Montag, 21. Februar 2011
Ehrlich währt am längsten...
... sagt man ja so, gemeinhin. Bei dem ein oder anderen Karrieristen aus meiner Vergangenheit, deren hervorstechendste Eigenschaft sicher nicht die Ehrlichkeit war, warte ich noch auf das Eingreifen der himmlischen Gerechtigkeit, und manchmal zweifele ich sehr an deren Existenz.

Die liebe Frau Nessy hat sachlich schon alles gesagt, was es zu unserem Nationalhelden b.a.w. zu sagen gibt und ich stimme vollumfänglich zu. Eigentlich müßte ich mich jetzt entschuldigen und auf einem Bein in die nächste Ecke stellen zum Fremdschämen – ich habe nach aktueller Zählung mindestens 6 Personen in meinem virtuellen Freundeskreis, die (in einem Anfall geistiger Umnachtung?- ich gebe die Hoffnung nicht auf) den Like-Button dieser unsäglichen FB-Unterstützergruppe geklickt haben. Wen muß ich jetzt zuerst aus meinem Netzwerk löschen? Die evangelikalen Missionare aus der amerikanischen Schulzeit, oder doch diese Hohlfritten? Eigentlich möchte man ja mit so etwas wirklich nicht befreundet sein. Bei den üblichen Verdächtigen konservativ-bayerischer Provenienz verstehe ich das noch, da sind vielleicht dreißig Jahre familiäre Prägung so übermächtig, daß man nichts anderes erwarten konnte (und einige davon würde ich bei allem Wohlwollen nicht direkt zu den hellsten Köpfen meines Freundeskreises zählen). Völlig sprachlos hinterläßt mich jedoch das Mitgefühl einer durchaus nicht dummen, höchstselbst promovierten Juristin in leitender Position für die aktuelle Bredouille für den Kerl. Daß Personen, die nie ihr Doktorandenbrot mit Tränen assen die Leistung eines echten Wissenschaftlers nicht zu schätzen wissen – gut. Daß der Handwerker Max Mustermann nach all den Berichten über plagiierende Studenten und gekaufte Titel meint, es würden eh alle Wissenschaftler voneinander abschreiben – geschenkt. Aber wie kann jemand, der selbst ein paar hundert Seiten verfasst hat, Verständnis für sowas haben?

Ich für meinen Teil habe keines, und hätte auch keines gehabt, wenn er Superman, Gandhi und der Vater meiner Kinder in Personalunion gewesen wäre. Im Rahmen meiner – seltenen – Aufgaben als universitäre Autoritätsperson mußte ich letzte Woche Aufsätze für einen Wettbewerb sichten und Vornoten verteilen. Und stieß auf ein Werk, das meine Aufmerksamkeit erregte. In Struktur und Inhalt von der durchschnittlichen Sorte (eher obere Hälfte): ein paar ganz kluge Gedanken, aber etwas kursorisch und ziellos im Aufbau. Ein längerer Verweis auf ein Beispiel aus Schwarzafrika ließ mich mutmaßen, ob es sich wohl um einen afrikanischen Studenten handeln könnte, so daß ich erst mal meine Sympathie-Reflexe zügeln mußte. Andererseits passten allerlei andere Beispiele nicht so recht dazu, namentlich ein eher unangebrachter Bezug auf die USA mit besitzanzeigendem Fürwort. Und der Wechsel zwischen einwandfreiem, sehr gediegenen Englisch und stümperhaften Fehlern in Satzbau und Rechtschreibung. In einer Einfrau-Wikiplag-Aktion stellte sich heraus: alles ganz frech von verschiedenen Homepages – Wikipedia, diversen Universitätsseiten – abgeschrieben. Genauer gesagt: ganze Abschnitte unverändert kopiert.

Es ist mir völlig rätselhaft, wie man so etwas tun kann – man lernt doch heutzutage vom ersten Semester an, daß abschreiben verboten ist und nicht mit dem obligatorischen Spicker in der Mittelstufe zu vergleichen. Eines der wenigen Dinge, die ich seinerzeit in der amerikanischen Provinz uneingeschränkt zu schätzen wußte, war die Mentalität in der Schule. Lehrer konnten bei Prüfungen tatsächlich zwischendurch einen Kaffee trinken gehen – denn spicken oder abschreiben widersprach dem Ehrgefühl und war für niemanden eine Option. So einfach. Was geht in einer Gesellschaft kaputt, wenn selbst exponierte Personen kein Unrechtsbewußtsein für solche Taten mehr haben?

Irgendein Journalist hat es heute auf den Punkt gebracht: entweder er hat es schreiben lassen – dann hat er gelogen. Oder er hat selbst geklaut – dann hat er auch gelogen. Weiterhin wird ausgerechnet ein Mitglied der Prüfungskommission als Vertrauensmann hinzugezogen (hallo?... das ist, als würde man die Frösche bitten, den Teich trockenzulegen) und große Teile der Allgemeinheit finden das alles in Ordnung und können an dem Vorgang nichts verwerfliches finden? Diese idiotische FB-Gruppe mit den Poser-Fotos im Militärdress hat inzwischen tatsächlich über 150.000 Anhänger – das verschlägt mit die Sprache. Andererseits hat der Mann möglicherweise genau die Klientel, die er verdient:

Person 1: „Also ich glaube hier haben die wenigstens Poster Ahnung von den Ausmaßen des Sachverhaltes. Ich bin selbst Dokterant und arbeite seit mehreren Jahren an meiner Dissertation und darüber hinaus habe ich mir selbst einen Eindruck verschafft un...d KT's Diss in Teilen gelesen.
Es ist das ist ein massives Plagiat, das ist offensichtlich und für jeden nachvollziehbar. Aller Vermutung nach hat er es nicht selbst geschrieben; da er so doff wahrscheinlich auch nicht ist.“
Person 2: „Als Doktorant "doff" und doktErant schreiben. Ist ja witzig. Ich halt Guttenberg für einen der fähigsten Minister zur Zeit. Und ich kann mich einigen meiner Vorpostern nur anschließen, dass es vielen Leuten unbekannt war, dass er überhaupt promoviert hat und dass ihm dieser Titel in der Politik hilft... ."
Wahrscheinlich hat er damals, als die Zeitungen sich über das „Kairos“ amüsierten, gedacht, es ginge um die Stadt am Nil.

Person 3: „Bis jetzt steht KT`s Beurteilung unter den befragten Teilnehmern allein bei t-online im Verhältnis zu seinen Gegnern prognostisch ziemlich genau im GOLDENEN SCHNITT der Kosmischen Kräfte und zwar sogar über 62 Prozent, bei 63.4 Prozent, der Teilnehmer sind seiner Sympatisanten. Das heißt, er ist auf der göttlich positiven Seite und wird diesen Prozess mit absoluter Sicherheit gewinnen, was wir ihm auch alle wünschen.“

Und wahre Fans reisen ihrem Idol eh hinterher, scheint es: „Hochachtung! Zu Guttenberg spricht gerade in Kelkheim und entschuldigt sich bei den nicht genannten Quellen. Die Doktorarbeit habe Fehler, die sich über 7 Jahren angesammelt haben. Er hat klare Worte gefunden und jetzt sehe ich Ihn noch positiver. Hut ab!“

Andererseits: in der Kürze liegt die Würze: „KTG ist und bleibt der Doktor unserer Herzen!!!!“ von Maxi. Und „Ehrlich währt am längsten (Sprichwort)“ ich hoffe er bleibt so.“ - ich fürchte, nicht ironisch gemeint. Die sehen das so. Sollte der Mann jemals Kanzler werden, heirate ich meinen ägyptischen Dauerverehrer und gebe die deutsche Staatsbürgerschaft ab. Versprochen.

Ein kläglicher Trost ist es mir, daß es am Wochenende bei einem Fest in durchaus konservativen Kreisen keiner gewagt hat, sich für den Übeltäter auszusprechen – aber 6 Personen in meinem Freundeskreis mit Sympathien für Ideenklau, Betrug und Hochstapelei sind mir immer noch 6 zuviel. Ich glaube, ich gehe mich jetzt noch eine Runde fremdschämen. Oder lösche die Kontakte aus meinem Profil – sieht ja keiner, wenn man Kontakte abbricht.

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Freitag, 11. Februar 2011
Eigentlich...
... wollte ich ja nach Kairo, aber wenn das nicht geht, dann muß ich mir eine Ersatzbefriedigung suchen. Nachdem Orte mit Reisewarnung gerade off-limits sind, schaue ich mich in der näheren Umgebung um.

Skifahren dieses Wochenende will niemand. Leider.

Dafür nächste Wochenende: Frankfurt. Ich fange dann mal an, Kaffeedates zu organisieren. Da bekomme ich schlimmstenfalls einen Kaffeeschock, und der schmeißt nicht mal meine hyperprotektiven Eltern aus der Bahn. Yay.

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Donnerstag, 10. Februar 2011
Wann ist man ein Held?
Ich war nie ein Kind von Traurigkeit, wenn es darum ging, mich in Abenteuer zu stürzen. Mit sechzehn alleine nach Amerika, mit Mitte zwanzig dann Marokko, wenig später Ägypten, Tunis und dann Kongo. Mit Ausnahme der letzten Station waren das alles nicht gerade Risikoländer, aber ich hatte natürlich gehörigen Respekt davor, mich in ein Flugzeug zu setzen ohne genau zu wissen, was mich – je nach Situation – am anderen Ende der Reise erwarten würde. Manchmal Freunde Gastfamilien, manchmal Taxifahrer, manchmal niemand. Es ist bisher immer gut gegangen, und gerade im Kongo hatte ich ja einen verläßlichen Arbeitgeber, hinter dessen breitem Rücken ich mich notfalls würde verstecken können.

Dieses Mal war anders. Ich habe mich gestern nachmittag ins Bett gelegt und bin 24h nicht mehr aufgestanden, erschöpft von der Agonie einer mühsamen Entscheidungsfindung, bei der ich immerhin auch einiges über mich gelernt habe.
Ich wollte - das konnte ja niemandem entgehen - von Anfang an unbedingt nach Kairo. Dabei sein. Darüber schreiben. Es war nicht immer klar, zu welchen Konditionen, wer bezahlt die Reisekosten, wie versichert man eine solche Reise, wer publiziert, was ich berichten könnte, und wer holt mich raus, wenn meine Abenteuerlust gewaltig daneben geht?

Die letzten beiden Punkte waren am Ende die entscheidenden, mit deren Bewertung meine Entscheidung stand und fiel, und das wie ein Stehaufmännchen. Wie in einem Kaleidoskop fielen mir immer neue Gegengründe und Risiken ein - und dem begegnete immer wieder das Gefühl, da unbedingt hinzumüssen. Ich kann das nicht erklären - es war einfach so. Die machen Geschichte, ich wollte dabei sein.

Ich bin der felsenfesten Überzeugung, daß Ägypten in dieser Situation Journalisten braucht. Öffentlichkeit schafft Sicherheit im Land, wo andauernde Berichterstattung sicherlich dazu beigetragen hat, am Dienstag neue Massen zu motivieren. Berichterstattung sorgt auch dafür, daß festgenommene Personen – von ägyptischen Aktivisten bis zu deutschen Journalisten – wieder freikommen, oder gleich frei bleiben. Und schließlich sorgt Öffentlichkeit auch dafür, daß internationaler Druck auf das Regime erhalten bleibt. Lange habe ich mit mir gerungen, ob ich überhaupt einen nennenswerten Beitrag leisten kann zur Publizität. Nett schreiben zu können ist schließlich noch keine Qualifikation zum Krisenreporter, und auch Verhandlungs- und Krisentrainings sind am Ende nur graue Theorie – gegenüber der Praxis, die zum Teil in den vergangenen Tagen in Farbe über die Bildschirme flimmerte. Möglicherweise, so überlegte ich, habe ich mehr Herz für das Land und Ansätze von Landeskenntnis aufgrund früherer Aufenthalte – dafür fehlt mir allerdings die Sicherheit eines großen Hofstaats von Kollegen. Sicherheitstechnisch hätte man dafür natürlich auch argumentieren können, daß ich mehr als Rucksacktouristin denn als Journalistin gefahren wären und damit in bestimmten Punkten möglicherweise unterhalb des Radars geflogen wäre.

Viele komplizierte Überlegungen habe ich angestellt über den gesellschaftlichen Nutzen eines solchen Unterfangens. Denn den muß es geben. Jeder Krisenreporter wie auch jeder, der in riskanten Ländern arbeitet, hat ein Abenteuergen in sich. Es ist verdammt cool, Khartoum oder Kabul als Arbeitsort angeben zu können, das private Umfeld zu Hause gruselt sich so schön fasziniert, wenn man von solchen Orten berichtet, und nicht zuletzt beweist man auch sich selbst, was für ein harter Hund (oder harte Hündin) man ist. Spaß an Grenzerfahrungen gehört ebenfalls dazu, ausgeprägte Neugier auf fremde Länder wie auch das Gefühl der Langeweile bei normalen Berufen. Kurz: niemand, der so etwas machen möchte, tut es ausschließlich aus altruistischen Gründen. Behaupte ich, aus eigener Erfahrung und meiner Einschätzung von Kollegen. Wieviel Altruismus im Einzelfall drinsteckt, sieht man den Leuten nicht an. Trotzdem finde ich, daß die Risiken eines gesellschaftlichen Auftrags zur Legitimation bedürfen. Jeder würde wohl zustimmen: es muß Journalisten geben, die von solchen Orten berichten. Ohne couragierte Einzelpersonen wüssten wir nichts über die Apartheid, den Fall der Berliner Mauer oder den Krieg in Afghanistan. Jeder Berichterstatter und Helfer geht Risiken ein, die immer auch die Familie berühren, in manchen Fällen sogar die Gesellschaft insgesamt. Man denke nur an Susanne Ostmann, die damals im Irak sicherlich gute Arbeit machte, aber eben auch sehr leichtsinnig war und am Ende vom AA auf Kosten des Steuerzahlers befreit werden mußte.

Als vernunftbegabter Mensch informiert man sich gut, besorgt sich passende Versicherungen, wägt die Restrisiken ab und schätzt ein, wieviel Leichtsinn übrig bleibt. Denn der ist immer im Gepäck. Die Risiken sind nicht abschätzbar, schon gar nicht beim ersten Mal, und damit muß man sagen: jeder Trip solcher Art enthält ein Teilchen Leichtsinn. Wo aber verlaufen die Grenzen zwischen den vertretbaren Risiken für eine sinnvolle Aufgabe und reinem Leichtsinn aus Abenteuerlust?

Nach vierzehn Tagen endloser Überlegungen habe ich immer noch keine Antwort gefunden. Hätte mir eine Zeitung Öffentlichkeit und Rückendeckung zugesagt, ich wäre jetzt inmitten der jubelnden Massen auf dem Tahrir. Die Risiken mit einer Zeitung im Rücken hätte ich überschaubar gefunden, eine der Nutznießer hätte Mitverantwortung übernommen und meine Familie entlastet - das hätte ich daher als vertretbar eingestuft. Leider kam es anders. Einen Abnehmer meiner Berichte hätte es wohl gegeben, aber im Krisenfall wäre ich auf mich alleine gestellt gewesen – und auch wenn ich fast jede Stunde wieder mit mir ringe, habe ich mich unter diesen Umständen dagegen entschieden. Mit bleischwerem Herzen und bitterer Enttäuschung über die verpasste Chance.

Es gibt für solche Dinge immer ein erstes Mal und vermutlich gab es viele Menschen vor mir, die sich für das Risiko entschieden haben – obwohl sie alleine waren, ohne gemütlich geteilte Verantwortung mit den breiten Schultern eines Unternehmens. Andere wiederum machen so etwas überhaupt nur, wenn sie das Sicherheitsnetz einer Organisation unter sich wissen. Ich habe nach endlosem Ringen entschieden, daß ich das nicht machen kann. Hätte es nämlich jemand anderen als mich betroffen und wäre schief gegangen, ich hätte gesagt: wie verantwortungslos. Alleine, als Frau, ohne Erfahrung in akuten Krisensituationen, ohne Rückendeckung, in solche Risiken: das geht nicht. Aus Verantwortung und Rechenschaft gegenüber meiner Familie, meinen Freunden, aber auch gegenüber der Gesellschaft, die vielleicht am Ende mit dem Finger auf mich leichtsinniges Huhn gezeigt hätte.

Wenn Menschen so etwas machen, entscheidet vermutlich am Ende der Erfolg über die Bewertung. Möglicherweise, wäre ich jetzt dort, würde ich teilnehmen an der Geschichte und könnte darüber berichten. Wer weiß, welche Gesprächspartner oder Abenteuer mit gutem Ausgang dort auf mich gewartet hätte. Vielleicht hätte ich den Grundstein für eine journalistische Karriere gelegt oder wäre eine Heldin der Live-Berichterstattung geworden. Meine Eltern wären stolz gewesen, die Zweifler der letzten Tage hätten sich in den hinteren Reihen für ihr Découragement meiner Person geschämt und die Öffentlichkeit hätte gesagt: Wie mutig! Wie gut, daß es solche Menschen gibt!

Vielleicht aber auch hätte mich die Polizei fünf Tage lang festgesetzt, mir ein paar blaue Flecken verpasst, ich hätte meinen Arbeitgeber verärgert, der Familie viel Leid und Sorge bereitet und wäre ein Klotz am Bein irgendwelcher diplomatischen Stellen gewesen. Dann hätte die Öffentlichkeit mit dem Finger auf mich gezeigt, wie damals auf Susanne Ostmann, und geurteilt: Wie leichtsinnig! Wie dämlich muß so jemand sein!

Ich werde nie wissen, wie es ausgegangen wäre. Man könnte sagen, ich war zu vernünftig, um unüberschaubare Risiken einzugehen für eine eher unwesentliche Verbesserung der deutschen Presselandschaft. Man könnte auch sagen, ich hatte nicht genug A*sch in der Hose, um für das einzustehen, wovon ich zutiefst überzeugt bin. Keine Ahnung, was richtig ist.

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