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Sortir
On va sortir – heißt nicht nur rausgehen, sondern auch ausgehen. Das habe ich nicht von meinem Französisch Lehrer gelernt, mit dem ich nur über Wirtschaft und Politik rede, sondern von Freunden und Kollegen. Die Präsenz der MONUC (United Nations Mission in DRC) garantiert, daß es in Kinshasa nie langweilig wird und reichlich Parties gibt – meist Abschiedsparties. Am Freitag also ein hübsches großes Haus mit überdachter Grillecke und Bar draußen am Swimming Pool in Kitambo, dem Stadtteil der an Gombe grenzt. Ich habe lange mit einer jungen Frau aus Zimbabwe geplaudert, die den Mitarbeitern einer Bank Englisch beibringt, einem Ägypter in Diensten eines Telekomunternehmens, einem Deutschen, der seit fünf Jahren für UNDP im Bereich Demokratisierung arbeitet und einem pakistanischen UN-Offizier. Der Pakistani und M. aus Zimbabwe haben sich über Cricket unterhalten, der Pakistani breitete sämtliche Details der letzten Truppenbewegungen aus, bis mir die Ohren klingelten und um Mitternacht war ich so voll mit neuen Eindrücken, Namen und Alkohol, daß mein Sortir-Bedürfnis für dieses Wochenende eigentlich gedeckt war.
Am Samstag Abend war allerdings Dinner-Party bei meiner Chefin zu Hause und auch wenn man mich dort – kleines Licht, das ich bin – kaum vermißt hätte, habe ich mich von dem schönen Franzosen J. mitschleppen lassen (keine Hintergedanken, bitte, bezüglich meiner Motivation). Nach dem hochnotpeinlichen Zwischenfall mit dem Fahrer am Freitag hatte ich das dringende Bedürfnis, meine sozialen Aktien wieder aufzuwerten, war angemessen aufgerüscht für alle Eventualitäten und die Wartezeit für einen Plausch mit den Wachen vor der Tür genutzt:
Kalt sei Ihnen, sehr kalt, sie benötigten dringend einen Kaffee (Aufforderung, die beiden Herren einzuladen).
– Gar nicht kalt, das hier seien doch sommerliche Temperaturen, entgegnete ich.
– Doch, doch, sehr kalt.... sie seien schließlich Kongolesen, dies sei Winter. Und ich sei Ihnen aufgefallen, schon oft.
– Aha. (Keine große Überraschung, bin ich doch die einzige weiße Frau zu Fuß in weitem Umkreis.)
– Wenn sie könnten, sie würden sich sofort eine Brieffreundin in Europa suchen und diese baldmöglichst besuchen... nach einem Jahr Arbeit in Europa finde man hier nämlich auch schnell Arbeit. Nachdem ich mich für derlei Angebote wenig empfänglich zeigte, streifte das Gespräch die Reichtümer des Kongo, Arbeitslosigkeit, die Regierung und die Gier – interessant, aber ich war zugegebenermaßen froh, als J. endlich kam. Meine Bemühungen zeitigten umgehenden Erfolg: Fein sehe ich aus, Herzen würde ich brechen heute abend, bekundete er. An der nächsten Ecke sammelten wir unseren kongolesischen Freund F. ein, die Herren deponierten Mückenrepellent, Telefone und Schlüssel in meinem beinahe zu kleinen Täschchen und kurz darauf standen wir auf dem grünen Rasen in Chefins Garten: bemüht, dem scheußlichen weißen Flutlicht auszuweichen, den Duft des Barbecue in der Nase, Gläser in Händen. Tonic für Madame, Gin Tonic für Messieurs.* Nach einem durchaus netten Abend hielten wir um elf wieder vorm Hotel, der schöne J. zog sich zurück – Bisous für Madame, und nur für Madame, weiterer Erfolgsausweis meiner Bemühungen um Wohlverhalten – aber für F. und Kollege B. war der Abend noch nicht beendet. Für mich ebensowenig.
Zur Erläuterung: B. ist Franzose, geschieden trotz Kindern, seit fünf Jahren regelmäßig für längere Dienstreisen in Zentralafrika, und ausgewiesener Kenner der hiesigen Partyszene. F. ist Kongolese, hat mit seiner Freundin eine kleine Tochter, in Belgien studiert und ist ohne Frage ein gutaussehender Mann. Recht groß, wohlgenährt, doch noch nicht massig, immer geschmackvoll gekleidet und über vollendete Manieren verfügend. An liierten Männern habe ich keinerlei Interesse, mögen sie noch so attraktiv und höflich sein, aber ich kann mich dennoch ganz harmlos an der Eleganz erfreuen, mit der er den Damen seiner Begleitung stets den Vortritt läßt, wie auch der Fürsorglichkeit, mit der er sie vor Gefahren bewahrt. Seine Höflichkeiten erstrecken sich gleichmäßig auf alle anwesenden Damen, seine ausnehmend schöne Frau, meine Kollegin G. und wer immer sonst noch dabei ist. An diesem Abend waren wir allerdings nur zu dritt und ziemlich schnell de facto nur noch zu zweit, weil Kollege B. sich umgehend nach der Ankunft im 'Black and White' auf die Suche nach der femme da sa vie machte, nur noch sporadisch auftauchte oder uns über die Schultern irgendwelcher Damen hinweg zuwinkte. Das 'Black und White' muß den Vergleich mit europäischen Clubs nicht scheuen, schick-modernes Interieur, gepflegte Menschen in erstaunlicher Vielfalt – allenfalls die Musik tendiert mehr zu Mainstream und klassischen Partyhits als ein Londoner oder Frankfurter Club der Coolness zuträglich fände. Die Klientel ist so bunt wie die Vereinten Nationen, die amerikanischen und südasiatischen Militärs erkennt man sofort, die europäisch-amerikanischen UN-Administrationsmädels ebenfalls, außerdem viel kongolesische Oberschicht und einige bunt gemischte Angestellte der großen westlichen Unternehmen. Inklusive der morbiden, ältlichen weißen Herren mit Anbandelungsbedürfnis gegenüber aufgeschärften kongolesischen Damen, versteht sich.
In meinen wilden Jahren habe ich auf reichlich vielen Parties reichlich viel Alkohol ohne Spaß gehabt, mit zunehmendem Alter jedoch bin ich am konversationslosen Rumstehen und Zappeln in Clubs nicht mehr interessiert und vermeide wenigstens den unmäßigen Alkoholgenuß und anschließenden Kater am nächsten Morgen. Am Samstag hingegen hatte ich sehr viel Spaß – ganz ohne Alkohol. Während F. in schneller Folge etliche Whiskey-Cola leerte, nippte ich an meinem Tonic und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Über die frappierenden Gegensätze, die mich nach wie vor konfus machen, den außerhalb des Büros gänzlich verwandelten Kollegen B. auf Damenjagd, die Menschen um mich herum. Schon auf der Dinnerparty hatte F. mich zum Tanzen aufgefordert, wobei mir etwas unbehaglich war, weil auf der sich auflösenden Party sonst niemand tanzte, aber auf der überfüllten Tanzfläche des Clubs sah die Sache ganz anders aus. Ich kann dem einsamen Zappeln auf dem Parkett der modernen Gesellschaft wenig abgewinnen, in den Armen eines versierten Tänzers hingegen schmelze ich dahin und bin umgehend bereit, sämtlichen anderen Wunscheigenschaften bei Männern (Intelligenz, Humor, Bildung und dergleichen) über Bord zu werfen. Wenn Männer gut tanzen, ist mir alles andere egal.** Nun gibt es einige Herren in meinem Bekanntenkreis, die sehr ordentliche Tänzer sind, solange sie eine Dame halten, alleine auf der Tanzfläche jedoch eine eher lächerliche Figur abgeben, was der Clubtauglichkeit sehr abträglich ist. Noch weniger Herren der tanzenden Minderheit nehmen die leicht antiquierte Courtoisie der Tanzfläche mit ins reale Leben. F. hingegen – tut all das, mit selbstverständlicher Unaufdringlichkeit. Beim Drängeln über die Tanzfläche oder zur Bar führte er mich immer an der Hand. In Gegenwart schubsender Partygänger zog er mich fürsorglich beiseite. Außerdem: ein fantastischer Tänzer, alleine wie zu zweit. Nun ist die Tanzfläche eines Clubs nicht der Ort für Wiener Walzer sondern eher für loses, mal-zusammen-mal-allein, mal-enger-mal-mit-Abstand tanzen und allenfalls gelegentliche Drehungen. Aber oh!.... das konnte er hervorragend. Führen. So richtig. Wie es sich gehört. Vor Drehungen und Richtungswechseln zupacken, die Partnerin heranziehen, den Schwerpunkt verlagern. Die Schritte umeinander herum koordinieren, so ausgreifend wie nötig, um einmal herumzukommen. Den begrenzten Platz optimal ausnutzen. Ich schwöre: der Mann ist ganz sicher ein fantastischer Partner, auch beim Walzer. Wir haben den größeren Teilder Nacht des Abends getanzt, gelegentlich gemeinschaftlich laut gelacht, wenn Kollege B. auf der anderen Seite der Tanzfläche die nächste Attacke ritt und uns blendend amüsiert. Wie schon gesagt, habe ich keinerlei Ambitionen bei liierten Männern, dennoch war es sicherlich weise von mir, den ganzen Abend beim Tonic Water ohne Gin zu bleiben. Auch wenn F. – wovon ich überzeugt bin – zumindest in nüchternem Zustand keinerlei Absichten hegt und ich noch viel weniger, wäre Tanzen ohne erotische Spannung ja eine völlig belanglose Angelegenheit und so war es kein Schaden, daß ich meine Sinne alle noch nüchtern beieinander hatte.
Womit wir mal wieder bei den Skurrilitäten des Lebens wären: ich war in Berlin, Wien und Washington, habe getanzt, gefeiert und geflirtet, aber den perfekten Gesellschafter, den besten Party-Abend – verlebe ich in Kinshasa, Demokratische Republik Kongo. Ich hatte Spaß. Aber so was von.
* Ja, hier trinken tatsächlich alle dauernd Tonic Water, wie zu Kolonialzeiten.
**Nebenbei bemerkt: ich selbst bin sicherlich keine sensationell gute Tänzerin, tanzen ist eines der sehr wenigen Dinge, die ich rasend gerne mache obwohl ich es nicht gut kann.
Am Samstag Abend war allerdings Dinner-Party bei meiner Chefin zu Hause und auch wenn man mich dort – kleines Licht, das ich bin – kaum vermißt hätte, habe ich mich von dem schönen Franzosen J. mitschleppen lassen (keine Hintergedanken, bitte, bezüglich meiner Motivation). Nach dem hochnotpeinlichen Zwischenfall mit dem Fahrer am Freitag hatte ich das dringende Bedürfnis, meine sozialen Aktien wieder aufzuwerten, war angemessen aufgerüscht für alle Eventualitäten und die Wartezeit für einen Plausch mit den Wachen vor der Tür genutzt:
Kalt sei Ihnen, sehr kalt, sie benötigten dringend einen Kaffee (Aufforderung, die beiden Herren einzuladen).
– Gar nicht kalt, das hier seien doch sommerliche Temperaturen, entgegnete ich.
– Doch, doch, sehr kalt.... sie seien schließlich Kongolesen, dies sei Winter. Und ich sei Ihnen aufgefallen, schon oft.
– Aha. (Keine große Überraschung, bin ich doch die einzige weiße Frau zu Fuß in weitem Umkreis.)
– Wenn sie könnten, sie würden sich sofort eine Brieffreundin in Europa suchen und diese baldmöglichst besuchen... nach einem Jahr Arbeit in Europa finde man hier nämlich auch schnell Arbeit. Nachdem ich mich für derlei Angebote wenig empfänglich zeigte, streifte das Gespräch die Reichtümer des Kongo, Arbeitslosigkeit, die Regierung und die Gier – interessant, aber ich war zugegebenermaßen froh, als J. endlich kam. Meine Bemühungen zeitigten umgehenden Erfolg: Fein sehe ich aus, Herzen würde ich brechen heute abend, bekundete er. An der nächsten Ecke sammelten wir unseren kongolesischen Freund F. ein, die Herren deponierten Mückenrepellent, Telefone und Schlüssel in meinem beinahe zu kleinen Täschchen und kurz darauf standen wir auf dem grünen Rasen in Chefins Garten: bemüht, dem scheußlichen weißen Flutlicht auszuweichen, den Duft des Barbecue in der Nase, Gläser in Händen. Tonic für Madame, Gin Tonic für Messieurs.* Nach einem durchaus netten Abend hielten wir um elf wieder vorm Hotel, der schöne J. zog sich zurück – Bisous für Madame, und nur für Madame, weiterer Erfolgsausweis meiner Bemühungen um Wohlverhalten – aber für F. und Kollege B. war der Abend noch nicht beendet. Für mich ebensowenig.
Zur Erläuterung: B. ist Franzose, geschieden trotz Kindern, seit fünf Jahren regelmäßig für längere Dienstreisen in Zentralafrika, und ausgewiesener Kenner der hiesigen Partyszene. F. ist Kongolese, hat mit seiner Freundin eine kleine Tochter, in Belgien studiert und ist ohne Frage ein gutaussehender Mann. Recht groß, wohlgenährt, doch noch nicht massig, immer geschmackvoll gekleidet und über vollendete Manieren verfügend. An liierten Männern habe ich keinerlei Interesse, mögen sie noch so attraktiv und höflich sein, aber ich kann mich dennoch ganz harmlos an der Eleganz erfreuen, mit der er den Damen seiner Begleitung stets den Vortritt läßt, wie auch der Fürsorglichkeit, mit der er sie vor Gefahren bewahrt. Seine Höflichkeiten erstrecken sich gleichmäßig auf alle anwesenden Damen, seine ausnehmend schöne Frau, meine Kollegin G. und wer immer sonst noch dabei ist. An diesem Abend waren wir allerdings nur zu dritt und ziemlich schnell de facto nur noch zu zweit, weil Kollege B. sich umgehend nach der Ankunft im 'Black and White' auf die Suche nach der femme da sa vie machte, nur noch sporadisch auftauchte oder uns über die Schultern irgendwelcher Damen hinweg zuwinkte. Das 'Black und White' muß den Vergleich mit europäischen Clubs nicht scheuen, schick-modernes Interieur, gepflegte Menschen in erstaunlicher Vielfalt – allenfalls die Musik tendiert mehr zu Mainstream und klassischen Partyhits als ein Londoner oder Frankfurter Club der Coolness zuträglich fände. Die Klientel ist so bunt wie die Vereinten Nationen, die amerikanischen und südasiatischen Militärs erkennt man sofort, die europäisch-amerikanischen UN-Administrationsmädels ebenfalls, außerdem viel kongolesische Oberschicht und einige bunt gemischte Angestellte der großen westlichen Unternehmen. Inklusive der morbiden, ältlichen weißen Herren mit Anbandelungsbedürfnis gegenüber aufgeschärften kongolesischen Damen, versteht sich.
In meinen wilden Jahren habe ich auf reichlich vielen Parties reichlich viel Alkohol ohne Spaß gehabt, mit zunehmendem Alter jedoch bin ich am konversationslosen Rumstehen und Zappeln in Clubs nicht mehr interessiert und vermeide wenigstens den unmäßigen Alkoholgenuß und anschließenden Kater am nächsten Morgen. Am Samstag hingegen hatte ich sehr viel Spaß – ganz ohne Alkohol. Während F. in schneller Folge etliche Whiskey-Cola leerte, nippte ich an meinem Tonic und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Über die frappierenden Gegensätze, die mich nach wie vor konfus machen, den außerhalb des Büros gänzlich verwandelten Kollegen B. auf Damenjagd, die Menschen um mich herum. Schon auf der Dinnerparty hatte F. mich zum Tanzen aufgefordert, wobei mir etwas unbehaglich war, weil auf der sich auflösenden Party sonst niemand tanzte, aber auf der überfüllten Tanzfläche des Clubs sah die Sache ganz anders aus. Ich kann dem einsamen Zappeln auf dem Parkett der modernen Gesellschaft wenig abgewinnen, in den Armen eines versierten Tänzers hingegen schmelze ich dahin und bin umgehend bereit, sämtlichen anderen Wunscheigenschaften bei Männern (Intelligenz, Humor, Bildung und dergleichen) über Bord zu werfen. Wenn Männer gut tanzen, ist mir alles andere egal.** Nun gibt es einige Herren in meinem Bekanntenkreis, die sehr ordentliche Tänzer sind, solange sie eine Dame halten, alleine auf der Tanzfläche jedoch eine eher lächerliche Figur abgeben, was der Clubtauglichkeit sehr abträglich ist. Noch weniger Herren der tanzenden Minderheit nehmen die leicht antiquierte Courtoisie der Tanzfläche mit ins reale Leben. F. hingegen – tut all das, mit selbstverständlicher Unaufdringlichkeit. Beim Drängeln über die Tanzfläche oder zur Bar führte er mich immer an der Hand. In Gegenwart schubsender Partygänger zog er mich fürsorglich beiseite. Außerdem: ein fantastischer Tänzer, alleine wie zu zweit. Nun ist die Tanzfläche eines Clubs nicht der Ort für Wiener Walzer sondern eher für loses, mal-zusammen-mal-allein, mal-enger-mal-mit-Abstand tanzen und allenfalls gelegentliche Drehungen. Aber oh!.... das konnte er hervorragend. Führen. So richtig. Wie es sich gehört. Vor Drehungen und Richtungswechseln zupacken, die Partnerin heranziehen, den Schwerpunkt verlagern. Die Schritte umeinander herum koordinieren, so ausgreifend wie nötig, um einmal herumzukommen. Den begrenzten Platz optimal ausnutzen. Ich schwöre: der Mann ist ganz sicher ein fantastischer Partner, auch beim Walzer. Wir haben den größeren Teil
Womit wir mal wieder bei den Skurrilitäten des Lebens wären: ich war in Berlin, Wien und Washington, habe getanzt, gefeiert und geflirtet, aber den perfekten Gesellschafter, den besten Party-Abend – verlebe ich in Kinshasa, Demokratische Republik Kongo. Ich hatte Spaß. Aber so was von.
* Ja, hier trinken tatsächlich alle dauernd Tonic Water, wie zu Kolonialzeiten.
**Nebenbei bemerkt: ich selbst bin sicherlich keine sensationell gute Tänzerin, tanzen ist eines der sehr wenigen Dinge, die ich rasend gerne mache obwohl ich es nicht gut kann.
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Peinlich
... nein oberpeinlich. Sie sehen mich gerade leuchtendrot und schamerfüllt vorm Rechner sitzen. Drüber reden hilft mir, damit ich mich weniger geniere, also, bitte: Mittags fahren wir immer in die Bäckerei um die Ecke, ein Sandwich holen. Wenn keiner der Kollegen fährt, leiht mir meistens einer von ihnen seinen Fahrer - so auch heute. Es gibt namentlich zwei Kollegen, die so freundlich sind und ich versuche, gelegentlich zu wechseln, gewissermaßen die Last zu verteilen.
Der Fahrer bringt uns hin, läßt uns raus und parkt dann, möglichst direkt vorm Eingang. So auch heute - dachte ich. Jetzt stellt sich gerade heraus, daß ich offenbar die Fahrer verwechselt habe - die Autos sehen halt leider alle gleich aus. Jener Fahrer, der mich hingebracht hat, steht offenbar seit dreizehn Uhr vor der Bäckerei und wartet geduldig auf mich. Während ich mit irgendwem anders wieder ins Büro gefahren bin. Ich habe aber nicht die leiseste Ahnung mit wem. Warum hat der nix gesagt, der falsche Fahrer, bei dem ich mutmaßlich eingestiegen bin? Da es obendrein auch noch der Fahrer vom schönen J. war und nicht vom seniorenhaften G., wünsche ich mich gerade zehn Klafter unter die Erde. Oder nach Hause. Jedenfalls weit weg von hier.
Der Fahrer bringt uns hin, läßt uns raus und parkt dann, möglichst direkt vorm Eingang. So auch heute - dachte ich. Jetzt stellt sich gerade heraus, daß ich offenbar die Fahrer verwechselt habe - die Autos sehen halt leider alle gleich aus. Jener Fahrer, der mich hingebracht hat, steht offenbar seit dreizehn Uhr vor der Bäckerei und wartet geduldig auf mich. Während ich mit irgendwem anders wieder ins Büro gefahren bin. Ich habe aber nicht die leiseste Ahnung mit wem. Warum hat der nix gesagt, der falsche Fahrer, bei dem ich mutmaßlich eingestiegen bin? Da es obendrein auch noch der Fahrer vom schönen J. war und nicht vom seniorenhaften G., wünsche ich mich gerade zehn Klafter unter die Erde. Oder nach Hause. Jedenfalls weit weg von hier.
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Abenteuer und Tischsitten
Don Alphonso regt sich über den Verlust des Gesellschaftsfingers auf und mich dazu an, von Tischsitten zu berichten. Zu erzählen gäbe es genug: nach amerikanischer Unkultur kämpfe ich jetzt in Afrika gegen mich selbst und ermahne mich zur Toleranz, wenn meine Tischnachbarn mit einer Geräuschkulisse, die man vermutlich noch in Deutschland hören könnte, ihrem Behagen Ausdruck geben. Wenn es aber doch ein kulturell anerkannter Indikator dafür ist, daß das Essen schmeckt, kann ich mich schlecht aufregen, auch wenn es mir gelegentlich den Appetit verschlägt. Ich habe mir im Ausland zunehmend angewöhnt, Absonderlichkeiten und Härten, die mich in zu Hause in Tobsucht oder Depression versetzen würden, mit stoischem Gleichmut zu ertragen und als Abenteuer zu betrachten. Anders geht es nicht.
Meine äthiopische Mitbewohnerin in Tunis hat selbstverständlich Reis mit den Fingern gegessen. Hühnchen kommt hier häufiger am Knochen als filetiert und der Verzehr ist folglich regelmäßig eine eher unappetitlich anzuschauende Angelegenheit. Die aufrechte Haltung mit dem Prinzip: Gabel zum Mund und nicht Mund zum Teller ist fernab europäischer Tische unhaltbar, aber offenbar auch unter europäischen Kollegen nicht mehr sehr populär. Spaghetti sind immer beliebt und überall erhältlich, aber wer macht sich schon noch die Mühe und nimmt sich die Zeit, diese sorgfältig aufzuwickeln, sodaß einem nicht dauernd die Sauce am Kinn hängt? Das ist nämlich ein weitere Nebeneffekt. Die Kolonialzeiten mit ihrer Feudalherrlichkeit sind lange vorbei und so sind es nicht mehr unbedingt höhere Söhne und Töchter, die sich zum Leben in den – aus eurozentristischer Perspektive – entlegeneren Winkeln der Welt berufen fühlen. Jene einzigartige Mischung aus Neugier, hedonistischer Abenteuerlust, naivem Weltverbesserungsbedürfnis und ernsthafter Betroffenheit, die ich in vielen meiner Kollegen schätze, findet man vermutlich eher in Menschen, die nicht seit Generationen auf seidenen Kissen ruhen und teure Privatschulen besucht haben.
Natürlich vermisse ich manchmal die klar geregelten Umgangsformen, die ich im Laufe der Jahre zu schätzen gelernt habe. Ich mag es, wenn mir die Tür aufgehalten wird, ich habe ein Faible für die etwas antiquierten Rituale der Tanzfläche, ich erlebe akute Anfälle von Fremdschämen gepaart mit Widerwillen, wenn meinem Gegenüber die Spaghettisauce erst aufs Kinn und dann auf die Krawatte tropft. Kein noch so spannendes Gesprächsthema könnte mich für den Ekel bei der Aussicht auf den halbverdauten Inhalt des geöffneten Mundes meines Tischnachbarn entschädigen, bei so was vergeht mir der Appetit.
Trotzdem bin ich hier und nehme derlei Nebenwirkungen in Kauf. Auf das Risiko hin, entsetzlich borniert und versnobt zu wirken: nur eine Handvoll der neuen Bekanntschaften im vergangenen Jahr verfügten über solche Umgangsformen, die man vor einigen Jahrzehnten in der besseren Gesellschaft als tadellos bezeichnet hätte – aber die habe ich selbst auch nicht. Dafür habe ich hier im letzten Jahr Menschen von so außerordentlicher Großzügigkeit und Warmherzigkeit kennengelernt wie seit Jahren nicht mehr. Meine Kollegen hier überschütten mich mit Anregungen, wie im Herbst ein Anschlußvertrag zu bekommen sein könnte. Nehmen mich wie selbstverständlich mit zu allen Veranstaltungen und berücksichtigen bei der Aufteilung der Rechnung in den teuren Restaurants unsere unterschiedlichen finanziellen Möglichkeiten. Sie machen sich Gedanken über die Probleme dieses Landes, sind auch nach Jahren immer wieder betroffen von Mißständen, nehmen Anteil als wären sie selbst verantwortlich. Darin finde ich mich selbst wieder und genieße die Gespräche und Diskussionen so sehr, daß es mich für den Mangel an gesellschaftlicher Verfeinerung entschädigt. Das kann ich auch in zehn Jahren noch in Deutschland genießen, ebenso wie silberne Teekannen, ausladende Bücherregale mit all meinen Schätzen – und gediegene Tischsitten.
Meine äthiopische Mitbewohnerin in Tunis hat selbstverständlich Reis mit den Fingern gegessen. Hühnchen kommt hier häufiger am Knochen als filetiert und der Verzehr ist folglich regelmäßig eine eher unappetitlich anzuschauende Angelegenheit. Die aufrechte Haltung mit dem Prinzip: Gabel zum Mund und nicht Mund zum Teller ist fernab europäischer Tische unhaltbar, aber offenbar auch unter europäischen Kollegen nicht mehr sehr populär. Spaghetti sind immer beliebt und überall erhältlich, aber wer macht sich schon noch die Mühe und nimmt sich die Zeit, diese sorgfältig aufzuwickeln, sodaß einem nicht dauernd die Sauce am Kinn hängt? Das ist nämlich ein weitere Nebeneffekt. Die Kolonialzeiten mit ihrer Feudalherrlichkeit sind lange vorbei und so sind es nicht mehr unbedingt höhere Söhne und Töchter, die sich zum Leben in den – aus eurozentristischer Perspektive – entlegeneren Winkeln der Welt berufen fühlen. Jene einzigartige Mischung aus Neugier, hedonistischer Abenteuerlust, naivem Weltverbesserungsbedürfnis und ernsthafter Betroffenheit, die ich in vielen meiner Kollegen schätze, findet man vermutlich eher in Menschen, die nicht seit Generationen auf seidenen Kissen ruhen und teure Privatschulen besucht haben.
Natürlich vermisse ich manchmal die klar geregelten Umgangsformen, die ich im Laufe der Jahre zu schätzen gelernt habe. Ich mag es, wenn mir die Tür aufgehalten wird, ich habe ein Faible für die etwas antiquierten Rituale der Tanzfläche, ich erlebe akute Anfälle von Fremdschämen gepaart mit Widerwillen, wenn meinem Gegenüber die Spaghettisauce erst aufs Kinn und dann auf die Krawatte tropft. Kein noch so spannendes Gesprächsthema könnte mich für den Ekel bei der Aussicht auf den halbverdauten Inhalt des geöffneten Mundes meines Tischnachbarn entschädigen, bei so was vergeht mir der Appetit.
Trotzdem bin ich hier und nehme derlei Nebenwirkungen in Kauf. Auf das Risiko hin, entsetzlich borniert und versnobt zu wirken: nur eine Handvoll der neuen Bekanntschaften im vergangenen Jahr verfügten über solche Umgangsformen, die man vor einigen Jahrzehnten in der besseren Gesellschaft als tadellos bezeichnet hätte – aber die habe ich selbst auch nicht. Dafür habe ich hier im letzten Jahr Menschen von so außerordentlicher Großzügigkeit und Warmherzigkeit kennengelernt wie seit Jahren nicht mehr. Meine Kollegen hier überschütten mich mit Anregungen, wie im Herbst ein Anschlußvertrag zu bekommen sein könnte. Nehmen mich wie selbstverständlich mit zu allen Veranstaltungen und berücksichtigen bei der Aufteilung der Rechnung in den teuren Restaurants unsere unterschiedlichen finanziellen Möglichkeiten. Sie machen sich Gedanken über die Probleme dieses Landes, sind auch nach Jahren immer wieder betroffen von Mißständen, nehmen Anteil als wären sie selbst verantwortlich. Darin finde ich mich selbst wieder und genieße die Gespräche und Diskussionen so sehr, daß es mich für den Mangel an gesellschaftlicher Verfeinerung entschädigt. Das kann ich auch in zehn Jahren noch in Deutschland genießen, ebenso wie silberne Teekannen, ausladende Bücherregale mit all meinen Schätzen – und gediegene Tischsitten.
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Finanzkrise- hier nicht
damenwahl | 06. August 09 | Topic 'Finanzkrise'
In Washington gehörte die Finanzkrise gewissermaßen zu meinem beruflichen Wirkungskreis, hier hingegen scheinen diese Probleme so unendlich weit weg. Und: behandelbar, verglichen mit den strukturellen Defiziten in diesem Land.
Nachdem Don Alphonso sich des Themas wie auch der britischen Silberkannen mal wieder angenommen hat*, dachte ich: "ja, da war doch was". Dann verbringe ich einen halben Vormittag damit, ein bißchen zu gucken, hier und da. Und lese mich jedes Mal hier fest. Klug, beschreibt es in einem Wort. Den verlinkten Beitrag To catch a thief - wenngleich schon etwas älter - mag ich besonders gern.
Hiermit habe ich meine Pflicht für heute getan, Sommerloch mit dünnem Brett überbrückt. Oder?
*Ich will endlich auch welche kaufen können.
Nachdem Don Alphonso sich des Themas wie auch der britischen Silberkannen mal wieder angenommen hat*, dachte ich: "ja, da war doch was". Dann verbringe ich einen halben Vormittag damit, ein bißchen zu gucken, hier und da. Und lese mich jedes Mal hier fest. Klug, beschreibt es in einem Wort. Den verlinkten Beitrag To catch a thief - wenngleich schon etwas älter - mag ich besonders gern.
Hiermit habe ich meine Pflicht für heute getan, Sommerloch mit dünnem Brett überbrückt. Oder?
*Ich will endlich auch welche kaufen können.
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