Ironie des Schicksals ist...
...morgens um zehn,

unter dem Eindruck der letzten, noch frischen Bewerbungsabsage für die Traumstelle,

Anrufe in akuter Torschlußpanik bei Personen mit weiterem Horizont zu tätigen, um sich bestätigen zu lassen, daß eine Promotion keine karriereversauende Zeitverschwendung ist,

den Vormittag mit Finanzierungsfragen und Organisationsaufgaben zu verbringen,

um vierzehn Uhr den ersten Mietvertrag seit vier Jahren zu unterschreiben,

und um siebzehn die Einladung zum Gespräch für eine vergleichbare Wunschstelle zu erhalten.

Verdammt.

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mmmb, Montag, 15. März 2010, 20:51
Nein, nein, nein. Wenn das in dieser Reihenfolge gelaufen ist, dann hat das einen tieferen Grund. Wunschstellen laufen im Regelfall nicht weg und oftmals eröffnet eine Promotion gerade erst Möglichkeiten, die ohne den Titel verwehrt gewesen wären - zumindest im titelwütigen deutschsprachigen Raum. Auch ist eine Promotion nur dann karriereversauende Zeitverschwendung, wenn man nicht mit Interesse am Thema hängt oder das Projekt weit über der Durchschnittsdauer liegt. Sollte es St. G. sein, setzt dort schon die Promotionsordnung der zweiten Gefahr eine Schranke. Ansonsten: Viel Erfolg! Ich sitze gerade ein paar hundert Kilometer nördlich selbst an dem Spaß...

damenwahl, Montag, 15. März 2010, 21:07
Meinen Sie? Ich bin verunsichert. Heute morgen noch genau darüber diskutiert, die Aussichten der Wunschstelle gegen den hiesigen Schreibtisch abgewogen, am Ende festgestellt: die Wahl ist nur theoretisch, weil Wunschstelle nicht verfügbar und mit dem Thema abgeschlossen. Und jetzt das.
Der ewige Kampf der Theorie gegen die Praxis und was auf lange Sicht mehr wert ist. Immerhin ist die Wahl ja noch immer theoretischer Natur, es ist ja nur die Einladung zum Gespräch. Nix festes.

ilnonno, Montag, 15. März 2010, 21:24
Dann wäre ja noch die Frage: Promotion mit welchem Thema? Und mit welchem Ziel?

Die beste Ärztin, die ich kenne, ist Dipl.-Med.

mmmb, Montag, 15. März 2010, 21:51
Ich würde das nicht zwingend als Kampf Theorie gegen Praxis bezeichnen - das hängt immer davon ab, wie die einzelne Dissertation aufgebaut ist. Für die lange Sicht hat eine Diss den Vorteil, dass die Kenntnisse und Vorgehensweisen, die man sich dabei aneignet, auch in der Praxis eingesetzt werden können. Während der Diss lernt man, Problemstellungen in einer Art und Weise zu durchdenken, die einem im normalen Diplom-/Magister-/Masterstudium im Regelfall gar nicht begegnet. Deswegen muss ich immer schmunzeln, wenn Hilfskräfte oder neue Kollegen im Bewerbungsgespräch angeben, dass ihnen das wissenschaftliche Arbeiten schon im Studium viel Spaß gemacht habe. Außerdem - und auch das muss offen gesagt werden - stellt eine abgeschlossene Dissertation eine gewissen Leidensfähigkeit, Hartnäckigkeit und Selbstmotivationsfähigkeit unter Beweis.

Nicht alle Mediziner sind Ärzte und bei Ärzten sagt der Dr.-Titel an sich leider oftmals nichts über die Qualifikation im Patientenumfeld aus. Wenn ich da aber von Bekannten aus diesem Fachgebietes Sätze höre, wie "Ja, da habe ich mal sechs Wochen im Labor gesessen und nun habe ich vier Monate Zeit, um das auf Papier zu bringen. Maximal 80 Seiten.", dann kann ich nur sagen: Sorry, aber das ist bei uns eine Diplomarbeit! Wobei ich nicht verschweigen möchte, dass ich auch andere Mediziner kenne, die teilweise über Jahre an sehr anspruchsvollen Dissertation sitzen. Juristen sind da teilweise auch noch so ein Thema...

damenwahl, Montag, 15. März 2010, 21:58
Ha! Dissertationen in der Medizin, ein unendlich ergiebiges Diskussionsfeld in Doktorandenkreisen, die alten Looser, die!
Lieber ilnonno, meine Promotion dient vor allem dekorativen Zwecken und weil es mir Spaß macht. Irgendwie. Mit meinem Thema schränke ich mich zukünftig eher ein, als Möglichkeiten zu eröffnen. Daher, werter mmmb, wird vermutlich auch kaum ein zukünftiger Arbeitgeber den Mehrwert erkennen, sondern auf Projektmanagement, Mitarbeiterführung, und anderes Zeugs achten, mit dem ich nicht werde dienen können. Für die Leidensfähigkeit habe ich sechs Monate Kongo im Angebote, das sollte doch wohl reichen?

damenwahl, Montag, 15. März 2010, 22:00
mmmb: viel Erfolg, nebenbei bemerkt, für Ihr Projekt, Sie scheinen ja schon länger dabei zu sein.

ilnonno, Dienstag, 16. März 2010, 01:07
mmmb: "Während der Diss lernt man, Problemstellungen in einer Art und Weise zu durchdenken, die einem im normalen Diplom-/Magister-/Masterstudium im Regelfall gar nicht begegnet."

Wie Sie selber sagen: das kann in günstigen Fällen passieren, muss aber nicht. Wenn ich dann noch das Thema Karriere als wesentlichen Aspekt einflechte, sieht es nicht besser aus.

mmmb, Dienstag, 16. März 2010, 08:56
Madame: Vielen Dank! Ich bin wirklich schon eine Weile dabei, aber das Ende ist absehbar. Merkt man das so offensichtlich? Unabhängig davon: Projektmanagement - eine Dissertation ist ein Projekt und selten werden Neueinsteiger von ihrem Arbeitgeber mit einem Projekt betraut werden, dass über einen so langen Zeitraum läuft. Mitarbeiterführung - Hiwis, aber insbesondere auch Kollegen und Chefs (!) wollen während der Promotionszeit gemanaged werden. Natürlich dient eine Diss auch dekorativen Zwecken. Pimp my Personalausweis, wir hausintern immer sagen - aber auch das ist ein legitimes Ziel! Und Spaß an der Sache ist der wichtigste Faktor zum Gelingen!

Nebenbei muss ich gestehen, dass mir auch Schmalspurdissertationen aus den Wirtschaftswissenschaften bekannt sind. Insbesondere zwei nicht-staatliche Institute in Dörfern am Rhein gehörten in der Vergangenheit zu den verdächtigeren Adressen. Das sind dann auch gerne Arbeiten, die von Beratern innerhalb der einjährigen Freistellung irgendwie zu Papier gebracht werden mussten...

ilnonno: Ich kann Ihnen gerade leider nicht ganz folgen?

conma, Dienstag, 16. März 2010, 09:30
Ich habe auch meine Diss als Überbrückung gemacht. Sie hat mir dann tatsächlich die Tür zu einer vernünftigen Stelle geöffnet.
Zur Qualität wurde hier schon einiges geschrieben. Es gibt ja die richtigen Doktoren, also die Ärzte, und sonstige, so wie ich (Dr. rer. nat). Man sollte das nicht unmittelbar vergleichen (Äpfel und Birnen), Ärzte haben in ihrer Ausbildung andere Schwerpunkte als wissenschaftliches Arbeiten.
Jetzt nutze ich den Titel vor allem in der Auseinandersetzung mit Behörden oder bei anderen Problemen. Macht sich wirklich gut ;-)

Übrigens, ich kenne durch meine berufliche Tätigkeit doch einige Projektmanager und Führungskräfte, die ebenfalls Nachhilfe im Projektmanagement bzw. Mitarbeiterführung benötigen. Meiner Meinung nach lernen die es nie!

damenwahl, Dienstag, 16. März 2010, 11:07
Jeder muß selber wissen, ilnonno, was er draus macht. Ich habe keine Angst, hier mit einem dünn gebohrten Brett rauszugehen (das wird mein Betreuer zu verhindern wissen), aber der Arbeitsmarkt ist nach meiner Erfahrung ein völlig irrationales wildes Tier, von dem man nie weiß, was er als nächstes wünscht.
mmmb, daß Sie schon länger dransitzen war nur so ein Gefühl. Pimp my P gefällt mir gut und natürlich bin ich nicht ganz frei von Eitelkeit. Die zwei Adressen sind mir auch bekannt, eine sogar besser, als mir lieb ist.
Liebe Frau Conma, in den Naturwissenschaften wird der Wert einer Diss, glaube ich, noch anders bemessen als in meinem Fach. Die Defizite in der Praxis kenne ich natürlich auch und meine persönlichen Prioritäten wären klar, aber wie gesagt: der Arbeitsmarkt ist ein Thema für sich.

terra40, Dienstag, 16. März 2010, 11:45
Es gibt auch andere Wege ... :_)) (Lesen Sie nur meine Bagatelle 'Doktor im Angebot'.)

im ernst: mir hat die Doktorarbeit (nicht in Deutschland übrigens) viel Spaß gemacht. Voraussetzung: selbstgewähltes, relevantes Thema und gute Begleiter (Promotores).
Gruß, T.

loreley, Dienstag, 16. März 2010, 14:26
Wenn es mit der Wunschstelle klappt, würde ich sie nehmen. Promotion ist nur wichtig, wenn man eine wissenschaftliche Karriere machen will.

Arbeitgeber schauen bei Bewerbungen in der Regel darauf, was jemand tatsächlich gemacht hat. Sprich, welche praktischen Erfahrungen der Bewerber hat.

damenwahl, Dienstag, 16. März 2010, 16:33
Herr terra40, wir haben das schon durchgerechnet beim Doktoranden-Tratsch, billiger wäre es definitiv, den Titel zu kaufen. Aber das für Menschen, die so treu und ehrlich sind wie ich, keine Option.
Frau Loreley, ich ziehe gerade Erkundigungen ein und bereite mich vor - wenn man schon ins Gespräch geht, dann richtig. Sollte es nächste Woche Anlaß zur Entscheidungsfindung geben, denke ich weiter darüber nach. Man soll ja das Bärenfell erst zerteilen, wenn das Untier erlegt ist.