Samstag, 29. Oktober 2011
Fortsetzung
Irgendwann kommt der Punkt, wo man über all den Ärger nur noch lachen kann. Wenn einem die Dienstmailadresse einfach mal so gesperrt wird, ohne daß man irgendwas falsch gemacht hätte (It-Tante so: "dies kann auch ohne Ihr Zutun passieren..."), wenn man an Tag 3 im Seminar die Frage nach der Pflichtlektüre nicht beantworten kann (weil vergessen), bei der nächsten Sitzung top vorbereitet ist, aber nicht gefragt wird, bei der darauf nächsten Sitzung hingegen wieder die Hose runterlassen muß (weil unvorbereitet), wen man im Fitti stundenlang auf jedes Gerät wartet, die neue Küchenmaschine untauglich ist, wenn man für 14 Personen einen Tisch reserviert und kurzfristig noch ein paar Leute mehr kommen, wenn man mit der eigenen Forschung nicht vorankommt, auf noch mehr Mails noch weniger Antworten bekommt, wenn "Kaffee"verabredungen erst um 18h auftauchen, Karten plötzlich ausverkauft sind, man fast eine Stunde däumchendrehend auf den Chef wartet und die Zeit mit Kaffee trinken totschlägt und den Sorgen der Kollegen lauscht (während die Diss auf dem Schreibtisch einen Dornröschenschlafe schläft), wenn man seine Küche in kürzester Zeit komplett zugesaut hat, weil die Fähigkeit, einen Löffel FESTzuhalten plötzlich weg ist, wenn man - kaum daß sich eine Baustelle beruhigt die nächste auftut- , wenn man außerdem am Samstag morgen ohne Zigaretten im Büro steht, was nicht schlimm ist, weil man im Laufe der Woche andauernd viel wichtigere Dinge vergessen hat, aber doch ärgerlich, weil man noch ein bißchen was arbeiten wollte ...

.... dann ist es Zeit für einen Prosecco um drei Uhr nachmittags, und dafür, über all das Elend eine Runde zu lachen. Das Gute an 30+ ist: man weiß, es wird auch wieder besser. Vielleicht schon heute.

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Sonntag, 23. Oktober 2011
Kennen Sie...
... diese Phasen, wo einfach alles schiefgeht? Man bemüht sich ganz besonders, alles gut und richtig zu machen, aber es gelingt einfach nicht. Nicht im Job, nicht unter Freunden, nicht mal in der Küche.

Die Arbeit ist ein Hamsterrad, panisch wie Kaninchen vor Schlange beobachtet man die Mailbox, stets in Erwartung der nächsten Problemnachricht, derer man sich annehmen muß und mit drei verschiedenen Jobs ist die Liste der zu erledigenden Aufgaben eine vielköpfige Hydra. Vor lauter Stress ist man dann eine dieser permanent hektischen, angespannten, latent aggressiven Personen, mit denen verständlicherweise niemand etwas zu tun haben will (ich würde mir selbst gerade auch eher ausweichen), und da kann es nicht überraschen, daß gute Bekannte ihre Zeit lieber anderweitig verbringen wollen - wer will schon mit einem Pulverfass gemütlich Wein trinken? Wer keine Freunde hat, muß sich das Wochenende alleine schön machen, aber sogar da wartet nur Ärger: die hervorragend gelungenen Macarons von vor vier Wochen waren wohl weniger meinen wundersamen Konditorenkünsten geschuldet, als dem Zufall. Zweiter Versuch kläglich mißlungen. Das indische Hühnchen (glücklichmach-Essen) auch.

Das einzig Gute in diesen Tagen ist das scheußliche Wetter, da muß ich wenigstens kein schlechtes Gewissen haben, wenn ich mich in meiner Höhle verkrieche, schnulzige Liebesfilme schaue, zähe, klebrige Macarons vom Backblech kratze und darauf warte, daß bessere Zeiten kommen. So, wie: noch mehr Arbeit (bis Weihnachten), Bälle in Wien (Partner vom letzten Jahr hat bereits abgesagt), Kieferoperation (November). Ich bleibe vielleicht doch noch etwas länger im Bett - so bis März.

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Samstag, 15. Oktober 2011
Alter Kaffee
Eigentlich mag ich keine Bücher, bei denen verschriftlichte Umgangssprache ein prägendes Stilmittel ist. " Catcher in the Rye" habe ich gehasst und weitgehend verdrängt, mit "Grapes of Wrath" bin ich auch nicht wirklich warm geworden und wenn möglich, meide ich solche Bücher. Da allerdings eine geschätzte Nachbarin das Buch vor einiger Zeit empfohlen hatte, und ich am Flughafen gerne noch ein Buch für die Reise kaufen wollte, habe ich ohne lange Überlegungen zugegriffen. Und bin begeistert.

"The Help" beschreibt die Zustände im Mississippi der 60er Jahre, Rassentrennung mit allem, was dazu gehört, und drei Frauen, die etwas unternehmen. Eine über die alte Heimat hinausgewachsene College-Absolventin schreibt ein Buch, zusammen mit zwei schwarzen Hausmädchen, gemeinsam gehen sie durch harte Zeiten und mischen am Ende die provinzielle Kleinstadt gewaltig auf mit ihrem Werk.

Bücher funktionieren für mich vor allem über Identifizierung, und bei diesem Buch konnte ich den schwarzen und weißen Südstaaten-Tonfall geradezu hören. Ich war ja selbst - lange her - im tiefsten Süden und bei allem, was ich theoretisch damals über das Civil Rights Movement gelernt habe, dieses Buch war lehrreicher als alle Schulstunden. Obwohl es das sicherlich gar nicht sein will, denn die Geschichte berührt die historischen Ereignisse nur am Rande – immerhin weiß ich jetzt, daß der Jackson-Evers Flughafen nach dem Aktivisten Medgar Evers benannt wurde.

Vor allem aber höre ich wieder meine afro-amerikanische Geschichtslehrerin, wie sie in epischer Länge, über underground Railroads, Harriet Tubman, und Dr. Martin Luther King berichtet. Niemals sprach sie von Martin Luther King, stets von Doctor Martin Luther King, in voller Länge, mit Ehrfurcht in der Stimme. Es ist ihre Stimme, ihr Akzent und Singsang, den ich in dem Buch höre, vielleicht etwas verwaschen durch die Jahre seither. Ich sehe vor mir die Schulkantine, in der die Schüler – ganz freiwillig – weitgehend nach schwarz und weiß getrennt saßen. Ich sehe, wie wir kurz vorm Englischunterricht bereits in die engen Stühle mit angebautem Tischchen gezwängt sitzen, und mich einer der Mitschüler, schwarz, Quarterback, fragt, ob ich mit einem schwarzen Jungen ausgehen würde. Die erstaunten Blicke, als ich uneingeschränkt bejahe. Die Konföderierten-Flaggen in den Vorgärten, der beliebte Mittelname „Lee“ für Mädchen – ein Schelm, wer an den Südstaaten-General Robert E. Lee denkt. Ein Schelm, wer denkt, das sei alter Kaffee. Nur gehen die Amerikaner mit diesem Teil ihrer Geschichte anders um - der Stolz auf die eigene, große Vergangenheit à la "Vom Winde verweht" war für mich in den Südstaaten damals immer noch spürbar. Kein Wunder, daß die da unten GW auch ein drittes Mal wählen würden.

Bei der Lektüre von „The Help“ wurden soviele Details für mich in eine neue Perspektive gerückt – dabei ist das Buch humorvoll, witzig, warmherzig, klug, und unglaublich spannend. So spannend, daß ich es kaum aus der Hand legen mochte und gerade zutiefst bedauere, fertig zu sein. Aber es gibt ja noch den Film.

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