Impressionen
Ein Auto passiert mich mit heulendem Motor, 1-er BMW in dunkelblau metallic. Als der an mir vorbei ist, sehe ich quer übers Heck: Abi 2008.
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In der Garderobe, zwei junge Männer.
Bengel 1: Und dann gehe ich auf jeden Fall zum Weinabend diese Woche.
Bengel 2: Es gibt an der Uni einen Weinclub?
Bengel 1: Ja klar.
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In der Bibliothek. Ich habe mir einen Tisch mit stumpfem Blick auf die Wand in einer Ecke gesucht, zwei Tische weiter links lernt ein Streber, um die Ecke herum zwei Tische weiter rechts ein halbwüchsiges Mädel in Manschettenbluse. Die Tische sind ungefähr einen 2/3 Quadratmeter groß, vier runde Stahlbeine, eine Holzplatte, nicht am Boden befestigt. Ein junger Mann kommt, Seglerschuhe, lässige Jeans, blaues Hemd, braver Pullover. Dunkelblonde Haare, ordentlich gescheitelt wie mein Onkel auf alten Fotos, das Gesicht auch ebenso glatt und nett. Er packt sein Macbook aus, sortiert ein bißchen, surft ein bißchen. Holt ein Anbindekabel hervor, schlingt das Kabel ums Tischbein. Ich schiele nach rechts, beobachte, wie er sein Geld hervorholt, sein Telefon, schiele zum Kabel um das Tischbein, und wieder zu ihm. Tatsächlich, er steht auf und geht. Pause machen.
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In der Vorlesung. 15 Studenten im ungefähr zweiten Jahr. Sieben aufgeklappte Laptops (vorlesungstechnisch keinerlei Anlaß für diese Aufrüstung, Stift und Papier reichen mir völlig). Davon drei Macbooks. Neben mir Facebook und Internet, das sehe ich deutlich. Zwei der drei Macbooks stehen übrigens bei den Elitessen der letzten Woche.
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Fünfzehn Minuten nach offiziellem Vorlesungsende (das weiß man hier immer sehr gut, weil eine Pausenglocke klingelt) referiert der jugendliche und jungenhafte Dozent immer noch mit leuchtenden Augen über die Tücken der Software, die wir in der Hausaufgabe anzuwenden haben und die Fortschritte in den verschiedenen Versionen seit seiner Studienzeit. Aber: „I extended the deadline until March 31st to give you more time and get acquainted with the software. If you have any problems, e-mail me and we'll try to figure it out, and if that doesn't work don't hesitate to drop by in my office, I have three computers all equipped with the software so I can show you how to solve your problems.“ Sein Büro ist übrigens gegenüber meiner aktuellen Bleibe und er ist der mit dem Licht bis Mitternacht. Bestimmt spielt er dort World of Warcraft simultan auf seinen drei Computern. Oder so.

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energist, Sonntag, 14. März 2010, 15:43
Frau Damenwahl, bitte!

Schwingen da etwa im Subsubtext zynische Elemente mit? Sehen Sie nicht, daß die von Ihnen hier Verspotteten hier mustergültige Beispiele von zukünftigem Führungsverhalten zeigen? Mir fallen dafür spontan so viele englischsprachige Euphemismen ein, daß ich sie gar nicht in einem Satz unterbringe.

Also, ich bitte doch um ein bisschen mehr Respekt vor den Leistungen Ihrer zukünftigen Chefs. Es ist ja nun nicht deren Schuld, daß sie noch so weit im 20. Jahrhundert sind, daß sie Studieren mit dem Erlernen eines Fachgebietes gleichsetzen statt mit networking, ab und an unterbrochen durch Klausurenabhaken.

Welche tückenreiche Software verwenden Sie denn so? Den Spass ohne a? MatLab?

damenwahl, Sonntag, 14. März 2010, 23:30
Ich? Zynisch? Aber nein, ich bin nur Chronist, in diesem Fall.

Herr Energist, noch gebe ich mich der Illusion hin, MatLab ausweichen zu können. Die Software mit zwei As kann das hoffentlich alles von alleine.