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Warum?
Herr Stubenzweig hat gefragt, warum. Warum dieses Ausmaß an Korruption, und wer ist schuld? Wir? Die entwicklungspolitische Forschung hat sich der Frage schon angenommen und zwei sich überschneidende Erklärungsansätze helfen beim Verständnis, wenn man annimmt, daß politische Institutionen und Korruption einen Gesamtkomplex darstellen, und Korruption ein Teilproblem schlechter Regierungsführung und mangelhafter Institutionen (im Sinne von Gesetzen, Mechanismen, Sanktionen) ist.
Erstens wäre da die juristische Tradition eines Landes, die sich aus der kolonialen Geschichte herleitet. In Abhängigkeit von der Kolonialmacht wird die Rechtstradition eines Landes auch heute noch entweder von den Prinzipien des britischen common law oder des kontinentaleuropäischen civil law bestimmt. Das britische common law legt – wie man nach all den Juristen-Thrillern im Fernsehen weiß – großes Gewicht auf Rechtsprechung in spezifischen Fällen, welche fast gleichrangig neben dem kodifizierten Gesetzestext stehen. Gleichzeitig gilt common law als flexibler, anpassungsfähiger an wechselnde Umstände und legt vor allem im Wirtschafsrecht mehr Gewicht auf Anlegerschutz und die Rechte des Individuums. Die Tradition des civil law geht zurück auf den römischen corpus iuiris civilis, germanische Rechtstraditionen und den franzöischen Code Civil. Der entscheidende Unterschied zum britischen Rechtskreis ist die ausgeprägte Kodifizierung des Rechts bis ins Detail, die Richtern lediglich eingeschränkte Interpretation und Auslegung erlaubt, darüber hinaus gilt civil law allerdings auch als dirigistischer, zentralistischer und räumt dem Individuum weniger Rechte ein als wesentlichen Organen oder Entitäten. Klassisches Beispiel hierfür sind im Wirtschaftsrecht die Schutzrechte von Kleinaktionären: das britische common law sieht ausgeprägte Rechte vor, das französische civil law vertraut darauf, daß Management, Großaktionäre und der Staat den Schutz gewährleisten. Zurück zur Korruption: empirische Wirtschaftsforschung zeigt einen klaren Zusammenhang zwischen der Rechtstradition und wirtschaftlicher Entwicklung, vor allem im Finanzsektor. Kausale Zusammenhänge nachzuweisen ist außerordentlich schwierig, aber die gängige Theorie fußt darauf, daß das britischstämmige System einzelne wirtschaftliche Akteure besser schützt, berechenbarer und flexibler ist, und daher wirtschaftlicher Betätigung förderlicher ist als die französische Tradition.
Eines der innovativsten Forschungsprojekte der letzten Jahre denkt in ähnlicher Richtung, stellt allerdings stärker auf das von den Kolonialmächten hinterlassene Regierungskonzept ab. Die Autoren stellen die Hypothese auf, daß die europäischen Kolonialmächte zweierlei Typen von Kolonien etablierten: Nachbildungen ihrer europäischen Heimat in Regionen, die dauerhaft angenehm bewohnbar waren (z.B. die Vereinigten Staaten, Australien, Indien) und den dafür notwendigen vernünftigen, gewaltenteiligen, administrativen Bürokratie- und Staatsorganen. In so lebensfeindlichen Regionen wie Zentralafrika hingegen beschränkten sich die Kolonialmächte auf das absolut notwendige Minimum an Verwaltungsapparaten, um die Reichtümer der Kolonie auszubeuten – hier ist Belgisch-Kongo unter Leopold II. das Paradebeispiel. Die Argumentationskette ist etwas umständlich, die Autoren weisen jedoch nach, daß es einen Zusammenhang zwischen der Sterblichkeit europäischer Siedler in verschiedenen Kolonien und heutigem Pro-Kopf Einkommen gibt – vermutlich, weil die Qualität der etablierten Regierungsapparate und Kontrollen bis heute nachwirkt.* Unabhängig von der wissenschaftlichen Qualität – und den hochkomplexen mathematischen Grundlagen empirischer Wirtschaftsforschung – ist der Zusammenhang zumindest intuitiv nachvollziehbar: in Südafrika kamen Siedler, um zu bleiben, bauten Straßen, Schulen und etablierten einen Verwaltungsapparat, den die erste Unabhängigkeitsregierung übernehmen konnte. Im lebensfeindlichen Kongo hingegen blieb die Kolonialgesellschaft klein, Siedler kamen für einige Jahre um reich zu werden, lieber ohne als mit Familie und entsprechend wenig wurde in das Land investiert und an die erste nationale Regierung unter Lumumba und später Mobutu übergeben.
Wer sich mit Kongolesen über Mobutu und Korruption unterhält, bekommt eine von zwei Versionen zu hören:
1) Unter Mobutu war alles besser. Kinshasa war noch La Belle, die Straßen waren gut erhalten und von Bäumen gesäumt, die staatlichen Unternehmen funktonierten, es gab genug zu essen, Schulen, Bildung, Infrastruktur und der Flughafen N’Djili war eines der großen Drehkreuze für Afrika. Allenfalls – so wird der Gesprächspartner konzedieren – gegen Ende der Mobutu Herrschaft Anfang der neunziger Jahre begann der Abstieg, als dem Diktator die persönliche Gesundheit und der Einfluß im Land gleichermaßen abhanden kamen. Freie Rede? Menschenrechte? Korruption?... wen schert das schon, wenn man genug zu beißen hat.
2) Mobutu war die Saat allen Übels. Das gesamte Regime war eine oligarchisch organisierte Kleptokratie, 140 Millionen Hektar Selbstbedienungsladen für die Elite, welche die von den belgischen Kolonialherren zur Unabhängigkeit überreichte Infrastruktur systematisch heruntergewirtschaftet hat und – schlimmer noch – sämtliche 60 Millionen Einwohner mit dem Korruptionsvirus infizierte, dessen Folgen heute allgegenwärtig sind.
Daran orientiert sich in der Regel auch die Beurteilung der heutigen Situation: erstere können einer leidlich freien Presse (Zeitungsartikel mit mäßiger Kritik kann man gegen Geld bei Journalisten und den einschlägigen Blättern mit gewünschtem Inhalt platzieren) und den in Europa gerühmten freien Wahlen wenig abgewinnen, solange der Magen knurrt. Zweitere sind in der Regel frei von existentiellen Sorgen und hegen auch zehn Jahre nach dem Ende der Alleinherrschaft Mobutus noch Hoffnung für ihr Land.
Um zur Ausgangsfrage zurückzukehren: wer ist schuld? Wir? Sicherlich – unter anderem. Die Kolonialisierung zerstörte die gesellschaftlichen Grundlagen der Stammessysteme in vielen afrikanischen Ländern, ohne einen adäquaten Ersatz zu schaffen und die Bevölkerung beim Umbruch zu begleiten und unterstützen. Ein Freund erzählte mir, in vielen Bantusprachen gebe es kein Wort für „stehlen“ – der Eigentumsbegriff sei einfach ein anderer. Konflikte und Unabhängigkeitskriege in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hinterließen oftmals überforderte Persönlichkeiten und Machthaber – man schaue sich nur die Vita von Mobutu oder Samuel Doe an – in den verantwortlichen Regierungspositionen, die mit dem administrativen Erbe wenig anfangen konnten und ihr Land in die Katastrophe führten. Andererseits: nachher ist man immer schlauer und wer hätte damals – mit viel weniger sozialwissenschaftlicher und anthropologischer Forschung, dafür reichlich rassistischen Vorurteilen im Gepäck – vorhersehen können, wohin diese Nachlässigkeit führen würde. Darüber hinaus muß man sich schon fragen, warum es trotz jahrzehntelanger Bemühungen im Kampf gegen die Korruption nur wenige Fortschritte gibt. Von einzelnen Leuchttürmen der Redlichkeit abgesehen – gerne zitiert ein inzwischen abgesetzer oberster Korruptionskämpfer in Nigeria – muß man ehrliche Machthaber in den meisten Ländern suchen wie die Nadel im Heuhaufen. Bei allem Verständnis für das menschliche Bedürfnis, Reichtümer für zukünftige Absicherung anhäufen zu wollen, ist die Maßlosigkeit, die nach oben kein Ende und keine Scham kennt immer wieder erstaunlich – bei europäischen Investmentbankern und Wirtschaftsgrößen aber ebenso wie bei afrikanischen Politikern. Womit wir wieder bei den Institutionen wären: Europa hat Schranken, die die menschliche Gier im Zaum halten und Grenzen setzen – das war ja allerdings auch nicht immer so. Im Mittelalter waren Bankiers und Fürsten in ein Netz aus Verpflichtungen, Gefallen und finanziellen Zuwendungen verstrickt, im Gefängnis konnte und mußte für jede Annehmlichkeit bezahlt werden und der Begriff des öffentlichen Eigentums war auch ein anderer. Der gemeinsame Nenner ist möglicherweise eine kleine, gut vernetzte Elite, die sich gegenseitig stützt. Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus, und so wie sich im Mittelalter Adel, Fürsten und Kirche die Macht aufteilten und in einem fragilen Gleichgewicht hielten, agieren auch die heutigen Eliten in Afrika. Die Oberschicht im Kongo ist keineswegs eine homogene Einheit: es gibt die Anhänger des Mobutu Regimes, Anhänger des aktuellen Präsidenten wie auch jene der Opposition (deren Galionsfigur Urlaub im schönen Den Haag macht), es gibt Provinzgouverneure und Prätendenten auf einflußreiche Positionen und viel Geschacher um die Zuwendungen für die verschiedenen Provinzen – aber letztlich begegnen sich alle auf denselben Hochzeiten und Taufen, die Kinder gehen in dieselbe Schule, man begegnet sich im Urlaub und im Restaurant und über allem politischem Schacher gibt es doch ein gemeinsames Interesse: ein System zu erhalten, von dem die Oberschicht profitiert. Das jedoch ist keineswegs typisch afrikanisch, sondern typisch menschlich. Der Kongo ist korrupter als Deutschland, weil es im Kongo so viel leichter ist - eine Versuchung, der ja schon mancher Konzern erlegen ist.
Bei den Gesellschaften jedoch stößt jede Entwicklungszusammenarbeit an ihre Grenzen: man kann Anti-Korruptionsagenturen und –kommissionen schaffen, Richter schulen und ausbilden, Konventionen verabschieden und verbalen Druck ausüben: eine Gesellschaft zu transformieren hingegen ist praktisch nicht möglich, es sei denn man wollte zur Kolonialherrschaft zurückkehren. Der Aufbau von funktionierenden Institutionen hingegen braucht Zeit und Geduld.
* Das Problem bei empirischer Wirtschaftsforschung ist, daß ein statistischer Zusammenhang mittels Korrelation oder Regressionsanalysen leicht nachzuweisen ist, die Kausalität hingegen nur sehr schwer. Man nehme zum Beispiel Maßzahlen für die Qualität der Institutionen (im Sinne von Gewaltenteilung, Gesetzen, Rechtsstaatlichkeit) eines Landes und GDP/Capita, wie im obigen Beispiel. Einwandfrei belegen läßt sich ein positiver statistischer Zusammenhang, aber bewirken gute Institutionen wirtschaftliche Entwicklung, oder fördern wirtschaftliche Entwicklung und Reichtum Institutionen, zum Beispiel weil sich wohlhabende Länder eher aufwendige Staatsapparate leisten können? Um die Richtung des Wirkungsmechanismus zu isolieren, suchen Wissenschaftler nach geeigneten instrumental variables - zum Beispiel Siedlersterblichkeit als Indikator für heutige Institutionsqualität, der aber eben tatsächlich nur in eine Richtung wirken kann. Nachteil der Methode ist, daß mit der Auswahl der Instrumentalvariablen die Qualität der Forschung steht und fällt und man unter Umständen mit einfach Argumenten die gesamte Hypothese aushebeln kann, wenn der Wissenschaftler eine angreifbare Instrumentalvariable gewählt hat.
Erstens wäre da die juristische Tradition eines Landes, die sich aus der kolonialen Geschichte herleitet. In Abhängigkeit von der Kolonialmacht wird die Rechtstradition eines Landes auch heute noch entweder von den Prinzipien des britischen common law oder des kontinentaleuropäischen civil law bestimmt. Das britische common law legt – wie man nach all den Juristen-Thrillern im Fernsehen weiß – großes Gewicht auf Rechtsprechung in spezifischen Fällen, welche fast gleichrangig neben dem kodifizierten Gesetzestext stehen. Gleichzeitig gilt common law als flexibler, anpassungsfähiger an wechselnde Umstände und legt vor allem im Wirtschafsrecht mehr Gewicht auf Anlegerschutz und die Rechte des Individuums. Die Tradition des civil law geht zurück auf den römischen corpus iuiris civilis, germanische Rechtstraditionen und den franzöischen Code Civil. Der entscheidende Unterschied zum britischen Rechtskreis ist die ausgeprägte Kodifizierung des Rechts bis ins Detail, die Richtern lediglich eingeschränkte Interpretation und Auslegung erlaubt, darüber hinaus gilt civil law allerdings auch als dirigistischer, zentralistischer und räumt dem Individuum weniger Rechte ein als wesentlichen Organen oder Entitäten. Klassisches Beispiel hierfür sind im Wirtschaftsrecht die Schutzrechte von Kleinaktionären: das britische common law sieht ausgeprägte Rechte vor, das französische civil law vertraut darauf, daß Management, Großaktionäre und der Staat den Schutz gewährleisten. Zurück zur Korruption: empirische Wirtschaftsforschung zeigt einen klaren Zusammenhang zwischen der Rechtstradition und wirtschaftlicher Entwicklung, vor allem im Finanzsektor. Kausale Zusammenhänge nachzuweisen ist außerordentlich schwierig, aber die gängige Theorie fußt darauf, daß das britischstämmige System einzelne wirtschaftliche Akteure besser schützt, berechenbarer und flexibler ist, und daher wirtschaftlicher Betätigung förderlicher ist als die französische Tradition.
Eines der innovativsten Forschungsprojekte der letzten Jahre denkt in ähnlicher Richtung, stellt allerdings stärker auf das von den Kolonialmächten hinterlassene Regierungskonzept ab. Die Autoren stellen die Hypothese auf, daß die europäischen Kolonialmächte zweierlei Typen von Kolonien etablierten: Nachbildungen ihrer europäischen Heimat in Regionen, die dauerhaft angenehm bewohnbar waren (z.B. die Vereinigten Staaten, Australien, Indien) und den dafür notwendigen vernünftigen, gewaltenteiligen, administrativen Bürokratie- und Staatsorganen. In so lebensfeindlichen Regionen wie Zentralafrika hingegen beschränkten sich die Kolonialmächte auf das absolut notwendige Minimum an Verwaltungsapparaten, um die Reichtümer der Kolonie auszubeuten – hier ist Belgisch-Kongo unter Leopold II. das Paradebeispiel. Die Argumentationskette ist etwas umständlich, die Autoren weisen jedoch nach, daß es einen Zusammenhang zwischen der Sterblichkeit europäischer Siedler in verschiedenen Kolonien und heutigem Pro-Kopf Einkommen gibt – vermutlich, weil die Qualität der etablierten Regierungsapparate und Kontrollen bis heute nachwirkt.* Unabhängig von der wissenschaftlichen Qualität – und den hochkomplexen mathematischen Grundlagen empirischer Wirtschaftsforschung – ist der Zusammenhang zumindest intuitiv nachvollziehbar: in Südafrika kamen Siedler, um zu bleiben, bauten Straßen, Schulen und etablierten einen Verwaltungsapparat, den die erste Unabhängigkeitsregierung übernehmen konnte. Im lebensfeindlichen Kongo hingegen blieb die Kolonialgesellschaft klein, Siedler kamen für einige Jahre um reich zu werden, lieber ohne als mit Familie und entsprechend wenig wurde in das Land investiert und an die erste nationale Regierung unter Lumumba und später Mobutu übergeben.
Wer sich mit Kongolesen über Mobutu und Korruption unterhält, bekommt eine von zwei Versionen zu hören:
1) Unter Mobutu war alles besser. Kinshasa war noch La Belle, die Straßen waren gut erhalten und von Bäumen gesäumt, die staatlichen Unternehmen funktonierten, es gab genug zu essen, Schulen, Bildung, Infrastruktur und der Flughafen N’Djili war eines der großen Drehkreuze für Afrika. Allenfalls – so wird der Gesprächspartner konzedieren – gegen Ende der Mobutu Herrschaft Anfang der neunziger Jahre begann der Abstieg, als dem Diktator die persönliche Gesundheit und der Einfluß im Land gleichermaßen abhanden kamen. Freie Rede? Menschenrechte? Korruption?... wen schert das schon, wenn man genug zu beißen hat.
2) Mobutu war die Saat allen Übels. Das gesamte Regime war eine oligarchisch organisierte Kleptokratie, 140 Millionen Hektar Selbstbedienungsladen für die Elite, welche die von den belgischen Kolonialherren zur Unabhängigkeit überreichte Infrastruktur systematisch heruntergewirtschaftet hat und – schlimmer noch – sämtliche 60 Millionen Einwohner mit dem Korruptionsvirus infizierte, dessen Folgen heute allgegenwärtig sind.
Daran orientiert sich in der Regel auch die Beurteilung der heutigen Situation: erstere können einer leidlich freien Presse (Zeitungsartikel mit mäßiger Kritik kann man gegen Geld bei Journalisten und den einschlägigen Blättern mit gewünschtem Inhalt platzieren) und den in Europa gerühmten freien Wahlen wenig abgewinnen, solange der Magen knurrt. Zweitere sind in der Regel frei von existentiellen Sorgen und hegen auch zehn Jahre nach dem Ende der Alleinherrschaft Mobutus noch Hoffnung für ihr Land.
Um zur Ausgangsfrage zurückzukehren: wer ist schuld? Wir? Sicherlich – unter anderem. Die Kolonialisierung zerstörte die gesellschaftlichen Grundlagen der Stammessysteme in vielen afrikanischen Ländern, ohne einen adäquaten Ersatz zu schaffen und die Bevölkerung beim Umbruch zu begleiten und unterstützen. Ein Freund erzählte mir, in vielen Bantusprachen gebe es kein Wort für „stehlen“ – der Eigentumsbegriff sei einfach ein anderer. Konflikte und Unabhängigkeitskriege in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hinterließen oftmals überforderte Persönlichkeiten und Machthaber – man schaue sich nur die Vita von Mobutu oder Samuel Doe an – in den verantwortlichen Regierungspositionen, die mit dem administrativen Erbe wenig anfangen konnten und ihr Land in die Katastrophe führten. Andererseits: nachher ist man immer schlauer und wer hätte damals – mit viel weniger sozialwissenschaftlicher und anthropologischer Forschung, dafür reichlich rassistischen Vorurteilen im Gepäck – vorhersehen können, wohin diese Nachlässigkeit führen würde. Darüber hinaus muß man sich schon fragen, warum es trotz jahrzehntelanger Bemühungen im Kampf gegen die Korruption nur wenige Fortschritte gibt. Von einzelnen Leuchttürmen der Redlichkeit abgesehen – gerne zitiert ein inzwischen abgesetzer oberster Korruptionskämpfer in Nigeria – muß man ehrliche Machthaber in den meisten Ländern suchen wie die Nadel im Heuhaufen. Bei allem Verständnis für das menschliche Bedürfnis, Reichtümer für zukünftige Absicherung anhäufen zu wollen, ist die Maßlosigkeit, die nach oben kein Ende und keine Scham kennt immer wieder erstaunlich – bei europäischen Investmentbankern und Wirtschaftsgrößen aber ebenso wie bei afrikanischen Politikern. Womit wir wieder bei den Institutionen wären: Europa hat Schranken, die die menschliche Gier im Zaum halten und Grenzen setzen – das war ja allerdings auch nicht immer so. Im Mittelalter waren Bankiers und Fürsten in ein Netz aus Verpflichtungen, Gefallen und finanziellen Zuwendungen verstrickt, im Gefängnis konnte und mußte für jede Annehmlichkeit bezahlt werden und der Begriff des öffentlichen Eigentums war auch ein anderer. Der gemeinsame Nenner ist möglicherweise eine kleine, gut vernetzte Elite, die sich gegenseitig stützt. Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus, und so wie sich im Mittelalter Adel, Fürsten und Kirche die Macht aufteilten und in einem fragilen Gleichgewicht hielten, agieren auch die heutigen Eliten in Afrika. Die Oberschicht im Kongo ist keineswegs eine homogene Einheit: es gibt die Anhänger des Mobutu Regimes, Anhänger des aktuellen Präsidenten wie auch jene der Opposition (deren Galionsfigur Urlaub im schönen Den Haag macht), es gibt Provinzgouverneure und Prätendenten auf einflußreiche Positionen und viel Geschacher um die Zuwendungen für die verschiedenen Provinzen – aber letztlich begegnen sich alle auf denselben Hochzeiten und Taufen, die Kinder gehen in dieselbe Schule, man begegnet sich im Urlaub und im Restaurant und über allem politischem Schacher gibt es doch ein gemeinsames Interesse: ein System zu erhalten, von dem die Oberschicht profitiert. Das jedoch ist keineswegs typisch afrikanisch, sondern typisch menschlich. Der Kongo ist korrupter als Deutschland, weil es im Kongo so viel leichter ist - eine Versuchung, der ja schon mancher Konzern erlegen ist.
Bei den Gesellschaften jedoch stößt jede Entwicklungszusammenarbeit an ihre Grenzen: man kann Anti-Korruptionsagenturen und –kommissionen schaffen, Richter schulen und ausbilden, Konventionen verabschieden und verbalen Druck ausüben: eine Gesellschaft zu transformieren hingegen ist praktisch nicht möglich, es sei denn man wollte zur Kolonialherrschaft zurückkehren. Der Aufbau von funktionierenden Institutionen hingegen braucht Zeit und Geduld.
* Das Problem bei empirischer Wirtschaftsforschung ist, daß ein statistischer Zusammenhang mittels Korrelation oder Regressionsanalysen leicht nachzuweisen ist, die Kausalität hingegen nur sehr schwer. Man nehme zum Beispiel Maßzahlen für die Qualität der Institutionen (im Sinne von Gewaltenteilung, Gesetzen, Rechtsstaatlichkeit) eines Landes und GDP/Capita, wie im obigen Beispiel. Einwandfrei belegen läßt sich ein positiver statistischer Zusammenhang, aber bewirken gute Institutionen wirtschaftliche Entwicklung, oder fördern wirtschaftliche Entwicklung und Reichtum Institutionen, zum Beispiel weil sich wohlhabende Länder eher aufwendige Staatsapparate leisten können? Um die Richtung des Wirkungsmechanismus zu isolieren, suchen Wissenschaftler nach geeigneten instrumental variables - zum Beispiel Siedlersterblichkeit als Indikator für heutige Institutionsqualität, der aber eben tatsächlich nur in eine Richtung wirken kann. Nachteil der Methode ist, daß mit der Auswahl der Instrumentalvariablen die Qualität der Forschung steht und fällt und man unter Umständen mit einfach Argumenten die gesamte Hypothese aushebeln kann, wenn der Wissenschaftler eine angreifbare Instrumentalvariable gewählt hat.
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Wenn ich am Neujahrsmorgen in einem Haushalt voller Personen jüngeren Baujahrs als einzige keine Kopfschmerztablette benötige: habe ich am Vorabend nicht gut genug gefeiert oder bin ich für mein Alter noch gut im nehmen?
Ich wünsche Ihnen ein wunderbares Jahr 2010!
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