Flughafen frei. Mein kongolesischer Freund und Kollege, der am Vortag vollmundig seine Begleitung angekündigt hatte, versetzte mich und so war ich alleine unterwegs, bewaffnet mit zwei kleinen Wasserflaschen und zwei kleinen Waffeln (genug, um mit dem Fahrer zu teilen). Die erste halbe Stunde bewegten wir uns durch belebte Stadtteile von Kinshasa, die man wohl noch zum urbanen Zentrum zählen darf – auch wenn urban hier anders aussieht als in Berlin oder London. Die nächste knappe halbe Stunde waren die Häuser Hütten zunehmend spärlicher gesät, die grünen oder leeren Brachen dazwischen immer häufiger, die Straße immer leerer und die letzte halbe Stunde lag rechts und links nur noch wilde Landschaft mit gelegentlichen Hüttenansammlungen um einen kleinen Platz herum. In der Mitte des Platzes steht immer ein Baum, einige Stände oder Waren auf wackeligen Brettern oder einfach einer Plane auf der Erde ausgelegt und viele untätige Menschen. In losem Umkreis einige Hütten, Wellblech, Spanplatten, Pappe und Tücher, immer öfter auch unbehauene Äste und Riedgrasdächer. Die Landschaft ist trist, grau-braune Steppe, rotbraune Erde, manchmal grün-braunes Gras dazwischen, grün-graue Bäume – das einzige schöne ist der Himmel, der seit neuestem vor allem morgens von einem leuchtenden, schimmernden, strahlenden Zartblau ist, wie ich es noch nie zuvor gesehen habe. Nicht das intensive, fast grelle Blau des nordafrikanischen Sommers, nicht das freundliche kontinentaleuropablau eines Sonnentages, nicht das norddeutsche blaßblau, das einem an guten Tagen zuteil wird, sondern anders. Ein bißchen so, als hätte jemand Perlmuttglanz mit in die Farbe gemischt, der alles strahlen läßt.
Die Straße – unser Rezeptionist: Cette une bonne route! war ein Slalomparcours aus zentimetertiefen Schlaglöchern, an den Rändern manchmal über einen Meter Länge tief weggebrochen, an Fahrbahnmarkierungen war nicht zu denken, aber mein Fahrer schaffte es bis auf 140 km/h zu beschleunigen und trotzdem allen Hindernissen auszuweichen. Wir passierten einige Straßenschwellen mit großzügiger Polizeipräsenz und ich bedauerte, das wenige Meter weiter halb auf der Straße stehende Buswrack nicht fotografieren zu können. Immer wieder Menschen am Wegrand, Frauen mit Verkaufsgut, Säcken, Lebensmitteln, Männer mit Holz oder Kohle auf dem Kopf, manche mit einer Plastiktüte in der Hand – alle nach einer Mitfahrgelegenheit Ausschau haltend. Bei einer Frau mit kleinem Kind auf der Hüfte hätte ich fast den Fahrer gebeten, anzuhalten, aber da fegten wir schon mit 100 km/h an ihr vorbei.
Dem Ziel schon näher als der Kapitale, eröffnete sich uns plötzliche eine fantastische Aussicht. Ich bin wahrhaftig nicht nah am Wasser gebaut, aber die Aussicht über geschwungene Hügel hinweg auf den majestätischen Fluß und die urwaldgrünen Berge auf der anderen Seite in Congo-Brazzaville war atemberaubend und trieb mir die Tränen in die Augen. Weil dieses Land so unglaublich schön sein kann.
Störend waren allenfalls die für mein Empfinden zu kurz geratenen Masten der Überlandleitungen mitten im Panorama. Ich habe auf der Rückfahrt auch denStanley Malebo-Pool gesehen, ein Becken wo der Kongo besonders breit ist, ich habe unzählige Menschen am Straßenrand gesehen, Schiffe und Baumstammboote auf dem Fluß, das alte – reichlich verfallene – Feriendomizil von Mobutu, mehr zusammengebrochene Autos mit einem Paar Beine drunter (Reparatur), als ich zählen konnte und am Ende ein 7000 Seelen Dorf. Schätzung des schönen Franzosen Nummer zwei. Er war sehr freundlich, hat mir großer Geduld alle meine Fragen beantwortet, immer neue Unterlagen herangeschafft, mir danach eine kurze Führung über das Gelände angedeihen lassen und sich auch sonst sehr bemüht. Allerdings frage ich mich: was macht ein junger Mann in den besten Jahren, der in einem afrikanischen Kaff in der Mitte von Nirgendwo sitzt, den ganzen Tag? Außer den direkten Kollegen – und das können nicht mehr als ein oder zwei Dutzend sein – wüßte ich nicht, was der Ort an Arbeitsmöglichkeiten für ein gehobenes Ausbildungsniveau bieten sollte, und angesichts der hierarchischen Strukturen wird er wohl abends nicht mit seinen Arbeitern Bier trinken auf dem Marktplatz. Außerdem kein Kino, kein Supermarkt, die Sportmöglichkeiten dürften auch sehr eingeschränkt sein – ich denke mir, daß man dafür schon sehr genügsam sein muß. Leider konnte ich ihn schlecht fragen, ob er mich zur Abwechslung mal in Kinshasa zum Essen ausführen möchte – neugierig wäre ich ja schon gewesen.
Interessant war es jedenfalls, früher als erwartet bin ich wieder daheim und werde mich bis zum Abendessen mit den Kollegen damit befassen, meine Notizen und Aufzeichnungen zu sortieren. Dabei kann ich sogar auf der Terrasse sitzen und an meinem Sommerteint arbeiten.
Ansonsten: hier einige Fotos, bevor ich vergebens nach Worten suche, die die Realität doch nie wiedergeben könnten. Krokodile leider keine gesichtet, nicht von außen und noch weniger von innen. Vielleicht beim nächsten Mal – meine Kollegen wollen mich nächste Woche nach Matadi schicken.




Ich bedauere die schlechte Qualität aber ich kann keine 4 MB Bilder über UMTS hochladen.


Die Straße – unser Rezeptionist: Cette une bonne route! war ein Slalomparcours aus zentimetertiefen Schlaglöchern, an den Rändern manchmal über einen Meter Länge tief weggebrochen, an Fahrbahnmarkierungen war nicht zu denken, aber mein Fahrer schaffte es bis auf 140 km/h zu beschleunigen und trotzdem allen Hindernissen auszuweichen. Wir passierten einige Straßenschwellen mit großzügiger Polizeipräsenz und ich bedauerte, das wenige Meter weiter halb auf der Straße stehende Buswrack nicht fotografieren zu können. Immer wieder Menschen am Wegrand, Frauen mit Verkaufsgut, Säcken, Lebensmitteln, Männer mit Holz oder Kohle auf dem Kopf, manche mit einer Plastiktüte in der Hand – alle nach einer Mitfahrgelegenheit Ausschau haltend. Bei einer Frau mit kleinem Kind auf der Hüfte hätte ich fast den Fahrer gebeten, anzuhalten, aber da fegten wir schon mit 100 km/h an ihr vorbei.
Dem Ziel schon näher als der Kapitale, eröffnete sich uns plötzliche eine fantastische Aussicht. Ich bin wahrhaftig nicht nah am Wasser gebaut, aber die Aussicht über geschwungene Hügel hinweg auf den majestätischen Fluß und die urwaldgrünen Berge auf der anderen Seite in Congo-Brazzaville war atemberaubend und trieb mir die Tränen in die Augen. Weil dieses Land so unglaublich schön sein kann.
Störend waren allenfalls die für mein Empfinden zu kurz geratenen Masten der Überlandleitungen mitten im Panorama. Ich habe auf der Rückfahrt auch den
Interessant war es jedenfalls, früher als erwartet bin ich wieder daheim und werde mich bis zum Abendessen mit den Kollegen damit befassen, meine Notizen und Aufzeichnungen zu sortieren. Dabei kann ich sogar auf der Terrasse sitzen und an meinem Sommerteint arbeiten.
Ansonsten: hier einige Fotos, bevor ich vergebens nach Worten suche, die die Realität doch nie wiedergeben könnten. Krokodile leider keine gesichtet, nicht von außen und noch weniger von innen. Vielleicht beim nächsten Mal – meine Kollegen wollen mich nächste Woche nach Matadi schicken.




Ich bedauere die schlechte Qualität aber ich kann keine 4 MB Bilder über UMTS hochladen.


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Kolonial-Chauvinismus
Das großartige an diesem Land ist, daß kaum ein Tag ohne bemerkenswerte, erzählenswerte, aufschreibenswerte Ereignisse vergeht. Manchmal gutes, manchmal schlechtes, und manchmal beides. Selbst wenn ich abends heimkomme und denke Das war’s, Tag vorbei. werde ich oft eines Besseren belehrt.
Ich hatte noch nie in meinem Leben einen Schwimmbad-Flirt. Vermutlich, weil ich mich in meiner Jugend selten in Schwimmbädern aufgehalten habe. Auf Handtüchern liegend habe ich noch nie bella figura gemacht, schon mit dreizehn hätte ich vor lauter Kurzsichtigkeit meinen Handtuchnachbarn kaum noch erkennen können, gleißendes Sonnenlicht auf Buchseiten fand ich schon immer störend, kurz: mich fand man eher in einer ruhigen Ecke des Hauses mit einem Buch als bei fröhlichen Tändeleien mit der Dorfjugend im Freibad. Gestern abend jedoch war ich schwimmen und das bescherte mir den ersten Freibad-Flirt meines Lebens. Ich liebe das Wasser, das sich im Dunkeln immer anders anfühlt als tagsüber, die Ruhe, ein paar Gäste im Restaurant auf der Terrasse und das Becken mit spiegelglattem Wasser ganz für mich allein. Nach einigen Minuten bekam ich gestern Gesellschaft, mein Nachbar auf Bahn Zwei kraulte fleißig, kraulte zielstrebig auf mich zu, als ich mein Soll erfüllt hatte und noch einen Moment am Beckenrad lehnte. You’ve got quite a stamina - das hört Mademoiselle natürlich immer gerne. Er übrigens auch nicht schlecht, trotz meiner Kurzsichtigkeit nach meinem Dafürhalten ganz eindeutig sehr bella figura. Wir wechselten zwei Sätze, aber ich war nicht in Stimmung für Flirts mit gutgebauten Indern aus der MONUC Truppe, beim nächsten Mal vielleicht.
Mich drückte nämlich mein Gewissen, das mich zu so später Stunde noch ins Wasser getrieben hatte. Ich habe nämlich gestern meinen Fahrer gefeuert, der mich wiederum um acht Uhr abends, als sein Arbeitgeber ihm das mitteilte, anrief. Anrief und umgehend auflegte, gleich Bitte um Rückruf. Was ich natürlich tat, wenn ich schon nachmittags weder den Mut noch die Gelegenheit gefunden hatte, ihm meine Gründe persönlich darzulegen. Ich habe versucht, mich am Telefon zu erklären, habe mich wortreich entschuldigt, irgendwann herrschte betretenes Schweigen auf beiden Seiten und er legte abschiedslos auf. Danach brauchte ich Bewegung, um meine Gedanken zu sortieren und meinem schlechten Gewissen davonzuschwimmen.
Die Angelegenheit hat natürlich eine Vorgeschichte. In meinem Telefonbuch sind beinahe mehr Taxifahrer und Chauffeure gespeichert als Freunde, ich verfüge über einen entsprechend breiten Erfahrungsschatz mit Herren, die für die Formel 1 trainieren, launischen Diven und begriffsstutzigen Schnarchnasen und hatte – zugegebenermaßen – eine gewisse Erwartungshaltung, als ich am Montag die Bekanntschaft meines ersten eigenen Mietwagen-Chauffeurs machte. Grundsätzlich sind die Chauffeure, die gewissermaßen mit dem Mietwagen zusammen von der Mietwagen-Firma gestellt werden, arme Schweine. Obwohl sie sich im Vergleich mit der Mehrheit der Kongolesen glücklich schätzen können ob ihres festen Jobs und sicheren Einkommens, ist das Leben nicht einfach. Fahrer wohnen meist weit außerhalb der Innenstadt und brauchen gerne ein oder zwei Stunden für die Anfahrt zur Zentrale der Leihwagenfirma. Wenn sie den Kunden morgens um acht im Hotel – oder mich an meiner Wohnung – abholen sollen, müssen sie folglich um sechs aufstehen. Den ganzen Tag bringen sie damit zu, den Kunden herumzukutschieren über lausige Straßen, die ein großes Maß an Kunstfertigkeit erfordern, um mit normalen Limousinen heile durch eimertiefe Schlaglöcher und über waldwegwürdige Schotterpisten zu kommen. Zwischendurch warten sie auf Parkplätzen und in Seitenstraßen, dösen, schlafen, plauschen miteinander und müssen stets auf Zuruf zur Verfügung stehen, dann aber bitte hopp-hopp auf Wunsch des Kunden. An ganz argen Tagen hat es die Polizei auf die weißen Reichen oder reichen Weißen abgesehen, dann benimmt sich ein guter Fahrer wie der Secret Service, gibt Gas und liefert den Kunden so schnell wie möglich im Hotel oder Büro ab, wo sich andere der Verwicklungen annehmen können. Weniger kluge Fahrer öffnen die Fenster ein weniges zu weit, der Polizist greift durchs Fenster und sitzt schneller im Auto als eine Kakerlake laufen kann. Ein Polizist im Auto wiederum ist eine Katastrophe, denn ohne Bestechung steigt er nicht aus, man muß sich also entscheiden: Prinzipien oder endloser Ärger.
Vor sieben hört bei uns niemand auf zu arbeiten, folglich sind Fahrer bestenfalls um acht oder neun daheim, schlimmstenfalls – wenn der Kunde noch zum Abendessen verabredet ist oder mit Kollegen ein Bier trinken möchte - wird es deutlich später. Irgendwann nach neun Uhr abends lohnt es sich für sie nicht mehr, den langen Heimweg mit diversen Minibussen und Schwarztaxis anzutreten, dann schlafen sie auf dem Parkplatz der Leihwagenfirma im Auto. An solchen Tagen ist es angemessen, den Fahrern zehn Dollar Trinkgeld zu geben und am nächsten Morgen kann man sie dabei beobachten, wie sie sich in einer Ecke des Parkplatzes in einer Pause den Oberkörper waschen, vielleicht ein frisches Hemd aus dem Kofferraum holen. Chauffeure arbeiten mindestens Montags bis Samstags, verantwortungsbewußte – und lokalkundige – Kollegen geben ihnen wenigstens einen Tag pro Woche frei. Andererseits kommt ein großzügiges Trinkgeld unter Umständen durchaus gelegen, vor allem dann, wenn sie von ihrer Firma nicht pünktlich bezahlt werden – auch das leider keine Seltenheit. Obwohl sie insgesamt zu den wirtschaftlich Bessergestellten im Lande gehören, sind sie arm – einer meiner vielen geliehenen Fahrer verwickelte sich vor einigen Wochen in Diskussionen mit Polizisten und die fünf Dollar Bestechung, die es zur Problemlösung gebraucht hätte, waren jenseits seiner Möglichkeiten.
Alle Fahrer, deren Bekanntschaft ich bislang machen durfte, mochte ich gerne, ich mag ihre Geschichten, lerne gerne über ihren Alltag und ihre Sorgen, ich habe Mitgefühl mit ihrem alltäglichen Kampf ums Überleben in dieser strengen Stadt, ich gebe anständiges Trinkgeld, vor allem wenn sie mißmutig sind – in der Hoffnung, daß ich ihnen das Leben damit etwas leichter machen kann. Mein erster eigener Fahrer N. entpuppte sich jedoch im Verlauf der Woche als Katastrophe.
Das libanesische Restaurant, in dem ich am Montag mit einem Kollegen Mittag essen wollte, kannte er nicht. Obwohl es eine der bescheideneren Adressen der Stadt ist – Chawarma für drei Euro – und von Expatriates wie auch der kongolesischen Mittelschicht gleichermaßen gerne frequentiert wird, befindet es sich ohne Frage weit außerhalb seiner finanziellen Reichweite, ich hatte Verständnis. Er fragte seine Kollegen und die Wachen nach dem Weg und einmal in der richtigen Straße wußte ich selbst, wo ich hinwollte. Die Bank, zu der ich danach mußte, kannte er auch nicht. Weder den Geldautomaten am Supermarkt Hasson & Frères, eine Institution die eigentlich jeder, wirklich jeder kennt, noch das Stammhaus der Bank in der Innenstadt. Ich kannte den Weg und dirigierte ihn zum Automaten auf der Rückseite des Gebäudes. Wir waren auf der falschen Straßenseite, aber schön, ich stieg aus, kletterte über Unrat auf dem Mittelstreifen hinweg, drückte mich an einer Frau vorbei, die in einer Plastikschüssel Teller wusch, stakste mit meinen feinen Schühchen über den Schotter der Straße. Automat defekt. Ich kämpfte mich zurück zum Auto und lotste ihn zum Automaten in der Parallelstraße am Haupteingang. Reihte mich dort in die lange Schlange der Wartenden ein. Statt nun – wie es die übrigen Fahrer der Vergangenheit gemacht hätten – in der Wartezeit einen Parkplatz in meiner Nähe zu suchen, wartete er hundert Meter die Straße hinunter. Als ich wieder ins Auto stieg war ich zu entnervt, ihn eines Besseren zu belehren.
Am nächsten Tag hatte ich diverse Termine, mit und ohne Gesellschaft meiner Kollegen. Jedes Mal parkte der Fahrer unmäßig weit weg vom Eingang, nie kannte er die Adresse. Wenn ich im Wagen auf meine Kollegen warten wollte, parkte er in der prallen Sonne. Wenn ich mit meinen Kollegen telefonieren wollte, mußte ich ihn erst bitten, die Musik leiser zu stellen. Die Klimaanlage lief, aber die weitgeöffneten Fenster konterkarierten die Bemühungen (abgesehen davon, daß man nie mit offenen Fenstern fährt, um Polizisten und Passanten keine Aufdringlichkeiten zu ermöglichen). Auch bei einem zweiten Termin – ein neuer Tag, aber dasselbe Gebäude – nahm er nicht den schnellsten Weg, sondern den simpelsten. Kurz: mein Fahrer hatte von der Stadt und den relevanten Adressen nicht die leiseste Ahnung. Pünktlich, ja, freundlich, ja, sehr bemüht, auch das – aber wenig wendig. Bestätigt wurde ich in meiner Einschätzung gestern Mittag von Kollegen, die es nach einem gemeinsamen Termin vorzogen, in den Wagen ihres eigenen Fahrers zu wechseln statt weiter mit meinem Neuling Schnitzeljagd zu spielen. Und dazu muß man sagen: auch deren Fahrer ist nicht gerade ein leuchtender Stern am Himmel seiner Zunft, sondern eher mißmutig und etwas schwer von Begriff.
Ich habe längst begriffen, daß deutsche Vorstellungen von effizientem Verhalten, sinnvollem Zeitmanagement und einem Minimum an Planung hier nicht realistisch sind und man mit derartigen Wünschen vor die Wand läuft in einem Land, in dem Zeit und Aufwand anders bewertet werden. Aber ein Fahrer, der sich nicht auskennt, ist eine unendliche Pein. Ich habe Samstag einen Termin außerhalb der Stadt im Umland, habe nächste Woche diverse Termine an Orten und in Gebäuden, die ich nicht kenne, und ich war es irgendwann leid, immer zehn Minuten extra einplanen zu müssen, um meinem Fahrer Gelegenheit zu geben, vor Fahrtantritt Erkundigungen bei Kollegen für die ersten zwei Drittel der Strecke einzuholen und sich für das letzte Drittel bei Passanten durchfragen zu können. Hatte ich bis dahin noch gezögert, gab mir die spitze Anmerkung eines Kollegen, die Mietwagenfirma werde mehr als großzügig bezahlt und habe doch wohl die Pflicht, angemessen versierte und ortskundige Fahrer zu stellen, den Rest. Schweren Herzens und nicht ganz reinen Gewissens bat ich unseren Rezeptionisten, einen neuen Fahrer anzufordern. Ich habe meine Gründe ausführlich dargelegt, ich stand beim Gespräch mit der Mietwagenfirma daneben und habe dafür gesorgt, daß meine Zufriedenheit (abgesehen von der völligen Ortsunkenntnis) deutlich wurde, aber ich fühlte mich dennoch schlecht. Danach hatte ich nur noch kurz Gelegenheit, mit N. am Telefon zu sprechen, weil die Kollegen ihn ausgeliehen hatten und zu meiner Schande muß ich gestehen: ich hatte nicht den Mut, am Telefon die Karten auf den Tisch zu legen. Ich habe mich um die unangenehme Wahrheit gedrückt. Dafür bekam ich fairerweise gestern Abend die Rechnung in Form eines anklagenden Anrufs nach Feierabend, und hatte danach ein noch schlechteres Gewissen. Ich hätte es vielleicht der Anständigkeit halber mit N. selbst besprechen sollen – andererseits: was hätte es geändert? Ich hätte ihn bitten können, mich zukünftig am Eingang abzuholen statt hundert Meter über Schotterstraßen laufen zu lassen, ich hätte ihm erklären können, nicht den simpelsten sondern den schnellsten Weg zu nehmen, aber Ortskenntnis hätte ich ihm sicherlich nicht übers Wochenende beibringen können.
Ich befürchte, daß meine Sorge, ihn in Schwierigkeiten zu bringen, berechtigt war, ich schäme mich für den mangelnden Anstand, ihm meine Kritik direkt mitzuteilen und ich habe ein schlechtes Gewissen wegen alldem. Trotzdem bin ich froh, am Samstag nicht auf jemandem angewiesen zu sein, der so wenig mitdenkt und immerhin: das schlechte Gewissen trieb mich ins Wasser, und dort wurde mir der erste Freibad-Flirt meines Lebens zuteil, wenn auch nur kurz und folgenlos. Dieses Land ist wirklich immer für eine Überraschung gut.
[Edit:
Ich schäme mich immer noch. Wegen der Fahrer-Geschichte. Frau Arboretum hat natürlich recht: ich hätte es versuchen können und sollen. Ich habe allerlei gute Entschuldigungen für meine Entscheidung, um einen anderen Fahrer zu bitten: meine Arbeit ist kompliziert und bestenfalls eine Herausforderung (schlimmstenfalls eine Überforderung), ich selbst kenne die Stadt nicht und Verständnis für den Fahrer und seine Orientierungslosigkeit kostet Zeit, mein Arbeitgeber bezahlt für eine Dienstleistung, es ist nicht meine Aufgabe, Fahrer auszubilden oder als Versuchskaninchen zu fungieren, Kinshasa ist selbst unter den besten Umständen ein Abenteuer und ein guter, versierter Fahrer bedeutet zusätzliche Sicherheit in einem unberechenbaren Land. Das alles hat zu meiner Entscheidung beigetragen, aber ich fürchte fast, der Hauptgrund war ein anderer: ich war es leid. Und ich konnte es machen. Selbst mit den wirklich erfahrenen Fahrern ist es mühsam, komplexere Vorgänge als A nach B Strecken zu erklären. Nicht, weil sie dumm wären, sondern weil sie anders denken. Überlegungen wie: wen hole ich zuerst ab, welche Strecke ist praktisch, wie schiebe ich einen Einkauf dazwischen, wie koordiniere ich verschiedene Kollegen und Termine mit einem Fahrer, sind ihnen einfach fremd und man muß sorgfältig seine Planung erklären. Zeit ist hier noch kein Geld. Das ist in jedem Fall anstrengend und war mit N. noch viel anstrengender und ich war die Sorgen und Erklärungen und Verständnisprobleme leid. Es ist leicht, solche Entscheidungen hier durchzudrücken, man gewöhnt sich unglaublich schnell an die Position der Stärke, in der man hier zwangsläufig steht – es kostet nur einen Anruf, natürlich haben alle Kollegen Verständnis – ja, mich geradezu motiviert – und natürlich bekommt ein guter Kunde wie mein Arbeitgeber einen neuen Fahrer, wenn er das wünscht.
Jetzt fühle ich mich erbärmlich. Ich bin doch hier, weil ich glaube, daß meine Arbeit vielleicht ein kleines bißchen dazu beitragen kann, das Leben hier etwas erträglicher zu machen – und bin an meinen eigenen Ansprüchen viel schneller als erwartet kläglich gescheitert. Ich finde durchaus, daß man klein anfangen sollte und in diesem Fall hätte ich mehr darüber nachdenken sollen, welche Konsequenzen mein Handeln hat und weniger an mich denken sollen. Ich bin selbst überrascht, wie schnell man gedankenlos wird und sich korrumpieren läßt vom eigenen Wohlbefinden. Das war wahrhaftig keine moralische Glanzleistung, aber hoffentlich werde ich beim nächsten Mal mehr nachdenken und mich nicht wieder so schäbig verhalten.]
Ich hatte noch nie in meinem Leben einen Schwimmbad-Flirt. Vermutlich, weil ich mich in meiner Jugend selten in Schwimmbädern aufgehalten habe. Auf Handtüchern liegend habe ich noch nie bella figura gemacht, schon mit dreizehn hätte ich vor lauter Kurzsichtigkeit meinen Handtuchnachbarn kaum noch erkennen können, gleißendes Sonnenlicht auf Buchseiten fand ich schon immer störend, kurz: mich fand man eher in einer ruhigen Ecke des Hauses mit einem Buch als bei fröhlichen Tändeleien mit der Dorfjugend im Freibad. Gestern abend jedoch war ich schwimmen und das bescherte mir den ersten Freibad-Flirt meines Lebens. Ich liebe das Wasser, das sich im Dunkeln immer anders anfühlt als tagsüber, die Ruhe, ein paar Gäste im Restaurant auf der Terrasse und das Becken mit spiegelglattem Wasser ganz für mich allein. Nach einigen Minuten bekam ich gestern Gesellschaft, mein Nachbar auf Bahn Zwei kraulte fleißig, kraulte zielstrebig auf mich zu, als ich mein Soll erfüllt hatte und noch einen Moment am Beckenrad lehnte. You’ve got quite a stamina - das hört Mademoiselle natürlich immer gerne. Er übrigens auch nicht schlecht, trotz meiner Kurzsichtigkeit nach meinem Dafürhalten ganz eindeutig sehr bella figura. Wir wechselten zwei Sätze, aber ich war nicht in Stimmung für Flirts mit gutgebauten Indern aus der MONUC Truppe, beim nächsten Mal vielleicht.
Mich drückte nämlich mein Gewissen, das mich zu so später Stunde noch ins Wasser getrieben hatte. Ich habe nämlich gestern meinen Fahrer gefeuert, der mich wiederum um acht Uhr abends, als sein Arbeitgeber ihm das mitteilte, anrief. Anrief und umgehend auflegte, gleich Bitte um Rückruf. Was ich natürlich tat, wenn ich schon nachmittags weder den Mut noch die Gelegenheit gefunden hatte, ihm meine Gründe persönlich darzulegen. Ich habe versucht, mich am Telefon zu erklären, habe mich wortreich entschuldigt, irgendwann herrschte betretenes Schweigen auf beiden Seiten und er legte abschiedslos auf. Danach brauchte ich Bewegung, um meine Gedanken zu sortieren und meinem schlechten Gewissen davonzuschwimmen.
Die Angelegenheit hat natürlich eine Vorgeschichte. In meinem Telefonbuch sind beinahe mehr Taxifahrer und Chauffeure gespeichert als Freunde, ich verfüge über einen entsprechend breiten Erfahrungsschatz mit Herren, die für die Formel 1 trainieren, launischen Diven und begriffsstutzigen Schnarchnasen und hatte – zugegebenermaßen – eine gewisse Erwartungshaltung, als ich am Montag die Bekanntschaft meines ersten eigenen Mietwagen-Chauffeurs machte. Grundsätzlich sind die Chauffeure, die gewissermaßen mit dem Mietwagen zusammen von der Mietwagen-Firma gestellt werden, arme Schweine. Obwohl sie sich im Vergleich mit der Mehrheit der Kongolesen glücklich schätzen können ob ihres festen Jobs und sicheren Einkommens, ist das Leben nicht einfach. Fahrer wohnen meist weit außerhalb der Innenstadt und brauchen gerne ein oder zwei Stunden für die Anfahrt zur Zentrale der Leihwagenfirma. Wenn sie den Kunden morgens um acht im Hotel – oder mich an meiner Wohnung – abholen sollen, müssen sie folglich um sechs aufstehen. Den ganzen Tag bringen sie damit zu, den Kunden herumzukutschieren über lausige Straßen, die ein großes Maß an Kunstfertigkeit erfordern, um mit normalen Limousinen heile durch eimertiefe Schlaglöcher und über waldwegwürdige Schotterpisten zu kommen. Zwischendurch warten sie auf Parkplätzen und in Seitenstraßen, dösen, schlafen, plauschen miteinander und müssen stets auf Zuruf zur Verfügung stehen, dann aber bitte hopp-hopp auf Wunsch des Kunden. An ganz argen Tagen hat es die Polizei auf die weißen Reichen oder reichen Weißen abgesehen, dann benimmt sich ein guter Fahrer wie der Secret Service, gibt Gas und liefert den Kunden so schnell wie möglich im Hotel oder Büro ab, wo sich andere der Verwicklungen annehmen können. Weniger kluge Fahrer öffnen die Fenster ein weniges zu weit, der Polizist greift durchs Fenster und sitzt schneller im Auto als eine Kakerlake laufen kann. Ein Polizist im Auto wiederum ist eine Katastrophe, denn ohne Bestechung steigt er nicht aus, man muß sich also entscheiden: Prinzipien oder endloser Ärger.
Vor sieben hört bei uns niemand auf zu arbeiten, folglich sind Fahrer bestenfalls um acht oder neun daheim, schlimmstenfalls – wenn der Kunde noch zum Abendessen verabredet ist oder mit Kollegen ein Bier trinken möchte - wird es deutlich später. Irgendwann nach neun Uhr abends lohnt es sich für sie nicht mehr, den langen Heimweg mit diversen Minibussen und Schwarztaxis anzutreten, dann schlafen sie auf dem Parkplatz der Leihwagenfirma im Auto. An solchen Tagen ist es angemessen, den Fahrern zehn Dollar Trinkgeld zu geben und am nächsten Morgen kann man sie dabei beobachten, wie sie sich in einer Ecke des Parkplatzes in einer Pause den Oberkörper waschen, vielleicht ein frisches Hemd aus dem Kofferraum holen. Chauffeure arbeiten mindestens Montags bis Samstags, verantwortungsbewußte – und lokalkundige – Kollegen geben ihnen wenigstens einen Tag pro Woche frei. Andererseits kommt ein großzügiges Trinkgeld unter Umständen durchaus gelegen, vor allem dann, wenn sie von ihrer Firma nicht pünktlich bezahlt werden – auch das leider keine Seltenheit. Obwohl sie insgesamt zu den wirtschaftlich Bessergestellten im Lande gehören, sind sie arm – einer meiner vielen geliehenen Fahrer verwickelte sich vor einigen Wochen in Diskussionen mit Polizisten und die fünf Dollar Bestechung, die es zur Problemlösung gebraucht hätte, waren jenseits seiner Möglichkeiten.
Alle Fahrer, deren Bekanntschaft ich bislang machen durfte, mochte ich gerne, ich mag ihre Geschichten, lerne gerne über ihren Alltag und ihre Sorgen, ich habe Mitgefühl mit ihrem alltäglichen Kampf ums Überleben in dieser strengen Stadt, ich gebe anständiges Trinkgeld, vor allem wenn sie mißmutig sind – in der Hoffnung, daß ich ihnen das Leben damit etwas leichter machen kann. Mein erster eigener Fahrer N. entpuppte sich jedoch im Verlauf der Woche als Katastrophe.
Das libanesische Restaurant, in dem ich am Montag mit einem Kollegen Mittag essen wollte, kannte er nicht. Obwohl es eine der bescheideneren Adressen der Stadt ist – Chawarma für drei Euro – und von Expatriates wie auch der kongolesischen Mittelschicht gleichermaßen gerne frequentiert wird, befindet es sich ohne Frage weit außerhalb seiner finanziellen Reichweite, ich hatte Verständnis. Er fragte seine Kollegen und die Wachen nach dem Weg und einmal in der richtigen Straße wußte ich selbst, wo ich hinwollte. Die Bank, zu der ich danach mußte, kannte er auch nicht. Weder den Geldautomaten am Supermarkt Hasson & Frères, eine Institution die eigentlich jeder, wirklich jeder kennt, noch das Stammhaus der Bank in der Innenstadt. Ich kannte den Weg und dirigierte ihn zum Automaten auf der Rückseite des Gebäudes. Wir waren auf der falschen Straßenseite, aber schön, ich stieg aus, kletterte über Unrat auf dem Mittelstreifen hinweg, drückte mich an einer Frau vorbei, die in einer Plastikschüssel Teller wusch, stakste mit meinen feinen Schühchen über den Schotter der Straße. Automat defekt. Ich kämpfte mich zurück zum Auto und lotste ihn zum Automaten in der Parallelstraße am Haupteingang. Reihte mich dort in die lange Schlange der Wartenden ein. Statt nun – wie es die übrigen Fahrer der Vergangenheit gemacht hätten – in der Wartezeit einen Parkplatz in meiner Nähe zu suchen, wartete er hundert Meter die Straße hinunter. Als ich wieder ins Auto stieg war ich zu entnervt, ihn eines Besseren zu belehren.
Am nächsten Tag hatte ich diverse Termine, mit und ohne Gesellschaft meiner Kollegen. Jedes Mal parkte der Fahrer unmäßig weit weg vom Eingang, nie kannte er die Adresse. Wenn ich im Wagen auf meine Kollegen warten wollte, parkte er in der prallen Sonne. Wenn ich mit meinen Kollegen telefonieren wollte, mußte ich ihn erst bitten, die Musik leiser zu stellen. Die Klimaanlage lief, aber die weitgeöffneten Fenster konterkarierten die Bemühungen (abgesehen davon, daß man nie mit offenen Fenstern fährt, um Polizisten und Passanten keine Aufdringlichkeiten zu ermöglichen). Auch bei einem zweiten Termin – ein neuer Tag, aber dasselbe Gebäude – nahm er nicht den schnellsten Weg, sondern den simpelsten. Kurz: mein Fahrer hatte von der Stadt und den relevanten Adressen nicht die leiseste Ahnung. Pünktlich, ja, freundlich, ja, sehr bemüht, auch das – aber wenig wendig. Bestätigt wurde ich in meiner Einschätzung gestern Mittag von Kollegen, die es nach einem gemeinsamen Termin vorzogen, in den Wagen ihres eigenen Fahrers zu wechseln statt weiter mit meinem Neuling Schnitzeljagd zu spielen. Und dazu muß man sagen: auch deren Fahrer ist nicht gerade ein leuchtender Stern am Himmel seiner Zunft, sondern eher mißmutig und etwas schwer von Begriff.
Ich habe längst begriffen, daß deutsche Vorstellungen von effizientem Verhalten, sinnvollem Zeitmanagement und einem Minimum an Planung hier nicht realistisch sind und man mit derartigen Wünschen vor die Wand läuft in einem Land, in dem Zeit und Aufwand anders bewertet werden. Aber ein Fahrer, der sich nicht auskennt, ist eine unendliche Pein. Ich habe Samstag einen Termin außerhalb der Stadt im Umland, habe nächste Woche diverse Termine an Orten und in Gebäuden, die ich nicht kenne, und ich war es irgendwann leid, immer zehn Minuten extra einplanen zu müssen, um meinem Fahrer Gelegenheit zu geben, vor Fahrtantritt Erkundigungen bei Kollegen für die ersten zwei Drittel der Strecke einzuholen und sich für das letzte Drittel bei Passanten durchfragen zu können. Hatte ich bis dahin noch gezögert, gab mir die spitze Anmerkung eines Kollegen, die Mietwagenfirma werde mehr als großzügig bezahlt und habe doch wohl die Pflicht, angemessen versierte und ortskundige Fahrer zu stellen, den Rest. Schweren Herzens und nicht ganz reinen Gewissens bat ich unseren Rezeptionisten, einen neuen Fahrer anzufordern. Ich habe meine Gründe ausführlich dargelegt, ich stand beim Gespräch mit der Mietwagenfirma daneben und habe dafür gesorgt, daß meine Zufriedenheit (abgesehen von der völligen Ortsunkenntnis) deutlich wurde, aber ich fühlte mich dennoch schlecht. Danach hatte ich nur noch kurz Gelegenheit, mit N. am Telefon zu sprechen, weil die Kollegen ihn ausgeliehen hatten und zu meiner Schande muß ich gestehen: ich hatte nicht den Mut, am Telefon die Karten auf den Tisch zu legen. Ich habe mich um die unangenehme Wahrheit gedrückt. Dafür bekam ich fairerweise gestern Abend die Rechnung in Form eines anklagenden Anrufs nach Feierabend, und hatte danach ein noch schlechteres Gewissen. Ich hätte es vielleicht der Anständigkeit halber mit N. selbst besprechen sollen – andererseits: was hätte es geändert? Ich hätte ihn bitten können, mich zukünftig am Eingang abzuholen statt hundert Meter über Schotterstraßen laufen zu lassen, ich hätte ihm erklären können, nicht den simpelsten sondern den schnellsten Weg zu nehmen, aber Ortskenntnis hätte ich ihm sicherlich nicht übers Wochenende beibringen können.
Ich befürchte, daß meine Sorge, ihn in Schwierigkeiten zu bringen, berechtigt war, ich schäme mich für den mangelnden Anstand, ihm meine Kritik direkt mitzuteilen und ich habe ein schlechtes Gewissen wegen alldem. Trotzdem bin ich froh, am Samstag nicht auf jemandem angewiesen zu sein, der so wenig mitdenkt und immerhin: das schlechte Gewissen trieb mich ins Wasser, und dort wurde mir der erste Freibad-Flirt meines Lebens zuteil, wenn auch nur kurz und folgenlos. Dieses Land ist wirklich immer für eine Überraschung gut.
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Ich schäme mich immer noch. Wegen der Fahrer-Geschichte. Frau Arboretum hat natürlich recht: ich hätte es versuchen können und sollen. Ich habe allerlei gute Entschuldigungen für meine Entscheidung, um einen anderen Fahrer zu bitten: meine Arbeit ist kompliziert und bestenfalls eine Herausforderung (schlimmstenfalls eine Überforderung), ich selbst kenne die Stadt nicht und Verständnis für den Fahrer und seine Orientierungslosigkeit kostet Zeit, mein Arbeitgeber bezahlt für eine Dienstleistung, es ist nicht meine Aufgabe, Fahrer auszubilden oder als Versuchskaninchen zu fungieren, Kinshasa ist selbst unter den besten Umständen ein Abenteuer und ein guter, versierter Fahrer bedeutet zusätzliche Sicherheit in einem unberechenbaren Land. Das alles hat zu meiner Entscheidung beigetragen, aber ich fürchte fast, der Hauptgrund war ein anderer: ich war es leid. Und ich konnte es machen. Selbst mit den wirklich erfahrenen Fahrern ist es mühsam, komplexere Vorgänge als A nach B Strecken zu erklären. Nicht, weil sie dumm wären, sondern weil sie anders denken. Überlegungen wie: wen hole ich zuerst ab, welche Strecke ist praktisch, wie schiebe ich einen Einkauf dazwischen, wie koordiniere ich verschiedene Kollegen und Termine mit einem Fahrer, sind ihnen einfach fremd und man muß sorgfältig seine Planung erklären. Zeit ist hier noch kein Geld. Das ist in jedem Fall anstrengend und war mit N. noch viel anstrengender und ich war die Sorgen und Erklärungen und Verständnisprobleme leid. Es ist leicht, solche Entscheidungen hier durchzudrücken, man gewöhnt sich unglaublich schnell an die Position der Stärke, in der man hier zwangsläufig steht – es kostet nur einen Anruf, natürlich haben alle Kollegen Verständnis – ja, mich geradezu motiviert – und natürlich bekommt ein guter Kunde wie mein Arbeitgeber einen neuen Fahrer, wenn er das wünscht.
Jetzt fühle ich mich erbärmlich. Ich bin doch hier, weil ich glaube, daß meine Arbeit vielleicht ein kleines bißchen dazu beitragen kann, das Leben hier etwas erträglicher zu machen – und bin an meinen eigenen Ansprüchen viel schneller als erwartet kläglich gescheitert. Ich finde durchaus, daß man klein anfangen sollte und in diesem Fall hätte ich mehr darüber nachdenken sollen, welche Konsequenzen mein Handeln hat und weniger an mich denken sollen. Ich bin selbst überrascht, wie schnell man gedankenlos wird und sich korrumpieren läßt vom eigenen Wohlbefinden. Das war wahrhaftig keine moralische Glanzleistung, aber hoffentlich werde ich beim nächsten Mal mehr nachdenken und mich nicht wieder so schäbig verhalten.]
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