Donnerstag, 29. Juli 2010
Der Lappi und die Post
Schon als ich diesen meinen wunderbaren Rechner gekauft habe, wollte ich eigentlich einen anderen, kleineren, leichteren. Ich bin ja in - für den globaliisierten Arbeitsmarkt - vorbildlicher Art und Weise mobil, selbst in meiner neuen Schweizer Seßhaftigkeit verbringe ich manches Wochenende in der Bahn auf dem Weg zu Freunden, Familie oder dem Liebsten, und mein heißgeliebtes Thinkpad ist ohne Zweifel ein ziemliches Trumm in der Reisetasche. Nicht daß ich die Entscheidung bereuen würde, die kleineren Modelle bei gleicher Rechnerkapazität hätten mein Budget gesprengt, und die Entscheidung war vernünftig. Trotzdem war ein kleines Thinkpad gewissermaßen ein Herzenswunsch, den zu erfüllen mir letzte Woche endlich ein Grund geliefert wurde.

Meine Arbeit bringt es mit sich, daß ich den Rechner auch mal mehr als fünf Stunden am Stück rechnen lassen muß, und damit ich nicht zu Hause arbeiten oder im Büro schlafen muß, schien ein Zweitrechner gerechtfertigt. Im Prinzip. Mit diesem tollen Kaufgrund, allerdings mehr aus Arbeitsaufschieberitis und Langeweile, guckte ich ein bißchen bei eb*y und erhielt, ehe ich noch so recht drüber nachgedacht hatte, den Zuschlag für einen X31 für weniger als hundert Euro.

Noch ganz überrascht von meinem Neuerwerb kontaktierte ich den Händler, nahm 30 Euro Versandkosten in Kauf - wollte ich mein Schmuckstück doch schnell haben - und da der gute Mann einen nicht besonders wendigen Eindruck machte, übernahm ich auch die Vorbereitung der Zollunterlagen. Was man so tut, wenn man es eilig hat, hoffte ich doch auf Zustellung noch in derselben Woche. Das wurde allerdings nix. Der Händler hielt seine Zusage, um 15 Uhr am selben Tag verzeichnete das Tracking von DHL die Annahme der Sendung und am selben Abend die Bearbeitung im Postzentrum in Hintertupfingen im Niemandsland. Zwei Tag brauchte es von da an ins Auslands-Paketzentrum von Speyer. Dies nicht gerade ein grenznaher Ort, aber gut. Um fünf Uhr morgens verließ mein neuer Lappi dieses zweite Paketzentrum gen Schweiz.

Jetzt kann es ja nicht mehr lange dauern, dachte ich mir, die Unterlagen ordnungsgemäß beigelegt, die Verzollung sollte kein Problem sein und wie lange kann das schon dauern? Lange, wie ich jetzt weiß. Am Montag, Dienstag und Mittwoch hatte ich zunehmend die Zöllner in Verdacht, die sich vielleicht mit meinem Schätzchen und Solitär vergnügen in der faden Sommerzeit, oder gar WoW spielen. Eine am selben Tag ergangene Büchersendung erreichte mich am Montag, auch das später als erwartet, und nicht zu meiner Beruhigung beitragend.

Heute nun hatte das Paket Tracking endlich Neuigkeiten für mich: nach nur fünf Werk(!)tagen ist die Sendung im Zielland eingetroffen. Im Zielland. Als wäre die Schweiz am Ende des Planeten, gleich neben Mosambik oder Nepal, oder so. Die Zöllner jedenfalls sind nachweislich nicht schuld, das Schweizer Tracking nämlich ist noch schlauer als das Deutsche und weiß, daß die Verzollung am heutigen Tag von 14h46 bis 15h27 dauerte. Nix WoW oder Solitär.

Ich frage mich allerdings: was zum Teufel haben die Idioten von DHL zwischendurch gemacht? Mit dem Fahrrad das Päckchen von Speyer nach Basel spediert? Per Flaschenpost den Rhein raufgeschickt und vergessen, daß der abwärts fließt? Ich gestehe: ich begreife es nicht. Jetzt bin ich wirklich neugierig, ob wir für die Strecke von Basel zu mir genauso lange brauchen, oder es vielleicht doch noch vorm Wochenende schaffen – Samstags wird hier nämlich keine Post zugestellt.
Ich hatte damals - damals nämlich, beim Kauf, vor gefühlten Ewigkeiten - ernsthaft überlegt, das Päckchen an Bekannte jenseits der Grenze schicken zu lassen oder postlagernd an die Filiale und dort persönlich hinzufahren – das wäre sooooo viel schneller gewesen. Und billiger. Schien aber irgendwie - im Vorhinein - unmäßig aufwendig. Nun gut, jetzt ich habe meine Lektion gelernt.

[Update: Das Päckchen benötigte exakt 18 Stunden für die läppische Entfernung von Basel nach Zürich (Fahrtzeit Bahn: 1h). Dort wird gerade sortiert, seit 8h morgens. Das Wort Schneckenpost bekommt eine ganz neue Bedeutung. Ich bin inzwischen offen für Verschwörungstheorien: die CIA? Der KGB? Aliens? Eine höhere Macht verhindert mein Unterfangen, ganz klar.]

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Mittwoch, 28. Juli 2010
Regionales Kulturprogramm
Wie von mir ganz richtig vorhergesehen regnet es wieder. Zum Beispiel letzten Freitag: morgens um 8h beim aufwachen regnete es ordentlich. Auf dem Weg in die Uni eine Stunde später nieselte es. Den Weg zum Mittagessen und zurück – um zwölf respektive ein Uhr – wieder richtiger Regen und auf dem Heimweg um sechs wieder Nieselregen. Dieses Programm, tagein, tagaus. Wie gut nur, daß ich einen hervorragenden Regenschirm besitze. Auch die Gummistiefel werden noch zu ihrem Recht kommen, sobald weiter fallende Temperaturen die Fütterung erträglich machen werden.

Am Wochenende ebenfalls Regen. Außer am Sonntag. Da war es auf wundersame Weise zum passendsten Zeitpunkt trocken. Während ich nämlich den Rheinfall bei Schaffhause und die Bregenzer Seefestspiele besuchte. In Schaffhausen hatten wir tatsächlich Sonne, bewunderten das Wasser und die wilden Fluten, genossen einen Eiskaffee um 8 Euro, den ich in 12 Franken bezahlte, weil die Kellnerin mit dem Teilen der Rechnung überfordert war. Sonst war es aber hübsch und der Eiskaffee immerhin überdurchschnittlich gut. Sie müssen wissen: ich liebe Eiskaffee fast so sehr wie Spaghettieis, aber zu Spaghettieis kann ich keine Zigarette rauchen, dafür brauche ich Kaffee, und daher gibt es aus Budgetgründen meist nur Eiskaffee, kein Spaghettieis.



Bregenz bietet neben den Seefestspielen auch bezahlbares Sushi, dem wir ausgiebig zusprachen, und die Seefestspiele – naja. Viele Dinge flogen durch die Luft, sausten durchs Wasser, viel Feuer, viel Licht, viel Planscherei, viele bunte Kostüme. Irritierend war es natürlich, die Provenienz der Klänge nicht verorten zu können, weil: alles aus Lautsprecher. Ich mußte meine kurzsichtigen Augen tüchtig anstrengen, um sehen zu können, wer da gerade singt, aber die Sänger waren nicht schlecht. Das gelegentliche Klappern zwischen Sängern und Orchester war wohl den Distanzen und Bildschirmen geschuldet, das konnte nicht verwundern. Für meinen Geschmack zuviel Ablenkung drumherum, aber das ist vermutlich in Bregenz Sinn des Spektakels. Schön jedenfalls war der Sonnenuntergang über dem See, das Glitzern der nächtlichen Lichter, das Plätschern der Wellen (wenn nicht gerade die Kräne unter vernehmlichem Summen Gegenstände durch die Luft beförderten) – aber von diesen Schönheiten habe ich keine Fotos gemacht, ich bin doch kein Tourist.

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Donnerstag, 22. Juli 2010
Kongo in der Schweiz
Die Schweiz hat mir heute ein Stück Kongo geschenkt. Um halb fünf mußte ich unfreiwillig die Arbeit abbrechen, denn abgebrochen war auch der Bügel meiner Brille und von schiefen Gläsern bekomme ich Kopfschmerzen. Bei Fielm*nn, dem Optiker meines Vertrauens seit Jahren, stellte sich heraus, daß dies noch ein Garantiefall sei, man das Modell noch immer auf Lager habe und in zehn Minuten reparieren könne.
Halbblind tastete ich mich in der Zwischenzeit durch die Läden der näheren Umgebung, um die Zeit zu vertreiben, blind window shopping, gewissermaßen, und schon auf dem Rückweg zum Optiker fielen die ersten schweren Tropfen. Während die Brille angepasst wurde, nahm der Regen zu, während ich noch den Brillenpass in Hoffnung auf bessere Umstände ausdrucken ließ, nahm er weiter zu und dann hatte ich wirklich keinen Grund mehr, länger zu verweilen. Und auch keine Lust.

Sintflutartig stürzte das Wasser vom Himmel, wurde vom Wind in Böen durch die schmalen Gassen gepresst, zentimeterhoch stand es auf den Wegen. Tapfer presste ich meine Tasche an den Körper, drehte den Schirm in den Wind und trabte los. Nach wenigen Häusern wechselte ich die Straßenseite, fünf Meter quer rüber und unter dem nächsten Dachvorsprung angekommen stand das Wasser in meinen Schuhen. Die Füße rutschten weg vor Nässe und so zog ich sie aus und spazierte barfuß weiter.

Bei Einmündungen von abschüssigen Querstrassen umspülte es meine Füße, an der Ampel im Rinnstein stand es knöchelhoch, und ich lachte und freute mich. An dem Gefühl der Fluten um die Füsse, dem klitschnassen, an den Beinen klebenden Rock, den schutzsuchenden Passanten rechts und links und den Naturgewalten rund um mich herum.

Freute mich, spazierte barfuß mitten durch die Gasse, tanzte über vorbeitreibende Blätter und Zigarettenkippen hinweg; lachte vor Vergnügen und flirtete mit dem Dönerbudenbesitzer, der mich mit seiner Einladung vor dem Wasser retten wollte. So einen grandiosen Regen habe ich seit Kinshasa nicht mehr erlebt und jede Minute und jeden Tropfen davon genossen. Zutiefst.

[Edit: Ich glaub's nicht. Premier Gaou, eines meiner Lieblingslieder im Kongo im Radio. Heute meint es jemand gut mit mir. Bitte hören! Seufz.]

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