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Insel




Und ich war sogar fleißig. Manchmal.

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Gestrandet...
... oder jedenfalls beinahe. Schon beim Erwerb meiner Fahrkarte Mitte der Woche hatte man mir empfohlen, am Samstag abend noch einmal die Abfahrtszeit des Schiffes am Sonntag morgen bestätigen zu lassen. Der Sturm, der meine Wenigkeit gestern fast vom Deich gedrückt hätte, drückte heute morgen das Wasser aus der ohnehin flachen Fahrrinne zum Festland. Hochwasser war schon früh um sieben und dennoch reichte das Zeitfenster gerade für eine Überfahrt – leider in der entgegengesetzten Richtung für anreisende Personen. Nachdem ich morgens um sechs (!) Uhr mein Bett abgezogen und die restlichen Lebensmittel weggeschmissen hatte, war mir keineswegs nach einem Tag unfreiwilliger Urlaubsverlängerung zumute. Immerhin hatte mir das unchristlich frühe Aufstehen einen einmaligen Anblick beschert: die Insel verfügt über einen motorisierten Schneepflug. Mit Otto-Motor. Nicht zu fassen – und so was nennt sich Luftkurort.
Um halb acht standen dreißig verwirrte Passagiere am Bahnhof, um halb neun versammelten wir uns alle wie die Lemminge an dem kleinen Inselflughafen vor vorerst verschlossenen Türen. Schiff heute Abend – unsicher. Schiff morgen früh – ebenfalls unsicher, selbst wenn der Wind nachließe, würden die niedrigen Temperaturen möglicherweise den Hafen mit Eis außer Gefecht setzen. Hätte der Gastwirt des Restaurants gegenüber ökonomischen Sachverstand besessen, hätte er ein gutes Geschäft machen können – hatte er aber nicht und so warteten wir alle in der Vorhalle des Flughäfchens und tranken Spülwasser-Kaffee aus dem Automaten. Da die kleinen Maschinen auf Sicht ohne Instrumente fliegen, die Startbahn verscheint und der Hangar zugeweht war, warteten wir bis auf weiteres auf bessere Zeiten. Ich hatte immerhin Glück mit meinem Platz mit dem Rücken zur Heizung, man wird ja bescheiden in solchen Situationen mit seinen Ansprüchen. Mir gegenüber ein jovialer Familienvater, der meinen eher trivialen und kaum 300 Seiten dicken Roman kommentierte: er lese gar nicht. Vielleicht ein Buch pro Jahr – lesen sei nicht so seine Sache, und er habe auch gar keine Zeit für sowas, bei acht Kindern. Sein wichtigtuerisches Rumgespiele mit dem Apfel-Handy – hach! die leidige Wartezeit... – passte schlecht zur jungenhaften Aufregung über den Flug. Eine Abiturientin im Freiwilligen Ökologischen Jahr (Vogelzählen!) hatte zu dem Zeitpunkt schon aufgegeben und war wieder nach Hause gegangen. Eine andere junge Frau mußte noch bis München – hatte aber keinerlei Erkundigungen über Zugverbindungen vom Festland aus eingezogen, womit ich freundlich aushelfen konnte. Am Ende bot ihr ein Pärchen an, sie im Auto bis Oldenburg mitzunehmen – nachdem ich versichert hatte, die A29 führe an Oldenburg vorbei. Regionalkenntnis und so. Ich tue nur so als sei ich Westfale, eigentlich bin ich ein Nordlicht. Um zehn landete die erste kleine Propellermaschine: oh! ah! so klein! bei den übrigen Passagieren, für die dies eine neue Erfahrung war.
Um elf aus der Luft wurde dann auch völlig klar, warum das mit den Schiffen nicht ging: die Fahrrinne war wirklich völlig trockengefallen und kaum noch ein Bächlein, während die Schiffe mit ihrem Tiefgang wenigstens 1,50m Wasser unterm Kiel benötigen. Trotzdem eine wunderbare Aussicht, die ich jedes Mal genießen kann, ganz gleich wie ruckelig der Flug ist. Glücklich auf dem Festland angekommnen, bot das freundliche Flughafenpersonal (Deutsche Bahn könnte sich ein Vorbild daran nehmen) sogar einen Transfer zur Bushaltestelle an – vergebens, da die Busse nicht fuhren. Schneeverwehungen auf den Straßen und so, sämtliche Busse gestrichen. Während ich zum wiederholten Mal die Vorstellung einer Nacht in diesem gottverlassenen Kaff niederkämpfte und verschiedene Pläne zur Weiterreise erwog, ergab sich die Gelegenheit, mit anderen Leidensgefährten ein Taxi zu teilen. Ein Ehepaar, eine alleinreisende Mutter auf Urlaub von den Kindern, ich und eine resolute Taxifahrerin. Wider jede Erwartung – wir waren alle auf das Schlimmste gefasst, erwarteten endzeitähnliche Zustände und Chaos – war die Straße völlig frei. Nicht perfekt geräumt natürlich, langsam fahren war klug, aber wir brauchten kaum länger als unter normalen Umständen. Der Wind hatte den Schnee zuweilen in kuriose Formen geweht, zu kleinen Gebirgen am Straßenrand aufgetürmt und die Landschaft war herrlich wie ein Kunstwerk anzuschauen, aber Hindernisse? gab es keine.
Das Ehepaar war vor einer Woche mit mir auf demselben Schiff gewesen und mir da schon sonderbar vorgekommen – was sich beim Aussteigen bestätigte, schlug der Mann doch tatsächlich vor, das Taxi durch drei zu teilen: er und seine Frau seien schließlich eine Gruppe. Während ich mal wieder zu schüchtern war und anstandslos bezahlt hätte, setzte sich die resolute Familienmutti durch und am Ende wurde durch vier geteilt. Mancher Menschen Verhalten hinterläßt mich sprachlos.
Schneechaos hin oder her, der Rest der Heimreise verlief erstaunlich problemlos. Am allerersten Provinzbahnhof belegte mir die freundliche Betreiberin – die vorigen Sonntag so nett mit ihren einheimischen Gästen geplauscht hatte – eine Laugenstange ganz nach meinen Wünschen, im ersten Bummelzug war nur in einem von vier Waggons die Heizung ausgefallen und überhaupt waren alle meine Züge einwandfrei pünktlich. Sieht man davon ab, daß ich für die ersten zwei Kilometer vier Stunden brauchte, hätte es schlimmer kommen können.
Um halb acht standen dreißig verwirrte Passagiere am Bahnhof, um halb neun versammelten wir uns alle wie die Lemminge an dem kleinen Inselflughafen vor vorerst verschlossenen Türen. Schiff heute Abend – unsicher. Schiff morgen früh – ebenfalls unsicher, selbst wenn der Wind nachließe, würden die niedrigen Temperaturen möglicherweise den Hafen mit Eis außer Gefecht setzen. Hätte der Gastwirt des Restaurants gegenüber ökonomischen Sachverstand besessen, hätte er ein gutes Geschäft machen können – hatte er aber nicht und so warteten wir alle in der Vorhalle des Flughäfchens und tranken Spülwasser-Kaffee aus dem Automaten. Da die kleinen Maschinen auf Sicht ohne Instrumente fliegen, die Startbahn verscheint und der Hangar zugeweht war, warteten wir bis auf weiteres auf bessere Zeiten. Ich hatte immerhin Glück mit meinem Platz mit dem Rücken zur Heizung, man wird ja bescheiden in solchen Situationen mit seinen Ansprüchen. Mir gegenüber ein jovialer Familienvater, der meinen eher trivialen und kaum 300 Seiten dicken Roman kommentierte: er lese gar nicht. Vielleicht ein Buch pro Jahr – lesen sei nicht so seine Sache, und er habe auch gar keine Zeit für sowas, bei acht Kindern. Sein wichtigtuerisches Rumgespiele mit dem Apfel-Handy – hach! die leidige Wartezeit... – passte schlecht zur jungenhaften Aufregung über den Flug. Eine Abiturientin im Freiwilligen Ökologischen Jahr (Vogelzählen!) hatte zu dem Zeitpunkt schon aufgegeben und war wieder nach Hause gegangen. Eine andere junge Frau mußte noch bis München – hatte aber keinerlei Erkundigungen über Zugverbindungen vom Festland aus eingezogen, womit ich freundlich aushelfen konnte. Am Ende bot ihr ein Pärchen an, sie im Auto bis Oldenburg mitzunehmen – nachdem ich versichert hatte, die A29 führe an Oldenburg vorbei. Regionalkenntnis und so. Ich tue nur so als sei ich Westfale, eigentlich bin ich ein Nordlicht. Um zehn landete die erste kleine Propellermaschine: oh! ah! so klein! bei den übrigen Passagieren, für die dies eine neue Erfahrung war.
Um elf aus der Luft wurde dann auch völlig klar, warum das mit den Schiffen nicht ging: die Fahrrinne war wirklich völlig trockengefallen und kaum noch ein Bächlein, während die Schiffe mit ihrem Tiefgang wenigstens 1,50m Wasser unterm Kiel benötigen. Trotzdem eine wunderbare Aussicht, die ich jedes Mal genießen kann, ganz gleich wie ruckelig der Flug ist. Glücklich auf dem Festland angekommnen, bot das freundliche Flughafenpersonal (Deutsche Bahn könnte sich ein Vorbild daran nehmen) sogar einen Transfer zur Bushaltestelle an – vergebens, da die Busse nicht fuhren. Schneeverwehungen auf den Straßen und so, sämtliche Busse gestrichen. Während ich zum wiederholten Mal die Vorstellung einer Nacht in diesem gottverlassenen Kaff niederkämpfte und verschiedene Pläne zur Weiterreise erwog, ergab sich die Gelegenheit, mit anderen Leidensgefährten ein Taxi zu teilen. Ein Ehepaar, eine alleinreisende Mutter auf Urlaub von den Kindern, ich und eine resolute Taxifahrerin. Wider jede Erwartung – wir waren alle auf das Schlimmste gefasst, erwarteten endzeitähnliche Zustände und Chaos – war die Straße völlig frei. Nicht perfekt geräumt natürlich, langsam fahren war klug, aber wir brauchten kaum länger als unter normalen Umständen. Der Wind hatte den Schnee zuweilen in kuriose Formen geweht, zu kleinen Gebirgen am Straßenrand aufgetürmt und die Landschaft war herrlich wie ein Kunstwerk anzuschauen, aber Hindernisse? gab es keine.
Das Ehepaar war vor einer Woche mit mir auf demselben Schiff gewesen und mir da schon sonderbar vorgekommen – was sich beim Aussteigen bestätigte, schlug der Mann doch tatsächlich vor, das Taxi durch drei zu teilen: er und seine Frau seien schließlich eine Gruppe. Während ich mal wieder zu schüchtern war und anstandslos bezahlt hätte, setzte sich die resolute Familienmutti durch und am Ende wurde durch vier geteilt. Mancher Menschen Verhalten hinterläßt mich sprachlos.
Schneechaos hin oder her, der Rest der Heimreise verlief erstaunlich problemlos. Am allerersten Provinzbahnhof belegte mir die freundliche Betreiberin – die vorigen Sonntag so nett mit ihren einheimischen Gästen geplauscht hatte – eine Laugenstange ganz nach meinen Wünschen, im ersten Bummelzug war nur in einem von vier Waggons die Heizung ausgefallen und überhaupt waren alle meine Züge einwandfrei pünktlich. Sieht man davon ab, daß ich für die ersten zwei Kilometer vier Stunden brauchte, hätte es schlimmer kommen können.
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Dummheit...
... hat auch einen Namen: Damenwahl. Ich hätte schon darauf kommen können, daß laufen gehen bei Windboen bis 70 km/h keine brillante Idee ist, aber ich wollte unbedingt noch einmal das Meer sehen. Eigentlich gedachte ich, Richtung Osten am Strand entlang und je nach Wetter entweder auf dem Deich oder im Windschatten der Dünen auf der Innenseite zurückzulaufen. Das, begriff ich am Strand sofort, war völlig idiotisch – ich hätte gegen den Wind am Meer laufen müssen. Die andere Richtung hingegen ging prima, nachdem ich mich durch den tiefen Sand gekämpft hatte. Es weht tüchtig seit gestern Abend, über dem Schnee liegt schon wieder Sand, an manchen Stellen fast wie Schichtpudding, zum Wasser hin ein breiter Strandstreifen trockengefallen bei Ebbe und weitgehend fest – alles wunderbar.
Um nicht dauernd Bögen um die Wellenbrecher herum schlagen zu müssen, bin ich über die Steine gehüpft wie ein Pferdchen, unter den Schuhen krachten die Muscheln und ich wünschte, es wäre Sommer und ich könnte barfuß laufen und den Sand zwischen den Zehen spüren. Der Wind schob mich über die einsame Fläche wie eine kalte Hand zwischen den Schulterblättern, trieb immer wieder Schwaden von Sand über die Fläche wie Geister, die vor mir flüchten und während die Wellen sich am Strand brachen, wurde ich in Glückshormonen ertränkt: ganz allein, alles meins!
Bei jedem Schritt wußte ich: Du solltest umkehren, Du wirst es bereuen auf dem Rückweg, gegen den Wind, aber weil ich dumm bin und alles so schön war, bin ich gelaufen, bis es nicht mehr weiterging. Da war ich schon einige Meter hinter dem letzten Dünenübergang, rauf auf die Betonbefestigung und umkehren. Der Wind hat mich fast umgehauen, nach Luft zu schnappen war ein Fehler, danach hatte ich Sand im Mund, Sand in den Augen, Sand in der Nase. Mit zusammengekniffenen Augen kämpfte ich mich voran, vorwärts gehen eine Qual wegen der piekenden Sandkörner im Gesicht, rückwärts auch nicht gut über die Sand- und Schneeverwehungen hinweg. Die hundert Meter zurück dauerten eine Ewigkeit und als der Wind auf der Innenseite der Dünen nachließ, hatte ich weiche Knie – aber umkehren? Niemals. Der Wind heulte hörbar über das Heidekraut, so daß ich sekundenlang nach Flugzeugen in der Luft Ausschau hielt und dann erreichte ich den Deich und neue Dimensionen der Reue. Ich kam kaum noch vom Fleck und die Strecke bis zur ersten Kurve dehnte sich endlos. Der Wind wehte mir fast stetig entgegen, man konnte sich anlehnen wie an einen unzuverlässigen Verehrer, der gerade dann losläßt, wenn man sich an den Widerstand gewöhnt hat. Auf der einen Seite öde Heidelandschaft, auf der anderen nicht minder ödes Watt und keine Wahl: immer weiter geradeaus. Kein Spaß, wirklich nicht. Erstaunlich was eine lächerliche Kurve ausmachen kann, dann die wenigen Höhenmeter vom Deich hinunter, endlich kam ich wieder vom Fleck und die Dächer des Dorfes schienen nicht mehr endlos weit entfernt. Ich bin ja ein Sturkopf und genauso weit gelaufen, wie ich geplant hatte und noch ein bißchen weiter, aus Prinzip – vom Wind wollte ich mich nicht unterkriegen lassen. Zuhause den halben Nordseestrand aus den Schuhen geschüttet und dann ein Bad. Nichts ist herrlicher als das Plätschern des Wassers, die Wärme prickelt auf der Haut, und vorm Fenster wütet immer noch der Wind, aber mir kann er nichts mehr anhaben.
Hat sich der Kampf gelohnt? Immer, aber für heute bin ich bedient.
Um nicht dauernd Bögen um die Wellenbrecher herum schlagen zu müssen, bin ich über die Steine gehüpft wie ein Pferdchen, unter den Schuhen krachten die Muscheln und ich wünschte, es wäre Sommer und ich könnte barfuß laufen und den Sand zwischen den Zehen spüren. Der Wind schob mich über die einsame Fläche wie eine kalte Hand zwischen den Schulterblättern, trieb immer wieder Schwaden von Sand über die Fläche wie Geister, die vor mir flüchten und während die Wellen sich am Strand brachen, wurde ich in Glückshormonen ertränkt: ganz allein, alles meins!
Bei jedem Schritt wußte ich: Du solltest umkehren, Du wirst es bereuen auf dem Rückweg, gegen den Wind, aber weil ich dumm bin und alles so schön war, bin ich gelaufen, bis es nicht mehr weiterging. Da war ich schon einige Meter hinter dem letzten Dünenübergang, rauf auf die Betonbefestigung und umkehren. Der Wind hat mich fast umgehauen, nach Luft zu schnappen war ein Fehler, danach hatte ich Sand im Mund, Sand in den Augen, Sand in der Nase. Mit zusammengekniffenen Augen kämpfte ich mich voran, vorwärts gehen eine Qual wegen der piekenden Sandkörner im Gesicht, rückwärts auch nicht gut über die Sand- und Schneeverwehungen hinweg. Die hundert Meter zurück dauerten eine Ewigkeit und als der Wind auf der Innenseite der Dünen nachließ, hatte ich weiche Knie – aber umkehren? Niemals. Der Wind heulte hörbar über das Heidekraut, so daß ich sekundenlang nach Flugzeugen in der Luft Ausschau hielt und dann erreichte ich den Deich und neue Dimensionen der Reue. Ich kam kaum noch vom Fleck und die Strecke bis zur ersten Kurve dehnte sich endlos. Der Wind wehte mir fast stetig entgegen, man konnte sich anlehnen wie an einen unzuverlässigen Verehrer, der gerade dann losläßt, wenn man sich an den Widerstand gewöhnt hat. Auf der einen Seite öde Heidelandschaft, auf der anderen nicht minder ödes Watt und keine Wahl: immer weiter geradeaus. Kein Spaß, wirklich nicht. Erstaunlich was eine lächerliche Kurve ausmachen kann, dann die wenigen Höhenmeter vom Deich hinunter, endlich kam ich wieder vom Fleck und die Dächer des Dorfes schienen nicht mehr endlos weit entfernt. Ich bin ja ein Sturkopf und genauso weit gelaufen, wie ich geplant hatte und noch ein bißchen weiter, aus Prinzip – vom Wind wollte ich mich nicht unterkriegen lassen. Zuhause den halben Nordseestrand aus den Schuhen geschüttet und dann ein Bad. Nichts ist herrlicher als das Plätschern des Wassers, die Wärme prickelt auf der Haut, und vorm Fenster wütet immer noch der Wind, aber mir kann er nichts mehr anhaben.
Hat sich der Kampf gelohnt? Immer, aber für heute bin ich bedient.
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