Montag, 21. Juli 2014
Yangon
Nach zwei Tagen in Nay Pyi Taw geht es zurück nach Yangon. Die Fahrt dauert mehr als eine Stunde länger als auf dem Hinweg, was vor allem an den endlosen Staus in der Innenstadt liegt. Zum ersten Mal scheint es eine richtig gute Idee, die Haupstadt ins Niemandsland zu verlegen, denn hier in Yangon ist der Verkehr überwältigend. Es kostet Stunden, von A nach B zu gelangen und das ist nicht sehr effizient.

Die Stadt ist ein kurioser architektonischer Mix: viel alter Kolonialstil, zumeist in verfallenem Zustand, dazwischen moderne, verglaste Neubauten, Gebäude die mich an Industriebauten der Jahrhundertwende erinnern, dazwischen immer wieder ärmliche Hütten und Baracken, und einige sehr hübsch renovierte Kolonialgebäude (vor allem von Behörden mit Geldeinnahmen, wie zum Beispiel der Zollbehörde). Die Haupstraßen sind intakt, die Ampeln funktionieren und der Verkehr hält sich daran, aber die Rotphasen sind schier endlos. Ich grübele minutenlang über die Effizienz von Ampelschaltungen und bin mir sicher: fünfminutige Rotphasen können weder für den Verkehrsfluß noch für das Gemüt gut sein. Ich werde nämlich aggressiv, wenn auf zwei Kilometer fließenden Verkehrs abrupter Stop ohne Ende folgt. Aber vielleicht fehlt mir auch die rechte buddhistische Einstellung, der Fahrer jedenfalls bleibt völlig gelassen.

Das Hotel dieses Mal ist sehr fein, aber auch sehr teuer, hier könnte man sogar mit Kreditkarte bezahlen, aber ich habe vorgesorgt und trage lauter druckfrische Dollarscheine bei mir – alte, geknickte oder seltene Noten werden nirgendwo akzeptiert. Nachdem ich den Koffer auf dem Zimmer deponiert habe, laufe ich um den Block auf der Suche nach einem Kiosk für eine Flasche Limo. Die gäbe es natürlich auch im Hotel, aber draußen einkaufen ist aufregender. Es gibt Bürgersteige und Stände mit Mangos, Obst, Souvenirs und Landkarten – letztere würden mich interessieren, wären aber vermutlich auf dem Heimflug hinderlich. Ich finde meine Limo, und freue mich auf die Zigarette, aber vor dem Hotel stelle ich fest, daß die Flaschenkappe innen komische braune Flecken hat. Ich hätte vielleicht doch lieber die eisgekühlte Cola im Hotel nehmen sollen, aber ich bin ja ein Sturkopf und trinke aus.



Abends gibt es ein Geschäftsessen und der lokale Gesprächspartner hat von allen möglichen Restaurants ausgerechnet ein französisches ausgewählt. Immerhin kann man sein Steak in kolonialem Flair draußen auf einer hölzernen Veranda einnehmen, und der Gin Tonic ist auch nicht schlecht. Ich lerne, daß Ausländer keinen Handyvertrag abschließen können und auch kein Auto kaufen, aber immerhin gibt es in Yangon Restaurants, Kinos, Tennis- und Golfplätze. Und natürlich unzählige Expats, mit denen man die Freizeit verbringen kann.

Davon habe ich leider nicht so viel, es reicht gerade für einen kurzen Abstecher zum Markt um die Ecke, wo ich ein paar Meter Seide für das nächste Abendkleid kaufe – der Ausflug zur Shwedagon-Pagode fällt leider dem Verkehr zum Opfer, es reicht so gerade für einige wenige Fotos aus dem Auto heraus.

Yangon gefällt mir deutlich besser als die Geisterhauptstadt, aber leben – möchte ich in Myanmar bei meiner Abreise immer noch nicht. Mir fehlen die ausgelassene, extrovierte Fröhlichkeit in Afrika, die Musik an jeder Ecke – nd irgendetwas, das ich nicht besser in Worte fassen kann. Trotzdem hoffe ich, daß ich im nächsten Jahr Gelegenheit bekomme, Asien besser kennenzulernen. Reisen erweitert bekanntlich den Horizont.

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Montag, 14. Juli 2014
Stippvisite
Ich bin endlich wieder unterwegs, zum ersten Mal in Asien – und merke erst jetzt, wie mir das Reisen außerhalb der europäischen Komfortzone gefehlt hat. Mein einziger Referenzpunkt ist ja der Kongo und hier ist vieles ähnlich: eines der ärmsten Länder der Welt, nur eine Handvoll Bankautomaten und nur unwesentliche mehr Bankkonten, überhaupt die Dimension von wirtschaftlicher Unterentwicklung -- und gleichzeitig ist doch alles ganz anders. Informationen über das Land sind mühsam zu beschaffen. Mangels statistischer Kapazitäten sind wesentliche Teile der offiziellen Nationalstatistiken rein fiktiv. Die Bevölkerungszahl liegt irgendwo zwischen 50 und 65 Millionen, beim Bruttosozialprodukt gibt die Weltbank eine leere Tabelle aus, und der IMF gib Schätzungen ab.

Der Flug, via Bangkok, ist unspektakulär und der Thailand nur Transitstation, die erste Überraschung am Gate ist die erstaunliche Anzahl an Passagieren, die an einem gewöhnlichen Werktag morgens nach Yangon fliegen möchte. Irgnedwo habe ich gelesen, Myanmar sei „the last development frontier“ und wohl auch “last business frontier” in Asien, wie es aussieht. Der Flughafen in Yangon ist dann die nächste Überraschung – kein Vergleich mit der lauten, dreckigen, chaotischen Baracke N’Djili in Kinshasa, hier ist alles neu und schick. Glänzende Fliesen, saubere Glasscheiben, geordnete Gänge, beschriftete Schalter für die Pass- und Einreisekontrolle. Skurril ist allenfalls, daß das Gepäck vor Verlassen des Terminals noch einmal geröntgt wird, dann wartet auch schon der Fahrer für den direkten Transfer nach Nay Pyi Taw.

Es geht 300km auf einer ziemlich guten Straße durchs Niemandsland, denn im Niemandsland wurde die nominelle Hauptstadt vor einigen Jahren – offenbar in aller Heimlichkeit – gebaut. Hin und wieder kann man Hütten sehen, manchmal auf Stöckern, ein paar komisch aussehende Kühe (die eigentlich Wasserbüffel sind), das aufregendste sind Wasserbüffel vor Karren auf dem Weg zum Reisfeld. Und, ach ja, hin und wieder die bunten Schirmchen, die ich schon aus Afrika kenne – aber so vereinzelt und verloren, daß sie in dem vielen Grün rechts und links der Straße komplett untergehen. Die Straße ist geradezu geisterhaft leer, alle paar Minuten überholen wir ein Auto oder einen Bus, und jedes Mal hupt der Fahrer. Das gehört offenbar so, weil der Rückspiegelblick sich hier noch nicht etabliert hat. Sollte sich die Straße irgendwann mal mit nennenswertem Verkehr füllen, wäre das Hupkonzert sicher grauenvoll, denn schon so ist es ein bißchen nervig.

Die Geisterautobahn führt zu einer Geisterstadt. Auf dem Reißbrett entstanden, gibt es in Nay Pyi Taw Zonen für alles, Zonen für Hotels, Zonen für Wohnhäuser, Zonen für Ministerien. Die Straßen sind mindestens zweispurig, perfekt ausgebaut, immer (wirklich immer!) mit rot-weiß bemalten Bordsteinkanten, dazwischen zahllose blumenbepflanzte Grünflächen, die von gleichermaßen zahllosen Gärtnern und Gärtnerinnen gepflegt werden. Bei soviel ähnlich aussehender Leer kann man schon mal durcheinanderkommen, und der Fahrer vertut sich oft genug, daß ich einiges von der Stadt zu sehen bekomme, inklusive der Prachtparadestraße am Parlament, die in in ihrer monumentalen Leere vielleicht das eindrücklichste Sinnbild dieses Landes ist.

Bei den offiziellen Terminen geht es noch formeller zu als in Afrika – aber auch sehr viel effizienter. Wir fangen ziemlich pünktlich an, es gibt Kaffee und Tee in putzigen kleinen Bechern mit Deckel, wobei der Kaffee bereits so grauenvoll übersüßt ist, daß ich ihn kaum noch trinkbar finde, aber die Höflichkeit zwingt das Gebräu irgendwie herunter. Es gibt pompöse Empfangsräume für offizielle Besprechungen, bei denen regelmäßig mehrere junge Mitarbeiter den Chef begleiten und in Habacht-Stellung Protokoll führen, sehr seniore Mitarbeiter behalten dabei ihre FlipFlops an, während jüngere Mitarbeiter sie ausziehen müssen. Modisch sind alle noch im Junta-Einheitslook, in manchen Ministerien tragen alle Mitarbeiter ausnahmslos die gleichen Longyis (wobei es ein Damen- und ein Herrenmodell zu geben scheint), und darüber die gleichen asiatisch geschnittenen Jacken, und manche auch noch eine Brosche mit Ministeriumslogo.

Die Hotels sind auch ganz anders als Kinshasa – hier wird offenbar das Modell Ferienressort bevorzugt. Ich bekomme einen kleinen Bungalow, der etwa doppelt so groß wie meine Puppenstube daheim ist, und Ausblick auf einen See hat. Auf der kleinen Terrasse kann man aber nachmittags noch nicht sitzen, denn die feucht-schwüle Hitze trifft mich jedes Mal mit geradezu physischer Gewalt, als würde man mir ein nasses, heißes Handtuch ins Gesicht hauen, sobald ich einen klimatisierten Raum verlasse. Alles andere ist top: die Dusche im Bad hat Holzböden, neben dem Waschbecken kann ich endlich ein neues Nähset einpacken, neben dem Waschbecken Wasserflaschen „with compliments“. Die Klimaanlage funktioniert, das Internet ebenfalls, und das Essen abends ist das beste Curry, das ich seit langem gegessen habe.

Daß der Spaß trotzdem nur hundert Euro pro Nacht kostet, liegt daran, daß Nay Pyi Taw erhebliche Überkapazitäten an Hotels aufgebaut hat: vor einem Jahr fanden hier die SEA Games statt – keinesfalls im Zusammenhang mit maritiem Sportarten, sondern kurz für Southeast Asian Games, und in diesem Jahr findet hier ein ASEAN-Gipfeltreffen statt. Ein bis zwei Mal im Jahr sind also alle Hotels ausgebucht, wie sie sich den Rest des Jahres behelfen, bleibt unklar.

Die Menschen sind alle sehr freundlich und sehr bemüht, abends kommen zwei Mitarbeiter des Hotels vorbei, um Insektenspray zu versprühen und fragen sehr schüchtern an der Tür, ob sie hereinkommen dürfen – sollen – können. Bei Tisch geht jede Handreichung mit Verbeugungen einher, jeder Rückzug vom Tisch mit noch mehr Verbeugungen über zusammengelegten Handflächen, das ist alles genauso, wie ich es mir aus meinen Büchern immer vorgestellt habe, aber es bleibt mir trotzdem fremd. Das mag an der Sprache liegen, oder an der gähnenden Leere, oder an daran, daß der Aufenthalt zu kurz ist. Kann sich aber noch ändern.

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