Berge ohne Rodeln
Schon an meiner Alma Mater im süddeutschen Raum habe ich die Berge gehasst und verflucht. Ich erinnere mich noch an den Tag meiner Wohnungssuche, bergauf, bergab, über einen Berg hinüber, und wieder zurück, bergauf, bergab, den ganzen Tag. Am Folgenden hatte ich dann - ungelogen! - tatsächlich Muskelkater, da wo andere einen Knackhintern haben. Mit der Zeit wurde es besser, man gewöhnt sich an vieles. Das hier jedoch - ist viel schlimmer. Auf dem einen Berg die Uni, auf dem anderen die Wohngebiete und dazwischen das soziale Leben. Jede Tüte Milch, jedes Glas Wein mit Kommilitonen, jedes vergessene Buch in der Uni bedeuten Training für den Allerwertesten. Ich noch im Zweifel ob die Anlage der Stadt - sie nimmt lange, gewundene Straßen und gibt dem Fußgänger lange Treppen - wirklich ein Segen ist. Gefühlt besteige ich (manchmal mehrmals am Tag) den Kölner Dom, um nach Hause respektive ins Büro zu kommen. Gestern Abend mit einem Kommilitonen zusammen aufgestiegen, der forsch voranschritt. Als unsere Wege sich trennten, war ich kurz vorm Zusammenbruch, länger hätte ich sein Tempo wahrhaftig nicht durchhalten können. Milchtüten und andere Lebensmittel, die sich im Supermarkt noch überschaubar schwer anfühlen, gewinnen mit jedem Schritt ein paar Gramm und jede weitere Stufe scheint etwas steiler als die Vorige - es ist ein Alptraum. Einkäufe plane ich inzwischen vorausschauend und treppenweg-minimierend. Aufrecht hält mich einzig die Aussicht, durch diese Qualen vielleicht irgendwann in den Club derer Eintritt zu finden, die eine dekorative, knackige Rückseite haben. Daran ziehe ich mich hoch, Tag für Tag, Stufe für Stufe, Schritt für Schritt. Ächz.

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nnier, Samstag, 6. März 2010, 17:37
Ich träumte früher hiervon, aber es blieb bei der Theorie - und nun ist es zu spät, nicht nur, weil ich kein Student mehr bin ...

damenwahl, Samstag, 6. März 2010, 17:47
Herrlich! Die Aussicht, nicht der Brand, natürlich. Das wäre aber nix für mich, ganz und gar nicht. Brrrr, so viele Stufen.

energist, Sonntag, 7. März 2010, 00:15
Sofort tauschte ich mit Ihnen. Treppensteigen ist doch viel interessanter als langweilige Flachlandtouren.

Und überhaupt, Berge: Morgens können Sie mit dem Rad (schwizerdütsch: Velo) gemütlich gen Tal rollen und kommen kühl (zugegeben, zu dieser Jahreszeit kein Problem) und frisch im Büro an. Abends schieben Sie locker-entspannt das Radl wieder aufwärts oder – so Lust und Bedarf – leisten ihre tägliche Sportration und treten sich bergan. Danach kurz kalt duschen und der Arbeitskopf ist wieder klar.

Hm, wenn ich da so träume: ich brauche dringend Urlaub :)

damenwahl, Sonntag, 7. März 2010, 10:19
Nix Velo runter, Herr Energist. Das Wohngebiet liegt auf dem einen Berg, die Uni auf dem anderen. Folglich jeden Morgen einmal bergab, einmal bergauf.
Was die Berge betrifft, mir wäre ja ein Meer noch lieber...

jean stubenzweig, Sonntag, 7. März 2010, 10:36
Nieder mit den Alpen! Freier Blick aufs Mittelmeer!

damenwahl, Sonntag, 7. März 2010, 10:40
Na, so weit würde ich nicht gehen und das Mittelmeer ist ohnehin nur ein Teich. Freie Blick bis zur Nordsee, das wäre was!

mark793, Sonntag, 7. März 2010, 10:57
Ach, ich weiß nicht. Flachland ist aus Fahrradfahrersicht ja ganz praktisch, aber freier Blick auf die Nordsee wird nach meinem Dafürhalten auch überschätzt. Hier am Niederrhein auf 30 m Höhe über NN tut sich landschaftlich bis Hoek van Holland mehr oder weniger gar nichts mehr. Und das ist mir (der ich am Oberrhein zumindest noch das Panorama von Odenwald und Pfälzer Wald im Blick hatte) doch ein bisschen zu wenig.

jean stubenzweig, Sonntag, 7. März 2010, 11:26
Nordsee ist Mordsee. Na gut, dann machen wir eben alles platt. Nur für Sie (und die Radfahrer). Aber was machen Sie, wenn die Nordseewellen trekken und aufm Deich das Windchen kommt? Das wird härter als das bißchen Rauf und Runter 'z Züri. Das wissen Sie doch.

Ich nehm jetz'n Sonnenbad. Kurz vor der Nordsee, am Einlauf sozusagen.

damenwahl, Sonntag, 7. März 2010, 11:30
Lieber mark793, jetzt wo Sie's sagen, dem Ansinnen würde auch meine hügelige Heimat zum Opfer fallen, also verzichte ich. Das endlose Plattland im Norden finde ich ja ehrlich gesagt auch etwas langweilig.
Verehrter Herr Stubenzweig, das kann auch nur jemand sagen, der selber keine richtige See sondern nur einen Teich in der Nähe hat. Trotzdem, so einen Teich hätte ich gerade auch gern.

ilnonno, Sonntag, 7. März 2010, 13:22
Nicht mal eine halbe Stunde bis zum Bodensee... da würde ich auch jammern. Das ist doch ein Meer, wenn auch ein schwäbisches.

energist, Sonntag, 7. März 2010, 13:57
Gegen einen Abriß der Alpen muß ich ebenfalls vehement protestieren. Meine wunderschöne schwäbische Heimatstadt liegt zwar ein Stück davon entfernt, aber der morgendliche Blick über das Allgäu (wenn mal keine Nebel- oder Wolkenwand davor stand) ist mir zu wertvoll.

damenwahl, Sonntag, 7. März 2010, 15:15
Ilnonno, zu einem richtigen Wasser gehören Wellen, und da muß der Bodensee im Vergleich mit meiner geliebten Nordsee passen. Aber es ist ein Anfang, das ist richtig.
Energist, abreißen muß ja gar nicht sein... ich gebe ja zu, daß die Aussichten von oben sehr hübsch sind. Das demonstriert der Don ja regelmäßig am deutlichsten und auch hier gefällt es mir eigentlich gut... jedenfalls besser, als, sagen wir, in Münster oder Magdeburg. Rein landschaftlich.

Eigentlich hätten Sie mich alle nur ein bißchen bemitleiden sollen, für die Qualen beim Treppensteigen...

ilnonno, Sonntag, 7. März 2010, 21:15
Eine Bekannte ist Kellnerin in einem Altstadt-Restaurant, das auf vier Stockwerke verteilt ist. Ohne Aufzug, klar.

Wenn der Spruch stimmt, dass man für jede gelaufene Treppe eine Stunde länger lebt, ist sie so gut wie unsterblich.

damenwahl, Sonntag, 7. März 2010, 23:19
In dem Fall hätte ich schon in Kinshasa (Sie erinnern sich, 8. Etage und gelegentliche Stromausfälle) sämtliche Zigaretten meines Lebens kompensiert und würde mich jetzt gerade ins Haben meines Kontos bewegen. Wunderbar!

terra40, Sonntag, 7. März 2010, 14:06
In meinem Fall waren es von meinem Wohnsitz bis zur Uni 60 KM. (Jeden Tag mit einem treuen 2CV hin und her!) Höhenunterschied: vielleicht zwei Meter. Wie langweilig!
Gruß, T.

damenwahl, Sonntag, 7. März 2010, 15:15
Das ist tatsächlich öde. Öde und weit - wäre meine Sache nicht. Ich habe fast immer in Fußnähe des Hörsaals gewohnt.