Lichtblick
Manchmal wünschte ich, Reisen in fremde Länder wie vor hundert Jahren auf dem Boden zurücklegen zu können. Dann könnte meine Seele vielleicht eher mithalten und mein Geist wäre nicht völlig überfordert von der Vielzahl der Eindrücke. Vor vier Wochen saß ich wochenends, spätnachmittags, mit einem Martini in der Hand am Swimming Pool in Tunis. Vergangenes Wochenende hingegen saß ich spätnachmittags mit einem Bier in der Hand am Kongo. Dem Fluß. Im Rücken ein Labyrinth unverputzter Baracken, Wellblechhütten und eine Schotterpiste. Alles „under construction“ durch die Chinesen in einem solchen Ausmaß, daß meine Kollegin den Weg beinahe nicht mehr gefunden hätte.
Mit Hilfe von Holzbrettern überquerten wir einen tiefen Straßengraben, hinein in einen staubigen Irrgarten Richtung Flußufer. Auf dem Rückweg waren die Holzbretter weg, einen anderen Ausweg gab es nicht, nach einigem Verhandeln tauchten für umgerechnet zehn Dollar die Holzbretter wieder auf. Vorher waren wir bei einem Künstler in einem der Vororte. Naive Malerei, wirklich nicht mein Geschmack. Völlig verblüfft war ich jedoch von der Vielfalt der Themen, den kritischen Gedanken und der Aufmerksamkeit, mit der auch das Weltgeschehen verfolgt wird. Die Bilder setzten sich ausnahmslos kritisch mit dem Kongo auseinander: Generationenkonflikt – anzugtragende Herren, die spärlich bekleidete Tussis traditionell gewandeten Damen vorziehen. Obama und Sarkozy auf Staatsbesuch. Die angrenzenden Nachbarländer. Taschendiebstahl und Straßentricksereien. Die Vereinten Nationen, Ärzte ohne Grenzen – alles dabei. Die Bilder müssen mir nicht gefallen und ganz sicher würde ich mir keines davon jemals an die Wand hängen, aber soviel Lebendigkeit, kritischer Geist und Zivilgesellschaft – das ist ein Lichtblick in all dem Elend. Ebenso wie regierungskritische Artikel in der Zeitung. Kollegen sagen, jeder kann gegen entsprechendes Geld Artikel in Zeitungen unterbringen – aber eben immerhin jeder. Das ist ermutigend, irgendwie.
Mit Hilfe von Holzbrettern überquerten wir einen tiefen Straßengraben, hinein in einen staubigen Irrgarten Richtung Flußufer. Auf dem Rückweg waren die Holzbretter weg, einen anderen Ausweg gab es nicht, nach einigem Verhandeln tauchten für umgerechnet zehn Dollar die Holzbretter wieder auf. Vorher waren wir bei einem Künstler in einem der Vororte. Naive Malerei, wirklich nicht mein Geschmack. Völlig verblüfft war ich jedoch von der Vielfalt der Themen, den kritischen Gedanken und der Aufmerksamkeit, mit der auch das Weltgeschehen verfolgt wird. Die Bilder setzten sich ausnahmslos kritisch mit dem Kongo auseinander: Generationenkonflikt – anzugtragende Herren, die spärlich bekleidete Tussis traditionell gewandeten Damen vorziehen. Obama und Sarkozy auf Staatsbesuch. Die angrenzenden Nachbarländer. Taschendiebstahl und Straßentricksereien. Die Vereinten Nationen, Ärzte ohne Grenzen – alles dabei. Die Bilder müssen mir nicht gefallen und ganz sicher würde ich mir keines davon jemals an die Wand hängen, aber soviel Lebendigkeit, kritischer Geist und Zivilgesellschaft – das ist ein Lichtblick in all dem Elend. Ebenso wie regierungskritische Artikel in der Zeitung. Kollegen sagen, jeder kann gegen entsprechendes Geld Artikel in Zeitungen unterbringen – aber eben immerhin jeder. Das ist ermutigend, irgendwie.
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Ohne Worte
Fand ich schon Tunis sehr widersprüchlich, so fehlen mir für den Kongo den Worte.
„Die Reichtümer des Kongo reichen für alle“ – erklärte beim Abendessen jemand, der es wissen sollte. In der Tat, das Land ist reich an natürlichen Ressourcen, nur leider alle ungehoben. Es gibt unendlich viel Platz, genug, um alle zu ernähren, würde man das Land bewirtschaften. Nur leider mangelt es an Straßen, um Güter zu transportieren. Ein Bekannter erzählte, daß sein Onkel ein Vermögen damit verdient habe, nachts um drei Brot in Kinshasa zu kaufen, um vier mit Flugzeug in einer der Provinzmetropolen zu fliegen – eine Stunde mit Turbinenflugzeug – und dort zu verkaufen. Nach Jahren voller Konflikten und Bürgerkriegen gibt es inzwischen für die Strecke nur noch klapperige Propeller-Maschinen, die Pisten sind in erbärmlichem Zustand, wir mußten vor dem Ziel zwischenlanden, um für den Rückflug am folgenden Tag aufzutanken – an der Armut in jener Provinzhauptstadt hat sich jedoch nichts geändert. Nie, nie im Leben hätte ich geglaubt, daß es sich um eine Stadt mit mehreren Millionen Einwohnern handelt, das wirtschaftliche Zentrum der Provinz; ohne den breiten Schriftzug „Mairerie“ hätte ich die Baracke gegenüber dem Hotel niemals als Rathaus identifiziert und das Hotel auch nicht als bestes Hotel am Ort. Und nie hätte ich erwartet, für unbesternten Hotelstandard auf Jugendherbergsniveau einhundert US Dollar auszugeben. Immerhin funktionierte abends das Wasser wieder, als wir von unserer Besichtigungstour zurückkehrten, staubig, verschwitzt und erschöpft.
Mit dem Ort, der dominanten Firma und seiner Infrastruktur verhält es sich wie bei uns zu Hause in der Kleinstadt mit der katholischen Kirche: ihr gehört praktisch alles. Schulen und Krankenhäuser, Arbeiterhäuser und Kadervillen, Straßen, Land, alle Infrastruktur – gehören der einzigen Firma am Ort. Sie produziert ihren eigenen Strom, betreibt ihre eigenen Werkstätten zur Reparatur von Geräten und Maschinen, ehemals auch landwirtschaftliche Betriebe zur Versorgung der Arbeiter. Leider arbeitet die Firma schon seit Jahren nicht mehr gewinnbringend. Hat ewig keine Gehälter mehr ausgezahlt. Und wurde mit dem Preisverfall im Diamantmarkt mehr oder minder stillgelegt.
Fassungslos sitze ich in einem klimatisierten Geländewagen, der sich über rote Schotterpisten quält, vor uns der Pick-up Truck mit dem Sicherheitspersonal, das bei jedem Halt als erstes Aufstellung nimmt. Nehme zur Kenntnis, daß überallJungsMänner mit Gewehren stehen. Daß es in den Fabrikgebäuden Sicherheitsvorkehrungen gab, die ein Gefängnis harmlos erscheinen lassen, um den Diebstahl der wertvollen Steinchen durch die Mitarbeiter zu verhindern. Und immer diese Blicke, die mich noch bis in den Schlaf verfolgen: überall werden wir angestarrt. Die Menschen bleiben stehen, die Köpfe wenden sich langsam, während wir passieren, die Blicke folgen uns. Das Bemühen, uns zu akkomodieren ist so überdeutlich, daß es mir das Herz zerreißt. Wir sollen sehen, wie wichtig diese Firma ist, wieviel von ihrem Wohlergehen abhängt, am Straßenrand und vor verlassenen Gebäuden salutieren und grüßen die ehemaligen und irgendwie gleichzeitig noch-immer-Arbeiter ohne Arbeit mit dem Habitus von Kindern in der Sonntagsschule - alles, für diesen Anlaß. Ich fühle mich persönlich schuldig, daß wir die mit unserer Ankunft verbundenen Hoffnungen nicht werden erfüllen können.
Den ganzen Tag rumpeln wir über Schotterpisten, daß mir irgendwann der Kopf schwirrt. Anhalten, ein paar Schritte laufen, Erklärungen, mein Kopf wird noch schwirriger von dem Bemühen, auf Französisch zu folgen und zwischendurch während der Fahrt freundlich Konversation mit den Mitfahrern zu machen. Die „Nouvelle Usine“ wirkt auf mich wie eine Fabrik aus dem vorvorigen Jahrhundert. Eine große Maschine zum Abbau von ich-weiß-nicht-was wird uns als weißer Elefant präsentiert, derer es in Kongo unendlich viele gibt: Investitionen, die niemals funktionierten. Eine Abbaumaschine in diesem Fall, die mehr Strom benötigt hätte, als verfügbar war und folglich keinen einzigen Tag gelaufen ist. Wir besichtigen Werkstätten mit Maschinen, die nur zu Präsentationszwecken kurz angeworfen werden, Abbauflächen ohne Abbau, Hühnerfarmen ohne Hühner, Maissilos ohne Mais, Krankenhäuser ohne Betten. Daß in den Schulen tatsächlich Schüler und Lehrer sitzen, verdankt sich nur der Tatsache, daß letztere seit längerer Zeit unentgeltlich arbeiten, damit die Schüler das Schuljahr beenden können. Mittlerweile haben die Arbeiter, die seit Jahr und Tag arbeitslos sind, all ihre Habe verkauft. Möbel, Kleider, Gebrauchsgegenstände, leere Hütten. Alternative Beschäftigungen gibt es nicht, und so stehen – wo immer wir passieren – Menschen am Straßenrand, abgerissen, mager, aber dennoch mit Hoffnung in den Augen, daß bessere Zeiten kommen mögen.
„Die Reichtümer des Kongo reichen für alle“ – erklärte beim Abendessen jemand, der es wissen sollte. In der Tat, das Land ist reich an natürlichen Ressourcen, nur leider alle ungehoben. Es gibt unendlich viel Platz, genug, um alle zu ernähren, würde man das Land bewirtschaften. Nur leider mangelt es an Straßen, um Güter zu transportieren. Ein Bekannter erzählte, daß sein Onkel ein Vermögen damit verdient habe, nachts um drei Brot in Kinshasa zu kaufen, um vier mit Flugzeug in einer der Provinzmetropolen zu fliegen – eine Stunde mit Turbinenflugzeug – und dort zu verkaufen. Nach Jahren voller Konflikten und Bürgerkriegen gibt es inzwischen für die Strecke nur noch klapperige Propeller-Maschinen, die Pisten sind in erbärmlichem Zustand, wir mußten vor dem Ziel zwischenlanden, um für den Rückflug am folgenden Tag aufzutanken – an der Armut in jener Provinzhauptstadt hat sich jedoch nichts geändert. Nie, nie im Leben hätte ich geglaubt, daß es sich um eine Stadt mit mehreren Millionen Einwohnern handelt, das wirtschaftliche Zentrum der Provinz; ohne den breiten Schriftzug „Mairerie“ hätte ich die Baracke gegenüber dem Hotel niemals als Rathaus identifiziert und das Hotel auch nicht als bestes Hotel am Ort. Und nie hätte ich erwartet, für unbesternten Hotelstandard auf Jugendherbergsniveau einhundert US Dollar auszugeben. Immerhin funktionierte abends das Wasser wieder, als wir von unserer Besichtigungstour zurückkehrten, staubig, verschwitzt und erschöpft.
Mit dem Ort, der dominanten Firma und seiner Infrastruktur verhält es sich wie bei uns zu Hause in der Kleinstadt mit der katholischen Kirche: ihr gehört praktisch alles. Schulen und Krankenhäuser, Arbeiterhäuser und Kadervillen, Straßen, Land, alle Infrastruktur – gehören der einzigen Firma am Ort. Sie produziert ihren eigenen Strom, betreibt ihre eigenen Werkstätten zur Reparatur von Geräten und Maschinen, ehemals auch landwirtschaftliche Betriebe zur Versorgung der Arbeiter. Leider arbeitet die Firma schon seit Jahren nicht mehr gewinnbringend. Hat ewig keine Gehälter mehr ausgezahlt. Und wurde mit dem Preisverfall im Diamantmarkt mehr oder minder stillgelegt.
Fassungslos sitze ich in einem klimatisierten Geländewagen, der sich über rote Schotterpisten quält, vor uns der Pick-up Truck mit dem Sicherheitspersonal, das bei jedem Halt als erstes Aufstellung nimmt. Nehme zur Kenntnis, daß überall
Den ganzen Tag rumpeln wir über Schotterpisten, daß mir irgendwann der Kopf schwirrt. Anhalten, ein paar Schritte laufen, Erklärungen, mein Kopf wird noch schwirriger von dem Bemühen, auf Französisch zu folgen und zwischendurch während der Fahrt freundlich Konversation mit den Mitfahrern zu machen. Die „Nouvelle Usine“ wirkt auf mich wie eine Fabrik aus dem vorvorigen Jahrhundert. Eine große Maschine zum Abbau von ich-weiß-nicht-was wird uns als weißer Elefant präsentiert, derer es in Kongo unendlich viele gibt: Investitionen, die niemals funktionierten. Eine Abbaumaschine in diesem Fall, die mehr Strom benötigt hätte, als verfügbar war und folglich keinen einzigen Tag gelaufen ist. Wir besichtigen Werkstätten mit Maschinen, die nur zu Präsentationszwecken kurz angeworfen werden, Abbauflächen ohne Abbau, Hühnerfarmen ohne Hühner, Maissilos ohne Mais, Krankenhäuser ohne Betten. Daß in den Schulen tatsächlich Schüler und Lehrer sitzen, verdankt sich nur der Tatsache, daß letztere seit längerer Zeit unentgeltlich arbeiten, damit die Schüler das Schuljahr beenden können. Mittlerweile haben die Arbeiter, die seit Jahr und Tag arbeitslos sind, all ihre Habe verkauft. Möbel, Kleider, Gebrauchsgegenstände, leere Hütten. Alternative Beschäftigungen gibt es nicht, und so stehen – wo immer wir passieren – Menschen am Straßenrand, abgerissen, mager, aber dennoch mit Hoffnung in den Augen, daß bessere Zeiten kommen mögen.
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Mein Leben als Film
Ich habe mir das falsche Medium ausgesucht. In den letzten vier Wochen kam mir mein Leben mehrmals vor wie ein Hollywood Film. Vor einem Monat lief R*samunde Pilch*r in Tunesien, es kamen unter anderem vor: ein großartiger Mann, ein Haus mit drei Terrassen, ein Abend mit Risotto und Scampi* und mehrere Flaschen Wein. Die weiteren Details werden nicht freigegeben, die gehören mir allein. Sollte ich – wie sich leider abzeichnet – demnächst ernsthaftes Opfer unerwiderter Liebe sein, dürfen Sie sich aber schon mal auf Ihre Rolle als emotionaler Mülleimer all meiner Sorgen und Nöte einrichten.
Inzwischen hat der Drehort gewechselt und diese Woche im Programm: Im Herzen Afrikas, Krankenhäuser, Schulen, rote Schotterpisten und aufgelassene Diamant-Minen. Außerdem abenteuerliche Flüge, erbärmliche Armut, und dreihundert Fotos in einem Land, in dem man normalerweise schon beim Ablichten eines Busches Bekanntschaft mit der Polizei macht. Ich werde das Wochenende nutzen, um die unzähligen Eindrücke und Bilder zu sortieren, zensieren und präsentabel aufzubereiten. Brauche Zeit, um meine Erfahrungen zu verarbeiten.
*Rezept wird auf Anfrage gerne herausgegeben.
Inzwischen hat der Drehort gewechselt und diese Woche im Programm: Im Herzen Afrikas, Krankenhäuser, Schulen, rote Schotterpisten und aufgelassene Diamant-Minen. Außerdem abenteuerliche Flüge, erbärmliche Armut, und dreihundert Fotos in einem Land, in dem man normalerweise schon beim Ablichten eines Busches Bekanntschaft mit der Polizei macht. Ich werde das Wochenende nutzen, um die unzähligen Eindrücke und Bilder zu sortieren, zensieren und präsentabel aufzubereiten. Brauche Zeit, um meine Erfahrungen zu verarbeiten.
*Rezept wird auf Anfrage gerne herausgegeben.
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Erste Eindrücke
Kein Tag ohne Stromausfall, ich mache gerade den zweiten Anlauf mit diesem Beitrag, weil ich eben zu faul war, den Akku in meinen Laptop zu stecken. Lustig zu sehen, wie die umliegenden Gebäude – zapp! – nacheinander erst dunkel werden, dann wieder vereinzelt Lichter angehen.
Wenn Sie Bilder von Entwicklungsländern sehen, könnte Ihnen der große Anteil an Geländewagen auffallen. Ich weiß jetzt auch warum. Es ist keineswegs so, dass alle Mitarbeiter der Vereinten Nationen und internationaler Hilfsorganisationen dekadente Salon-Kommunisten sind, vielmehr ist ein Allradantrieb hier unerlässlich für die Fortbewegung auf dem, was sich hier Straße nennt. Selbst in den besseren Vierteln der Millionenmetropole Kinshasa kann man von einer der Hauptstraßen abbiegen und sich auf einer besseren Schotterpiste wiederfinden. Schlaglöcher, fehlende Straßenmarkierungen, gelegentlich Bäume auf der Straße – ein SUV ist hier nicht Luxus sondern Notwendigkeit. Montag Abend haben wir auf dem Weg zu einem der netteren Restaurants der Stadt eine Pfütze durchquert, so tief wie mein Kinderplanschbecken, als ich noch jung und unschuldig im heimischen Garten spielte. Auf dem Parkplatz also eine Armada von Geländewagen, die Chauffeure alle in einem Wagen versammelt, fuhr vor uns eine Karosse bis direkt vor die Tür. Herren in Anzügen stiegen aus, das Sicherheitspersonal am Eingang salutierte schneidig und einer meiner Begleiter informierte mich flüsternd: C’est le Ministre de XXX. Wir ließen uns auf der Terrasse nieder, in der Sitzecke nebenan eine größere Gruppe Expats, Kinderwagen sorgfältig mit Moskitonetzen verschlossen. Meine Kollegin holte ihr Moskito-Repellent heraus, wir bestellten Bier und Essen, plauderten. Ich bin überrascht, wie gut ich französischen Gesprächen folgen kann je mehr ich mich einhöre, war aber viel zu müde, um die Anstrengung am Ende eines langen Arbeitstages noch zu machen. Drinnen einige sichtlich wohlhabende Afrikaner. Das Dessert – zuckersüße Mousse au Chocolat – kostete lächerliche zwölf Dollar. Zuhause in Frankfurt bekäme ich dafür ein Hauptgericht bei meinem Lieblingsitaliener um die Ecke. In Tunis vermutlich ein mehrgängiges Menu. Hier nur drei kleine Kleckse Schokocreme.
Mittags waren wir Sandwich holen in einer Bäckerei um die Ecke. Die Strecke ist kaum länger als mein täglicher Weg zum Bäcker in Tunis, aber zu Fuß zu gehen steht nicht zur Debatte. Ich habe mir sagen lassen, dass man als Ausländer zwar tagsüber keine ernsthaften Gefahren zu befürchten hat, sich aber der Belästigungen kaum erwehren kann und vereinzelte Jugendliche auch gelegentlich aggressiv werden, wenn man nicht bezahlt. Eine Kostprobe davon erhielt ich umgehend. An allen freien Parkplätzen hier warten stets hilfsbereite Afrikaner, die einen völlig unnötigerweise einwinken wollen und damit zuweilen, wenn es gleich drei auf einmal versuchen, an verschiedenen Enden des Autos, nur schwerer machen. Dennoch erwarten alle drei danach Trinkgeld für die erbrachte Dienstleistung. Neben der offiziellen Parkplatzwächterin verlangten also mittags zwei weitere Personen Parkgeld – für die zwei Minuten, die wir in der Bäckerei waren. Meine Kollegin erklärte mir, daß sie inzwischen bereitwillig regelmäßig alle bezahlt, die Ansprüche geltend machen, nur um des lieben Friedens willen. Auf der kurzen Fahrt zurück ins Büro konnte ich mehrere ähnliche Szenen beobachten. Und bin erschüttert. Was soll ich sagen: ich bin zerrisen zwischen Verständnis für eine Not, die keinen Platz für Moral und Anstand lässt und der Verunsicherung darüber, wie ich damit umgehen soll.
Ich habe in Nordafrika nie Angst gehabt, nie ernsthafte Befürchtungen gehegt. Vielleicht hatte ich auch einfach nur Glück, aber mir ist nie etwas abhanden gekommen, ich bin allenfalls im kleinen Stil über den Tisch gezogen worden, ein Euro hier, ein Euro dort. Hier hingegen, das habe ich schon begriffen, muß ich aufpassen. Im Dunkeln allein auf die Straße zu gehen ist undenkbar. Selbst Mittags zum Supermarkt zu laufen ist nicht ratsam. Ich bin in meiner Mobilität massiv eingeschränkt, muß mir dringend einen zuverlässigen Taxifahrer organisieren, um weniger abhängig von den Kollegen zu sein. Auch wenn die Kollegin, bei der ich wohne, ihrer – männlichen – Haushaltshilfe vertraut, hat sie gesagt: er weiß, dass ich hier bald aufhöre, also kann man nicht sicher sein, schließ Deinen Reisepaß lieber im Büro ein. Mich beschleicht der ketzerische Gedanke: wenn die Geschichte in diesem Land – Kolonialismus, Imperialismus, Stellvertreterkonflikte inbegriffen, an denen wir Europäer mitschuldig sind – zu einer solchen Mentalität geführt haben, was können dann alle gutgemeinten Bemühungen dieser Welt ausrichten? Das ist eine reichlich ernüchternde Erkenntnis, nach nur zwei Tagen in Kinshasa.
Wenn Sie Bilder von Entwicklungsländern sehen, könnte Ihnen der große Anteil an Geländewagen auffallen. Ich weiß jetzt auch warum. Es ist keineswegs so, dass alle Mitarbeiter der Vereinten Nationen und internationaler Hilfsorganisationen dekadente Salon-Kommunisten sind, vielmehr ist ein Allradantrieb hier unerlässlich für die Fortbewegung auf dem, was sich hier Straße nennt. Selbst in den besseren Vierteln der Millionenmetropole Kinshasa kann man von einer der Hauptstraßen abbiegen und sich auf einer besseren Schotterpiste wiederfinden. Schlaglöcher, fehlende Straßenmarkierungen, gelegentlich Bäume auf der Straße – ein SUV ist hier nicht Luxus sondern Notwendigkeit. Montag Abend haben wir auf dem Weg zu einem der netteren Restaurants der Stadt eine Pfütze durchquert, so tief wie mein Kinderplanschbecken, als ich noch jung und unschuldig im heimischen Garten spielte. Auf dem Parkplatz also eine Armada von Geländewagen, die Chauffeure alle in einem Wagen versammelt, fuhr vor uns eine Karosse bis direkt vor die Tür. Herren in Anzügen stiegen aus, das Sicherheitspersonal am Eingang salutierte schneidig und einer meiner Begleiter informierte mich flüsternd: C’est le Ministre de XXX. Wir ließen uns auf der Terrasse nieder, in der Sitzecke nebenan eine größere Gruppe Expats, Kinderwagen sorgfältig mit Moskitonetzen verschlossen. Meine Kollegin holte ihr Moskito-Repellent heraus, wir bestellten Bier und Essen, plauderten. Ich bin überrascht, wie gut ich französischen Gesprächen folgen kann je mehr ich mich einhöre, war aber viel zu müde, um die Anstrengung am Ende eines langen Arbeitstages noch zu machen. Drinnen einige sichtlich wohlhabende Afrikaner. Das Dessert – zuckersüße Mousse au Chocolat – kostete lächerliche zwölf Dollar. Zuhause in Frankfurt bekäme ich dafür ein Hauptgericht bei meinem Lieblingsitaliener um die Ecke. In Tunis vermutlich ein mehrgängiges Menu. Hier nur drei kleine Kleckse Schokocreme.
Mittags waren wir Sandwich holen in einer Bäckerei um die Ecke. Die Strecke ist kaum länger als mein täglicher Weg zum Bäcker in Tunis, aber zu Fuß zu gehen steht nicht zur Debatte. Ich habe mir sagen lassen, dass man als Ausländer zwar tagsüber keine ernsthaften Gefahren zu befürchten hat, sich aber der Belästigungen kaum erwehren kann und vereinzelte Jugendliche auch gelegentlich aggressiv werden, wenn man nicht bezahlt. Eine Kostprobe davon erhielt ich umgehend. An allen freien Parkplätzen hier warten stets hilfsbereite Afrikaner, die einen völlig unnötigerweise einwinken wollen und damit zuweilen, wenn es gleich drei auf einmal versuchen, an verschiedenen Enden des Autos, nur schwerer machen. Dennoch erwarten alle drei danach Trinkgeld für die erbrachte Dienstleistung. Neben der offiziellen Parkplatzwächterin verlangten also mittags zwei weitere Personen Parkgeld – für die zwei Minuten, die wir in der Bäckerei waren. Meine Kollegin erklärte mir, daß sie inzwischen bereitwillig regelmäßig alle bezahlt, die Ansprüche geltend machen, nur um des lieben Friedens willen. Auf der kurzen Fahrt zurück ins Büro konnte ich mehrere ähnliche Szenen beobachten. Und bin erschüttert. Was soll ich sagen: ich bin zerrisen zwischen Verständnis für eine Not, die keinen Platz für Moral und Anstand lässt und der Verunsicherung darüber, wie ich damit umgehen soll.
Ich habe in Nordafrika nie Angst gehabt, nie ernsthafte Befürchtungen gehegt. Vielleicht hatte ich auch einfach nur Glück, aber mir ist nie etwas abhanden gekommen, ich bin allenfalls im kleinen Stil über den Tisch gezogen worden, ein Euro hier, ein Euro dort. Hier hingegen, das habe ich schon begriffen, muß ich aufpassen. Im Dunkeln allein auf die Straße zu gehen ist undenkbar. Selbst Mittags zum Supermarkt zu laufen ist nicht ratsam. Ich bin in meiner Mobilität massiv eingeschränkt, muß mir dringend einen zuverlässigen Taxifahrer organisieren, um weniger abhängig von den Kollegen zu sein. Auch wenn die Kollegin, bei der ich wohne, ihrer – männlichen – Haushaltshilfe vertraut, hat sie gesagt: er weiß, dass ich hier bald aufhöre, also kann man nicht sicher sein, schließ Deinen Reisepaß lieber im Büro ein. Mich beschleicht der ketzerische Gedanke: wenn die Geschichte in diesem Land – Kolonialismus, Imperialismus, Stellvertreterkonflikte inbegriffen, an denen wir Europäer mitschuldig sind – zu einer solchen Mentalität geführt haben, was können dann alle gutgemeinten Bemühungen dieser Welt ausrichten? Das ist eine reichlich ernüchternde Erkenntnis, nach nur zwei Tagen in Kinshasa.
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Ankunft
Wirklich, ich sage es nicht gerne, aber schon die Anreise war dieses Mal ein Kampf. Nachdem auch Visum, Medikamente und Flugbuchung ein Kampf waren. Die S-Bahn zum Flughafen morgens habe ich um eine Minute verpaßt. Mich mit drei Gepäckstücken zum Terminal II durchzukämpfen war auch kein Spaß. Check-in Maschinen funktionierten nicht, jedenfalls nicht für mich. Am Schalter: Schlange. In letzter Minute Geldwechsler gefunden und Dollars zu unverschämten Preisen getauscht. Keine Zeit für Frühstück gefunden. Sicherheitskontrollen blockiert mit Sommerurlaubern (die fünf Mal die Sicherheitsschranken passieren müssen, weil sie Flüssigkeiten, Metallteile und sonstiges Gefahrengut nur häppchenweise preisgeben). In Paris festgestellt: Terminal C für Afrika Flüge reserviert. Umbauarbeiten. Keine Rauchbereiche. Keine Läden. Dafür Kreissäge im Hintergrund und zuwenig Platz für all die Passagiere.
Ich war schon spät dran mit dem Boarding, weil ich lieber noch einige Minuten länger am Fenster stehe und die Glieder strecke. Afrikaner brauchen aber noch länger – planmäßiger Abflug wäre um kurz nach elf gewesen. Um kurz vor zwölf, als ich den ersten Anfall von Platzangst erlebte, spazierten die letzten Gestalten ganz gemütlich zu ihren Plätzen. Ich hatte zu meinem unendlichen Bedauern (und acht Stunden sind lange genug, um sich ausführlich selbst zu bedauern) einen Mittelplatz in der Mittelreihe, neben einem deutlich mobilitätseingeschränkten älteren Herrn, gleich hinter zwei Kindern im Krabbelalter. Vielleicht waren das alles Zufälle, aber mir sind die Unmengen Handgepäck aufgefallen, endlose Diskussionen mit dem Kabinenpersonal über aufstehen dürfen, Tische einklappen, und was man so alles auf Flügen darf und nicht darf. Und das beste kam wie immer zum Schluß: beim Landeanflug wurde nicht nur frühzeitig geklatscht und applaudiert, nein, auch tiriliert, jubiliert und gejohlt. Jawohl.
Rechts und links der Landebahn offene Feuer, ich fühlte mich entsetzlich verloren beim Aussteigen. Stand auf dem Rollfeld, kaum hundert Meter von dem kleinen Flughafengebäude entfernt. Überall Flughafenmenschen in gelben Westen, die untätig rumstanden. Ich bin auf gut Glück den anderen Passagieren gefolgt, einmal quer übers Rollfeld. Vor dem Gebäude eine erste Warteschlange, nichts Böses ahnend reichte ich dem Personal meinen Impfausweis – und wurde prompt aus der Schlange gezogen. Wartete, während sich der Mann mit dem roten Kreuz auf dem Schildchen mit einem anderen Passagier stritt. Fragen zu meinen Impfungen, Erklärungen, Diskussionen. Ich bedauerte, beteuerte meine Unwissenheit – half alles nichts. In einem Büro am Rand setzte mir eine Schwester in raschem Französisch komplexe Dinge auseinander, die ich nicht verstand. Ich sah mich in Gedanken schon wieder direkt auf dem Heimflug, alle Mühen vergebens. Doch nein, ich müsse nur 40 USD bezahlen, dann könne man mir eine Bestätigung ausstellen, daß alles seine Ordnung habe – oder so ähnlich? Wenn die Leute schnell sprechen, verstehe ich sie nicht. Umso besser kann ich dafür die Rolle des naiven Dummchens abgeben, das nix kapiert. Ich erklärte also, meine Kollegen anrufen zu wollen, und bekam sogar von einer der Damen das Handy geliehen für diesen Anruf. Die Kollegin riet mir, die Herrschaften von der Impfkontrolle möglichst noch ein bißchen runterzuhandeln und mir im Übrigen keine Sorgen zu machen. Was ich tat. Und am Ende gar nichts bezahlen mußte, soviel Mitleid hatte man mit meinem verzweifelten Händeringen und Gestammel.
Dann noch mehr Warten, auf die Paßkontrolle. Auf der anderen Seite wurde ich dann endlich vom Fahrer meines Arbeitgebers in Empfang genommen – gut so, alleine wäre ich hoffnungslos überfordert gewesen. Die Koffer werden manuell geliefert und in einer Ecke der Halle abgestellt – vermute ich, dort wuselten Unmengen Menschen wie Ameisen durcheinander, Brüllen, Schreien, Reden, dazwischen Polizei und Flughafenpersonal. Ich konnte nicht genau sehen, was vor sich geht, wurde in einem klimatisierten Warteraum abgestellt, händigte dem Fahrer meine Gepäckzettel aus – und wartete weiter. Mehr als zwei Stunden nach der Ankunft hatte die Warterei ein Ende. Die Fahrt vom Flughafen N’Djili in die Stadt zieht sich über eine Stunde, durch endlose Vororte. Es ist dunkel im Kongo, viel dunkler als ich es jemals erlebt habe. Keine Straßenbeleuchtung, auch Häuser und Läden haben bestenfalls ein kleines Lämpchen. Dafür Öllampen überall, immer wieder mal offene Feuer und viele viele Schlaglöcher. Trotz der fortgeschrittenen Stunde waren überall Menschen unterwegs, saßen in Cafés am Straßenrand, fuhren in blau-gelben Taxibussen, schoben gelegentlich auch blau-gelbe Taxibusse.
Irgendwann sah die Umgebung mehr nach Stadt und Infrastruktur aus, zwar keine Bürgersteige, aber immerhin zwischendurch sogar einige Straßenlaternen und Gebäude, die vertrauter aussehen und weniger wie Baracken. Schneller als erwartet hielt der Fahrer vor einem häßlichen Appartement Haus, lud einen anderen Fahrgast aus, zeigte mir en passant das Gebäude meines Arbeitgebers, und hielt wir vor dem Tor zum Haus meiner Kollegin. Gated Community, Stacheldraht auf er Mauer, ein verschlossenes Tor – und ein schlafender Wächter. Noch mal zehn Minuten warten, rangieren, Hupe und Lichthupe. Innerhalb des Stacheldrahts mehrere kleine Bungalows, Schotter, ein Müllhaufen. Anders als Expat Residenzen in Tunis – ganz anders. Die freundliche Kollegin hatte mein Zimmer nett vorbereitet, zeigte mir ihre Wohnung, erklärte die Funktion der Wassertonne neben der Badewanne (bei Stromausfall auch Wasserausfall). Ein kaltes Bier auf der Terrasse und dann lag ich zum ersten Mal in meinem Leben in einem Bett mit Moskitonetz. Und fühlte mich sehr abenteuerlustig und sehr privilegiert, daß ich soviel erleben darf.
Ich war schon spät dran mit dem Boarding, weil ich lieber noch einige Minuten länger am Fenster stehe und die Glieder strecke. Afrikaner brauchen aber noch länger – planmäßiger Abflug wäre um kurz nach elf gewesen. Um kurz vor zwölf, als ich den ersten Anfall von Platzangst erlebte, spazierten die letzten Gestalten ganz gemütlich zu ihren Plätzen. Ich hatte zu meinem unendlichen Bedauern (und acht Stunden sind lange genug, um sich ausführlich selbst zu bedauern) einen Mittelplatz in der Mittelreihe, neben einem deutlich mobilitätseingeschränkten älteren Herrn, gleich hinter zwei Kindern im Krabbelalter. Vielleicht waren das alles Zufälle, aber mir sind die Unmengen Handgepäck aufgefallen, endlose Diskussionen mit dem Kabinenpersonal über aufstehen dürfen, Tische einklappen, und was man so alles auf Flügen darf und nicht darf. Und das beste kam wie immer zum Schluß: beim Landeanflug wurde nicht nur frühzeitig geklatscht und applaudiert, nein, auch tiriliert, jubiliert und gejohlt. Jawohl.
Rechts und links der Landebahn offene Feuer, ich fühlte mich entsetzlich verloren beim Aussteigen. Stand auf dem Rollfeld, kaum hundert Meter von dem kleinen Flughafengebäude entfernt. Überall Flughafenmenschen in gelben Westen, die untätig rumstanden. Ich bin auf gut Glück den anderen Passagieren gefolgt, einmal quer übers Rollfeld. Vor dem Gebäude eine erste Warteschlange, nichts Böses ahnend reichte ich dem Personal meinen Impfausweis – und wurde prompt aus der Schlange gezogen. Wartete, während sich der Mann mit dem roten Kreuz auf dem Schildchen mit einem anderen Passagier stritt. Fragen zu meinen Impfungen, Erklärungen, Diskussionen. Ich bedauerte, beteuerte meine Unwissenheit – half alles nichts. In einem Büro am Rand setzte mir eine Schwester in raschem Französisch komplexe Dinge auseinander, die ich nicht verstand. Ich sah mich in Gedanken schon wieder direkt auf dem Heimflug, alle Mühen vergebens. Doch nein, ich müsse nur 40 USD bezahlen, dann könne man mir eine Bestätigung ausstellen, daß alles seine Ordnung habe – oder so ähnlich? Wenn die Leute schnell sprechen, verstehe ich sie nicht. Umso besser kann ich dafür die Rolle des naiven Dummchens abgeben, das nix kapiert. Ich erklärte also, meine Kollegen anrufen zu wollen, und bekam sogar von einer der Damen das Handy geliehen für diesen Anruf. Die Kollegin riet mir, die Herrschaften von der Impfkontrolle möglichst noch ein bißchen runterzuhandeln und mir im Übrigen keine Sorgen zu machen. Was ich tat. Und am Ende gar nichts bezahlen mußte, soviel Mitleid hatte man mit meinem verzweifelten Händeringen und Gestammel.
Dann noch mehr Warten, auf die Paßkontrolle. Auf der anderen Seite wurde ich dann endlich vom Fahrer meines Arbeitgebers in Empfang genommen – gut so, alleine wäre ich hoffnungslos überfordert gewesen. Die Koffer werden manuell geliefert und in einer Ecke der Halle abgestellt – vermute ich, dort wuselten Unmengen Menschen wie Ameisen durcheinander, Brüllen, Schreien, Reden, dazwischen Polizei und Flughafenpersonal. Ich konnte nicht genau sehen, was vor sich geht, wurde in einem klimatisierten Warteraum abgestellt, händigte dem Fahrer meine Gepäckzettel aus – und wartete weiter. Mehr als zwei Stunden nach der Ankunft hatte die Warterei ein Ende. Die Fahrt vom Flughafen N’Djili in die Stadt zieht sich über eine Stunde, durch endlose Vororte. Es ist dunkel im Kongo, viel dunkler als ich es jemals erlebt habe. Keine Straßenbeleuchtung, auch Häuser und Läden haben bestenfalls ein kleines Lämpchen. Dafür Öllampen überall, immer wieder mal offene Feuer und viele viele Schlaglöcher. Trotz der fortgeschrittenen Stunde waren überall Menschen unterwegs, saßen in Cafés am Straßenrand, fuhren in blau-gelben Taxibussen, schoben gelegentlich auch blau-gelbe Taxibusse.
Irgendwann sah die Umgebung mehr nach Stadt und Infrastruktur aus, zwar keine Bürgersteige, aber immerhin zwischendurch sogar einige Straßenlaternen und Gebäude, die vertrauter aussehen und weniger wie Baracken. Schneller als erwartet hielt der Fahrer vor einem häßlichen Appartement Haus, lud einen anderen Fahrgast aus, zeigte mir en passant das Gebäude meines Arbeitgebers, und hielt wir vor dem Tor zum Haus meiner Kollegin. Gated Community, Stacheldraht auf er Mauer, ein verschlossenes Tor – und ein schlafender Wächter. Noch mal zehn Minuten warten, rangieren, Hupe und Lichthupe. Innerhalb des Stacheldrahts mehrere kleine Bungalows, Schotter, ein Müllhaufen. Anders als Expat Residenzen in Tunis – ganz anders. Die freundliche Kollegin hatte mein Zimmer nett vorbereitet, zeigte mir ihre Wohnung, erklärte die Funktion der Wassertonne neben der Badewanne (bei Stromausfall auch Wasserausfall). Ein kaltes Bier auf der Terrasse und dann lag ich zum ersten Mal in meinem Leben in einem Bett mit Moskitonetz. Und fühlte mich sehr abenteuerlustig und sehr privilegiert, daß ich soviel erleben darf.
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Angekommen.
Sprachlos und überwältigt.
Aber glücklich - das hier ist genau das, was ich wollte.
Sprachlos und überwältigt.
Aber glücklich - das hier ist genau das, was ich wollte.
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Reiseplanung für Fortgeschrittene
Zeit für einen hysterischen Lachanfall. Es war jedes einzelne Mal so sagenhaft einfach, nach Nordafrika zu reisen: Flug buchen, Paß einpacken, am Flughafen Stempel bekommen, fertig. Schön, einmal mußte ich für den Stempel bezahlen (aber nicht viel) und als verantwortungsbewußter junger Mensch habe ich mich vorher noch schnell gegen Typhus impfen lassen und Hepatitis aufgefrischt. Kinderspiel.
Subsahara Afrika ist hingegen eine andere Hausnummer.
Das Visum: erst habe ich keine Botschaft in Tunis gefunden (selber schuld, wer auf englisch nach einer frankophonen Botschaft sucht), dann wollte man mir mangels Aufenthaltserlaubnis hier kein Visum geben, dann wurde ich bei meinem derzeitigen Arbeitgeber von einer Abteilung zur nächsten verwiesen zwecks Arbeitsbestätigung. Als ich endlich froh und erleichtert alle Unterlagen in der Botschaft abgegeben hatte, dortselbst kontrolliert, und um eine nicht unerhebliche Summe ärmer war*, war die Woche vorbei. Ich möge Montag das Visum abholen. Auf Anraten der erfahrenen Kollegen gestern morgen angerufen: Visum noch nicht fertig, man würde mich benachrichtigen. Wie? Meine Telefonnummer? Ach ja, bitte. Eine Stunde später: die Note Verbale sei nicht unterschrieben. Wieder in Kinshasa nachgefragt, dort Dokumentenstau, Office-Programme nicht kompatibel, Dokumente lassen sich nicht öffnen. Abends Note Verbale mit Unterschrift erhalten. Heute morgen also zum dritten und hoffentlich vorletzten Mal der Botschaft einen Besuch abgestattet, ich möge Mittags wiederkommen.
Der Flug: Mißverständnisse über Reisedaten, Versicherungen, Direktflüge gibt es ohnehin von Tunis keine. Air Ethiopia mag ich nicht fliegen. Über Johannesburg (40 Stunden) auch nicht. Eine Nacht Charles-de-Gaulle brauche ich noch weniger. Flüge sind im Internet sind nicht umbuchbar. Kreditkarte wegen zu geringem Limit zurückgewiesen. Mit Bank telefoniert. Mit Air France telefoniert. Die Buchungsbestätigung würde mir innerhalb von 24 Stunden zugehen. Nachgefragt. Bald. Noch mal nachgefragt. Bald. Heute wieder nachgefragt: nun werde man Nachforschungen anstellen. Ich habe mit Air France in den vergangenen Tagen mehr telefoniert als mit meinem gesamten Freundeskreis.
Die Malaria-Prophylaxe: andernorts schon ausgebreitet.
Erster Eindruck: Subsahara Afrika ist ein Irrenhaus. Und damit man sich schneller einlebt, wird man schon vor der Einreise irre gemacht.
*Extra-Gebühr für Visumsantrag am Freitag statt am Dienstag einreichen und so, aber sie haben es offenbar nötig: die Kakerlakenleichen vom Montag lagen auch am Freitag noch in derselben Ecke.
Subsahara Afrika ist hingegen eine andere Hausnummer.
Das Visum: erst habe ich keine Botschaft in Tunis gefunden (selber schuld, wer auf englisch nach einer frankophonen Botschaft sucht), dann wollte man mir mangels Aufenthaltserlaubnis hier kein Visum geben, dann wurde ich bei meinem derzeitigen Arbeitgeber von einer Abteilung zur nächsten verwiesen zwecks Arbeitsbestätigung. Als ich endlich froh und erleichtert alle Unterlagen in der Botschaft abgegeben hatte, dortselbst kontrolliert, und um eine nicht unerhebliche Summe ärmer war*, war die Woche vorbei. Ich möge Montag das Visum abholen. Auf Anraten der erfahrenen Kollegen gestern morgen angerufen: Visum noch nicht fertig, man würde mich benachrichtigen. Wie? Meine Telefonnummer? Ach ja, bitte. Eine Stunde später: die Note Verbale sei nicht unterschrieben. Wieder in Kinshasa nachgefragt, dort Dokumentenstau, Office-Programme nicht kompatibel, Dokumente lassen sich nicht öffnen. Abends Note Verbale mit Unterschrift erhalten. Heute morgen also zum dritten und hoffentlich vorletzten Mal der Botschaft einen Besuch abgestattet, ich möge Mittags wiederkommen.
Der Flug: Mißverständnisse über Reisedaten, Versicherungen, Direktflüge gibt es ohnehin von Tunis keine. Air Ethiopia mag ich nicht fliegen. Über Johannesburg (40 Stunden) auch nicht. Eine Nacht Charles-de-Gaulle brauche ich noch weniger. Flüge sind im Internet sind nicht umbuchbar. Kreditkarte wegen zu geringem Limit zurückgewiesen. Mit Bank telefoniert. Mit Air France telefoniert. Die Buchungsbestätigung würde mir innerhalb von 24 Stunden zugehen. Nachgefragt. Bald. Noch mal nachgefragt. Bald. Heute wieder nachgefragt: nun werde man Nachforschungen anstellen. Ich habe mit Air France in den vergangenen Tagen mehr telefoniert als mit meinem gesamten Freundeskreis.
Die Malaria-Prophylaxe: andernorts schon ausgebreitet.
Erster Eindruck: Subsahara Afrika ist ein Irrenhaus. Und damit man sich schneller einlebt, wird man schon vor der Einreise irre gemacht.
*Extra-Gebühr für Visumsantrag am Freitag statt am Dienstag einreichen und so, aber sie haben es offenbar nötig: die Kakerlakenleichen vom Montag lagen auch am Freitag noch in derselben Ecke.
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Umziehen!
Ich finde es wirklich ganz reizend von Ihnen, daß Sie mich alle (drei) im langweiligen Tunis lieber sehen. Setze mich aber dennoch über den Wunsch meiner vielzähligen Leserschaft hinweg: Der Flug ist gebucht! Das Visum bekomme ich Montag, inscha’allah. Und am Samstag werde ich mir beim Layover in Frankfurt noch „Heart of Darkness“ besorgen – in Kinshasa gibt es nämlich nach Aussage von Freunden keine Buchläden. Auch keine Post.
Das Land ist so fast so groß wie ganz Westeuropa (Spanien, Frankreich, Deutschland, Schweden und Norwegen zusammen) und hat über 60 Millionen Einwohner. Aber nur 100.000 Bankkonten. 60 Bankfilialen im ganzen Land, davon die Mehrheit in der Hauptstadt. Wo wiederum vor zwei Jahren noch gekämpft und geschossen wurde. Gut, daß meine Mama nicht mitliest. Als lokale Spezialität wurde mir von Kollegen Affenhirn empfohlen. Sollte ich mich dazu durchringen, werde ich berichten, versteht sich.
Das Land ist so fast so groß wie ganz Westeuropa (Spanien, Frankreich, Deutschland, Schweden und Norwegen zusammen) und hat über 60 Millionen Einwohner. Aber nur 100.000 Bankkonten. 60 Bankfilialen im ganzen Land, davon die Mehrheit in der Hauptstadt. Wo wiederum vor zwei Jahren noch gekämpft und geschossen wurde. Gut, daß meine Mama nicht mitliest. Als lokale Spezialität wurde mir von Kollegen Affenhirn empfohlen. Sollte ich mich dazu durchringen, werde ich berichten, versteht sich.
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