Kaffeefahrt
Natürlich war ich schon auf Schiffen. Viele Jahre lang begann der Sommerurlaub mit einer Fahrt durchs Nordseewatt zur Insel, ich bin auch mal mit einer Fähre über den Kanal nach Dover, war mit Freunden auf der Schlei segeln und bei einer Klassenfahrt haben wir uns kollektiv darum gestritten, wer wann im Klüvernetz sitzen darf. Ich vorne mit dabei, je mehr Seegang desto besser.
Den Traum meines Vaters, irgendwann mit einem Frachtschiff den Atlantik zu überqueren teile ich durchaus, Segelurlaub mit Freunden wäre ich auch nicht abgeneigt, wenn mir nur jemand sagt, an welcher Strippe ich ziehen soll – eine Kommerz-Kreuzfahrt hingegen stand bisher so wenig auf meiner Wunschliste wie All-Inclusive-Urlaub in der Bettenburg.
Andererseits höre ich seit zwei Wochen regelmäßig das tiefe Tuten der großen Schiffe, wenn sie ablegen. Ob ich in der Bibliothek sitze, in der Stadt bummeln bin oder in meinem Zimmerchen auf dem Bett sitze – der Abschiedsgruß des Typhons trägt über die ganze Stadt und jedes Mal merke ich auf und denke sehnsuchtsvoll „Hach!“. Wenn ich morgens an den hochhausgroßen Schiffen vorbeilaufe, staune ich die Autos an, die aus dem Bauch der Fähre herausrollen, auf dem Heimweg sehe ich, wie sich diese riesige Masse langsam in Bewegung setzt... und möchte doch mitfahren, Kommerz hin oder her.
Nun ergab es sich, daß meine schönen, von langer Hand vorbereiteten Pläne für dieses Wochenende kurzfristig sabotiert wurden, und ich am Freitag Mittag schleunigst ein Plan B brauchte, um nicht noch einmal drei Tage alleine in meinem Zimmerchen sitzen zu müssen. Davon hatte ich nämlich letzte Woche schon genug und dabei wieder mal festgestellt: alleine in einer fremden Stadt ohne nennenswerte Sehenswürdigkeiten, dafür womöglich mit fieskaltem, ekligen Wetter, ist kein Vergnügen. Man kann sich natürlich strebermäßig der Arbeit widmen, aber das tue ich schon unter der Woche, man kann alternativ im Buchladen auf Fischzug gehen (zwei Bücher pro Wochenende plus 2 DVDs), bummeln, einkaufen, sich am norddeutschen Idiom erfreuen („Kabbeln nur Müll, die Leute, probier mal die hier“ - sagte der Obsthändler während er mir eine Mandarine unter die Nase hielt), aber solches Programm ist allerhöchsten einmal attraktiv – beim zweiten Mal wird es trübselig.
Umso besser, daß ich rechtzeitig anfing, gewissermaßen in Serie lauter kleine, kluge Entscheidungen zu treffen. Sehr klug war es, schon am Freitag Morgen im Terminal der Fährlinie nach Preisen und Karten zu fragen und nicht aufs Internet zu vertrauen. Der Wochenendtrip nämlich, der im Internet fast 200 Euro gekostet hätte, war auch für weniger als 100 Euro zu haben. Eine Einzelkabine gegen Aufpreis – da war ich kurz in Versuchung, und ließ es dann doch aus lauter Geiz. Schlimmer als Nachtzug fahren, so sagte ich mir, kann es nicht werden – und ich wollte ja nur die Zeit sinnvoll rumbringen, nicht auf großem Fuß erholungsurlauben. Völlig richtige Entscheidung: Stunden nach dem Auslaufen nämlich war die Kabinennachbarin immer noch nicht aufgetaucht, ihr Bett hingegen ungemacht, und überhaupt war auch gar nicht wirklich klar, wer welches Bett, und festzustellen, wer da eigentlich neben mir hätte schlafen sollen... und am Ende hatte ich die Kabinenstewardessen solange genervt und bequatscht, bis sie mir die letzte freie Kabine zur Einzelnutzung überließen. Diese übrigens viel komfortabler als bei der Bahn: richtige Matratzen, richtiges Bettzeug und sogar ein kleines Badezimmerchen.
So ein Schiff ist ein Soziotop sui generis und bietet für sich genommen schon reichlich Unterhaltungswert. Wir hatten kaum abgelegt, da belagerten Passagiere jedes Alters bereits die Daddelautomaten auf allen Etagen und an allen Ecken. Die blinkenden Lichter und Dudelmelodien hatten was von Jahrmarktatmosphäre, und alle, vom Schulkind bis zum Rentner, schienen sich dabei großartig zu amüsieren. Ich inspizierte erst mal in Ruhe alle Decks, das „on board shopping“ zu Preisen, die allenfalls die skandinavische Hälfte der Passagiere als vorteilhaft empfinden konnte, die Restaurants und Bars zu Preisen, die wirklich niemand hätte als günstig bezeichnen können (gut, daß ich – noch eine weise Entscheidung – mittags ein fettes Schnitzel gewählt und für abends ein Brötchen eingepackt hatte) und natürlich das Oberdeck, wo man meist ziemlich alleine mit dem Wind war. Unter dem Wasser, ziemlich tief unten.
Ich nehme an, daß man im Sommer hübsch draußen sitzen kann und beim Ablegemanöver zuschauen, angesichts des schweinekalten Windes hingegen beschränkte ich mich auf einige Bilder fürs Fotoalbum und widmete mich dann meinen mitgebrachten Büchern. In der großspurig angekündigten Disko war leider auch zu fortgeschrittener Stunde nix los, obwohl ich mir extra noch mal die Haare aufgemoppt und Lipgloss aufgetragen hatte. Ein paar fürchterlich aufgerüschte Teenager (die hatten sichtlich mehr Zeit als ich vorm Spiegel verbracht und sogar in Erwartung einer Mega-Party die passende Kleidung im Gepäck), ansonsten ein trauriges Grüppchen einsamer Herren an der Restetheke und der DJ – auch nicht mehr taufrisch an Jahren. Das war aber vermutlich nicht anders zu erwarten, war doch die Mehrzahl der Gäste doppelt so alt wie ich und von der Sorte Leute, die Kaffeefahrten als Vergnügen klassifizieren. Die hatten sich vermutlich schon bei der vorangegangen Hotellobbymusik-Vorführung eine Gruppe semigreiser Entertainer im Restaurant verausgabt und waren dann früh in ihre Kojen verschwunden.
Nach meiner erfolglosen Runde durch diesen traurigen Haufen tat ich dasselbe – früh zu Bett gehen – und freute mich auf die nächste richtige Entscheidung: das Frühstück. Sündhaft viel Geld fürs Abendessen an Bord auszugeben, schien mir schwachsinnig, zum Frühstück hingegen liebe ich Rühreier mit Speck und auf die spekulierte ich – da es doch Buffett geben sollte. Bei Buchung am Schalter hatte ich mir hübsch vorgestellt, wie ich am Fenster sitzen würde, Aussicht auf die Küstenlandschaft, und dabei meinen Kaffee trinken genießen könnte. Dafür bin ich sogar früher aufgestanden, als die Lautsprecheransagen (voreingestellt auf ohrenbetäubend laut in allen Kabinen) die Passagiere zu weiterem Geldausgeben aus den Betten schrecken konnten und eroberte einen der letzten Fenstertische. Rühreier mit Speck gab es, Würstchen auch, Pfannkuchen, Sirup, Kaffee – es hätte fast nicht besser sein können. Komischen Kaviar aus der Tube und eingelegte Gurken gab es auch – die führten mich aber nicht in Versuchung.
Die einzige wirklich unkluge Entscheidung des Wochenendes war, meinen Schirm auf dem Schiff zu lassen und dann auf dem – nicht ganz so kurz wie im Flyer angekündigt ausfallenden – Fußmarsch Richtung Innenstadt einen zweiten nachzukaufen. Wohl hätte ich wissen können, daß es regnet – aber daß es dann im Laufe des Tages überhaupt nicht mehr regnen würde, das war wirklich unerwartet. Aber natürlich trotzdem ganz angenehm. Zuerst absolvierte ich hingebungsvoll das Bildungsprogramm, das ich am Vorabend geplant hatte. Danach vertraute in meiner unendlichen Weisheit bei den Einkaufstipps allerdings nicht länger dem Reiseführer, sondern meiner Nase. Die mich sicher zu einem großartigen Laden führte, wo ich großartige, dunkelblaue Gummistiefel mit dunkelroter Schleife erstand. Sehr vernünftige Investition für die nächste Regensaison im Voralpenland. Eine notwendige Anschaffung, geradezu, nachdem meine alten Gummistiefel hinüber sind und seit kurzem mehr Wasser innen aufsammeln, als außen in den Pfützen steht.
Nach so vielen klugen Entscheidungen und Anstrengungen war ich zu erschöpft, um mir viele Gedanken um die nächste Mahlzeit zu machen, zumal ich leider mit den – logischerweise nicht auf Deutsch geschriebenen – Speisekarten wenig anfangen konnte. Suppe hätte ich gewollt - konnte es aber auf den Karten und Tafeln nicht identifzieren, jedenfalls nicht in den ganzen Cafés, die ich eine halbe Stunde lang abklapperte. Am Ende wurde es Hühnchen-Curry, und danach reichte das Geld so gerade noch für ein Käsebrötchen zum Abendbrot (eingedenk der sittenwidrigen Preise an Bord) und ein Gebäckdings – einmal wenigstens wollte ich lokale Küche. Das stellte sich als eine Kreuzung aus Rumkugel (innen) und Kokosferrero (außen) heraus, war aber gar nicht schlecht. Auf dem Rückweg quetschte ich noch eine weitere Runde Bildung dazwischen, um das Multi-Museums-Ticket bestmöglich auszureizen, und war am Ende ein weiteres Mal dankbar für den Segen der Einzelkabine, die mir so unerwartet zuteil geworden war.
Als ich irgendwann gegen neun eine letzte Zigarette auf Deck rauchen ging, waren wir schon auf hoher See, der Wind riß mir fast die Klammern aus dem Haar und die Kippe aus der Hand, unter den Flutlichtern auf Deck glitzerten die Gischttropfen wie Nebel, zuvor in Küstennähe hatten wir sogar Teppiche von Eisschollen passiert, aber jetzt stampfte der Koloß von Schiff im Seegang, und ich war sehr, sehr zufrieden mit meinem Wochenende. Jedes Mal, wenn ich jemanden bitten mußte, ein Foto von Irgendwas mit mir drauf zu machen, habe ich mich einen kurzen Moment meiner offensichtlich Einsamkeit inmitten von Familien, Pärchen und Reisegruppen geschämt– aber am Ende ist es doch um Längen besser und befriedigender, alleine etwas zu unternehmen als alleine rumzusitzen.
Den Traum meines Vaters, irgendwann mit einem Frachtschiff den Atlantik zu überqueren teile ich durchaus, Segelurlaub mit Freunden wäre ich auch nicht abgeneigt, wenn mir nur jemand sagt, an welcher Strippe ich ziehen soll – eine Kommerz-Kreuzfahrt hingegen stand bisher so wenig auf meiner Wunschliste wie All-Inclusive-Urlaub in der Bettenburg.
Andererseits höre ich seit zwei Wochen regelmäßig das tiefe Tuten der großen Schiffe, wenn sie ablegen. Ob ich in der Bibliothek sitze, in der Stadt bummeln bin oder in meinem Zimmerchen auf dem Bett sitze – der Abschiedsgruß des Typhons trägt über die ganze Stadt und jedes Mal merke ich auf und denke sehnsuchtsvoll „Hach!“. Wenn ich morgens an den hochhausgroßen Schiffen vorbeilaufe, staune ich die Autos an, die aus dem Bauch der Fähre herausrollen, auf dem Heimweg sehe ich, wie sich diese riesige Masse langsam in Bewegung setzt... und möchte doch mitfahren, Kommerz hin oder her.
Nun ergab es sich, daß meine schönen, von langer Hand vorbereiteten Pläne für dieses Wochenende kurzfristig sabotiert wurden, und ich am Freitag Mittag schleunigst ein Plan B brauchte, um nicht noch einmal drei Tage alleine in meinem Zimmerchen sitzen zu müssen. Davon hatte ich nämlich letzte Woche schon genug und dabei wieder mal festgestellt: alleine in einer fremden Stadt ohne nennenswerte Sehenswürdigkeiten, dafür womöglich mit fieskaltem, ekligen Wetter, ist kein Vergnügen. Man kann sich natürlich strebermäßig der Arbeit widmen, aber das tue ich schon unter der Woche, man kann alternativ im Buchladen auf Fischzug gehen (zwei Bücher pro Wochenende plus 2 DVDs), bummeln, einkaufen, sich am norddeutschen Idiom erfreuen („Kabbeln nur Müll, die Leute, probier mal die hier“ - sagte der Obsthändler während er mir eine Mandarine unter die Nase hielt), aber solches Programm ist allerhöchsten einmal attraktiv – beim zweiten Mal wird es trübselig.
Umso besser, daß ich rechtzeitig anfing, gewissermaßen in Serie lauter kleine, kluge Entscheidungen zu treffen. Sehr klug war es, schon am Freitag Morgen im Terminal der Fährlinie nach Preisen und Karten zu fragen und nicht aufs Internet zu vertrauen. Der Wochenendtrip nämlich, der im Internet fast 200 Euro gekostet hätte, war auch für weniger als 100 Euro zu haben. Eine Einzelkabine gegen Aufpreis – da war ich kurz in Versuchung, und ließ es dann doch aus lauter Geiz. Schlimmer als Nachtzug fahren, so sagte ich mir, kann es nicht werden – und ich wollte ja nur die Zeit sinnvoll rumbringen, nicht auf großem Fuß erholungsurlauben. Völlig richtige Entscheidung: Stunden nach dem Auslaufen nämlich war die Kabinennachbarin immer noch nicht aufgetaucht, ihr Bett hingegen ungemacht, und überhaupt war auch gar nicht wirklich klar, wer welches Bett, und festzustellen, wer da eigentlich neben mir hätte schlafen sollen... und am Ende hatte ich die Kabinenstewardessen solange genervt und bequatscht, bis sie mir die letzte freie Kabine zur Einzelnutzung überließen. Diese übrigens viel komfortabler als bei der Bahn: richtige Matratzen, richtiges Bettzeug und sogar ein kleines Badezimmerchen.
So ein Schiff ist ein Soziotop sui generis und bietet für sich genommen schon reichlich Unterhaltungswert. Wir hatten kaum abgelegt, da belagerten Passagiere jedes Alters bereits die Daddelautomaten auf allen Etagen und an allen Ecken. Die blinkenden Lichter und Dudelmelodien hatten was von Jahrmarktatmosphäre, und alle, vom Schulkind bis zum Rentner, schienen sich dabei großartig zu amüsieren. Ich inspizierte erst mal in Ruhe alle Decks, das „on board shopping“ zu Preisen, die allenfalls die skandinavische Hälfte der Passagiere als vorteilhaft empfinden konnte, die Restaurants und Bars zu Preisen, die wirklich niemand hätte als günstig bezeichnen können (gut, daß ich – noch eine weise Entscheidung – mittags ein fettes Schnitzel gewählt und für abends ein Brötchen eingepackt hatte) und natürlich das Oberdeck, wo man meist ziemlich alleine mit dem Wind war. Unter dem Wasser, ziemlich tief unten.
Ich nehme an, daß man im Sommer hübsch draußen sitzen kann und beim Ablegemanöver zuschauen, angesichts des schweinekalten Windes hingegen beschränkte ich mich auf einige Bilder fürs Fotoalbum und widmete mich dann meinen mitgebrachten Büchern. In der großspurig angekündigten Disko war leider auch zu fortgeschrittener Stunde nix los, obwohl ich mir extra noch mal die Haare aufgemoppt und Lipgloss aufgetragen hatte. Ein paar fürchterlich aufgerüschte Teenager (die hatten sichtlich mehr Zeit als ich vorm Spiegel verbracht und sogar in Erwartung einer Mega-Party die passende Kleidung im Gepäck), ansonsten ein trauriges Grüppchen einsamer Herren an der Restetheke und der DJ – auch nicht mehr taufrisch an Jahren. Das war aber vermutlich nicht anders zu erwarten, war doch die Mehrzahl der Gäste doppelt so alt wie ich und von der Sorte Leute, die Kaffeefahrten als Vergnügen klassifizieren. Die hatten sich vermutlich schon bei der vorangegangen Hotellobbymusik-Vorführung eine Gruppe semigreiser Entertainer im Restaurant verausgabt und waren dann früh in ihre Kojen verschwunden.
Nach meiner erfolglosen Runde durch diesen traurigen Haufen tat ich dasselbe – früh zu Bett gehen – und freute mich auf die nächste richtige Entscheidung: das Frühstück. Sündhaft viel Geld fürs Abendessen an Bord auszugeben, schien mir schwachsinnig, zum Frühstück hingegen liebe ich Rühreier mit Speck und auf die spekulierte ich – da es doch Buffett geben sollte. Bei Buchung am Schalter hatte ich mir hübsch vorgestellt, wie ich am Fenster sitzen würde, Aussicht auf die Küstenlandschaft, und dabei meinen Kaffee trinken genießen könnte. Dafür bin ich sogar früher aufgestanden, als die Lautsprecheransagen (voreingestellt auf ohrenbetäubend laut in allen Kabinen) die Passagiere zu weiterem Geldausgeben aus den Betten schrecken konnten und eroberte einen der letzten Fenstertische. Rühreier mit Speck gab es, Würstchen auch, Pfannkuchen, Sirup, Kaffee – es hätte fast nicht besser sein können. Komischen Kaviar aus der Tube und eingelegte Gurken gab es auch – die führten mich aber nicht in Versuchung.
Die einzige wirklich unkluge Entscheidung des Wochenendes war, meinen Schirm auf dem Schiff zu lassen und dann auf dem – nicht ganz so kurz wie im Flyer angekündigt ausfallenden – Fußmarsch Richtung Innenstadt einen zweiten nachzukaufen. Wohl hätte ich wissen können, daß es regnet – aber daß es dann im Laufe des Tages überhaupt nicht mehr regnen würde, das war wirklich unerwartet. Aber natürlich trotzdem ganz angenehm. Zuerst absolvierte ich hingebungsvoll das Bildungsprogramm, das ich am Vorabend geplant hatte. Danach vertraute in meiner unendlichen Weisheit bei den Einkaufstipps allerdings nicht länger dem Reiseführer, sondern meiner Nase. Die mich sicher zu einem großartigen Laden führte, wo ich großartige, dunkelblaue Gummistiefel mit dunkelroter Schleife erstand. Sehr vernünftige Investition für die nächste Regensaison im Voralpenland. Eine notwendige Anschaffung, geradezu, nachdem meine alten Gummistiefel hinüber sind und seit kurzem mehr Wasser innen aufsammeln, als außen in den Pfützen steht.
Nach so vielen klugen Entscheidungen und Anstrengungen war ich zu erschöpft, um mir viele Gedanken um die nächste Mahlzeit zu machen, zumal ich leider mit den – logischerweise nicht auf Deutsch geschriebenen – Speisekarten wenig anfangen konnte. Suppe hätte ich gewollt - konnte es aber auf den Karten und Tafeln nicht identifzieren, jedenfalls nicht in den ganzen Cafés, die ich eine halbe Stunde lang abklapperte. Am Ende wurde es Hühnchen-Curry, und danach reichte das Geld so gerade noch für ein Käsebrötchen zum Abendbrot (eingedenk der sittenwidrigen Preise an Bord) und ein Gebäckdings – einmal wenigstens wollte ich lokale Küche. Das stellte sich als eine Kreuzung aus Rumkugel (innen) und Kokosferrero (außen) heraus, war aber gar nicht schlecht. Auf dem Rückweg quetschte ich noch eine weitere Runde Bildung dazwischen, um das Multi-Museums-Ticket bestmöglich auszureizen, und war am Ende ein weiteres Mal dankbar für den Segen der Einzelkabine, die mir so unerwartet zuteil geworden war.
Als ich irgendwann gegen neun eine letzte Zigarette auf Deck rauchen ging, waren wir schon auf hoher See, der Wind riß mir fast die Klammern aus dem Haar und die Kippe aus der Hand, unter den Flutlichtern auf Deck glitzerten die Gischttropfen wie Nebel, zuvor in Küstennähe hatten wir sogar Teppiche von Eisschollen passiert, aber jetzt stampfte der Koloß von Schiff im Seegang, und ich war sehr, sehr zufrieden mit meinem Wochenende. Jedes Mal, wenn ich jemanden bitten mußte, ein Foto von Irgendwas mit mir drauf zu machen, habe ich mich einen kurzen Moment meiner offensichtlich Einsamkeit inmitten von Familien, Pärchen und Reisegruppen geschämt– aber am Ende ist es doch um Längen besser und befriedigender, alleine etwas zu unternehmen als alleine rumzusitzen.
Permalink (6 Kommentare) Kommentieren
Allerlei Vierbeiner
Die Kühe sind weg. Ich höre ihre Glocken auch nicht mehr bimmeln, wenn ich auf meiner Fensterbank sitze. Auch wenn das Milchvieh Glocken vermutlich nur noch fürs Lokalkolorit und die Touristen trägt (die Wiesen sind alle sehr überschaubar), hat es mich immer erfreut.
Dafür gibt es jetzt auf derselben Wiese Schafe. Schafe sind auch fein, und immerhin tragen sie auch Glocken, kleinere allerdings, die viel höher und feiner bimmeln und deren Klang nicht bis zu meiner Wohnung trägt.
Als ich noch sehr klein war, gab es eine Großtante, die in einem sehr alten, ländlichen kleinen Hexenhaus wohnte. Es gab Forellenteiche und einige Schafe auf der Wiese. In einem Frühling, daran erinnere ich mich noch, besuchten wir die Großtante und wir Kinder bewunderten die wolligen, kuscheligen Schafe und Lämmer mit ihren wackeligen Beinchen– am allermeisten das Schwarze, das Malchen hieß. Wir saßen an einem Tisch, unter Bäumen, es gab Schafe und Fische im Wasser und selbstgemachte Marmelade – alles ein bißchen wie in Bullerbü.
Vor einigen Jahren starb die Tante, der Haushalt wurde aufgelöst, genauer: die Habseligkeiten unter den verschiedenen Geschwistern und ihren Nachkommen aufgeteilt. Ich war gerade zu Besuch in der Heimat, als Studentin immer auf der Suche nach allem, und so wanderte ich mich mit meinen Eltern durch das Haus, sammelte einige Bücher ein, erhob Anspruch auf den riesigen Eichenschrank, der jetzt meinWohnklo Zimmer ziert. Vor dem Eichenschrank, im Schlafzimmer, lag ein Schaffell. Ein schwarzes. Ich rief meine Mutter, deutete, guck mal, ein schwarzes Schaffell.
Meine Mutter, mit ihrem hervorragenden Gedächtnis für ihre Familie, erinnerte mich dann an jenen Tag, und an Malchen, das schwarze Lamm. Das nun zu meinen Füßen lag.
Heute jedenfalls, beim Anblick der Schafe, habe ich mich zum ersten Mal auf den nächsten Frühling gefreut, wenn auf der Wiese hoffentlich Lämmer stehen werden. Niedliche Tiere, wenn sie auf vier Beinen stehen, und köstliche, wenn sie auf dem Teller liegen.
Dafür gibt es jetzt auf derselben Wiese Schafe. Schafe sind auch fein, und immerhin tragen sie auch Glocken, kleinere allerdings, die viel höher und feiner bimmeln und deren Klang nicht bis zu meiner Wohnung trägt.
Als ich noch sehr klein war, gab es eine Großtante, die in einem sehr alten, ländlichen kleinen Hexenhaus wohnte. Es gab Forellenteiche und einige Schafe auf der Wiese. In einem Frühling, daran erinnere ich mich noch, besuchten wir die Großtante und wir Kinder bewunderten die wolligen, kuscheligen Schafe und Lämmer mit ihren wackeligen Beinchen– am allermeisten das Schwarze, das Malchen hieß. Wir saßen an einem Tisch, unter Bäumen, es gab Schafe und Fische im Wasser und selbstgemachte Marmelade – alles ein bißchen wie in Bullerbü.
Vor einigen Jahren starb die Tante, der Haushalt wurde aufgelöst, genauer: die Habseligkeiten unter den verschiedenen Geschwistern und ihren Nachkommen aufgeteilt. Ich war gerade zu Besuch in der Heimat, als Studentin immer auf der Suche nach allem, und so wanderte ich mich mit meinen Eltern durch das Haus, sammelte einige Bücher ein, erhob Anspruch auf den riesigen Eichenschrank, der jetzt mein
Meine Mutter, mit ihrem hervorragenden Gedächtnis für ihre Familie, erinnerte mich dann an jenen Tag, und an Malchen, das schwarze Lamm. Das nun zu meinen Füßen lag.
Heute jedenfalls, beim Anblick der Schafe, habe ich mich zum ersten Mal auf den nächsten Frühling gefreut, wenn auf der Wiese hoffentlich Lämmer stehen werden. Niedliche Tiere, wenn sie auf vier Beinen stehen, und köstliche, wenn sie auf dem Teller liegen.
Permalink (9 Kommentare) Kommentieren
Sommerfrische
Zehn Tage Heimaturlaub nähern sich dem Ende. Meine Eltern meinen, der Aufenthalt daheim sei ein klarer Fall von Sommerfrische für die Kinder, die ja in ihrem sonstigen Leben ohnehin immer unter dem Generalverdacht der Faulheit stehen.
Das ist natürlich ein Mißverständnis. Zuhause gibt lauter Ablenkungen, die mein Schweizer Alltag nicht bietet. Die Spülmaschine piepst, wenn sie ausgeräumt werden möchte. Der Trockner ebenso. Der Computer piepst ohnehin den halben Tag, sobald mein Vater sich damit befasst und meine Mutter piepst zwar nicht, erwartet aber meine reizende Gesellschaft zu ihrer Unterhaltung, zum Beispiel, wenn Sie sich wochenends dem Landleben hingibt.
Ich habe immerhin viele wertvolle Dinge gelernt: Konten im Mail-Client zu erstellen, Daten zu migrieren, Kontakte mit dem Schraubenzieher zu überbrücken (wenn der Anschalt-Knopf nicht mehr geht) - das alles wird sicherlich irgendwann noch nützlich sein.
Für den Moment nützlich - angesichts der aktuellen Wetterlage - sind allerdings die Einkäufe dieser Woche: ein paar solide, gefütterte Gummistiefel und ein hochwertiger Regenschirm, der mein Haupt garantiert länger als drei Monate schützen wird. Sagt die Verkäuferin.
Ignoriert man also die Tatsache, daß bei meinen Hausaufgaben kein nennenswerter Fortschritt zu verzeichnen ist, meine XP Partition immer noch virenverseucht, meine Recherchen für die Diss kaum weiter gediehen und meine Aufgaben für den potentiellen Nebenerwerb immer noch unerledigt sind, kann man dennoch sagen: es war ein produktiver Urlaub. Ich bin jetzt gewappnet für einen regnerischen Winter im Alpenvorland, mit dessen Beginn ich nun täglich rechne.
[Edit: Verlust meiner Schweizer Handy Karte zu verzeichnen. Die habe ich wohl mit meinem Kleingeld bei einem der Einkäufe daheim in irgendeinem Laden gelassen. Wie dämlich.]
Das ist natürlich ein Mißverständnis. Zuhause gibt lauter Ablenkungen, die mein Schweizer Alltag nicht bietet. Die Spülmaschine piepst, wenn sie ausgeräumt werden möchte. Der Trockner ebenso. Der Computer piepst ohnehin den halben Tag, sobald mein Vater sich damit befasst und meine Mutter piepst zwar nicht, erwartet aber meine reizende Gesellschaft zu ihrer Unterhaltung, zum Beispiel, wenn Sie sich wochenends dem Landleben hingibt.
Ich habe immerhin viele wertvolle Dinge gelernt: Konten im Mail-Client zu erstellen, Daten zu migrieren, Kontakte mit dem Schraubenzieher zu überbrücken (wenn der Anschalt-Knopf nicht mehr geht) - das alles wird sicherlich irgendwann noch nützlich sein.
Für den Moment nützlich - angesichts der aktuellen Wetterlage - sind allerdings die Einkäufe dieser Woche: ein paar solide, gefütterte Gummistiefel und ein hochwertiger Regenschirm, der mein Haupt garantiert länger als drei Monate schützen wird. Sagt die Verkäuferin.
Ignoriert man also die Tatsache, daß bei meinen Hausaufgaben kein nennenswerter Fortschritt zu verzeichnen ist, meine XP Partition immer noch virenverseucht, meine Recherchen für die Diss kaum weiter gediehen und meine Aufgaben für den potentiellen Nebenerwerb immer noch unerledigt sind, kann man dennoch sagen: es war ein produktiver Urlaub. Ich bin jetzt gewappnet für einen regnerischen Winter im Alpenvorland, mit dessen Beginn ich nun täglich rechne.
[Edit: Verlust meiner Schweizer Handy Karte zu verzeichnen. Die habe ich wohl mit meinem Kleingeld bei einem der Einkäufe daheim in irgendeinem Laden gelassen. Wie dämlich.]
Permalink (8 Kommentare) Kommentieren
Landei
Eigentlich bin ich ja ein Landei. Aus einer Familie von Landeiern. Schon meine Mutter feierte die Parties ihrer Jugend im Reitstall, ohne damals selbst reiten zu dürfen – bei mir war es dann umgekehrt: ich bin geritten, ohne auf die Reitstallparties zu gehen.
Mangels alternativer Prrogrammoptionen waren wir am Wochenende ein Stündchen beim Turnier. Die Sonne brannte auf den Sand, die Luft roch nach Sommer, Staub und Pferden, überall Hunde und viele Mädchen in weißen Reithosen. Zwei Quotenjungs waren auch da, ansonsten ausschließlich die typischen Pferdemädchen, voller Ehrgeiz, voller Selbstbewußtsein, voller Hoffnung auf eine große Zukunft als Bereiterin.
Ich war seit Jahrzehnten nicht mehr bei so einer Veranstaltung, aber kaum etwas hat sich geändert. Am Kaffeestand verkaufen die Muttis selbstgebackene Kuchen, einen Pommes-Mann gibt es auch, jeder kennt jeden und die Hälfte der Leute ist irgendwie miteinander verwandt.
In der Pause bekamen meine Mutter und ich von ihrer alten Freundin Pfirsichbowle mit Glitzercocktailstäbchen drin, während die Männer den Parcours fürs Springen umbauten. Jeder packte mit an, ein Tankwagen sprenkelte den Sand, ein Touareg zog die Sprünge herbei (endlich mal ein Geländewagen im Gelände), ein Bengel fegte mit dem Traktor über den Platz und glättete den Boden.
Ich so: Der sieht aber jung aus.
Mutterns Freundin so: Nee, der sieht nur so aus, der ist schon 13.
Während ich meinen Gedanken nachhing, tauschten die Damen Dorfklatsch aus:
Das Mädel mit den langen blonden Haaren, da vorne, ist die Tochter von L.
Ach? Hörst Du, Damenwahl, das ist die Tochter von L.
Und der Bengel in rot, ist U.s Sohn, gerade die Bereiterlehre fertig, jetzt will er Lehramt studieren.
Schicker Junge, da isser sicher stolz... aber der M., ist der nicht zum schiedsen da? Ich dachte, seine Tochter würde die Springen mitreiten?
Neeee, Springen war schon, heut sind die nicht da... aber der F., der kommt da hinten gerade, den kennt ihr doch auch, oder?
Hier wurde ich hellhörig, denn der F., so weiß die Gerüchteküche schon länger, ist der Partner meiner Sandkastenfreundin K. Die K. wohnte im Haus nebenan und ohne sie wäre ich nie ans reiten gekommen – sie war nämlich die erste. In allem. Als Einzelkind hatte sie schon die Figuren von "Mein kleines Pony", als ich noch hungrigen Auges die Kataloge der Spielwarenhandlung meinen Eltern nahezubringen versuchte. Sie hatte ein Pflegepferd, während ich noch auf Reitstallponies saß, ein eigenes Pferd, als ich noch Pflegepferde ritt, und bald auch ein Fohlen zum eigenen Beritt, das ich nie bekam. Während ich zum Studium gar nicht weit genug weg sein konnte, schrieb die K. sich an der nächstgelegenen Uni ein und bekam ein eigenes Auto – um pendeln zu können. Während ich wiederholt für noch unbekannte Berufsziele mein Englisch perfektionierte, studierte die K. Englisch auf Lehramt, ohne jemals mehr als drei Wochen in einem englischsprachigen Land verbracht zu haben. Während ich um einen Job im Ausland kämpfte, bemühte sich die K., als Lehrerin an unsere alte Schule kommen. Und während ich zwar seit Jahren auf keinem Pferd mehr gesessen habe und gerade zum 10. Mal umgezogen bin, reitet die K. regelmäßig auf Lokalturnieren und wohnt noch immer bei ihren Eltern.
Ich schaute versonnen auf den Reitplatz und konnte kaum fassen, wie weit unsere alltäglichen Lebensgewohnheiten auseinandergegangen sind. Vor zwanzig Jahren waren wir einander so ähnlich: etwas mopsige Akademikerkinder, zugezogen aus dem Umland, gut in der Schule, pferdebegeistert. Heute könnten wir unterschiedlicher nicht sein. Während ich dem Treiben um mich herum zusah, beneidete ich sie sachte um die Aufgehobenheit, die sie in diesem Umfeld hat. Immer noch die alten Freunde, der tägliche Weg zum Stall, auf dreißig Jahre dieselben Kollegen in der Schule. Den F. - ihren Freund – kennen wir beide noch aus unseren frühesten Pferdemädchenzeiten, damals wie heute eine Konstante, geradezu der gute Geist des Reitstalls mit all seinen Intrigen. Ein lieber, zuverlässiger Kerl, nicht der schönste, aber verläßlich, verantwortungsbewußt. Die K. hat ganz sicher unzählige Freunde, all die Leute aus Schul- und Unizeiten sind kaum weiter als einen Anruf, vielleicht 20km entfernt, und bei allen Zickereien, Neidereien und Streitigkeiten: man hält zusammen. Irgendwie.
Wenn sie am Wochenende aufs Turnier fährt, ist das vertraute Routine. Pferde einladen, Zeug einpacken, Hänger ziehen, wenn sie ankommt, kennt sie fast jeden, die Konkurrenten, die Richter, die Kuchendamen, vermutlich auch den Typ, der seinen Computer aufbaut und Digifotos anbietet (scheinbar die einzige Neuerung: das gab es zu meiner Zeit nicht). Sie kann heute schon wissen, wo sie in vier Wochen mitreiten wird, für welche Prüfungen sie sich nennen wird, und wahrscheinlich sogar vorhersagen, welche Kuchensorte Frau S. mitbringt. Abends sitzen dann alle zusammen, in irgendeiner Kneipe, hecheln die Fehler des Tages durch, die vermasselten Figuren, die vergebenen Punkte, die Richterbewertungen - aber auf diese Dinge kann man zählen, auf die schönen Regelmäßigkeiten des Alltags.
Beinahe, aber nur beinahe, könnte ich neidisch sein auf soviel Berechnbarkeit und soviele Konstanten. Aber dann denke ich an afrikanische Hitze, an schwarze Menschen in bunten Kleidern, meine geschätzten Kollegen in aller ihrer Vielfalt, die Herausforderungen meiner täglichen Arbeit, die unzähligen Länder, die ich noch sehen will und werde – und möchte lieber doch nicht tauschen.
Mangels alternativer Prrogrammoptionen waren wir am Wochenende ein Stündchen beim Turnier. Die Sonne brannte auf den Sand, die Luft roch nach Sommer, Staub und Pferden, überall Hunde und viele Mädchen in weißen Reithosen. Zwei Quotenjungs waren auch da, ansonsten ausschließlich die typischen Pferdemädchen, voller Ehrgeiz, voller Selbstbewußtsein, voller Hoffnung auf eine große Zukunft als Bereiterin.
Ich war seit Jahrzehnten nicht mehr bei so einer Veranstaltung, aber kaum etwas hat sich geändert. Am Kaffeestand verkaufen die Muttis selbstgebackene Kuchen, einen Pommes-Mann gibt es auch, jeder kennt jeden und die Hälfte der Leute ist irgendwie miteinander verwandt.
In der Pause bekamen meine Mutter und ich von ihrer alten Freundin Pfirsichbowle mit Glitzercocktailstäbchen drin, während die Männer den Parcours fürs Springen umbauten. Jeder packte mit an, ein Tankwagen sprenkelte den Sand, ein Touareg zog die Sprünge herbei (endlich mal ein Geländewagen im Gelände), ein Bengel fegte mit dem Traktor über den Platz und glättete den Boden.
Ich so: Der sieht aber jung aus.
Mutterns Freundin so: Nee, der sieht nur so aus, der ist schon 13.
Während ich meinen Gedanken nachhing, tauschten die Damen Dorfklatsch aus:
Das Mädel mit den langen blonden Haaren, da vorne, ist die Tochter von L.
Ach? Hörst Du, Damenwahl, das ist die Tochter von L.
Und der Bengel in rot, ist U.s Sohn, gerade die Bereiterlehre fertig, jetzt will er Lehramt studieren.
Schicker Junge, da isser sicher stolz... aber der M., ist der nicht zum schiedsen da? Ich dachte, seine Tochter würde die Springen mitreiten?
Neeee, Springen war schon, heut sind die nicht da... aber der F., der kommt da hinten gerade, den kennt ihr doch auch, oder?
Hier wurde ich hellhörig, denn der F., so weiß die Gerüchteküche schon länger, ist der Partner meiner Sandkastenfreundin K. Die K. wohnte im Haus nebenan und ohne sie wäre ich nie ans reiten gekommen – sie war nämlich die erste. In allem. Als Einzelkind hatte sie schon die Figuren von "Mein kleines Pony", als ich noch hungrigen Auges die Kataloge der Spielwarenhandlung meinen Eltern nahezubringen versuchte. Sie hatte ein Pflegepferd, während ich noch auf Reitstallponies saß, ein eigenes Pferd, als ich noch Pflegepferde ritt, und bald auch ein Fohlen zum eigenen Beritt, das ich nie bekam. Während ich zum Studium gar nicht weit genug weg sein konnte, schrieb die K. sich an der nächstgelegenen Uni ein und bekam ein eigenes Auto – um pendeln zu können. Während ich wiederholt für noch unbekannte Berufsziele mein Englisch perfektionierte, studierte die K. Englisch auf Lehramt, ohne jemals mehr als drei Wochen in einem englischsprachigen Land verbracht zu haben. Während ich um einen Job im Ausland kämpfte, bemühte sich die K., als Lehrerin an unsere alte Schule kommen. Und während ich zwar seit Jahren auf keinem Pferd mehr gesessen habe und gerade zum 10. Mal umgezogen bin, reitet die K. regelmäßig auf Lokalturnieren und wohnt noch immer bei ihren Eltern.
Ich schaute versonnen auf den Reitplatz und konnte kaum fassen, wie weit unsere alltäglichen Lebensgewohnheiten auseinandergegangen sind. Vor zwanzig Jahren waren wir einander so ähnlich: etwas mopsige Akademikerkinder, zugezogen aus dem Umland, gut in der Schule, pferdebegeistert. Heute könnten wir unterschiedlicher nicht sein. Während ich dem Treiben um mich herum zusah, beneidete ich sie sachte um die Aufgehobenheit, die sie in diesem Umfeld hat. Immer noch die alten Freunde, der tägliche Weg zum Stall, auf dreißig Jahre dieselben Kollegen in der Schule. Den F. - ihren Freund – kennen wir beide noch aus unseren frühesten Pferdemädchenzeiten, damals wie heute eine Konstante, geradezu der gute Geist des Reitstalls mit all seinen Intrigen. Ein lieber, zuverlässiger Kerl, nicht der schönste, aber verläßlich, verantwortungsbewußt. Die K. hat ganz sicher unzählige Freunde, all die Leute aus Schul- und Unizeiten sind kaum weiter als einen Anruf, vielleicht 20km entfernt, und bei allen Zickereien, Neidereien und Streitigkeiten: man hält zusammen. Irgendwie.
Wenn sie am Wochenende aufs Turnier fährt, ist das vertraute Routine. Pferde einladen, Zeug einpacken, Hänger ziehen, wenn sie ankommt, kennt sie fast jeden, die Konkurrenten, die Richter, die Kuchendamen, vermutlich auch den Typ, der seinen Computer aufbaut und Digifotos anbietet (scheinbar die einzige Neuerung: das gab es zu meiner Zeit nicht). Sie kann heute schon wissen, wo sie in vier Wochen mitreiten wird, für welche Prüfungen sie sich nennen wird, und wahrscheinlich sogar vorhersagen, welche Kuchensorte Frau S. mitbringt. Abends sitzen dann alle zusammen, in irgendeiner Kneipe, hecheln die Fehler des Tages durch, die vermasselten Figuren, die vergebenen Punkte, die Richterbewertungen - aber auf diese Dinge kann man zählen, auf die schönen Regelmäßigkeiten des Alltags.
Beinahe, aber nur beinahe, könnte ich neidisch sein auf soviel Berechnbarkeit und soviele Konstanten. Aber dann denke ich an afrikanische Hitze, an schwarze Menschen in bunten Kleidern, meine geschätzten Kollegen in aller ihrer Vielfalt, die Herausforderungen meiner täglichen Arbeit, die unzähligen Länder, die ich noch sehen will und werde – und möchte lieber doch nicht tauschen.
Permalink (6 Kommentare) Kommentieren
Praktische Erwägungen
Meine alte und neue Heimat liegen eher ungünstig zueinander. Zwei nette kleine Provinzstädtchen, mit dem Auto braucht man etwa sechs Stunden, das geht durchaus, aber leider habe ich kein eigenes. Und so teste ich mich langsam durch die zur Verfügung stehenden öffentlichen Verkehrsmittel. Im Januar bin ich mal geflogen, das war ganz angenehm, aber im Ergebnis sind es viele kleine Streckenabschnitte zu einem in der Summe nicht wirklich günstigen Preis: hin zum Flughafen, warten, fliegen, weg vom Flughafen – macht insgesamt sechs Stunden zu über hundert Euro.
Mit der Bahn sind tagsüber acht Stunden, da ist der Tag ganz und gar vorbei. Davon immerhin fünf in einem einzigen Zug abzusitzen bedeutet, daß man im günstigeren Fall – in Abwesenheit von Kegelclubs, schreienden Säuglingen und verreisenden Schulklassen – tatsächlich einfache Arbeiten machen kann. Im ungünstigen sitzt man sich den Rücken krumm und am Ende liegen die Nerven blank. Das zu vermeiden bin ich vor einigen Wochen zum ersten Mal nachts mit dem ICE über Basel und Köln gefahren. Nachts dauert die Fahrt zwar noch länger, eher um zwölf Stunden, aber es hat ganz entschieden seine Vorteile. Bis Basel kann ich noch ein Stündchen arbeiten, der ICE ist dann meist völlig leer, man kann sich ein hübsches Kompartement für sich allein suchen, die Tasche unter den Kopf, die Schuhe aus und sich lang auf einer Dreier-Bank ausstrecken. Bei meinem ersten Versuch stieg gegen zwei ein zahnloser Streckenarbeiter zu, beim zweiten Mal ein junger Bundi – nicht direkt die Gesellschaft meiner Wahl, aber auch keine Katastrophe. Unterträglich ist jedoch, daß der Zug die Großstädte an der Strecke abklappert und stündlich der Schaffner sein Sprüchlein durch die Lautsprecher plärrt: „Meine Damen und Herren, in Kürze gegen 3h25 erreichen wir Karlsruhe. Ihre Anschlüsse... .“ Für alle, die bei der deutschen Version nicht wachwerden, gerne auch noch einmal auf Englisch. Darüber hinaus kommt es in Frankfurt unweigerlich zum Personalwechsel, so daß mitten in der Nacht die Fahrscheine erneut vorgezeigt werden müssen – und nein, das Ticket und die Bahncard demonstrativ auf den Tisch zu legen, reicht nicht aus. DAS würde ja geistige Transferleistung seitens des Zugbegleiters erfordern.
Nach zwei Anläufen muß ich leider sagen: ICE nachts ist bequem genug, aber man döst sich leider nur von einer Stunde zur nächsten. Suboptimal und keine Option für Stressphasen.
Unverdrossen habe ich also die nächste Alternative probiert, CNL im „Ruhesessel im Großraumwagen“. Bevor Sie denken, ich sei zu geizig für Liegewagen: der war nicht mehr verfügbar, nächstes Mal vielleicht. Meine Schwester, vor Jahren ebenfalls CNL gefahren, erinnerte sich nur noch dunkel an besoffene Kerle und unbequeme Sessel. Ganz so schlimm wurde es dann aber nicht. Das Abteil war voll mit europäischen Jugendlichen, Interrail scheint immer noch ein Reisekonzept zu sein, leider brachten die Mitpassagiere Nachtzug nicht mit Ruhe in Beziehung und quasselten zwischendurch ungehemmt. Auch nachdem ich nachdrücklich Ruhe eingefordert hatte. Ansonsten hatte ich aber genug Platz, der Sessel läßt sich tatsächlich ganz angenehm zurücklehnen, es gibt Decken und – für die früh Eingestiegenen – Luftkissen. Vor allem aber: der Zug hält zwar gelegentlich, aber es bleibt dunkel und niemand plärrt durch die Lautsprecher – ein ganz entschiedener Vorteil, weil es drei Stunden Schlaf am Stück ermöglicht, bis man vor lauter Unbequemlichkeit und eingeschlafenen Gliedmaßen aufwacht.
Bisher resümiere ich also: Fliegen ist zu teuer. Bahnfahren tagsüber eine unerträgliche Zeitverschwendung. ICE nachts ist bequem, aber zu laut, Bahnfahren im CNL hingegen ruhig aber unbequem. Sozusagen de Wahl zwischen Pest und Cholera. Nächstes Mal werde ich den Liegewagen versuchen. Und natürlich berichten.
Mit der Bahn sind tagsüber acht Stunden, da ist der Tag ganz und gar vorbei. Davon immerhin fünf in einem einzigen Zug abzusitzen bedeutet, daß man im günstigeren Fall – in Abwesenheit von Kegelclubs, schreienden Säuglingen und verreisenden Schulklassen – tatsächlich einfache Arbeiten machen kann. Im ungünstigen sitzt man sich den Rücken krumm und am Ende liegen die Nerven blank. Das zu vermeiden bin ich vor einigen Wochen zum ersten Mal nachts mit dem ICE über Basel und Köln gefahren. Nachts dauert die Fahrt zwar noch länger, eher um zwölf Stunden, aber es hat ganz entschieden seine Vorteile. Bis Basel kann ich noch ein Stündchen arbeiten, der ICE ist dann meist völlig leer, man kann sich ein hübsches Kompartement für sich allein suchen, die Tasche unter den Kopf, die Schuhe aus und sich lang auf einer Dreier-Bank ausstrecken. Bei meinem ersten Versuch stieg gegen zwei ein zahnloser Streckenarbeiter zu, beim zweiten Mal ein junger Bundi – nicht direkt die Gesellschaft meiner Wahl, aber auch keine Katastrophe. Unterträglich ist jedoch, daß der Zug die Großstädte an der Strecke abklappert und stündlich der Schaffner sein Sprüchlein durch die Lautsprecher plärrt: „Meine Damen und Herren, in Kürze gegen 3h25 erreichen wir Karlsruhe. Ihre Anschlüsse... .“ Für alle, die bei der deutschen Version nicht wachwerden, gerne auch noch einmal auf Englisch. Darüber hinaus kommt es in Frankfurt unweigerlich zum Personalwechsel, so daß mitten in der Nacht die Fahrscheine erneut vorgezeigt werden müssen – und nein, das Ticket und die Bahncard demonstrativ auf den Tisch zu legen, reicht nicht aus. DAS würde ja geistige Transferleistung seitens des Zugbegleiters erfordern.
Nach zwei Anläufen muß ich leider sagen: ICE nachts ist bequem genug, aber man döst sich leider nur von einer Stunde zur nächsten. Suboptimal und keine Option für Stressphasen.
Unverdrossen habe ich also die nächste Alternative probiert, CNL im „Ruhesessel im Großraumwagen“. Bevor Sie denken, ich sei zu geizig für Liegewagen: der war nicht mehr verfügbar, nächstes Mal vielleicht. Meine Schwester, vor Jahren ebenfalls CNL gefahren, erinnerte sich nur noch dunkel an besoffene Kerle und unbequeme Sessel. Ganz so schlimm wurde es dann aber nicht. Das Abteil war voll mit europäischen Jugendlichen, Interrail scheint immer noch ein Reisekonzept zu sein, leider brachten die Mitpassagiere Nachtzug nicht mit Ruhe in Beziehung und quasselten zwischendurch ungehemmt. Auch nachdem ich nachdrücklich Ruhe eingefordert hatte. Ansonsten hatte ich aber genug Platz, der Sessel läßt sich tatsächlich ganz angenehm zurücklehnen, es gibt Decken und – für die früh Eingestiegenen – Luftkissen. Vor allem aber: der Zug hält zwar gelegentlich, aber es bleibt dunkel und niemand plärrt durch die Lautsprecher – ein ganz entschiedener Vorteil, weil es drei Stunden Schlaf am Stück ermöglicht, bis man vor lauter Unbequemlichkeit und eingeschlafenen Gliedmaßen aufwacht.
Bisher resümiere ich also: Fliegen ist zu teuer. Bahnfahren tagsüber eine unerträgliche Zeitverschwendung. ICE nachts ist bequem, aber zu laut, Bahnfahren im CNL hingegen ruhig aber unbequem. Sozusagen de Wahl zwischen Pest und Cholera. Nächstes Mal werde ich den Liegewagen versuchen. Und natürlich berichten.
Permalink (5 Kommentare) Kommentieren
Stippvisite
Es ist ja leider immer so: wenn besonders viel bloggenswertes passiert, fehlt meistens die Zeit für ausführliche Berichte. Ich war die ganze letzte Woche auf Reisen, in der ersten Hälfte sehr erfreulicher Art, in der zweiten habe ich gelitten wie ein Hund, aber jetzt bin ich wieder in der grünen Heimat und wie frisch und wunderbar ist der Frühling hier!
Jetzt allerdings muß ich erst mal umziehen, der Heimatbesuch ist nur kurz, in die Schweiz nämlich, Aprilscherz Afghanisten fällt bis auf weiteres aus, und die kongolesischen Vorhänge werden am Freitag ihr neues Zuhause beziehen. Vier Jahre lang habe ich mich auf meine Bücher gefreut, jetzt aber bereiten sie mir gerade große Sorgen, wollen gesichtet und verpackt werden und ich bin so fürchterlich beschäftigt, daß ich die Berichte aus der letzten Woche Kongo nachreichen werde.
Dafür werden sie dann umso länger, ich verspreche es.
Jetzt allerdings muß ich erst mal umziehen, der Heimatbesuch ist nur kurz, in die Schweiz nämlich, Aprilscherz Afghanisten fällt bis auf weiteres aus, und die kongolesischen Vorhänge werden am Freitag ihr neues Zuhause beziehen. Vier Jahre lang habe ich mich auf meine Bücher gefreut, jetzt aber bereiten sie mir gerade große Sorgen, wollen gesichtet und verpackt werden und ich bin so fürchterlich beschäftigt, daß ich die Berichte aus der letzten Woche Kongo nachreichen werde.
Dafür werden sie dann umso länger, ich verspreche es.
Permalink (4 Kommentare) Kommentieren
Winterreise
Neulich war ich im Feld laufen und glaubte mich fast in einer fremden Welt. Meine Familie fragte leicht ungläubig, ob ich das wirklich riskieren wolle angesichts des Zustands der Wege, woraufhin ich nichtsahnend fröhlich erklärte: die Strecke sei ja komplett geteert, wie solle man da nicht laufen können? Ha! den Feldweg gab es nicht mehr, nur noch einen schmalen sich schlängelnden Pfad aus festgetretenem Schnee und streckenweise nicht mal mehr den. Unterschiedslos waren geteerte, schottrige und grüne Flächen einfach alle weiß, Straßengräben wie aufgeschüttet, der Pfad schlängelte sich zuweilen um Schneeverwehungen herum, wo er sonst geradeaus führte und als ich mich durch den Tiefschnee den Berg hinunter kämpfte, kam ich mir vor wie ein Pferdchen bei der Passage, das tüchtig die Beine anziehen muß. Um mich herum waren alle Formen von kuscheligen Schneekapuzen umgeben, was sonst zackig und eckig wäre war alles rund und weich. Baumstümpfe sehen aus wie riesige Pilze, Holzstapel wie gefederte Matrazen, Bänke wie gepolsterte Sofas. Laufen war herrlich, gelegentlich blendete die Sonne mich fast und ließ Fußstapfen und kleine Erhebungen blau-glitzernde Schatten werfen, ganz selten riß die Wolkendecke auf und der Himmel glänzte leuchtend-blau.
Davon abgesehen möchte ich beinahe um Verzeihung bitten, daß mein Blog derzeit so traurig und orientierungslos vor sich hindümpelt – es folgt dabei leider meinem überaus unaufregenden Leben. Während ich der Zukunft harre, vertrödele ich meine Zeit, gondele von einem Ort zum nächsten und tue nicht viel außer warten –kann daher beklagenswert weniges berichten. Außer natürlich weitere Bahn-Geschichten, aus gegebenem Anlaß. Sollten Sie jemals im Bord Bistro eines Zugs der Bahn eine junge Frau mit untergeschlagenen Beinen sitzen sehen, ganz sicher mit irgendeinem Schal oder Halstuch, diverse Habseligkeiten festungsartig um sich herum aufgebaut, den Laptop vor der Nase und einen Becher Kaffee daneben, dann könnten Sie versuchen, mich zu begrüßen, denn mit einiger Wahrscheinlichkeit bin ich das. Ich sitze fast immer im Bistro – nicht im Restaurant, wohlgemerkt!, im Bistro – ich schlage immer mindestens ein Bein unter und ich habe auch fast immer irgendeinen Schal bei mir, mindestens aber ein Halstuch. Heute: ein grün-rosa Seidentuch, ein pinkfarbener Kaschmirschal, ein grauer Schal überm Mantel. Möglicherweise bin ich auch jene, die schimpft wie ein Rohrspatz oder leicht hysterisch lacht, weil von zehn Zügen in vier Wochen nun der neunte verspätet ist.
Der Zug ist voll, im Durchgang sammeln sich immer mehr Bundis auf dem Fußboden, und im Bistro ist erstaunlich viel los. Mir gegenüber vier Männer, einer etwas älter, die anderen eher jünger als ich, von ihnen drei mit Bier. Während der Ältere beginnt, in seinem Gepäck zu kramen, beginnt sein Bierglas langsam gen Tischkante zu rutschen und der junge Mann daneben (von der Sorte: zu dünn gekleidet, rundum erforen aussehend, aber mit Mütze) lächelt fein und hält es fest, bis sein Banknachbar fertig ist mit kramen. Vor dem letzten Halt saß gegenüber eine ältliche Dame mit Buch – sicherlich Erbauungsliteratur – die es geschafft hat, sogar auf der Innenseite ihres Kaffeebechers pinkfarbenen Lippenstift zu hinterlassen. Keine Ahnung, wie sie das gemacht hat. Außerdem drei halbstarke Jungs, einer sieht etwas verwahrlost aus, einer brav und einer etwas verhuscht. Sonderbare Zusammenstellung, die drei – man sollte nicht meinen, daß sie sehr viel gemein haben. Nach einer Weile nehmen sie Sandwiches mit Teller mit ins Abteil, bringen die leeren Teller aber später artig zurück. Schließlich ist gleichzeitig mit mir – aus dem verspäteten Regionalexpress, dessentwegen wir nun alle verspätet sind – ein junger Mann, noch in Arbeitskleidung, leuchtend besetzt mit neongelben Reflektoren und mit Siemens-ID Kärtchen, eingestiegen. Er hat wuschelige, seitlich aus der Stirn gekämmte, blonde Haare, blaue Augen und sähe aus wie eine zu groß geratene schlaksige Putte, trüge er nicht am linken Auge ein Pflaster, das in seinem Gesicht weiß leuchtet. Alle paar Minuten tippt er auf seinem Handy rum, trotz der derben Kleidung sind seine Finger und Nägel makellos sauber, und lächelt dabei ganz glücklich. Ich stelle mir vor, daß er auf dem Weg ins Wochenende zu seiner Liebsten ist, sich freut, daß der ICE gewartet hat und er zumindest bis auf weiteres pünktlich sein wird. Sie schreibt zurück und freut sich auch und so tauschen die zwei endlos und geduldig Liebeleien und Zärtlichkeiten aus, wie es nur frisch Verliebte tun, und genießen die Vorfreude aufs Wiedersehen, während er sich dem Zielort entgegensehnt. Dem Bahnsteig, auf dem sie schon wartet, etwas hektisch mit den Augen den Zug rauf- und runtersuchend, um ihn nur nicht zu verpassen, wenn er aus dem Zug steigt oder – noch schlimmer – in dem Menschengewusel momentelang zu übersehen. Er hingegen stünde an der Tür ganz vorne, einen Schritt Abstand zum Glas, um besser die Personen auf dem Bahnsteig sehen zu können und dann flöge sie geradezu in seine Arme (wo man ihn doch so gut sieht in der gelben Jacke, die wie ein Schrei all die dunkeln Mäntel ausblenden würde). Andererseits hat der junge Mann besondere, leicht hochgezogene Mundwinkel und so scheint er eigentlich immer leicht amüsiert, vielleicht wohlwollend zu lächeln – und seine Telefon-Fixierung hat nichts zu bedeuten außer der Langeweile des Reisenden ohne Lektüre.
600 km durch Deutschland und alles ist weiß. Im Norden sieht man mehr von der Welt und der Schnee ist es eine etwas schäbige, leicht zerfetzte Decke, nach Süden hin meint man, die Bäume und Sträucher müssten beinahe zusammenbrechen unter der dicken, weißen Last, aber wohin man schaut, auf der gesamten Strecke: Schnee, Schnee, Schnee. Kaum zu fassen, daß die Welt in wenigen Monaten wieder bunt werden wird, daß es gelbe Rapsfelder und Felder und Wälder in den verschiedensten Grüntönen geben wird. Für den Moment ist das Draußen ein Foto in Sepia: braun schattierte Sträucher, schmutzig-weißer Schnee und grauer Himmel. Sonst nichts.
Davon abgesehen möchte ich beinahe um Verzeihung bitten, daß mein Blog derzeit so traurig und orientierungslos vor sich hindümpelt – es folgt dabei leider meinem überaus unaufregenden Leben. Während ich der Zukunft harre, vertrödele ich meine Zeit, gondele von einem Ort zum nächsten und tue nicht viel außer warten –kann daher beklagenswert weniges berichten. Außer natürlich weitere Bahn-Geschichten, aus gegebenem Anlaß. Sollten Sie jemals im Bord Bistro eines Zugs der Bahn eine junge Frau mit untergeschlagenen Beinen sitzen sehen, ganz sicher mit irgendeinem Schal oder Halstuch, diverse Habseligkeiten festungsartig um sich herum aufgebaut, den Laptop vor der Nase und einen Becher Kaffee daneben, dann könnten Sie versuchen, mich zu begrüßen, denn mit einiger Wahrscheinlichkeit bin ich das. Ich sitze fast immer im Bistro – nicht im Restaurant, wohlgemerkt!, im Bistro – ich schlage immer mindestens ein Bein unter und ich habe auch fast immer irgendeinen Schal bei mir, mindestens aber ein Halstuch. Heute: ein grün-rosa Seidentuch, ein pinkfarbener Kaschmirschal, ein grauer Schal überm Mantel. Möglicherweise bin ich auch jene, die schimpft wie ein Rohrspatz oder leicht hysterisch lacht, weil von zehn Zügen in vier Wochen nun der neunte verspätet ist.
Der Zug ist voll, im Durchgang sammeln sich immer mehr Bundis auf dem Fußboden, und im Bistro ist erstaunlich viel los. Mir gegenüber vier Männer, einer etwas älter, die anderen eher jünger als ich, von ihnen drei mit Bier. Während der Ältere beginnt, in seinem Gepäck zu kramen, beginnt sein Bierglas langsam gen Tischkante zu rutschen und der junge Mann daneben (von der Sorte: zu dünn gekleidet, rundum erforen aussehend, aber mit Mütze) lächelt fein und hält es fest, bis sein Banknachbar fertig ist mit kramen. Vor dem letzten Halt saß gegenüber eine ältliche Dame mit Buch – sicherlich Erbauungsliteratur – die es geschafft hat, sogar auf der Innenseite ihres Kaffeebechers pinkfarbenen Lippenstift zu hinterlassen. Keine Ahnung, wie sie das gemacht hat. Außerdem drei halbstarke Jungs, einer sieht etwas verwahrlost aus, einer brav und einer etwas verhuscht. Sonderbare Zusammenstellung, die drei – man sollte nicht meinen, daß sie sehr viel gemein haben. Nach einer Weile nehmen sie Sandwiches mit Teller mit ins Abteil, bringen die leeren Teller aber später artig zurück. Schließlich ist gleichzeitig mit mir – aus dem verspäteten Regionalexpress, dessentwegen wir nun alle verspätet sind – ein junger Mann, noch in Arbeitskleidung, leuchtend besetzt mit neongelben Reflektoren und mit Siemens-ID Kärtchen, eingestiegen. Er hat wuschelige, seitlich aus der Stirn gekämmte, blonde Haare, blaue Augen und sähe aus wie eine zu groß geratene schlaksige Putte, trüge er nicht am linken Auge ein Pflaster, das in seinem Gesicht weiß leuchtet. Alle paar Minuten tippt er auf seinem Handy rum, trotz der derben Kleidung sind seine Finger und Nägel makellos sauber, und lächelt dabei ganz glücklich. Ich stelle mir vor, daß er auf dem Weg ins Wochenende zu seiner Liebsten ist, sich freut, daß der ICE gewartet hat und er zumindest bis auf weiteres pünktlich sein wird. Sie schreibt zurück und freut sich auch und so tauschen die zwei endlos und geduldig Liebeleien und Zärtlichkeiten aus, wie es nur frisch Verliebte tun, und genießen die Vorfreude aufs Wiedersehen, während er sich dem Zielort entgegensehnt. Dem Bahnsteig, auf dem sie schon wartet, etwas hektisch mit den Augen den Zug rauf- und runtersuchend, um ihn nur nicht zu verpassen, wenn er aus dem Zug steigt oder – noch schlimmer – in dem Menschengewusel momentelang zu übersehen. Er hingegen stünde an der Tür ganz vorne, einen Schritt Abstand zum Glas, um besser die Personen auf dem Bahnsteig sehen zu können und dann flöge sie geradezu in seine Arme (wo man ihn doch so gut sieht in der gelben Jacke, die wie ein Schrei all die dunkeln Mäntel ausblenden würde). Andererseits hat der junge Mann besondere, leicht hochgezogene Mundwinkel und so scheint er eigentlich immer leicht amüsiert, vielleicht wohlwollend zu lächeln – und seine Telefon-Fixierung hat nichts zu bedeuten außer der Langeweile des Reisenden ohne Lektüre.
600 km durch Deutschland und alles ist weiß. Im Norden sieht man mehr von der Welt und der Schnee ist es eine etwas schäbige, leicht zerfetzte Decke, nach Süden hin meint man, die Bäume und Sträucher müssten beinahe zusammenbrechen unter der dicken, weißen Last, aber wohin man schaut, auf der gesamten Strecke: Schnee, Schnee, Schnee. Kaum zu fassen, daß die Welt in wenigen Monaten wieder bunt werden wird, daß es gelbe Rapsfelder und Felder und Wälder in den verschiedensten Grüntönen geben wird. Für den Moment ist das Draußen ein Foto in Sepia: braun schattierte Sträucher, schmutzig-weißer Schnee und grauer Himmel. Sonst nichts.
Permalink (0 Kommentare) Kommentieren
Dummreisende
Es ist doch immer wieder überraschend zu sehen, wie wenig Umsicht und Verstand der durchschnittliche Reisende an den Tag legt. Spätestens wenn es ans Boarding im Flughafen geht, wird der Mensch zum Tier und vor dem Schalter werden subtile Hahnenkämpfe zwischen gepflegten Businessherrschaften ausgetragen, als gebe es einen besonders hohen Bonus. Jeden Millimeter Boden und jede Wendung der Schlange gilt es zu nutzen, während an der Oberfläche bedeutsame Gespräche über nichtssagende Wirtschaftsthemen geführt werden. Besonders kurios wird es jedoch, wenn die Fluggesellschaft die Bedingungen verschärft und das Boarding nach Reihen geordnet durchführen möchte. Wir bitten nun die Passagiere der Reihen 14 bis 21 zum Boarding. Wenn ich – Reihe 18 – mir dann die Personen anschaue, die in den Reihen 1 bis 14 sitzen, frage ich mich unwillkürlich: haben die Herren (es sind mehrheitlich Männer) ihren Abschluß in Betriebswirtschaft im Lotto gewonnen? An einer Privatuni gekauft? Am Zigarettenautomaten gezogen? Auch wenn ich keine sonderlich hohe Meinung vom BWL-Studium habe, muß ich doch zugestehen, ohne die Fähigkeit bis 14 zu zählen dürfte der Abschluß an einer ordentlichen Universität schwierig gewesen sein. Ähnlich dämliche Szenen spielen sich umgehend nach der Landung ab. Um mich herum melden sich unzählige Telefone mit jenen entsetzlichen Klingeltönen zurück. Haben die Menschen denn alle keinerlei Diskretion mehr? Ausmachen, den Ton, bitte. Davon abgesehen würde die Welt vermutlich auch nicht untergehen, wenn die Herrchen all der Spielereien noch fünf Minuten länger ohne telekommunikative Verbindung wären. Wenn man schon abhängig von sowas ist, würde ich mir ja wenigstens Mühe geben, meine Sucht diskret auszuleben, aber diese spezielle Sucht ist ja inzwischen gesellschaftsfähig geworden. Sobald die Maschine anhält, springt regelmäßig mindestens die Hälfte der Fluggäste auf, rafft ihr Gepäck zusammen und wendet sich zum Ausgang – nur um dann doch noch zehn Minuten lang im Gang herumzustehen. Wie zu erwarten war. Was treibt diese Personen? Glauben sie, es ging schneller, wenn sie schon stehen? Das Gegenstück am anderen Ende der Skala sind jene drei bis vier Exemplare, die zwar ebenfalls umgehend im Gang stehen, aber ihr Gepäck erst zusammensuchen, wenn die Schlange vor ihnen Richtung Ausgang verschwunden ist und damit dann tatsächlich alle anderen aufhalten.
Angenehm nett im Vergleich dazu die Szene am Flughafen-Bahnhof. Ich stand am äußersten Ende im Windschatten einer Glaswand, ein schlaksiger junger Mann mit Struwwelfrisur gesellte sich hinzu. Ein großer Backpacking Rucksack, eine Zeitung mit asiatischen Schriftzeichen im Gepäck, Aufkleber DBX am Gepäck. Dubai als Transit, vermute ich. Er sah sehr jung aus und ich fühlte mich sehr alt. Er stellte seinen Rucksack ab, grüßte (!), ließ sich auf die Bank fallen und öffnete hungrigen Blickes ein eingeschweißtes Putensandwich. Danach erhob er sich und erging sich in Turnübungen auf dem Bahnsteig. Streckte die langen Glieder, schlug die Fersen an den Hintern, zog die Knie hoch, und schlenkerte mit den Beinen. Alles völlig unbefangen, unter den neugierigen Blicken der übrigen Wartenden. Ließ ein Geldstück fallen, bückte sich und lächelte verlegen, als unsere Blicke sich trafen. Ein klein bißchen spontane Sympathie und Gemeinsamkeit in der flüchtigen, unverbindlichen Reisewelt. Sowas aber auch.
Angenehm nett im Vergleich dazu die Szene am Flughafen-Bahnhof. Ich stand am äußersten Ende im Windschatten einer Glaswand, ein schlaksiger junger Mann mit Struwwelfrisur gesellte sich hinzu. Ein großer Backpacking Rucksack, eine Zeitung mit asiatischen Schriftzeichen im Gepäck, Aufkleber DBX am Gepäck. Dubai als Transit, vermute ich. Er sah sehr jung aus und ich fühlte mich sehr alt. Er stellte seinen Rucksack ab, grüßte (!), ließ sich auf die Bank fallen und öffnete hungrigen Blickes ein eingeschweißtes Putensandwich. Danach erhob er sich und erging sich in Turnübungen auf dem Bahnsteig. Streckte die langen Glieder, schlug die Fersen an den Hintern, zog die Knie hoch, und schlenkerte mit den Beinen. Alles völlig unbefangen, unter den neugierigen Blicken der übrigen Wartenden. Ließ ein Geldstück fallen, bückte sich und lächelte verlegen, als unsere Blicke sich trafen. Ein klein bißchen spontane Sympathie und Gemeinsamkeit in der flüchtigen, unverbindlichen Reisewelt. Sowas aber auch.
Permalink (13 Kommentare) Kommentieren
Hundeleben
Ich habe keine Ahnung, warum man vom sprichtwörtlichen Hundeleben spricht. Unsere Prinzessin jedenfalls kann nicht klagen. Morgens gegen acht dreht sie eine erste Runde in der Wohnung, kontrolliert sämtliche Betten in ihrer Reichweite, ob schon was los ist, geht notfalls noch ein Stündchen schnarchen, aber spätestens um neun kümmert sich jemand. Fressen, schlafen, spazierengehen, und wenn sie jemand ruft heißt das nicht, daß sie die Spülmaschine ausräumen oder den Computer reparieren soll, sondern daß sie gekrault wird.
Ich allerdings habe im Moment auch keinen Grund zu klagen: die letzte Woche war nämlich eine Hundwoche. Nur Fressen, Schlafen, Spazierengehen. Anders gesagt: paradiesisch.
Jetzt haben mich die Realität und die deutsche Bahn wieder. Der Regionalexpress verspätet, aber – dem Himmel sei Dank – der anschließende IC ebenfalls. Auf dem Gleis erste Verwirrung: IC auf dem Reiseplan, IC auf der Anzeigetafel, aber auf den sonstigen Plänen nur ICEs mit komplett anderer Streckenführung. Zurück am Service-Point – für solches Lustwandeln durch die Bahnhofshallen wäre ohne die Verspätung keine Zeit geblieben – informierte man mich fröhlich, es sei ja auch ein Ersatz-IC. Ich Dummchen! Wie konnte ich das nicht wissen! Bin eine sehr ungebildete Bahnfahrerin. Hätte ich mich ausnahmsweise mal darauf verlassen, daß die Bahn pünktlich sein würde und eine spätere Verbindung gewählt (was ich selbstredend nie täte), würde das Flugzeug ohne mich starten. So hatte ich noch Hoffnung. Ich werde nämlich heute meine möglicherweise zukünftige Heimat in der Schweiz besichtigen.
Bei der Gelegenheit – wo ich schon mal ausnahmsweise am Bahnhof war – die BahnCard hochgestuft. Stellen Sie sich vor: mit der BahnCard 50 kann man jetzt ein Premium Paket für 16 Euro im Jahr buchen. Darin enthalten: eine Gepäckversicherung. Die ich nicht benötige. Seit mir in Bruxelles-Midi vor einigen Jahren meine Laptoptasche mit sämtlichen Zeugnissen (im Original!) heimtückisch unter Ausnutzung meiner angeborenen Gutmütigkeit abgenommen wurden, bewache ich mein Gepäck wie Zerberus. Eher sitze ich auf den Treppenstufen im Gang oder gleich auf meinem Koffer drauf, als daß ich mein Gepäck aus den Augen ließe. Außerdem eine Laptopversicherung bis 500 Euro, für Diebstahl im Zug. Abgesehen davon, daß die vermutlich auch nicht zahlen würde, wenn man sein Arbeitgerät für einen kurzen Besuch im Bistro alleine ließe, gilt hier ebenso: brauche ich nicht, kann mir nicht passieren. Kostenlose Erstattung einer verlorenen BahnCard? Siehe oben. Das vierte Leckerli im Premium Paket jedoch ist eine Mobilitätsgarantie. Wenn einem ein Transportunternehmen eine Mobilitätsgarantie gibt, wird man natürlich hellhörig. Tatsächlich ist es so, daß die Versicherung unter allen Umständen im Falle von Verspätungen und Anschlußproblemen die Kosten für eine Übernachtung oder auch Weiterreise mit dem Taxi bis 250 Euro übernimmt. Das nun – ist ein echter Vorteil. Mit dieser Versicherung hätte ich mich wegen der gestrichenen Schiffe auf der Insel vor einigen Wochen nicht ärgern müssen – man hätte mir den Flug, das Taxi oder alternativ ein Hotelzimmer für eine Nacht bezahlt. Nicht zu reden davon, daß ich manches Mal Verbindungen gar nicht in Erwägung ziehe, um nicht irgendwo festzusitzen – was ich nun getrost tun kann. Ich muß die AGB noch einmal genau studieren, um meine neuen erweiterten Rechte als Fahrgast UND Versicherungsnehmer kennenzulernen, aber in diesem Fall sehe ich – sonst kein Freund unzähliger Versicherungen für Schadenfälle die fast nie auftreten und deren Absicherung völlig überflüssig ist – tatsächlich einen Nutzen. Zumal angesichts der atemberaubenden Preise der Bahn die 16 Euro wirklich nicht mehr ins Gewicht fallen. Nun ja, ich gedenke, die neue BahnCard soviel zu nutzen, daß die Bahn sich noch ärgern wird. So ähnlich wie abartig viel essen bei all you can eat Menus, nur ohne moralische Fragwürdigkeit und ohne dickwerden.
Und bevor Sie befürchten, dies hier wandele sich langsam zum Bahn-Blog: ich verspreche, mich zukünftig zurückzuhalten. Keine weiteren Bahngeschichten – außer das Schicksal präsentiert noch eine auf dem Silberteller.
Permalink (16 Kommentare) Kommentieren
Bagatellen
Ich war schon wieder in der Bahn. Bistro-Wagen, wie gewöhnlich. Ich reserviere nie einen Sitzplatz, totale Verschwendung. Nur sehr selten ist im Bistro-Wagen kein Platz mehr frei, ich habe reichlich Raum für mein Gepäck und für die 2,50 Euro erhalte ich nicht nur den Sitzplatz sondern auch noch einen Kaffee – dringend notwendig nach durchfeierter Nacht. Ein junger und ein älterer Mann betreten den Wagen, kaufen zwei Becher Kaffee und setzen sich mir gegenüber. Auffällig starren sie mich an, als hätte ich grüne Hörner auf dem Kopf – womöglich noch Schlimmeres –, während sie an ihren Bechern nippen. Zwei ältliche Damen kommen heren, die eine in weißen Fellstiefeln, die andere in blauen Socken. Socken!
Ich gebe zu, auf langen Flügen habe ich immer dicke Socken dabei und auch in der Bahn – bei sehr sehr langen Fahrten – mache ich das gelegentlich, aber: ich laufe damit nicht von meinem Sitzplatz bis in den Bistro-Wagen. Niemals.
Der jüngere der beiden Männer mir gegenüber spielt mit seinem Becher und schnickt dabei das Plastikstäbchen zum Umrühren in hohem Bogen über den Tisch auf dem Boden. Der Blick, mit dem er dem Malheur folgt, verrät deutlich, daß er keinerlei Absicht hat, das Stäbchen aufzuheben. Ich bin in Oberlehrer-Stimmung und schieße ihm einen vernichtenden Blick auf die gegenüberliegende Bank und umgehend bückt er sich und hebt das Stäbchen auf. Geht doch.
Ansonsten: Schmelzwasser ist eklig. Matsch auch. Und diese feuchte Kälte auch. Deutschland ist so trübselig im Tauwetter. Will heim in die Sonne, oder wenigstens ein Buch und ein Bärenfell vor einem Kamin mit heißem Tee, oder so.
Ich gebe zu, auf langen Flügen habe ich immer dicke Socken dabei und auch in der Bahn – bei sehr sehr langen Fahrten – mache ich das gelegentlich, aber: ich laufe damit nicht von meinem Sitzplatz bis in den Bistro-Wagen. Niemals.
Der jüngere der beiden Männer mir gegenüber spielt mit seinem Becher und schnickt dabei das Plastikstäbchen zum Umrühren in hohem Bogen über den Tisch auf dem Boden. Der Blick, mit dem er dem Malheur folgt, verrät deutlich, daß er keinerlei Absicht hat, das Stäbchen aufzuheben. Ich bin in Oberlehrer-Stimmung und schieße ihm einen vernichtenden Blick auf die gegenüberliegende Bank und umgehend bückt er sich und hebt das Stäbchen auf. Geht doch.
Ansonsten: Schmelzwasser ist eklig. Matsch auch. Und diese feuchte Kälte auch. Deutschland ist so trübselig im Tauwetter. Will heim in die Sonne, oder wenigstens ein Buch und ein Bärenfell vor einem Kamin mit heißem Tee, oder so.
Permalink (14 Kommentare) Kommentieren
... ältere Einträge