Ich darf mal festhalten: der Traffic hier seit ich die großartigen Staaten verlassen habe, ist beklagenswert. Tunis scheint uninteressant zu sein. Deutschland sowieso. Sollte ich vielleicht versuchen, als nächstes in den Sudan oder nach Afghanistan zu kommen? Oder einfach mehr über alles schreiben, was Räder hat (das scheint bei anderen immer zu funktionieren)?
Ich könnte mich natürlich auch in polemischer Art und Weise über das Kontakt- und Jagdverhalten der tunesischen Männlichkeit auslassen, da sammeln sich gerade viele kleine Episoden in meinem Kopf. Das versuche ich vielleicht mal als erstes?
Ich könnte mich natürlich auch in polemischer Art und Weise über das Kontakt- und Jagdverhalten der tunesischen Männlichkeit auslassen, da sammeln sich gerade viele kleine Episoden in meinem Kopf. Das versuche ich vielleicht mal als erstes?
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Glückliche Fügung
Man freut sich viel zu wenig über die kleinen Freunden des Alltags, glückliche Zufälle und Unwesentlichkeiten. Fällt mir im Supermarkt ein ganzer Karton Eier aus den Armen (weil ich zu bequem war, ein Wägelchen zu schieben) und verpasse ich an einem Tag zwei Mal die U-Bahn, nehme ich das ganz sicher zur Kenntnis und bedauere mein Pech. Wenn dann noch das bestellte Buch nicht angekommen ist, oder mir das Abendessen anbrennt, weiß ich: „Schon morgens war dieser Tag zum Scheitern verurteilt“. Erhalte ich an einem Tag drei Absagen auf Bewerbungen, hadere ich mit dem Schicksal. Wirft mein Vorgesetzter die Abendplanung über den Haufen, weil ich auch nach zwanzig Uhr unersetzlich bin im Büro, denke ich unzweifelhaft: Ausgerechnet heute, wo ich feste Pläne hatte, verabredet war... morgen, übermorgen, gestern, alles wäre günstiger als heute gewesen... warum immer ich? Und sollte ich danach noch die U-Bahn verpassen schleicht sich die Frage an, ob mein Leben vielleicht vom Pech verfolgt, nachgerade verflucht sein könnte?
Es geht aber auch anders und ich bemühe mich sehr, auch die netten kleinen Zufälle nicht unbemerkt vorbeiziehen zu lassen, sondern mich darüber zu freuen, ganz bewußt und aus vollem Herzen. Gestern zum Beispiel. Wer hätte gedacht, daß das Internet direkt nach dem einstöpseln verfügbar sein würde? Und was anfangs unannehmlich schien, wurde schließlich doch gut. Eine unspektakuläre kleine Verwaltungsgeschichte: Zutrittskarte beantragen. Netterweise half mir die Team Assistentin (Sekretärinnen scheinen vom Aussterben bedroht, die letzte dieser Art begegnete mir vor einigen Jahren in einer Privatbank, heute sind die vergleichbaren Mitarbeiter immer Team Assistentin oder Office Assistant), also, die Team Assistentin nahm mich mit ins Gebäude nebenan, wo wir vertröstet wurden auf elf Uhr. Zwei Stunden später sind wir erneut die Strasse hochgetrabt (bei über 30 Grad im Schatten beginne ich auch zu verstehen, warum es für die Distanz von 200 Metern Pendelbusse gibt) und mußten geraume Zeit warten, vor mir waren nämlich zehn andere Praktikanten dran. Ich war ohnehin schon frustriert, mit Abschluß und Berufserfahrung nur einen Ausweis für Stagiaires (Praktikanten) zu erhalten (Verwaltungsgründe) und leider war die Situation auch nicht dazu angetan, Kontakt zu den anderen Stagiaires aufzunehmen, obwohl diese offensichtlich als Gruppe unterwegs waren. Milde Frustration, ob meiner Einstufung und meiner Abgeschiedenheit von der Gruppe – kein guter Start, nicht wirklich und eine wunderbare Gelegenheit, mein hartes Los zu bedauern.
Um halb sieben abends fand ich dann, es sei nun genug gestrebt für den ersten Tag, immerhin hatte ich keinerlei konkrete Aufgaben (einlesen? ha!, muß ich nicht, ihr habt mich doch eingestellt, gerade weil ich mit den Themen vertraut bin, oder?) und habe mein Täschchen gepackt. Draußen in der Hitze stehend, Orientierung im immer noch gleißenden Licht suchend, welches der beste Heimweg wäre, holte mich jemand auf der Kreuzung ein: einer der anderen Praktikanten des Vormittags! Unsere Heimwege trennten sich erst auf der Avenue Bourguiba, reichlich Gelegenheit zu Austausch und Small Talk, und: er hat mich gleich mit auf die vormittags gegründete, inoffizielle Praktikantenliste aufgenommen und möchte als gebürtiger Tunesier gerne den ortsfremden Stagiaires die Stadt zeigen – mich eingschlossen, versteht sich!
Ohne die Verzögerungen bei der Zutrittskarte, ohne die Wartezeit gedrängt in dem kleinen Büro, ohne den glücklichen Entschluß, just um halb sieben das Büro zu verlassen – wir hätten uns möglicherweise nie wieder gesehen und mir wäre die Anschlußmöglichkeit an die anderen Stagiaires entgangen. Das war also ganz unbestreitbar eine wirklich glückliche Fügung des Schicksals und Grund, mit seinem Leben zufrieden zu sein!
Es geht aber auch anders und ich bemühe mich sehr, auch die netten kleinen Zufälle nicht unbemerkt vorbeiziehen zu lassen, sondern mich darüber zu freuen, ganz bewußt und aus vollem Herzen. Gestern zum Beispiel. Wer hätte gedacht, daß das Internet direkt nach dem einstöpseln verfügbar sein würde? Und was anfangs unannehmlich schien, wurde schließlich doch gut. Eine unspektakuläre kleine Verwaltungsgeschichte: Zutrittskarte beantragen. Netterweise half mir die Team Assistentin (Sekretärinnen scheinen vom Aussterben bedroht, die letzte dieser Art begegnete mir vor einigen Jahren in einer Privatbank, heute sind die vergleichbaren Mitarbeiter immer Team Assistentin oder Office Assistant), also, die Team Assistentin nahm mich mit ins Gebäude nebenan, wo wir vertröstet wurden auf elf Uhr. Zwei Stunden später sind wir erneut die Strasse hochgetrabt (bei über 30 Grad im Schatten beginne ich auch zu verstehen, warum es für die Distanz von 200 Metern Pendelbusse gibt) und mußten geraume Zeit warten, vor mir waren nämlich zehn andere Praktikanten dran. Ich war ohnehin schon frustriert, mit Abschluß und Berufserfahrung nur einen Ausweis für Stagiaires (Praktikanten) zu erhalten (Verwaltungsgründe) und leider war die Situation auch nicht dazu angetan, Kontakt zu den anderen Stagiaires aufzunehmen, obwohl diese offensichtlich als Gruppe unterwegs waren. Milde Frustration, ob meiner Einstufung und meiner Abgeschiedenheit von der Gruppe – kein guter Start, nicht wirklich und eine wunderbare Gelegenheit, mein hartes Los zu bedauern.
Um halb sieben abends fand ich dann, es sei nun genug gestrebt für den ersten Tag, immerhin hatte ich keinerlei konkrete Aufgaben (einlesen? ha!, muß ich nicht, ihr habt mich doch eingestellt, gerade weil ich mit den Themen vertraut bin, oder?) und habe mein Täschchen gepackt. Draußen in der Hitze stehend, Orientierung im immer noch gleißenden Licht suchend, welches der beste Heimweg wäre, holte mich jemand auf der Kreuzung ein: einer der anderen Praktikanten des Vormittags! Unsere Heimwege trennten sich erst auf der Avenue Bourguiba, reichlich Gelegenheit zu Austausch und Small Talk, und: er hat mich gleich mit auf die vormittags gegründete, inoffizielle Praktikantenliste aufgenommen und möchte als gebürtiger Tunesier gerne den ortsfremden Stagiaires die Stadt zeigen – mich eingschlossen, versteht sich!
Ohne die Verzögerungen bei der Zutrittskarte, ohne die Wartezeit gedrängt in dem kleinen Büro, ohne den glücklichen Entschluß, just um halb sieben das Büro zu verlassen – wir hätten uns möglicherweise nie wieder gesehen und mir wäre die Anschlußmöglichkeit an die anderen Stagiaires entgangen. Das war also ganz unbestreitbar eine wirklich glückliche Fügung des Schicksals und Grund, mit seinem Leben zufrieden zu sein!
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Ankunft
Die ersten Tage in einer neuen Stadt sind immer die schlimmsten und die ersten Stunden ganz besonders. Der Flug, der unbekannte Ankunftsflughafen, Geld abheben, Transport in die Stadt organisieren, Hotel finden, Zimmer aussuchen – all das hält mich in Atem und die Bedenken fern, aber dann: man sitzt auf seinem Zimmer, überwältigt von neuen Eindrücken, alles ist fremd. Das Zimmer ist klein und bescheiden, die Dusche eine nachträglich eingebaute Plastikkabine, Vorhänge und Bettüberwurf in rosa Blumenmuster würde ich unter allen anderen Umständen als scheußlich betrachten, hier jedoch qualifizieren sie als Versuch freundlicher Dekoration. Die Kleiderbügel sind entsetzlich verstaubt – vermutlich geschuldet der Tatsache, daß die übliche Klientel dieses Etablissements nicht mit Anzügen und Blusen im Gepäck reist. Gleich muß ich hinaus ins zwar nicht direkt feindliche aber doch sehr fremde Leben, aber einen Moment lehne ich mich noch auf dem Bett zurück und betrachte den Stuck unter der Decke.
Ein kurzer Moment des Zweifels: kann man Wertsachen hier sorglos auf dem Zimmer lassen? Oder doch besser verstecken? Mangels Möglichkeiten hoffe ich, der Schlüssel sei sicher aufgehoben an der Rezeption und trabe ziellos los. Während des ersten Erkundungsgangs fällt mir meine Verlorenheit immer besonders auf. In den Cafés sitzen Pärchen, Freundinnen, Gruppen junger Männer, aber ich kenne niemanden in dieser Stadt. Natürlich wird sich das ändern, ab Montag habe ich Kollegen und sobald ich in diversen Ehemaligennetzwerken gesucht habe, hoffentlich auch andere Bekanntschaften, aber in diesem Moment bin ich ganz alleine. Ich fühle mich wie eine Marionette, von der die Fäden abgeschnitten wurden, orientierungslos und auch ein bißchen identitätslos. Niemand verstünde mich in meiner Muttersprache. Und ich bin ganz offensichtlich die Ausländerin hier, auf den ersten Blick. Selbst wenn ich fließend Arabisch und Französisch spräche, an dieser offensichtlichen Tatsache würde sich nichts ändern. Ganz besonders in der Métro fühle ich mich wie ein Exot im Zoo, mehr oder weniger verstohlen beäugt. Besser schon, in einem der touristischen Cafés an der Av Bourguiba zu sitzen, da falle ich weniger auf - auch wenn ich immer noch alleine bin. In europäischen Metropolen würde man sich vielleicht ein gut besuchtes Café aussuchen oder abends in eine Bar gehen, Blickkontakt aufnehmen, mit dem Barkeeper plauschen, oder neue Menschen bei einer Zigarette vor der Tür am Aschenbecher treffen. Nichts von alledem ist als alleinreisende Frau in arabischen Ländern empfehlenswert. In einem wirklich günstigen Hostel bestände vielleicht noch eine kleine Chance, andere Reisende kennenzulernen – aber ich ziehe eine saubere Dusche und Einzelzimmer dann doch der Gesellschaft vor.
Ich hasse diese ersten Tage, an denen ich nicht weiß, in welche Straßen und Vierteln ich mich sorglos bewegen kann, warum das Geld hier drei (!) Nachkommstellen hat, wieviel Taxigeld angemessen ist, in welche Richtung ich gehen soll, wo ich Notwendigkeiten einkaufen kann, wo es anständiges Essen gibt. Geht alles vorbei, tröste ich mich, und genieße den Klang von Arabisch rund um mich her. Französisch als Amtssprache scheint mir reichlich überholt, fast alle Menschen auf der Straße sprechen Arabisch. Während ich den ersten Café au lait trinke, buchstabiere ich mich durch die Schilder der umliegenden Hotels und Restaurants. Mein Französisch ist völlig eingerostet und obendrein fühlt sich mein Kopf nach einer Stunde an, als hätte jemand alle drei säuberlich getrennten Sprachschubladen zusammengeschüttet und nun ist alles durcheinander. Keine gute Idee, englische Literatur in ein zweisprachiges Land mitzubringen, ein Überbleibsel aus Washington. Temps passé, on se débrouille!
Ein kurzer Moment des Zweifels: kann man Wertsachen hier sorglos auf dem Zimmer lassen? Oder doch besser verstecken? Mangels Möglichkeiten hoffe ich, der Schlüssel sei sicher aufgehoben an der Rezeption und trabe ziellos los. Während des ersten Erkundungsgangs fällt mir meine Verlorenheit immer besonders auf. In den Cafés sitzen Pärchen, Freundinnen, Gruppen junger Männer, aber ich kenne niemanden in dieser Stadt. Natürlich wird sich das ändern, ab Montag habe ich Kollegen und sobald ich in diversen Ehemaligennetzwerken gesucht habe, hoffentlich auch andere Bekanntschaften, aber in diesem Moment bin ich ganz alleine. Ich fühle mich wie eine Marionette, von der die Fäden abgeschnitten wurden, orientierungslos und auch ein bißchen identitätslos. Niemand verstünde mich in meiner Muttersprache. Und ich bin ganz offensichtlich die Ausländerin hier, auf den ersten Blick. Selbst wenn ich fließend Arabisch und Französisch spräche, an dieser offensichtlichen Tatsache würde sich nichts ändern. Ganz besonders in der Métro fühle ich mich wie ein Exot im Zoo, mehr oder weniger verstohlen beäugt. Besser schon, in einem der touristischen Cafés an der Av Bourguiba zu sitzen, da falle ich weniger auf - auch wenn ich immer noch alleine bin. In europäischen Metropolen würde man sich vielleicht ein gut besuchtes Café aussuchen oder abends in eine Bar gehen, Blickkontakt aufnehmen, mit dem Barkeeper plauschen, oder neue Menschen bei einer Zigarette vor der Tür am Aschenbecher treffen. Nichts von alledem ist als alleinreisende Frau in arabischen Ländern empfehlenswert. In einem wirklich günstigen Hostel bestände vielleicht noch eine kleine Chance, andere Reisende kennenzulernen – aber ich ziehe eine saubere Dusche und Einzelzimmer dann doch der Gesellschaft vor.
Ich hasse diese ersten Tage, an denen ich nicht weiß, in welche Straßen und Vierteln ich mich sorglos bewegen kann, warum das Geld hier drei (!) Nachkommstellen hat, wieviel Taxigeld angemessen ist, in welche Richtung ich gehen soll, wo ich Notwendigkeiten einkaufen kann, wo es anständiges Essen gibt. Geht alles vorbei, tröste ich mich, und genieße den Klang von Arabisch rund um mich her. Französisch als Amtssprache scheint mir reichlich überholt, fast alle Menschen auf der Straße sprechen Arabisch. Während ich den ersten Café au lait trinke, buchstabiere ich mich durch die Schilder der umliegenden Hotels und Restaurants. Mein Französisch ist völlig eingerostet und obendrein fühlt sich mein Kopf nach einer Stunde an, als hätte jemand alle drei säuberlich getrennten Sprachschubladen zusammengeschüttet und nun ist alles durcheinander. Keine gute Idee, englische Literatur in ein zweisprachiges Land mitzubringen, ein Überbleibsel aus Washington. Temps passé, on se débrouille!
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Erste Eindruecke
Eine franzoesisch- arabische Tastatur ist entsetzlich unbequem.
Es gibt richtig viele Ampeln --- und sie funktionieren ------ und manchmal werden sie auch beachtet. Manchmal allerdings zeigt die Ampel gruen fuer Fussgaenger, waehrend der Polizist davor unbeirrt den Autoverkehr drueberwinkt.
Es gibt auch Muelleimer auf der Strasse, der Zustand der Strassen laesst aber vermuten, dass selbige noch nicht konsequent genutzt werden.
In Cafes sitzen auch Frauen in Gruppen zusammen, gelegentlich sogar ohne maennlichen Schutz.
Was den Marokkanern "le Roi" ist den Tunesiern ihr Praesident - Foto haengt in jeder Imbissbude und jedem Hotelfoyer, gerne auch mehrfach nebeneinander.
Es gibt richtig viele Ampeln --- und sie funktionieren ------ und manchmal werden sie auch beachtet. Manchmal allerdings zeigt die Ampel gruen fuer Fussgaenger, waehrend der Polizist davor unbeirrt den Autoverkehr drueberwinkt.
Es gibt auch Muelleimer auf der Strasse, der Zustand der Strassen laesst aber vermuten, dass selbige noch nicht konsequent genutzt werden.
In Cafes sitzen auch Frauen in Gruppen zusammen, gelegentlich sogar ohne maennlichen Schutz.
Was den Marokkanern "le Roi" ist den Tunesiern ihr Praesident - Foto haengt in jeder Imbissbude und jedem Hotelfoyer, gerne auch mehrfach nebeneinander.
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