Familienidyll
Niemals langweilig wird es nicht nur im Kongo, sondern auch in meiner Familie. Wundersamerweise haben wir nicht nur die Weihnachtsvorbereitungen friedlich überstanden, sondern auch ganze zwei Feiertage.
Am Dienstag Mittag wurden mein Vater und ich mit letzten Lebensmitteleinkäufen beauftragt – allein hätte keiner von uns die notwendige Kompetenz für derlei anspruchsvolle Aufgaben, wobei wir trotzdem kläglich versagt haben: es gab in der ganzen Stadt keinen frischen Spinat mehr für Mutterns Pastete, sodaß ich mittags eine Stunde lang gefrorene Spinatblätter auseinandergefaltet und zum Trocknen ausgelegt habe. Fräulein Damenwahl die Jüngste war derweil die Weihnachtsgans auf dem Markt abholen und den Hund im Feld spazieren toben.
Lange Diskussionen über den Baum und wie die Kugeln aufzuhängen seien: Es gehört zu den alljährlichen Ritualen, daß meine Mutter jedes Jahr eine absolute Spitzentanne von etwa zwei Metern Höhe aussucht, und dann im Wohnzimmer fragt: „Ist die nicht doch ein bißchen groß?“ Völlig unbegründet, denn unsere Weihnachtsbäume sind immer perfekt. Papa erzählt dann, wie SEIN Vater SEINERZEIT – keine Nordmanntanne, damals – Äste abgesägt und woanders am Baum wieder eingesteckt hat, um die Zweige gleichmäßig zu verteilen. Die Herrin der Lichterketten bin jedes Jahr aufs Neue ich, wobei ich mir dieses Jahr die Aufgabe mit der Schwester geteilt und wir die Pflicht mit Amaretto versüßt haben und reichlich Spaß hatten. Das große Festessen fand bei uns dieses Jahr erst am 25. statt, als die ganze Familie versammelt war. Mama zeichnete verantwortlich für Fischterrine und Gänsebraten, ich fürs Dessert.

Schwester 1 [während sie mit nackten Pfoten eine weitere Scheibe Fischterrine aus der Küche auf ihren Teller holt]: Ich nehme gleich sechs Klöße! Hast Du auch genug Klöße gemacht?
Mama: Bist Du des Wahnsinns? Ich glaube, Du warst im Kongo, nicht Deine Schwester. Nimm wenigstens einen Teller, Kind!
Schwester 1: Ich habe so lange kein gutes Essen mehr gehabt, ich muß aufholen.
... [Am Ende des Hauptgangs schneidet Mama Reste für den Hund auf, Papa gibt großzügig Sauce über das Gänseklein. Schwester 2 stibitzt noch ein Stück.]
Mama: Jetzt frisst Du dem armen kleinen Hund noch den mickrigen Happen weg?! Dazu muß man wissen: der Hund lebt bei uns wie Gott in Frankreich und kann es sich leisten, gelegentlich das Trockenfutter komplett zu verschmähen.
[...]
Schwester 1 [berichtet aus ihrer Wahlheimat]: Da saß ich gestern nach D.s Abreise auf meinem Sofa und mir wurde so kalt ... hatte der doch alle Heizungen ausgedreht!?
Mama: Das halte ich für sinnvoll, der hat bestimmt gedacht: wenn Du abreist, läßt Du alles an.
Schwester 1: Was denkst Du denn, wie ich sieben Jahre in G. abgereist bin während des Studiums?
Mama: Durchheizen? Und wenn’s zu warm war, hast Du die Fenster aufgemacht?
Schwester 1 [betont beherrscht]: Das wäre eine Möglichkeit.
Papa: Ich finde ja, die Schwester Eins befleißigt sich einer sehr disziplinierten Gesprächsführung gerade.
Mama: Ja, finde ich auch. Das Schöne ist, daß man mir mit zunehmendem Alter mehr durchgehen läßt, weil ich ja langsam so atrophisch bin hier oben [tippt sich an den Kopf]. Wie bei Sissis Schwiegervater, der darf auch alles sagen und ihm wird verziehen.
Schwester 2: Aber der sagt nicht so viele Gemeinheiten wie Du.
Mama: Ja. Aber wenn ich nicht gemein wäre, wär's hier auch nicht so lustig.
Schwester 1: Was gucken wir denn jetzt heute Abend im Fernsehen?
Schwester 2: Tatort, oder Sissi.
Papa: Ich hätte auch noch einen Thriller auf DVD.
Mama: Na, den wolltest Du ja schon vor vier Wochen gucken.
Papa [zum Rest der Familie]: Aber da ging ja der Fernseher nicht.
Schwester 1: Wie heißt der denn?
Papa: Weiß ich nicht.
Mama: Jahaaa, Du bist ja auch schon ein bißchen atrophisch im Kopf.
Schwester 2: Hast Du den aufgenommen?
Papa: Ja, den hatte ich aufgenommen.
Schwester 1: Und da habt Ihr Euch also abends erwartungsfroh um 20h15 im Wohnzimmer getroffen....
Mama: Genau, erwartungsfroh um 20h15 saßen wir vorm Fernseher und Dein Vater nahm seine drei Fernbedienungen zur Hand und drückte viele Knöpfe, und dann kam auch Bild, aber kein Ton.
Papa: Ja, Ton war keiner. Weil: da war ein Stecker locker und das habe ich erst eine Woche später entdeckt.
Mama: Und dann haben wir also keinen Film geguckt. Aber heute Abend vielleicht?
Schwester 1: Falls Papa den Fernseher richtig bedienen kann.

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conma, Montag, 28. Dezember 2009, 10:34
Zur Bedienung der technischen Geräte fehlen im elterlichen Haushalt Damenwahl wohl die Enkel ;-)