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Abschied
An meinem letzten Tag hier beschert mir das Schicksal kübelweise unerfreuliche Aussichten für die Rückkehr, alles, worauf ich mich gefreut hatte, fällt gerade auseinander. Alles, bis aufs letzte.
Immerhin, das Schicksal beschert mir auch den schönsten Anblick der Welt, ein letztes Mal. Der Fluß ist so glatt und glitzert in der Sonne, reflektiert das pastellige Zartblau des Himmels, die Bäume auf der Insel spiegeln sich am Ufer, das grün der Wiese darunter leuchtet so frisch und in der Ferne, im Dunst, liegt Sonnenlicht auf den westlichen Hängen der zartgrünen Berge um Brazzaville, während auf den Osthängen schon der Schatten des Spätnachmittags liegt und die Nacht ankündigt. Nie, scheint mir, war die Aussicht so spektakulär - dabei war sie das sicherlich, sogar oft - und nie war mir mehr bewußt: dieses Land ist zu schön, um es jemals in Fotos einfangen zu können. Daher werde ich das Unmögliche gar nicht erst versuchen, sondern den Anblick genießen und in Gedanken heimnehmen, als Trost im heimatlichen Elend.
Immerhin, das Schicksal beschert mir auch den schönsten Anblick der Welt, ein letztes Mal. Der Fluß ist so glatt und glitzert in der Sonne, reflektiert das pastellige Zartblau des Himmels, die Bäume auf der Insel spiegeln sich am Ufer, das grün der Wiese darunter leuchtet so frisch und in der Ferne, im Dunst, liegt Sonnenlicht auf den westlichen Hängen der zartgrünen Berge um Brazzaville, während auf den Osthängen schon der Schatten des Spätnachmittags liegt und die Nacht ankündigt. Nie, scheint mir, war die Aussicht so spektakulär - dabei war sie das sicherlich, sogar oft - und nie war mir mehr bewußt: dieses Land ist zu schön, um es jemals in Fotos einfangen zu können. Daher werde ich das Unmögliche gar nicht erst versuchen, sondern den Anblick genießen und in Gedanken heimnehmen, als Trost im heimatlichen Elend.
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Jeder für sich
Gestern Mittag, auf dem Weg zur Standard-Mittagessens-Bäckerei. Gleich vor dem Supermarkt auf der einen und der Patisserie auf der anderen Seite kreuzen sich zwei Straßen. Jene zur Bäckerei, und eine Querstraße. Die Querstraße ist noch einmal geteilt durch einen Grünstreifen, auf der Mitte der Kreuzung steht ein Baum, um den sich der Verkehr herumwindet, Fahrspuren gibt es keine, alles fährt wie es will, ohnehin gibt es dauernd Schlaglöcher und – nach dem flutartigen Regen des Vormittags – teichgroße Pfützen zu umkurven. Folglich knäulen sich die Autos rund um den Baum zusammen, weder stehen sie in Linie hintereinander, noch parallel oder in rechten Winkeln zueinander, sondern einfach nur durcheinander. Das ist hier immer so und nichts Besonderes.
Besonders ist jedoch, daß die Straße zur Bäckerei völlig zugestaut ist – immer mal ein paar Zentimeter, dann wieder anhalten, wir brauchen fast zwanzig Minuten für eine Strecke, die man zu Fuß in zehn bewältigen könnte. Etwa auf Höhe des Baumes steht links neben uns ein Auto, mit gutem Willen könnte man sagen: in diesem Chaos fährt es auf der Querstraße, die relativ frei ist. Oder genauer, es könnte fahren, ständen wir und unser Vordermann nicht im Weg. Im langsamen stop-and-go bewegt sich der Vordermann ein wenig und jetzt könnte sich theoretisch eine Lücke in der Wand von Autos öffnen, die dem Fahrer zur Linken die freie Weiterfahrt verwehrt. Nur rückt unser Fahrer direkt auf. Der Vordermann rückt noch weiter vor, erneut könnte, könnte vielleicht unser Fahrer den Kollegen durchlassen, aber das scheint er gar nicht wahrzunehmen, entschlossen hält er fünf Zentimeter Abstand zwischen den Stoßstangen. Während der Herr zur Linken in seinem Auto sicher flucht.
Eine kleine Episode, aber typisch für dieses Land und ursächlich für die Hälfte der Staus, mindestens. Über den eigenen Horizont (oder in diesem Fall die eigene Windschutzscheibe) hinaus zu denken ist völlig unüblich. Es ist nicht mal böse Absicht, Rücksichtslosigkeit oder Aggressivität (wie so oft in Europa), sondern einfach mangelnde Erfahrung darin, für andere mitzudenken. Das Leben ist so hart, jeder so an totalen Egoismus gegenüber Fremden gewöhnt, daß eine andere Perspektive einfach nicht denkbar ist. Für niemanden.
Nachmittags dann im Büro meines Arbeitgebers, wo ich sei einer Woche sitze. Mit aktuell etwa acht Kollegen zusammen. Bei derartiger Überbelegung sind alle sehr um Rücksichtnahme bemüht. Meistens jedenfalls. Wer telefonieren will, geht raus. Alle Laptops sind lautlos. Wer sich mit Kollegen besprechen will, sucht sich einen anderen Raum oder fragt wenigstens um Erlaubnis. Mal abgesehen von dem einen, dessen Rechner nicht nur im 10-Minuten-Takt verkündet: „Boss, you have new mail“, sondern dessen auf dem Tisch vergessenes Telefon auch über eine halbe Stunde lang beharrlich klingelt, der Kollege scheint gefragt zu sein. Und dann gibt es da noch den jungen Mann von der Putzkolonne, der gegen drei Uhr mit einem Stapel Papier aufläuft, sich vor der Phalanx von Schneide- und Bindemaschinen niederläßt und an die Arbeit macht. Zuerst werden die Stapel von Unterlagen unter lautem Rascheln sortiert. Dann kracht im Minutentakt die Schneidemaschine herunter. Dann hämmert die Bindemaschine die Papiere zusammen. Und das nicht ein oder zwei Mal, nein, als ich mich irgendwann verzweifelt umdrehe, sehe ich dreißig ordentlich gestapelte, noch ungebundene Büchlein. Ich möchte toben, möchte ihn packen und schütteln, möchte schreien und schimpfen. Irgendwann dann hat auch einer der senioreren Kollegen genug vom Lärm und fragt, ob der junge Mann nicht woanders tackern, hämmern und binden könne? Nein, dies seien ja die einzigen Maschinen. Und die könne man nirgendwo anders hinstellen? Nein, die ständen ja hier im Büro. Aber könne man sie nicht vorübergehend woanders aufstellen, um die acht Kollegen in Ruhe arbeiten zu lassen? Hm. Langes Nachdenken. Dann irgendwann Ruhe.
Ich möchte keines der arroganten Arschlöcher sein, die irgendwann allen Afrikanern kollektiv mindere intellektuelle Kapazität oder generelle Rücksichtslosigkeit unterstellen, aber an solchen Tagen kann ich nicht umhin, mich zu fragen, woher das kommt. Sicher, beides kann einem auch zu Hause passieren, aber hier passiert es öfter. Das „um-die-Ecke“, „für-andere-mit“ denken ist ist auf augenfällige Art und Weise abwesend, unüblich und ausgesprochen selten. Ich kann nur vermuten, daß es mit den harten Lebensumständen zusammenhängt, mit der Not jedes Einzelnen im täglichen Überlebenskampf, vielleicht auch mit der immer wieder angeführten Mobutu Mentalität, nach der jeder ein Recht hatte, sich soviel für sich selbst zu nehmen, wie er konnte. Und das sagen mir Kongolesen, nicht die Expats.
Und nachdem ich ohnehin schon begonnen habe, Fragen ohne Antworten zu stellen, ist hier natürlich die spannende Frage: wie erzieht man ein ganzes Land um? Auf daß der Verkehr irgendwann wieder fließen möge, die Wirtschaft nicht mehr über Korruption stolpert und die Menschen der Not entkommen können?
Besonders ist jedoch, daß die Straße zur Bäckerei völlig zugestaut ist – immer mal ein paar Zentimeter, dann wieder anhalten, wir brauchen fast zwanzig Minuten für eine Strecke, die man zu Fuß in zehn bewältigen könnte. Etwa auf Höhe des Baumes steht links neben uns ein Auto, mit gutem Willen könnte man sagen: in diesem Chaos fährt es auf der Querstraße, die relativ frei ist. Oder genauer, es könnte fahren, ständen wir und unser Vordermann nicht im Weg. Im langsamen stop-and-go bewegt sich der Vordermann ein wenig und jetzt könnte sich theoretisch eine Lücke in der Wand von Autos öffnen, die dem Fahrer zur Linken die freie Weiterfahrt verwehrt. Nur rückt unser Fahrer direkt auf. Der Vordermann rückt noch weiter vor, erneut könnte, könnte vielleicht unser Fahrer den Kollegen durchlassen, aber das scheint er gar nicht wahrzunehmen, entschlossen hält er fünf Zentimeter Abstand zwischen den Stoßstangen. Während der Herr zur Linken in seinem Auto sicher flucht.
Eine kleine Episode, aber typisch für dieses Land und ursächlich für die Hälfte der Staus, mindestens. Über den eigenen Horizont (oder in diesem Fall die eigene Windschutzscheibe) hinaus zu denken ist völlig unüblich. Es ist nicht mal böse Absicht, Rücksichtslosigkeit oder Aggressivität (wie so oft in Europa), sondern einfach mangelnde Erfahrung darin, für andere mitzudenken. Das Leben ist so hart, jeder so an totalen Egoismus gegenüber Fremden gewöhnt, daß eine andere Perspektive einfach nicht denkbar ist. Für niemanden.
Nachmittags dann im Büro meines Arbeitgebers, wo ich sei einer Woche sitze. Mit aktuell etwa acht Kollegen zusammen. Bei derartiger Überbelegung sind alle sehr um Rücksichtnahme bemüht. Meistens jedenfalls. Wer telefonieren will, geht raus. Alle Laptops sind lautlos. Wer sich mit Kollegen besprechen will, sucht sich einen anderen Raum oder fragt wenigstens um Erlaubnis. Mal abgesehen von dem einen, dessen Rechner nicht nur im 10-Minuten-Takt verkündet: „Boss, you have new mail“, sondern dessen auf dem Tisch vergessenes Telefon auch über eine halbe Stunde lang beharrlich klingelt, der Kollege scheint gefragt zu sein. Und dann gibt es da noch den jungen Mann von der Putzkolonne, der gegen drei Uhr mit einem Stapel Papier aufläuft, sich vor der Phalanx von Schneide- und Bindemaschinen niederläßt und an die Arbeit macht. Zuerst werden die Stapel von Unterlagen unter lautem Rascheln sortiert. Dann kracht im Minutentakt die Schneidemaschine herunter. Dann hämmert die Bindemaschine die Papiere zusammen. Und das nicht ein oder zwei Mal, nein, als ich mich irgendwann verzweifelt umdrehe, sehe ich dreißig ordentlich gestapelte, noch ungebundene Büchlein. Ich möchte toben, möchte ihn packen und schütteln, möchte schreien und schimpfen. Irgendwann dann hat auch einer der senioreren Kollegen genug vom Lärm und fragt, ob der junge Mann nicht woanders tackern, hämmern und binden könne? Nein, dies seien ja die einzigen Maschinen. Und die könne man nirgendwo anders hinstellen? Nein, die ständen ja hier im Büro. Aber könne man sie nicht vorübergehend woanders aufstellen, um die acht Kollegen in Ruhe arbeiten zu lassen? Hm. Langes Nachdenken. Dann irgendwann Ruhe.
Ich möchte keines der arroganten Arschlöcher sein, die irgendwann allen Afrikanern kollektiv mindere intellektuelle Kapazität oder generelle Rücksichtslosigkeit unterstellen, aber an solchen Tagen kann ich nicht umhin, mich zu fragen, woher das kommt. Sicher, beides kann einem auch zu Hause passieren, aber hier passiert es öfter. Das „um-die-Ecke“, „für-andere-mit“ denken ist ist auf augenfällige Art und Weise abwesend, unüblich und ausgesprochen selten. Ich kann nur vermuten, daß es mit den harten Lebensumständen zusammenhängt, mit der Not jedes Einzelnen im täglichen Überlebenskampf, vielleicht auch mit der immer wieder angeführten Mobutu Mentalität, nach der jeder ein Recht hatte, sich soviel für sich selbst zu nehmen, wie er konnte. Und das sagen mir Kongolesen, nicht die Expats.
Und nachdem ich ohnehin schon begonnen habe, Fragen ohne Antworten zu stellen, ist hier natürlich die spannende Frage: wie erzieht man ein ganzes Land um? Auf daß der Verkehr irgendwann wieder fließen möge, die Wirtschaft nicht mehr über Korruption stolpert und die Menschen der Not entkommen können?
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Journalismus so und so
Wer Kongo hört, denkt an Völkermord, Massaker, manche auch an den dritten Weltkrieg, weil so viele zentralafrikanische Lände involviert waren. Fünf bis sechs Millionen Tote, laute manche Schätzungen, Verstümmelungen und Vergewaltigungen als systematischer Terror. Von mir, sicher aufgehoben in Kinshasa-la-Belle, ist das über tausend Kilometer weit entfernt.
Im Kongo leben hunderte von Ethnien, es gibt vier Amtssprachen plus Französisch und auch wenn ich mir afrikanischen Gesichter immer noch schlecht merken kann - die Unterschiede sehe ich manchmal durchaus. Provinzpolitik, Verteilungskämpfe und regionale Machtverhältnisse spielen eine große Rolle, welche Eliten ursprünglich aus welcher Provinz stammen, wer welches Stück vom Kuchen bekommt, auch spricht der Präsident nicht die in seiner Kapitale am gebräuchlichsten Sprache und umgekehrt die Chefs der großen Unternehmen im Osten, gebürtige Kinois, nicht die Sprache an den Produktionsstätten - aber von ethnischen Spannungen merke ich hier wenig. Nicht in Kinshasa jedenfalls.
Das will aber nichts heißen, im Osten gab es vor kurzem neue Massaker, und in dieser Woche wurden mehrere ICRC Mitarbeiter von Mai-Mai Rebellen entführt. Meistens reichen solche Meldungen nur für eine Spalte auf Seite 10. Oder für eine tränenrührige Reportage. Es geht aber auch sehr viel schonungsloser. Lesenswert, notfalls mit Hilfe von Gugl Translate.
Im Kongo leben hunderte von Ethnien, es gibt vier Amtssprachen plus Französisch und auch wenn ich mir afrikanischen Gesichter immer noch schlecht merken kann - die Unterschiede sehe ich manchmal durchaus. Provinzpolitik, Verteilungskämpfe und regionale Machtverhältnisse spielen eine große Rolle, welche Eliten ursprünglich aus welcher Provinz stammen, wer welches Stück vom Kuchen bekommt, auch spricht der Präsident nicht die in seiner Kapitale am gebräuchlichsten Sprache und umgekehrt die Chefs der großen Unternehmen im Osten, gebürtige Kinois, nicht die Sprache an den Produktionsstätten - aber von ethnischen Spannungen merke ich hier wenig. Nicht in Kinshasa jedenfalls.
Das will aber nichts heißen, im Osten gab es vor kurzem neue Massaker, und in dieser Woche wurden mehrere ICRC Mitarbeiter von Mai-Mai Rebellen entführt. Meistens reichen solche Meldungen nur für eine Spalte auf Seite 10. Oder für eine tränenrührige Reportage. Es geht aber auch sehr viel schonungsloser. Lesenswert, notfalls mit Hilfe von Gugl Translate.
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