Schwarze Seele
Wahrhaftig einer der Abende, die meinen Glauben an das Gute im Menschen in Frage stellen. Die ganze Abteilung war heute essen in einem etwas netteren Restaurant (oder was Amerikaner so dafür halten), um den nahenden Abschied eines Kollegen zu feiern. Angesichts meiner finanziellen Möglichkeiten mit dem Stipendium und den Lebenshaltungskosten in Washington habe ich bewußt eher bescheidene Gerichte gewählt, während sich alle anderen für das Drei-Gänge-Menü entschieden.
Ich gebe auch gerne mal viel Geld für Essen aus, wirklich, Freunde können es bestätigen – aber eher dann, wenn ich mich dabei in einer Gesellschaft meiner Wahl mit erwiesenem Unterhaltungswert befinde und vor allem nicht, wenn ich dafür in einer drittklassigen amerikanischen Burgerbude doch nur Restesuppe und ein Stück Fleisch mit fettigen Pommes bekomme. Bei Salat mit Gorgonzola kann man wenig falsch machen, dachte ich – und auch diese Erwartung wurde noch unterboten. Egal, ich war mit mir und einer voraussichtlich bescheidenen Rechnung zufrieden, froh über die Möglichkeit, die lieben Kollegen etwas besser kennenzulernen.
Bis die Rechnung kam.
Die happig war.
Und gleichmäßig durch alle geteilt wurde.
Da sitzen also etliche Personen mit sehr ordentlichen Gehältern – und ich mit meinem Stipendium, die ich seit vier Wochen umsonst zur Verfügung stehe, dank der Stiftung. Nun habe ich ja eine anständige Kinderstube genossen, die Kollegen hingegen offensichtlich nur eine Krabbelecke - und folglich brav meinen Anteil gezahlt und nichts gesagt. Mir aber gedacht, daß es entweder um die amerikanische Wirtschaft oder die amerikanischen Sitten schlimm stehen muß.

Es geht mir gar nicht ums Geld, ich kann das wegstecken und spare es an einem anderen Ende ein, das ist in Ordnung. Aber es erschüttert meinen Glauben an die Anständigkeit der Menschen. So sehr, daß ich den ganzen Rückweg geschnieft habe – vor Wut und Enttäuschung.

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