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Regentag
Der Höhepunkt der Woche, buchstäblich ins Wasser gefallen. Raften gehen wollten wir, Wasser von unten sowieso, Wasser von oben auch reichlich nach aktueller Wetterlage, konnte uns aber nicht schrecken.
Während wir noch darüber lachten, daß wir zum Veranstaltungsort auch beinahe mit Boot hätten anreisen können, angesichts der Fluten auf den Strassen, rief der Veranstalter an - und sagte ab.
Zuviel Wasser, Hochwasser nämlich. Einen Trostkaffee im Café Tagblatt später jetzt wieder zu Hause, und es regnet immer noch. Der Atlantik ist vermutlich langsam leer, oder mindestens die Nordsee, denn das Wasser ist jetzt alles hier. Und tropft ohrenbetäubend laut aus der verstopften Abflußrinne meinem Fenster gegenüber auf den Schutthaufen darunter. An guten Tagen finde ich das Geräusch gemütlich, heute nur deprimierend.
Bleiben für heute: Kette rauchen, Martini trinken, Hausaufgaben aufschieben, Blogs lesen und schlafen. Am besten gleich bis Montag Morgen.
Während wir noch darüber lachten, daß wir zum Veranstaltungsort auch beinahe mit Boot hätten anreisen können, angesichts der Fluten auf den Strassen, rief der Veranstalter an - und sagte ab.
Zuviel Wasser, Hochwasser nämlich. Einen Trostkaffee im Café Tagblatt später jetzt wieder zu Hause, und es regnet immer noch. Der Atlantik ist vermutlich langsam leer, oder mindestens die Nordsee, denn das Wasser ist jetzt alles hier. Und tropft ohrenbetäubend laut aus der verstopften Abflußrinne meinem Fenster gegenüber auf den Schutthaufen darunter. An guten Tagen finde ich das Geräusch gemütlich, heute nur deprimierend.
Bleiben für heute: Kette rauchen, Martini trinken, Hausaufgaben aufschieben, Blogs lesen und schlafen. Am besten gleich bis Montag Morgen.
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Eines Landes Herz
Ich habe heute gelesen, dieser Mai sei der wärmste seit Jahrzehnten gewesen. Kann ich nicht nachvollziehen, ich habe die meisten Tage gefroren, mir nasse Füsse geholt in dünnen Ledersohlen und allenfalls gefühlte sechs Tage waren wirklich trocken und sonnig. Im Kongo wäre es jetzt auch nicht so viel schöner, in der Trockenzeit. Trockenzeit heißt ewiggleiches grau den ganzen Tag, milde 25 Grad zwar, aber die Sonne versteckt sich stets hinter den Wolken, solange, bis man meint, depressiv zu werden vom ewigen Grau.
Und ausgerechnet da finde ich bei Arte einen wunderbaren Film über Flusschiffahrt auf dem Kongo. Vor einem Jahr, als ich mein zweites Wochenende in Kinshasa mit Fieber, Schüttelfrost und marternden Kopfschmerzen im Bett verbrachte, habe ich ihn auf DVD gesehen, lesen war nicht möglich weil jede Bewegung, sogar Umblättern, neue Schmerzen bedeutete. Damals war ich gerade erst angekommen und ich erinnere mich noch, wie ich dachte: pffff. Fernsehen. Ist sowieso zur Hälfte erfunden, geschönt, dramatisiert, getürkt. Heute sehe ich den Film mit anderen Augen und bin beeindruckt von der warmherzigen Authentizität.
Hätte ich einen Wunsch frei, ich würde nach Kisangani fliegen, ans obere Ende der Schiffsverbindung und mich eine Woche auf einer Barge einmieten. Tagaus tagein säße ich zwischen lauter Kongolesen, würde zuhören und fragen und lernen und dieses wunderbare Land sehen, und es wäre gut. Vielleicht würde ich auch bloggen, in Echtzeit, mit UMTS, damit Sie auch was davon haben.
Auch wenn ich diese Chance wohl nie bekommen werde, und auch nie mehr als 80 km flußaufwärts gekommen bin, sind viele Details aus dem Film vertraut. Straßen und Eisenbahnnetz sind für ein bettelarmes Land von der Größe Westeuropas, davon weite Teile Dschungel, keine ernsthafte Option, der Kongo auf der Strecke zwischen Kisangani und Kinshasa (unterhalb von Kinshasa verhindern unschiffbare Stromschnellen die Weiterfahrt) fast 1.800 km lang, und das ist gerade mal die Hälfte der Gesamtlänge. Diese Hälfte ist so lang wie Rhein und Main zusammen, der gesamte Kongo ist vier mal so lang wie der Rhein. Und natürlich viel, viel breiter, und tiefer, vermutlich mit 220 m der tiefste Fluß der Welt. Ach ja, und über 250 m Wasserfall gibt es auch noch.
Unzählige Seitenarme führen ins Landesinnere, und da der Fluß eine unvorstellbar große Kurve nach Norden durchs Land schlägt und sich dann in den Süden hinunter windet, deckt er die Oberfläche tatsächlich erstaunlich gut ab. Die Biegung führt ausserdem dazu, daß der Fluß halb über und halb unterm Äquator liegt, auf einer Seite ist immer Regenzeit und folglich führt er immer großzügig Wasser, in Kinshasa – kurz vorm Mündungsdelta – sah man über sechs Monate kaum einen Unterschied. Und er fließt schnell. Angeblich verbrauchen Boote aufwärts 3000l Sprit und sind drei Wochen unterwegs, abwärts hingegen braucht es nur 1/3 von beidem, Sprit wie auch Zeit. Wenn alles gut geht, wenn man nicht steckenbleibt, von Sandbänken aufgehalten wird, in Seitenarmen Nebengeschäfte tätigt, mit Papierkrieg und Kontrollen entlang der Strecke Zeit verbringt und keine technischen Probleme hat.
Hätte ich es nicht mit eigenen Augen gesehen, ich hätte nie geglaubt, wie hoffnungslos überladen die Bargen sind. Es gibt zu wenige Schubelemente, zu wenige Ladekähne, zu wenige Kapitäne. Theoretisch ausgebildete Kapitäne sind ohnehin Mangelware, wer so ein Schiff steuert hat es nur in der Praxis gelernt und kennt den Fluß aus Erfahrung, nicht von Karten. Vernünftige Karten gibt es kaum, Sandbänke ändern sich allzu oft, Baggerschiffe sind unendlich teuer, viel zu teuer für den armen Staat, und so wurschtelt man sich irgendwie durch. Der Kapitän im Film präsentiert stolz seine handgemalte Karte, mit sämtlichen Dörfern und Seitenarmen sorgsam eingezeichnet - genauso ist das. Angeblich mit Hilfe Ihrer Steuergelder wurde die Flußschiffahrtsschule vor kurzem renoviert, aber bis die ersten ausgebildeten Schiffer in die Praxis entlassen werden, können noch Jahre vergehen, auch Lehrer und Unterrichtsmaterial kosten Geld. Dann die Instandhaltung: es gibt nur wenige Werften, davon angeblich nur eine nennenswert große, privatwirtschaftlich betriebene Werft, auf die man sich verlassen kann – die entsprechend ebenso hoffnungslos überlastet ist wie so viele andere infrastrukturelle Einrichtungen.
Auf den wenigen Bargen, die folglich die ganze Versorgungslast fürs Landesinnere tragen müssen und außerdem das einzige Transportmittel für die Bevölkerung darstellen – wer kann sich schon Flüge leisten? - reisen also tatsächlich ganze Familien. Männer, Frauen, Kinder, viele Kinder, Ziegen, Hühner, Gepäck. Zur Ergänzung werden auch die für den Export zu Floßen zusammengeschnürten Tropenhölzer herangezogen, per Gesetz zur „Sicherung des Transports für die lokale Bevölkerung“ verpflichtet. Der Fischfang hingegen wird tatsächlich fast ausschließlich – genau wie im Film – mit Holzkanus und handgeknüpften Netzen betrieben, Affen werden tatsächlich über offenen Kohlefeuerchen geröstet und gehäutet (was bestialisch stinkt, wenn ich das anmerken darf), und ja, Affen werden auch gegessen. Was dazu geführt hat, daß die nur im Kongo lebenden Bonobo Affen inzwischen von der Ausrettung gefährdet sind. Das nennt man dann Buschfleisch, zusammen mit Elefantenfleisch, Antilopenfleisch, Krokodilfleisch und überhaupt allem, was der Kongolese so in der Natur jagt. Krokodile gibt es übrigens nur noch flußaufwärts, mir ist in Kinshasa keines begegnet. Bei Kongo denkt man natürlich an Heart of Darkness und bei mir rief das Bilder von Dunkelheit, von den Fluß überschattendem Urwalddickicht, von unbenennbarer Angst hervor, aber so ist es nicht. Der Kongo ist so weit, so breit, rechts und links mag der Urwald eine undurchdringliche Wand bilden, aber über dem Fluß ist Licht und die Sonne glitzert auf dem Wasser und es ist einfach nur schön.


Und so schwelge ich in den Bildern des Films, die Weite des Flusses, das Licht über dem Wasser, das grau-grün des Urwalds. Die dunklen Gesichter, ein bißchen alle gleich und dann doch unterschiedlich, die Musik und der Klang von Lingala, der ganz eigene französische Akzent im Film, die bunten Gewänder der Frauen, die sorgsam sapé gekleideten Männer – das alles ist Kongo, genauso wie ich es kenne. Heimweh.
Und ausgerechnet da finde ich bei Arte einen wunderbaren Film über Flusschiffahrt auf dem Kongo. Vor einem Jahr, als ich mein zweites Wochenende in Kinshasa mit Fieber, Schüttelfrost und marternden Kopfschmerzen im Bett verbrachte, habe ich ihn auf DVD gesehen, lesen war nicht möglich weil jede Bewegung, sogar Umblättern, neue Schmerzen bedeutete. Damals war ich gerade erst angekommen und ich erinnere mich noch, wie ich dachte: pffff. Fernsehen. Ist sowieso zur Hälfte erfunden, geschönt, dramatisiert, getürkt. Heute sehe ich den Film mit anderen Augen und bin beeindruckt von der warmherzigen Authentizität.
Hätte ich einen Wunsch frei, ich würde nach Kisangani fliegen, ans obere Ende der Schiffsverbindung und mich eine Woche auf einer Barge einmieten. Tagaus tagein säße ich zwischen lauter Kongolesen, würde zuhören und fragen und lernen und dieses wunderbare Land sehen, und es wäre gut. Vielleicht würde ich auch bloggen, in Echtzeit, mit UMTS, damit Sie auch was davon haben.
Auch wenn ich diese Chance wohl nie bekommen werde, und auch nie mehr als 80 km flußaufwärts gekommen bin, sind viele Details aus dem Film vertraut. Straßen und Eisenbahnnetz sind für ein bettelarmes Land von der Größe Westeuropas, davon weite Teile Dschungel, keine ernsthafte Option, der Kongo auf der Strecke zwischen Kisangani und Kinshasa (unterhalb von Kinshasa verhindern unschiffbare Stromschnellen die Weiterfahrt) fast 1.800 km lang, und das ist gerade mal die Hälfte der Gesamtlänge. Diese Hälfte ist so lang wie Rhein und Main zusammen, der gesamte Kongo ist vier mal so lang wie der Rhein. Und natürlich viel, viel breiter, und tiefer, vermutlich mit 220 m der tiefste Fluß der Welt. Ach ja, und über 250 m Wasserfall gibt es auch noch.
Unzählige Seitenarme führen ins Landesinnere, und da der Fluß eine unvorstellbar große Kurve nach Norden durchs Land schlägt und sich dann in den Süden hinunter windet, deckt er die Oberfläche tatsächlich erstaunlich gut ab. Die Biegung führt ausserdem dazu, daß der Fluß halb über und halb unterm Äquator liegt, auf einer Seite ist immer Regenzeit und folglich führt er immer großzügig Wasser, in Kinshasa – kurz vorm Mündungsdelta – sah man über sechs Monate kaum einen Unterschied. Und er fließt schnell. Angeblich verbrauchen Boote aufwärts 3000l Sprit und sind drei Wochen unterwegs, abwärts hingegen braucht es nur 1/3 von beidem, Sprit wie auch Zeit. Wenn alles gut geht, wenn man nicht steckenbleibt, von Sandbänken aufgehalten wird, in Seitenarmen Nebengeschäfte tätigt, mit Papierkrieg und Kontrollen entlang der Strecke Zeit verbringt und keine technischen Probleme hat.
Hätte ich es nicht mit eigenen Augen gesehen, ich hätte nie geglaubt, wie hoffnungslos überladen die Bargen sind. Es gibt zu wenige Schubelemente, zu wenige Ladekähne, zu wenige Kapitäne. Theoretisch ausgebildete Kapitäne sind ohnehin Mangelware, wer so ein Schiff steuert hat es nur in der Praxis gelernt und kennt den Fluß aus Erfahrung, nicht von Karten. Vernünftige Karten gibt es kaum, Sandbänke ändern sich allzu oft, Baggerschiffe sind unendlich teuer, viel zu teuer für den armen Staat, und so wurschtelt man sich irgendwie durch. Der Kapitän im Film präsentiert stolz seine handgemalte Karte, mit sämtlichen Dörfern und Seitenarmen sorgsam eingezeichnet - genauso ist das. Angeblich mit Hilfe Ihrer Steuergelder wurde die Flußschiffahrtsschule vor kurzem renoviert, aber bis die ersten ausgebildeten Schiffer in die Praxis entlassen werden, können noch Jahre vergehen, auch Lehrer und Unterrichtsmaterial kosten Geld. Dann die Instandhaltung: es gibt nur wenige Werften, davon angeblich nur eine nennenswert große, privatwirtschaftlich betriebene Werft, auf die man sich verlassen kann – die entsprechend ebenso hoffnungslos überlastet ist wie so viele andere infrastrukturelle Einrichtungen.
Auf den wenigen Bargen, die folglich die ganze Versorgungslast fürs Landesinnere tragen müssen und außerdem das einzige Transportmittel für die Bevölkerung darstellen – wer kann sich schon Flüge leisten? - reisen also tatsächlich ganze Familien. Männer, Frauen, Kinder, viele Kinder, Ziegen, Hühner, Gepäck. Zur Ergänzung werden auch die für den Export zu Floßen zusammengeschnürten Tropenhölzer herangezogen, per Gesetz zur „Sicherung des Transports für die lokale Bevölkerung“ verpflichtet. Der Fischfang hingegen wird tatsächlich fast ausschließlich – genau wie im Film – mit Holzkanus und handgeknüpften Netzen betrieben, Affen werden tatsächlich über offenen Kohlefeuerchen geröstet und gehäutet (was bestialisch stinkt, wenn ich das anmerken darf), und ja, Affen werden auch gegessen. Was dazu geführt hat, daß die nur im Kongo lebenden Bonobo Affen inzwischen von der Ausrettung gefährdet sind. Das nennt man dann Buschfleisch, zusammen mit Elefantenfleisch, Antilopenfleisch, Krokodilfleisch und überhaupt allem, was der Kongolese so in der Natur jagt. Krokodile gibt es übrigens nur noch flußaufwärts, mir ist in Kinshasa keines begegnet. Bei Kongo denkt man natürlich an Heart of Darkness und bei mir rief das Bilder von Dunkelheit, von den Fluß überschattendem Urwalddickicht, von unbenennbarer Angst hervor, aber so ist es nicht. Der Kongo ist so weit, so breit, rechts und links mag der Urwald eine undurchdringliche Wand bilden, aber über dem Fluß ist Licht und die Sonne glitzert auf dem Wasser und es ist einfach nur schön.


Und so schwelge ich in den Bildern des Films, die Weite des Flusses, das Licht über dem Wasser, das grau-grün des Urwalds. Die dunklen Gesichter, ein bißchen alle gleich und dann doch unterschiedlich, die Musik und der Klang von Lingala, der ganz eigene französische Akzent im Film, die bunten Gewänder der Frauen, die sorgsam sapé gekleideten Männer – das alles ist Kongo, genauso wie ich es kenne. Heimweh.
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Modisch mutig
Es ist ein äußerst unglückliches Zusammentreffen, daß ich in meinem Leben entweder keine Lust zum Einkaufen hatte, oder kein Geld. Im Moment ist eine Kein-Geld-Phase. Die Keine-Lust-Phase ist schon eine Weile her. Als ich noch in gläsernen Bürotürmen arbeitete, war der Anzug Pflicht. Fünf Tage die Woche, selbst wenn der Kunde Casual Friday hatte, war es uns Beraterpüppchen verboten, casual zu sein. Natürlich hat man manchmal mit sich gerungen, wohlwissend, daß man am Freitag der einzige mit Jackett sein würde, aber Pflicht ist Pflicht. Ich erinnere mich noch an einen Tag, als ich morgens vorm Kleiderschrank besonders in Versuchung war, und im Büro miterleben durfte, wie ein Kundenmitarbeiter in überaus sportlichen Turnschuhen von seiner Chefin eine veritable Abreibung bekam – während ich ausnahmsweise dankbar für meine Uniform war.
Immerhin war es sparsam, außer Kostüme und Anzüge, Blusen, bürofeine Strickoberteile und Pumps gab es nichts zu kaufen, auch wenn solche Käufe mir nie großen Spaß gemacht haben. Die Auswahlmöglichkeiten sind beschränkt, uni oder mit Nadelstreifen, ein oder zwei Taschen auf dem Jackett, mehr geht nicht. Wenig lustvoll, solche Käufe. Was hätte ich andererseits anfangen sollen mit jenem todschicken, beigen Jeans-Blazer, mit pinkfarbener Rosette auf der Außentasche und Futter mit englischen Jagdszenen? Was mit den roten Lackslippern? Der Barbour-Jacke mit Pelzkragen? Abendliche Verabredungen, wenn sie überhaupt eingehalten werden konnten, trat ich unmittelbar nach Büroschluß an. Natürlich gab es After-Work-Parties, wo mich die engen Leder-Shorts der anwesenden Damen nachdenklich machten, welcher Arbeitgeber hinter einem solchen Outfit stecken mag, meiner jedenfalls sanktionierte keine tiefdekolletierten Spitzenoberteile. Vielleicht waren die natürlich auch bei Arbeitgebern, wo der Arbeitstag vor zwanzig Uhr endet, so daß Zeit für einen Abstecher zum heimischen Kleiderschrank blieb. Hoffe ich mal.
Samstage vergingen damit, Hosenanzüge in die Reinigung, zertretene Pumps zum Schuster und meine Wohnung auf Vordermann zu bringen, für die anderthalb Tage Wochenende reichte der Bestand an Jeans, Shirts und flachen Schuhen völlig aus, kein Bedarf an Neuanschaffungen. Es gibt Tätigkeiten, die wenig Raum für Individualität lassen, Mitarbeiter sind kleine Kostenstellen in einer großen Maschinerie, Kanonenfutter für die Wirtschaft, aber - bitteschön! - keine Persönlichkeiten. Gerüchte sagen, daß bei der Konkurrenz sogar die Hemdenfarbe auf weiß und hellblau (plus rosa für die Quotendamen) durch internen Kodex beschränkt sind. Gewagte Akzente konnte man allenfalls durch bunte Halstücher und Gürtel setzen. Möglicherweise ist das Beraterinnenhalstuch weniger Klischee der höheren Tochter, als ein verzweifelter Versuch modischer Abgrenzung, quasi ein zumeist ungehörter Aufschrei aus der uniformen Masse? Ein kleiner, teuer bezahlter Triumph war jedenfalls mein seidenes Halstuch in pink, grün und schwarz mit Totenköpfen drauf, die nur jeder zehnte Kollege unter verblüfftem Staunen wahrnahm. In preußisch-protestantischer Sparsamkeit habe ich nie Sinn darin gesehen, Geld für Kleiderschrankleichen auszugeben, die ich nur einmal im Jahr würde tragen können, also war ich sehr, sehr sparsam in jener Zeit.
Zu diesem Leben gehörte es, keine Turnschuhe zu besitzen und keine Verwendung für normale Strümpfe zu haben. Ohnehin stehe ich auf dem Standpunkt, daß Turnschuhe Turnschuhe heißen, weil sie zum Turnen da sind, also für sportliche Aktivitäten. Den Einkaufsbummel in der Frankfurter Innenstadt habe ich nie dazugezählt, für sowas hat die Elitesse von Welt flache Lederschuhe, und so brauchte ich weder Turnschuhe noch richtige Socken. Während der vielbeschäftigte Investmentbanker seine Socken gerüchteweise im Internet per Mail-Order bestellt, bekommt das geschäftige Bürohäschen Feinstrumpfhosen und dünne Söckchen selbst nach Ladenschluß im Supermarkt, und weitere Bedürfnisse hatte ich nicht.
Jetzt bin ich wieder in einer Kein-Geld-Phase, habe aber außerordentlich große Bedürfnisse. All die schönen Dinge, die ich in den letzten Jahren nicht gekauft habe – jetzt könnte ich sie tragen. In meinem neuen Büro gelt ich im schwarzen Rock mit Mokassins und T-Shirt schon als overdressed unter Turnschuh-und-Jeans-Trägern, andererseits gibt es um mich herum genug Elitessen in Prada und Gucci, um nicht allzu negativ aufzufallen – ich könnte mich also grenzenlos austoben. Nur muß ich jetzt mit meinem Budget haushalten. Die qualitätsbewußte Hausfrau kauft natürlich gerade unter finanziell eingeschränkten Bedingungen keinen Billigschund, und wenn sich ein außerordentliches Schnäppchen bietet, muß man zuschlagen. Auch wenn man eigentlich nur Kaffeefilter besorgen wollte und ganz versehentlich durch die Abteilung für Beinbekleidung stolperte.
Da kann es passieren, 60 Franken für allerlei hochwertige Strümpfe und Socken solider Provenienz ausgeben, immerhin alle um die Hälfte reduziert. Selbstverständlich nur ein vorausschauender, höchst sinnvoller Hamsterkauf. Vernünftig, geradezu. Und ein Schritt in die un-uniformierte Individualität. Zum Beispiel so:

Völlig undenkbar, zu schwarzen Pumps und grauer Hose. Wunderbar zur Jeans.
Immerhin war es sparsam, außer Kostüme und Anzüge, Blusen, bürofeine Strickoberteile und Pumps gab es nichts zu kaufen, auch wenn solche Käufe mir nie großen Spaß gemacht haben. Die Auswahlmöglichkeiten sind beschränkt, uni oder mit Nadelstreifen, ein oder zwei Taschen auf dem Jackett, mehr geht nicht. Wenig lustvoll, solche Käufe. Was hätte ich andererseits anfangen sollen mit jenem todschicken, beigen Jeans-Blazer, mit pinkfarbener Rosette auf der Außentasche und Futter mit englischen Jagdszenen? Was mit den roten Lackslippern? Der Barbour-Jacke mit Pelzkragen? Abendliche Verabredungen, wenn sie überhaupt eingehalten werden konnten, trat ich unmittelbar nach Büroschluß an. Natürlich gab es After-Work-Parties, wo mich die engen Leder-Shorts der anwesenden Damen nachdenklich machten, welcher Arbeitgeber hinter einem solchen Outfit stecken mag, meiner jedenfalls sanktionierte keine tiefdekolletierten Spitzenoberteile. Vielleicht waren die natürlich auch bei Arbeitgebern, wo der Arbeitstag vor zwanzig Uhr endet, so daß Zeit für einen Abstecher zum heimischen Kleiderschrank blieb. Hoffe ich mal.
Samstage vergingen damit, Hosenanzüge in die Reinigung, zertretene Pumps zum Schuster und meine Wohnung auf Vordermann zu bringen, für die anderthalb Tage Wochenende reichte der Bestand an Jeans, Shirts und flachen Schuhen völlig aus, kein Bedarf an Neuanschaffungen. Es gibt Tätigkeiten, die wenig Raum für Individualität lassen, Mitarbeiter sind kleine Kostenstellen in einer großen Maschinerie, Kanonenfutter für die Wirtschaft, aber - bitteschön! - keine Persönlichkeiten. Gerüchte sagen, daß bei der Konkurrenz sogar die Hemdenfarbe auf weiß und hellblau (plus rosa für die Quotendamen) durch internen Kodex beschränkt sind. Gewagte Akzente konnte man allenfalls durch bunte Halstücher und Gürtel setzen. Möglicherweise ist das Beraterinnenhalstuch weniger Klischee der höheren Tochter, als ein verzweifelter Versuch modischer Abgrenzung, quasi ein zumeist ungehörter Aufschrei aus der uniformen Masse? Ein kleiner, teuer bezahlter Triumph war jedenfalls mein seidenes Halstuch in pink, grün und schwarz mit Totenköpfen drauf, die nur jeder zehnte Kollege unter verblüfftem Staunen wahrnahm. In preußisch-protestantischer Sparsamkeit habe ich nie Sinn darin gesehen, Geld für Kleiderschrankleichen auszugeben, die ich nur einmal im Jahr würde tragen können, also war ich sehr, sehr sparsam in jener Zeit.
Zu diesem Leben gehörte es, keine Turnschuhe zu besitzen und keine Verwendung für normale Strümpfe zu haben. Ohnehin stehe ich auf dem Standpunkt, daß Turnschuhe Turnschuhe heißen, weil sie zum Turnen da sind, also für sportliche Aktivitäten. Den Einkaufsbummel in der Frankfurter Innenstadt habe ich nie dazugezählt, für sowas hat die Elitesse von Welt flache Lederschuhe, und so brauchte ich weder Turnschuhe noch richtige Socken. Während der vielbeschäftigte Investmentbanker seine Socken gerüchteweise im Internet per Mail-Order bestellt, bekommt das geschäftige Bürohäschen Feinstrumpfhosen und dünne Söckchen selbst nach Ladenschluß im Supermarkt, und weitere Bedürfnisse hatte ich nicht.
Jetzt bin ich wieder in einer Kein-Geld-Phase, habe aber außerordentlich große Bedürfnisse. All die schönen Dinge, die ich in den letzten Jahren nicht gekauft habe – jetzt könnte ich sie tragen. In meinem neuen Büro gelt ich im schwarzen Rock mit Mokassins und T-Shirt schon als overdressed unter Turnschuh-und-Jeans-Trägern, andererseits gibt es um mich herum genug Elitessen in Prada und Gucci, um nicht allzu negativ aufzufallen – ich könnte mich also grenzenlos austoben. Nur muß ich jetzt mit meinem Budget haushalten. Die qualitätsbewußte Hausfrau kauft natürlich gerade unter finanziell eingeschränkten Bedingungen keinen Billigschund, und wenn sich ein außerordentliches Schnäppchen bietet, muß man zuschlagen. Auch wenn man eigentlich nur Kaffeefilter besorgen wollte und ganz versehentlich durch die Abteilung für Beinbekleidung stolperte.
Da kann es passieren, 60 Franken für allerlei hochwertige Strümpfe und Socken solider Provenienz ausgeben, immerhin alle um die Hälfte reduziert. Selbstverständlich nur ein vorausschauender, höchst sinnvoller Hamsterkauf. Vernünftig, geradezu. Und ein Schritt in die un-uniformierte Individualität. Zum Beispiel so:

Völlig undenkbar, zu schwarzen Pumps und grauer Hose. Wunderbar zur Jeans.
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