Mittwoch, 5. August 2009
Sommerloch
Ich glaube, hier ist auch Sommerloch. Im Moment passiert nichts wirklich aufregendes. Ich scheue mich nach wie vor, hier allzu persönliche Details preiszugeben, sonst würde ich vielleicht von meinem angestauchten Herzen berichten – Monsieur Tunis hat sich auf sehr unelegante Art aus meinem Leben verabschiedet und benötigte selbst dafür noch meine souveräne Starthilfe.

Zum Trost Zur Ablenkung richte ich vorübergehend möglichst diskret begehrliche Blicke auf den französischen Kollegen, der auf Dienstreise hier ist: ein Bild von Mann. Ich schmelze normalerweise nicht bei Äußerlichkeiten dahin, sondern fühle mich von Innerlichkeiten angezogen – aber diesen Mann: möchte ich dauernd nur anschauen. Weil er so unverschämt gut aussieht. Damit spielt er ganz klar außerhalb meiner Liga, ich bin allenfalls durchschnittlich nett anzuschauen und keinesfalls eine Trophäe, die Männer sich ins Regal würden stellen wollen, und so mache ich mir keine ernsthaften Hoffnungen. Aber ein klein bißchen Träumen, das muß erlaubt sein. Gerade im Sommerloch.

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Dienstag, 4. August 2009
Kuriositäten
Man muß sich wundern, wie ein weitgehend dysfunktionaler Staat dazu kommt, mehr Autokennzeichen zu administrieren als die meisten europäischen Länder. Diese Erfahrung habe ich schon in Tunis gemacht, wo ich gleich am ersten Tag vier verschiedenen Kennzeichentypen begegnet bin: zum Beispiel tragen die Privatfahrzeuge der Mitarbeiter der größten internationalen Organisation vor Ort eigene Kennzeichen mit der Kennung P.A.T. – Personnel Administratif et Technique, oder so ähnlich.

Die Vielfalt hier ist jedoch bedeutend größer. Am häufigsten sind blaue Kennzeichen mit gelben Buchstaben, wobei die ersten beiden Buchstaben – genau wie in daheim in Deutschland – die Zugehörigkeit zur Region anzeigen, zum Beispiel KN für Kinshasa, EQ für die Provinz Equateur. Als Geldbeschaffungsmaßnahme für den chronisch klammen Staat gibt es seit einiger Zeit neue Kennzeichen für alle Normalbürger, schwarze Buchstaben auf weißem Grund mit kongolesischer Flagge verziert, die ganz rechts – gewissermaßen von hinten – die Zugehörigkeit zur Region anzeigen, nunmehr 01 für Kinshasa. Die kongolesischen Kennzeichen, die man auf der Straßen sehen kann, sind so unglaublich vielfältig, dass man sich wundern müsste, was Autos aus den entferntesten Winkeln dieses riesigen Landes in der Metropole zu suchen haben, wenn nicht allgemein bekannt wäre, dass ein nicht unwesentlicher Teil der Plaketten schlicht gefälscht ist. Der Staat hat also gar nicht so viel zu administrieren, wie ich anfangs dachte – andererseits fehlt es an den entsprechenden Einnahmen, was wiederum zur Unfähigkeit der Administration beitragt. Ein kleines, alltägliches Beispiel dafür, wie schwierig es ist, funktionierende Strukturen aufzubauen, wenn sich die Probleme immer wieder gegenseitig verschärfen.

Die Armee hat selbstverständlich eigene Kennzeichen mit FARDC plus Nummer – Forces Armées Republique Democratique du Congo – , ebenso wie manche Regierungsorgane.
UN Fahrzeuge tragen Schilder der Form UN-1980 (im übrigen sind die Autos tatsächlich weiß mit schwarzen Buchstaben auf der Seite), die Kennzeichen sind schwarz weiß. Internationale Organisationen und diplomatische Missionen haben natürlich CD Kennzeichen – hier in gelb-rot – es gibt aber auch noch ein CMD Kennzeichen, das für Chef de Mission Diplomatique steht. Privatfahrzeuge von Ausländern wiederum erhalten Kennzeichen in blau mit weißen Buchstaben der Art 123 I.T. 456. Sinn und Zweck der bunten Mischung ist, die Polizei wissen zu lassen, mit wem sie es zu tun haben, was hier allerdings – so habe ich mir sagen lassen, mangels eigener Anschauung – eher kontraproduktiv ist. Die Polizei hält nämlich bevorzugt Ausländer an – zum Wohle privater Geldbeschaffungsmaßnahmen – und erfindet Vergehen oder administrative Probleme, die sich mit einer kleinen Spenden regeln lassen. Offizielle Anweisung ist, die Fenster niemals mehr als einen Zentimeter hinunterzulassen – so können die Polizisten nicht die Hand hineinstecken und man kann sich notfalls davon machen. Niemals die eigenen Papiere aus der Hand zu geben, sondern selbige nur vorzuzeigen – andernfalls müsste man sicherlich bezahlen, um sie zurückzuerhalten. Inoffizieller Ratschlag der Kollegen ist, Polizisten einfach zu ignorieren und schnellstmöglich nach Hause zu fahren. Bei Militärposten ist jedoch unbedingt anzuhalten, diese setzen nämlich im Zweifel ihre Amtsgewalt mithilfe von Schusswaffen durch.

Ach ja: in Kinshasa herrscht unbedingte Anschallpflicht, zumindest auf den vorderen Sitzplätzen. Bei Nichtbeachten wird man von der Polizei angehalten. Immer. Wer allerdings am Ende die Strafgebühr erhält beziehungsweise behält, ist weniger klar.

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Montag, 3. August 2009
Heimweh
Meine Kollegen sagen „this country really gets to your heart, over time“. G., die schon vor zehn Jahren vorübergehend hier gearbeitet hat, bedauert ihren Abschied aufrichtig. J., seit einiger Zeit regelmäßig auf Dienstreise hier, hat soeben seinen Vertrag für Herbst unterschrieben. V. hat einen kongolesischen Freund und kann sich vorstellen, für immer zu bleiben.
Ich hingegen – merke nichts davon. Dieses Land berührt nicht mein Herz, sondern bislang nur meine Haut und meine Stimmung. Zum ersten Mal im Leben habe ich Neurodermitis, und mag mich selbst nicht mehr leiden. Möglicherweise ist es eine Reaktion auf die Malaria Prophylaxe, das Essen oder das Wasser, aber mir wird mindestens einmal täglich flau und zittrig zu Mute, und es vergeht kein Tag an dem ich nicht denke: Wie gerne wäre ich jetzt daheim, oder irgendwo anders, nur nicht hier.
Ich verabscheue den ewig grauen Himmel, vermisse die Sonne – ein einziges Mal richtiges Licht, das wäre wunderbar. Gerade lag momentelang Sonnenlicht über der Stadt, ich bin gelaufen, meine Kamera zu holen, den Moment festzuhalten – da war er schon vorbei. Es ist angenehm warm, aber zu schwül, in G.s Bungalow hatte ich zuweilen das Gefühl, in der feuchten Luft kaum noch atmen zu können, an Luftfeuchtigkeit zu ertrinken. Dazu der Schmutz in allen Ecken, Handtücher stets leicht klamm, Kleidung braucht ewig zum trocknen und irgendwie kommen mir sämtliche Textilien immer muffig vor – aber vielleicht bilde ich mir das in meinem Widerwillen auch nur ein. Der Muff überträgt sich auf meine Haare, meine Haut, ich nehme ihn mit ins Bett und zur Arbeit, er begleitet mich immer. Pfui.

Ich kann endlos auf den Fluß starren, wie er sich träge dahinwälzt. Das ist ein Satz, den man oft in Büchern liest – jetzt habe ich das Bild dazu im Kopf und oftmals vor Augen. Der Rhein und die Elbe wälzen sich nicht, der Kongo schon.* Diese Formulierung scheint wie gemacht für diesen Fluß. Doch so sehr ich die Aussicht schätze: das Gras auf der kleinen Insel gleich gegenüber kommt mir geradezu giftig grün vor, aggressiv und aufdringlich, so scharf ist der Kontrast zum dreckig-grauen Fluß, verwaschen-grauen Himmel, zur staubig-grauen Stadt.
Nein, ich mag dieses Land nicht. Überhaupt nicht. Ich zähle die Tage bis zu meiner Abreise, stelle mir schon lebhaft den Moment vor, in dem die Räder des Flugzeugs kongolesischen Boden verlassen. Ich werde französische Erdnüsse bekommen und mir eine ausnahmsweise eine Cola light bestellen (sonst trinke ich Wasser auf Flügen, wie ein Kamel in der Wüste), ohne dafür ein Vermögen bezahlen zu müssen, werde die ganzen abgetragenen Kleidungsstücke meinem Taxiste Albert geschenkt haben oder unserem homme de ménage, Jean-Paul, und statt dessen hölzerne Statuetten im Gepäck haben. Memorabilia eines Abenteuers, Erinnerungen für den Rest meines Lebens, um eine einzigartige Erfahrung reicher. Das alles ist gut so, aber dennoch: Ich lebe von Vorfreude, im Moment, jawohl.

*Und das, obwohl der Kongo eine deutlich stärkere Strömung hat und tatsächlich sehr schnell fließt, schneller als die deutschen Bächlein.

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