Umziehen?
Möchten Sie, daß meine Wenigkeit demnächst aus dem Kongo berichtet?
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Leben, wo andere Urlaub machen
Wenn man in einem Land lebt, wo die Temperaturen auch nachts kaum noch unter dreißig Grad fallen, man abends duscht und mit zusammengebundenen Haaren ins Bett geht, sind diese morgens eigentlich trocken. Wenn sie das hingegen auf einmal nicht sind, ohne Intervention eines Wetterumschwungs, weiß man, daß die Nacht zu kurz war.
Das kann allerdings schon mal vorkommen, wenn man da lebt, wo andere Menschen Urlaub machen. Und einen fantastischen, endlosen Nachmittag am Pool der neuen Kollegen verbracht hat. Geplanscht, geplauscht, und den Kühlschrank geplündert. Dieses Haus (von dem ich schon Freitag so angetan war - leider nicht meins) ist ein Traum in Weiß, Blau und Pink. Weiß die Wände, Blau die Geländer und Holzläden, leuchtend-pink die Blumen, die sich wie Wasserfälle über die Mauern ergießen. Ziemlich weit außerhalb der Stadt gelegen, kann man zwischen den Bäumen das Meer gerade noch sehen, und auf diversen Terrassen sind Sitzecken und das Schwimmbecken. Wodka auf pürierten Erdbeeren um halb vier war vielleicht keine so gute Idee, Campari mit Minze später noch weniger, Pasta mit Thunfisch und Zucchini zu fortgeschrittener Stunde hingegen schon.
Ich kann kaum glauben, wie schnell ich mich in dieser Gruppe gut aufgehoben fühle. Ich bin keine ausgeprägte Salonlöwin, brauche immer Vorglühzeit, um lockere, zweideutige oder freche Späßchen in großer Runde von mir geben zu können. Gestern hingegen habe ich mich schon nach einer Stunde wie zu Hause gefühlt, als würde ich diese Menschen schon seit Jahren kennen. Auf jene ganz besondere Art, daß man auch schweigen und zuhören genießen kann. Nicht das Bedürfnis hat, metaphorisch auf dem Tisch tanzen zu müssen, um unterhaltsam zu sein.
Ich hatte den Eindruck, daß der Hausherr durchaus liebe Freunde um sich versammelt hatte – meine italienische Zufallsbekanntschaft (ebenfalls neu in Tunis) und ich jedoch sehr herzlich und ganz selbstverständlich in diesem Kreis willkommen waren. So sollte das Leben immer sein - andererseits wüßte man diese Momente dann vermutlich nicht mehr zu schätzen.
Das kann allerdings schon mal vorkommen, wenn man da lebt, wo andere Menschen Urlaub machen. Und einen fantastischen, endlosen Nachmittag am Pool der neuen Kollegen verbracht hat. Geplanscht, geplauscht, und den Kühlschrank geplündert. Dieses Haus (von dem ich schon Freitag so angetan war - leider nicht meins) ist ein Traum in Weiß, Blau und Pink. Weiß die Wände, Blau die Geländer und Holzläden, leuchtend-pink die Blumen, die sich wie Wasserfälle über die Mauern ergießen. Ziemlich weit außerhalb der Stadt gelegen, kann man zwischen den Bäumen das Meer gerade noch sehen, und auf diversen Terrassen sind Sitzecken und das Schwimmbecken. Wodka auf pürierten Erdbeeren um halb vier war vielleicht keine so gute Idee, Campari mit Minze später noch weniger, Pasta mit Thunfisch und Zucchini zu fortgeschrittener Stunde hingegen schon.
Ich kann kaum glauben, wie schnell ich mich in dieser Gruppe gut aufgehoben fühle. Ich bin keine ausgeprägte Salonlöwin, brauche immer Vorglühzeit, um lockere, zweideutige oder freche Späßchen in großer Runde von mir geben zu können. Gestern hingegen habe ich mich schon nach einer Stunde wie zu Hause gefühlt, als würde ich diese Menschen schon seit Jahren kennen. Auf jene ganz besondere Art, daß man auch schweigen und zuhören genießen kann. Nicht das Bedürfnis hat, metaphorisch auf dem Tisch tanzen zu müssen, um unterhaltsam zu sein.
Ich hatte den Eindruck, daß der Hausherr durchaus liebe Freunde um sich versammelt hatte – meine italienische Zufallsbekanntschaft (ebenfalls neu in Tunis) und ich jedoch sehr herzlich und ganz selbstverständlich in diesem Kreis willkommen waren. So sollte das Leben immer sein - andererseits wüßte man diese Momente dann vermutlich nicht mehr zu schätzen.
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Unwahrscheinliche Bettgenossen
Wer nicht reist, wird nicht den Wert der Menschen schätzen lernen.
Mauretanien
Mauretanien
Hier die Aussicht aus meinem Fenster, als ich
Es ist erstaunlich, welches Glücksgefühl ein Abend mit fremden Menschen in einem fremden Land bescheren kann. Das ist einer der Gründe, warum ich dieses Leben liebe: fremde Länder steigern meine Empfindungen ins Exponentielle. Heimweh und Ängste werden größer, aber eben auch die Momente, an denen ich voller Überzeugung denke: ich mag mein Leben, für genau diese kurzen Augenblicke perfekter Zufriedenheit.
Meine Kollegin C. hat mich gestern Abend einigen ihrer Freunde (alle selber Arbeitgeber, ohne daß wir direkt zusammenarbeiten) vorgestellt, bei tunesischem Wein und Heineken in der Bar Corniche Plaza. Unter künstlichen Palmen, künstlichem Blumen und künstlichem Efeu, bestückt mit bunten Lampions und weihnachtlichen Lichterketten, umsorgt von Kellnern in Marineuniformen (?!), haben wir uns wunderbar unterhalten und den Abend mit kalten Getränken auf einer Terrasse mit Meerblick im Haus des einen Kollegen beschlossen. In der kühlen Nachtluft hing immer noch Hauch von Mittelmeer, um vier Uhr fingen die Vögel an zu zwitschern, der Himmel wurde langsam heller, die umstehenden Bäume zeichneten sich wie Scherenschnitte ab. Ich habe selten einen kalten Martini so genossen, auf der Heimfahrt um fünf den Sonnenaufgang über dem Meer bewundert und war mit mir und der Welt völlig zufrieden.
Man kann in der Wahl seines Umgangs nicht wählerisch sein als Expat im Ausland – dann hätte man nämlich nicht sehr viel. Zu Hause verbringe ich meine Zeit mit Menschen, die mir möglichst viel von dem bieten, was ich angenehm in anderen finde: Klugheit, Freude an gutem Essen und Wein, Umgangsformen und Tischmanieren, Interesse an gesellschaftlichen oder politischen Themen, Literatur, möglichst auch noch ein ähnlicher Musikgeschmack und nur allzuoft eben doch unweigerlich ein ganz ähnlicher Hintergrund, sowohl familiär als auch beruflich (dies weniger gezielt sondern weil es sich so ergibt). Natürlich sind nicht alle meine Freunde und Bekannten leuchtende Vorbilder in allen genannten Disziplinen, aber doch meistens in mehr als einer nicht völlig unbeleckt. Wollte ich hier nach einem Freundeskreis suchen, wie ich ihn daheim hatte, wäre ich die meiste Zeit allein. Statt dessen läßt man sich viel leichter auf neue Bekanntschaften ein und stellt erstaunt fest, wie unglaublich bereichernd das ist.
Mein erster längerer beruflicher Aufenthalt im Ausland vor drei Jahren war geradezu ein Erweckungserlebnis in dieser Hinsicht: ich wurde anfangs mit keinem meiner Kollegen wirklich warm, weder den gleichaltrigen noch den etwas älteren und entsprechend war ich einsam und unglücklich. Den Kollegen ging es ähnlich, die Antipathie beruhte durchaus auf Gegenseitigkeit – wie ich heute weiß. An einem Abend ging ich recht spät aus dem Büro und sah eine etwa acht Jahre ältere Kollegin, H., dort noch sitzen. Die H. und ich könnten gegensätzlicher nicht sein: ich bin durch meine vielseitig interessierten, gebildeten und ehrgeizigen Eltern geprägt und bekam fast alles auf einem silbernen Tablett serviert. H. wiederum mußte um alles kämpfen, ohne Unterstützung des Elternhauses. Ich hatte – trotz aller Umwege – immer noch eine vergleichsweise erfolgreiche und schnelle Studienkarriere absolviert und fühlte mich berechtigt, die schönsten Karrierehoffnungen zu hegen, während H. sich mit vielen Nebentätigkeiten durchs Studium quälen mußte, weniger freiwillig als aus Verlegenheit in Marokko gelandet war und nicht so sehr eine Karriere hoffte, als vielmehr schon mit einer anständig bezahlten Anstellung zufrieden gewesen wäre. An jenem Abend sah sie müde und unglücklich aus. Ohne besonders große Lust auf ihre Gesellschaft zu haben, bot ich dennoch aus Mitleid an, sie könne später nach getaner Arbeit noch rüberkommen, ich habe noch eine Flasche Prosecco vorrätig (heißbegehrt, weil in Marokko unverschämt teuer). Ihr wiederum lag genauso wenig an meiner Gesellschaft, der Prosecco hingegen war ein guter Grund, doch noch vorbeizuschauen. Ich verstehe bis heute nicht, wie es kam, aber wir haben an jenem Abend zusammen drei Flaschen Wein getrunken, uns sehr persönlich auch über sensible Themen unterhalten und großartig verstanden. Wir sprechen bis heute regelmäßig miteinander, obwohl wir uns seither nie wieder begegnet sind und ich bin absolut sicher, säße sie heute Abend neben mir auf meinem tunesischen Balkon, wir hätten uns immer noch genausoviel zu sagen wie vor drei Jahren.
Gelernt habe ich dabei, niemals nach Äußerlichkeiten oder dem ersten Eindruck zu urteilen und auch über erste Widerstände hinaus nach Gemeinsamkeiten zu suchen. Ich weiß wohl, daß die meisten meiner (juhu! regelmäßigen) Leser etwas älter sind und so denken Sie vielleicht jetzt, daß das eine simple Selbstverständlichkeit sei und ich früher ein schrecklich oberflächlicher Mensch war, wenn ich das mit Mitte zwanzig erst noch lernen mußte. Mit letzterem hätten Sie vielleicht sogar recht, aber bei ersterem möchte ich widersprechen: es gibt einen Unterschied zwischen grundsätzlicher Unvoreingenommenheit und der Kompromißbereitschaft, die man im Ausland lernt, glaube ich. Auch wenn man weitgehend ohne Vorurteile durchs Leben geht, haben nach meiner Erfahrung die meisten Menschen doch verschiedene Gruppen von Freunden, die zwar unterschiedlich sind und die man nur anläßlich einer Handvoll Gelegenheiten alle zusammen einlädt (Hochzeiten, 50. Geburtstag und dergleichen) – aber es sind eben doch zwei, drei oder wieviel auch immer Gruppen, die in sich relativ homogen sind.
Hier hingegen entstehen völlig heterogene Runden, deren einzige gemeinsame Nenner das Leben im Ausland und der akademische Hintergrund sind. In der gestrigen Gruppe waren wir drei Deutsche und ich würde schwören, daß wir alle drei völlig unterschiedlich aufgewachsen sind und ganz sicher nicht zwei Leute in dieser Gruppe dieselbe Partei wählen würden. Und dennoch – wäre ich länger hier, wäre ich zuversichtlich, daß ich mit beiden sehr regelmäßig ausgehen und Zeit verbringen würde.
Überhaupt schaffen Auslandsaufenthalte die unwahrscheinlichsten Bettgenossen: die beiden Herren gestern Abend sind in Aussehen, Persönlichkeit und Auftreten so unterschiedlich wie ein Hippie-Beutel und eine Kelly-Bag, aber sie wohnen seit einem halben Jahr zusammen und scheinen sich prächtig zu verstehen. Ich wiederum war in Marokko an den Wochenenden mit einem sehr bodenständigen Verwaltungsmitarbeiter aus der Wirtschaft unterwegs und erkunde Tunis gerade in Begleitung eines italienischen Ingenieurs. Beide fühlten sich mit einem Döner im Stehen als Mahlzeit gut versorgt, hatten keinerlei Interesse an Opern und wären nie auf die Idee gekommen, mir die Tür aufzuhalten oder Feuer zu geben – waren beziehungsweise sind aber dennoch bereichernde Reisegefährten, die ich nicht würde eintauschen wollen. Ich bin dankbar, daß ich diese Erfahrungen machen darf und dabei großartige Menschen kennenlerne.
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Eingezogen
Endlich wieder ein bißchen mehr eigenes Reich in der Fremde. Drei Praktikantinnen, hunderte Mücken, eine Handvoll Kakerlaken und ich wohnen nun zusammen in einem Apartment, das alle funktionalen Erfordernisse erfüllt.
Es gibt vier Zimmer, alle mit Einbauschrank, Bett und Nachttisch: zwei zum Hinterhof, zwei zur Strasse, eines hat Klimaanlage, eines eine Nachttischlampe und eines eine Kommode. Funktional, eben.
Wir haben uns hübsch aufgeteilt, ich habe in völliger Anspruchslosigkeit das Zimmer ohne Annehmlichkeiten genommen, dafür allerdings die weichste Matratze für meinen wehen Rücken erbeten und wurde für meine Großmut im Nachhinein von höheren Mächten belohnt: ich habe die einzige europäische Steckdose der gesamten Wohnung in meinem Zimmer (alle anderen sind schmaler, so daß dicke Laptopstecker und dergleichen nicht passen).
Vom Fenster und Balkon aus kann man den Lac Tunis sehen, die Wohnung liegt günstig und das tote Katzenbaby, das bei der Besichtigung im Hof lag, wurde auch entsorgt. Kakerlaken sind hier leider ein beinahe unvermeidliches Übel und angesichts der sich abzeichnenden Unzulänglichkeiten meiner Mitbewohnerinnen in hausfraulichen Angelegenheiten scheint ein Kampf aussichtslos. Einfach gesagt: wer nicht putzen und lüften will, muß mit Ungeziefer leben. Ich tröste mich, daß es nicht für lange ist und ich jetzt einen eigenen Balkon habe, auf dem ich nicht mit ungebetenen Verehrern konversieren muß. Sondern ganz in Ruhe das verrückte Luftkarussell der Sperlinge in der Abenddämmerung beobachten kann.
Es gibt vier Zimmer, alle mit Einbauschrank, Bett und Nachttisch: zwei zum Hinterhof, zwei zur Strasse, eines hat Klimaanlage, eines eine Nachttischlampe und eines eine Kommode. Funktional, eben.
Wir haben uns hübsch aufgeteilt, ich habe in völliger Anspruchslosigkeit das Zimmer ohne Annehmlichkeiten genommen, dafür allerdings die weichste Matratze für meinen wehen Rücken erbeten und wurde für meine Großmut im Nachhinein von höheren Mächten belohnt: ich habe die einzige europäische Steckdose der gesamten Wohnung in meinem Zimmer (alle anderen sind schmaler, so daß dicke Laptopstecker und dergleichen nicht passen).
Vom Fenster und Balkon aus kann man den Lac Tunis sehen, die Wohnung liegt günstig und das tote Katzenbaby, das bei der Besichtigung im Hof lag, wurde auch entsorgt. Kakerlaken sind hier leider ein beinahe unvermeidliches Übel und angesichts der sich abzeichnenden Unzulänglichkeiten meiner Mitbewohnerinnen in hausfraulichen Angelegenheiten scheint ein Kampf aussichtslos. Einfach gesagt: wer nicht putzen und lüften will, muß mit Ungeziefer leben. Ich tröste mich, daß es nicht für lange ist und ich jetzt einen eigenen Balkon habe, auf dem ich nicht mit ungebetenen Verehrern konversieren muß. Sondern ganz in Ruhe das verrückte Luftkarussell der Sperlinge in der Abenddämmerung beobachten kann.
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Männercontent II
Fortsetzung des Männercontent, geht in Verlängerung wegen der vielen Kommentare.
Natürlich kann ich mir Gründe vorstellen, warum die Herren in diesen Ländern so hartnäckig sind. Deshalb finde ich es auch meistens eigentlich nicht wirklich schlimm. Es macht mich neugierig, nachdenklich, manchmal traurig, verwundert mich – aber ich kann mit einem Lächeln über die Sprüche hinweggehen, ohne ernsthaft in meinem Wohlbefinden beeinträchtigt zu sein. Nur ganz selten – an wirklich miesen Tagen – packt mich die Wut, bin ich versucht, ihnen meine Meinung zu sagen. Meistens kann ich mich allerdings beherrschen, wohlwissend, daß es hier um fundamentale kulturellen Unterschieden geht. Hieran lassen sich für mich Toleranz und interkulturelles Verständnis tatsächlich messen: das Verhalten des anderen respektieren (gerade als Gast im Land), auch wenn’s manchmal schwerfällt. Wenn mich jedoch die Wut packt, dann vor allem, weil alle diese Annäherungsversuche so beliebig sind: es geht nicht um mich, mein Aussehen, meine Ausstrahlung – es ist die implizierte Austauschbarkeit, die mich manchmal wütend macht, weil ich mich zum Objekt degradiert fühle. Soviel zur Selbstkritik. Gewissermaßen.
Dennoch finde ich die Beharrlichkeit und Verbreitung dieses Verhaltens bemerkenswert. Es mag Teil der Erklärung sein, daß junge Männer in arabischen Ländern häufig - zumindest an der Oberfläche – mit einem anderen Selbstverständnis und Selbstbewußtsein ausgestattet ins Leben gehen. Weniger Karrierefrauen, weniger offensichtliche Emanzipation*, mehr demonstrative Zelebrierung der Männlichkeit, mehr Enklaven für männliche Gemeinsamkeit und Selbstdarstellung – allein schon die Haltung, wie sie schlaksig schmal und lässig an Hauswänden lehnen oder die Straße herunterstolzieren, die Arme leicht vom Körper abgespreizt, als hätten sie Ping-Pong Bälle dazwischengeklemmt, spricht Bände. Bedauerlich nur, daß mich diese Posen kein bißchen ansprechen oder beeindrucken.
Bei europäischen (oder deutschen?) Männern würde ich mich fragen, wie sie die andauernde Zurückweisung ertragen. Die Herren sprechen ja nicht nur mich an, sondern jede Touristin mit europäischer Optik – und die große Mehrheit wird wohl nicht darauf eingehen. Also fängt sich so ein junger Hengst vermutlich an einem Tag etliche Körbe ein. Interessiert ihn das nicht? Ist es ihm eigentlich doch recht egal? Zählt ein Korb von Touristinnen nicht? Oder ist die minimale Chance auf Erfolg es wert, so viele Kröten zu küssen, die sich nicht in Prinzessinnen verwandeln?
Womit wir bei der Frage der tieferen Absicht sind. Die Medien transportieren natürlich auf mehr oder weniger subtile Weise das Bild der zu jeder Schandtat gewillten Europäerin mit entschieden libertären Ansichten – was wiederum Möglichkeiten eröffnet, die ein junger Tunesier mit der Tochter von Freunden des Hauses sicher nicht hat.** Also geht er anderswo auf die Jagd – kann ich mir vorstellen. Und wenn dabei noch die Chance winkt, den Absprung ins wirtschaftliche Mekka, Ziel aller Wünsche, zu vollziehen – umso besser. Vielleicht ist also die winkende, lockende Belohnung die vielen vergeblichen Anläufe wert?
Anderereseits: Am Samstag war ich aus und habe einen durchaus gebildeten, auch gut ausgebildeten und vermutlich gut verdienenden jungen Mann getroffen. Und muß sagen: ich habe seit Jahren keinen so ungeschickten, tapsigen, und unbeholfenen Annäherungsversuch mehr erlebt. Schob sich umgehend nach der Vorstellung durch eine Freundin beim Tanzen an mich ran und erklärte nach drei Sätzen Konversation: „You are so beautiful“. Das war übrigens kein Ausbund strotzender Männlichkeit, sondern ein eher zurückhaltender Typ. Er machte den Eindruck, als könne er auch ohne deutsche Freundin Wege übers Mittelmeer finden, wenn er denn wollte. Also warum? Wenn es ihm nicht um strategische Wege nach Europa geht, aber auch nicht um mich (dafür war seine Attacke zu unengagiert und beliebig) – worum dann? Ich weiß es nicht. Manchmal juckt es mich in den Fingern zu fragen. Aus Neugier. Weil ich gerne verstehe, wie Menschen denken, was in ihnen vorgeht. Vielleicht sollte ich das irgendwann mal machen – die Antwort könnte erhellend sein.
* Wobei ich immer wieder feststelle, daß die Frauen im Orient keineswegs unterdrückt sind, sondern auf ihre eigene Art Einfluß ausüben und gerade in der gebildeten Oberschicht auch Karriere machen.
** Ganz ähnlich in Deutschland: bei uns zu Hause in der Provinz glaubt mancher, daß unter jedem Turban eine Bombe und unter jedem Kopftuch ein unterdrücktes Weibchen stecken muß – Vorurteile und Clichés gibt es überall.
Natürlich kann ich mir Gründe vorstellen, warum die Herren in diesen Ländern so hartnäckig sind. Deshalb finde ich es auch meistens eigentlich nicht wirklich schlimm. Es macht mich neugierig, nachdenklich, manchmal traurig, verwundert mich – aber ich kann mit einem Lächeln über die Sprüche hinweggehen, ohne ernsthaft in meinem Wohlbefinden beeinträchtigt zu sein. Nur ganz selten – an wirklich miesen Tagen – packt mich die Wut, bin ich versucht, ihnen meine Meinung zu sagen. Meistens kann ich mich allerdings beherrschen, wohlwissend, daß es hier um fundamentale kulturellen Unterschieden geht. Hieran lassen sich für mich Toleranz und interkulturelles Verständnis tatsächlich messen: das Verhalten des anderen respektieren (gerade als Gast im Land), auch wenn’s manchmal schwerfällt. Wenn mich jedoch die Wut packt, dann vor allem, weil alle diese Annäherungsversuche so beliebig sind: es geht nicht um mich, mein Aussehen, meine Ausstrahlung – es ist die implizierte Austauschbarkeit, die mich manchmal wütend macht, weil ich mich zum Objekt degradiert fühle. Soviel zur Selbstkritik. Gewissermaßen.
Dennoch finde ich die Beharrlichkeit und Verbreitung dieses Verhaltens bemerkenswert. Es mag Teil der Erklärung sein, daß junge Männer in arabischen Ländern häufig - zumindest an der Oberfläche – mit einem anderen Selbstverständnis und Selbstbewußtsein ausgestattet ins Leben gehen. Weniger Karrierefrauen, weniger offensichtliche Emanzipation*, mehr demonstrative Zelebrierung der Männlichkeit, mehr Enklaven für männliche Gemeinsamkeit und Selbstdarstellung – allein schon die Haltung, wie sie schlaksig schmal und lässig an Hauswänden lehnen oder die Straße herunterstolzieren, die Arme leicht vom Körper abgespreizt, als hätten sie Ping-Pong Bälle dazwischengeklemmt, spricht Bände. Bedauerlich nur, daß mich diese Posen kein bißchen ansprechen oder beeindrucken.
Bei europäischen (oder deutschen?) Männern würde ich mich fragen, wie sie die andauernde Zurückweisung ertragen. Die Herren sprechen ja nicht nur mich an, sondern jede Touristin mit europäischer Optik – und die große Mehrheit wird wohl nicht darauf eingehen. Also fängt sich so ein junger Hengst vermutlich an einem Tag etliche Körbe ein. Interessiert ihn das nicht? Ist es ihm eigentlich doch recht egal? Zählt ein Korb von Touristinnen nicht? Oder ist die minimale Chance auf Erfolg es wert, so viele Kröten zu küssen, die sich nicht in Prinzessinnen verwandeln?
Womit wir bei der Frage der tieferen Absicht sind. Die Medien transportieren natürlich auf mehr oder weniger subtile Weise das Bild der zu jeder Schandtat gewillten Europäerin mit entschieden libertären Ansichten – was wiederum Möglichkeiten eröffnet, die ein junger Tunesier mit der Tochter von Freunden des Hauses sicher nicht hat.** Also geht er anderswo auf die Jagd – kann ich mir vorstellen. Und wenn dabei noch die Chance winkt, den Absprung ins wirtschaftliche Mekka, Ziel aller Wünsche, zu vollziehen – umso besser. Vielleicht ist also die winkende, lockende Belohnung die vielen vergeblichen Anläufe wert?
Anderereseits: Am Samstag war ich aus und habe einen durchaus gebildeten, auch gut ausgebildeten und vermutlich gut verdienenden jungen Mann getroffen. Und muß sagen: ich habe seit Jahren keinen so ungeschickten, tapsigen, und unbeholfenen Annäherungsversuch mehr erlebt. Schob sich umgehend nach der Vorstellung durch eine Freundin beim Tanzen an mich ran und erklärte nach drei Sätzen Konversation: „You are so beautiful“. Das war übrigens kein Ausbund strotzender Männlichkeit, sondern ein eher zurückhaltender Typ. Er machte den Eindruck, als könne er auch ohne deutsche Freundin Wege übers Mittelmeer finden, wenn er denn wollte. Also warum? Wenn es ihm nicht um strategische Wege nach Europa geht, aber auch nicht um mich (dafür war seine Attacke zu unengagiert und beliebig) – worum dann? Ich weiß es nicht. Manchmal juckt es mich in den Fingern zu fragen. Aus Neugier. Weil ich gerne verstehe, wie Menschen denken, was in ihnen vorgeht. Vielleicht sollte ich das irgendwann mal machen – die Antwort könnte erhellend sein.
* Wobei ich immer wieder feststelle, daß die Frauen im Orient keineswegs unterdrückt sind, sondern auf ihre eigene Art Einfluß ausüben und gerade in der gebildeten Oberschicht auch Karriere machen.
** Ganz ähnlich in Deutschland: bei uns zu Hause in der Provinz glaubt mancher, daß unter jedem Turban eine Bombe und unter jedem Kopftuch ein unterdrücktes Weibchen stecken muß – Vorurteile und Clichés gibt es überall.
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Männercontent
Ich befinde mich inzwischen geradezu auf der Flucht vor arabischen Männern. Als offensichtlich europäische Frau hat man auf der Straße nie wirklich seine Ruhe. „Bonjour la gazelle“, „Salut mademoiselle“, „Comment allez-vous, welcome!„ - Blicke folgen einem auf Schritt und Tritt, in Cafés und Restaurants wird man von der Seite oder gleich direkt von vorne beäugt. Dafür setzt Madame ihre Sonnenbrille auf, vermeidet jeglichen Blickkontakt und geht einfach weiter. Souverän.
Manchmal funktioniert das allerdings nicht: im Schatten sitzend, ein Buch lesend, ist die Sonnenbrille eher hinderlich. Neben mir am Tisch sitzen zwei Herren, einer sehr jugendlich, der andere ergraut aber dennoch jugendlich – die Haarfarbe wirkt ganz fremd an ihm. Mit großem Feingefühl für den rechten Moment sprechen sie mich an, als gerade meine Crèpe gebracht wird. Ob ich mich mit ihnen unterhalten wolle? Nun, gerade jetzt ist etwas ungünstig. Aber danach? Peut-être... . Als ich später versuche, unauffällig zu verschwinden, leihen sie sich meinen Kugelschreiber aus, reißen den Kopf von einer Arztrechnung (!) ab und geben mir ihre Nummer.
Dann ist da der Syrer, der mich inzwischen geradezu hartnäckig verfolgt. Ich war abends eine letzte Zigarette auf dem Balkon rauchen, abends im Hotel, er saß im angrenzenden Frühstücksraum. Folgte mir nach draußen. Suchte nach englischen Wörtern. Linste verstohlen auf meinen Zimmerschlüssel. Und klopfte zehn Minuten später zaghaft an meine Zimmertür – ob ich eine Zigarette habe – ob wir nicht zusammen... die Zigarette... meine Gesellschaft. Alles ein bißchen verdruckst und verlegen. Eine Zigarette konnte er gerne haben, meine Gesellschaft ganz sicher nicht. Am nächsten Abend saß er schon bereit, als ich ins Hotel kam, erwartungsvoll im Frühstücksraum – und ich bin unten vor die Tür geflüchtet. Ich genieße die gelegentlichen fünf Minuten geistiger Einkehr, lasse meine Gedanken schweifen, träume von der Zukunft, wie sie sein sollte – und mag Gesellschaft dabei überhaupt nicht. Also Flucht.
Kaum hatte ich den ersten Zug eingeatmet, schon sprach mich ein Passant an: Er sei Tunesier... sein Leben lang in Paris gelebt... Deutschland so schön... so ordentlich..... so effektiv und gründlich, wie sich im 2. Weltkrieg gezeigt habe... ich sei merveilleuse, ... schön, klug, und so einige andere schmeichelhafte Adjektive. Ganz offensichtlich ein Mann rascher Entschlüsse – oder zumindest rascher Beurteilung, nicht wahr?
Zu meiner großen Erleichterung scheint der verdächtig anhängliche Syrer inzwischen abgereist – nicht ohne zuvor noch einige Male an meine Tür geklopft zu haben – dafür wurde ich gestern im fraglichen Frühstücksraum von einem anderen Hotelgast um Rat gefragt: er studiere in Tunesien Geographie und wolle diese seine Studien nun in Deutschland oder Frankreich fortsetzen, aber ach!, die bürokratischen Hürden.... ob ich nicht helfen und beraten könne? Konnte ich nicht. Kenne mich weder mit Geographie noch mit Uni Bewerbungen aus. Nein, wirklich nicht.
Mal ehrlich? Was denken sich die Herren dabei? Bin ich ein Reisepaß auf zwei Beinen? Die wandelnde Eintrittskarte ins gelobte Land Europa? Glauben sie ehrlich, ich sei hier auf Männersuche? Oder würde mich auf der Straße so einfach aufreißen lassen, mit einigen lumpigen (und, nebenbei bemerkt, unglaubwürdigen) Komlimenten? Ich weiß, es gibt europäische Damen, die mit anderen Absichten in Afrika auf Reisen gehen, und dennoch – ich stehe dem völlig ratlos und verständnislos gegenüber.
Manchmal funktioniert das allerdings nicht: im Schatten sitzend, ein Buch lesend, ist die Sonnenbrille eher hinderlich. Neben mir am Tisch sitzen zwei Herren, einer sehr jugendlich, der andere ergraut aber dennoch jugendlich – die Haarfarbe wirkt ganz fremd an ihm. Mit großem Feingefühl für den rechten Moment sprechen sie mich an, als gerade meine Crèpe gebracht wird. Ob ich mich mit ihnen unterhalten wolle? Nun, gerade jetzt ist etwas ungünstig. Aber danach? Peut-être... . Als ich später versuche, unauffällig zu verschwinden, leihen sie sich meinen Kugelschreiber aus, reißen den Kopf von einer Arztrechnung (!) ab und geben mir ihre Nummer.
Dann ist da der Syrer, der mich inzwischen geradezu hartnäckig verfolgt. Ich war abends eine letzte Zigarette auf dem Balkon rauchen, abends im Hotel, er saß im angrenzenden Frühstücksraum. Folgte mir nach draußen. Suchte nach englischen Wörtern. Linste verstohlen auf meinen Zimmerschlüssel. Und klopfte zehn Minuten später zaghaft an meine Zimmertür – ob ich eine Zigarette habe – ob wir nicht zusammen... die Zigarette... meine Gesellschaft. Alles ein bißchen verdruckst und verlegen. Eine Zigarette konnte er gerne haben, meine Gesellschaft ganz sicher nicht. Am nächsten Abend saß er schon bereit, als ich ins Hotel kam, erwartungsvoll im Frühstücksraum – und ich bin unten vor die Tür geflüchtet. Ich genieße die gelegentlichen fünf Minuten geistiger Einkehr, lasse meine Gedanken schweifen, träume von der Zukunft, wie sie sein sollte – und mag Gesellschaft dabei überhaupt nicht. Also Flucht.
Kaum hatte ich den ersten Zug eingeatmet, schon sprach mich ein Passant an: Er sei Tunesier... sein Leben lang in Paris gelebt... Deutschland so schön... so ordentlich..... so effektiv und gründlich, wie sich im 2. Weltkrieg gezeigt habe... ich sei merveilleuse, ... schön, klug, und so einige andere schmeichelhafte Adjektive. Ganz offensichtlich ein Mann rascher Entschlüsse – oder zumindest rascher Beurteilung, nicht wahr?
Zu meiner großen Erleichterung scheint der verdächtig anhängliche Syrer inzwischen abgereist – nicht ohne zuvor noch einige Male an meine Tür geklopft zu haben – dafür wurde ich gestern im fraglichen Frühstücksraum von einem anderen Hotelgast um Rat gefragt: er studiere in Tunesien Geographie und wolle diese seine Studien nun in Deutschland oder Frankreich fortsetzen, aber ach!, die bürokratischen Hürden.... ob ich nicht helfen und beraten könne? Konnte ich nicht. Kenne mich weder mit Geographie noch mit Uni Bewerbungen aus. Nein, wirklich nicht.
Mal ehrlich? Was denken sich die Herren dabei? Bin ich ein Reisepaß auf zwei Beinen? Die wandelnde Eintrittskarte ins gelobte Land Europa? Glauben sie ehrlich, ich sei hier auf Männersuche? Oder würde mich auf der Straße so einfach aufreißen lassen, mit einigen lumpigen (und, nebenbei bemerkt, unglaubwürdigen) Komlimenten? Ich weiß, es gibt europäische Damen, die mit anderen Absichten in Afrika auf Reisen gehen, und dennoch – ich stehe dem völlig ratlos und verständnislos gegenüber.
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Müllcontent
Die Müllabfuhr war da! Bitte beachten: die Tonne steht doch mitten auf der Straße gerade richtig, oder?
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Wochenendausflug
Ich strebe ja danach, ein gebildeter, kulturell interessierter Mensch zu werden, und widerstehe deshalb tapfer dem Impuls, das gesamte Wochenende mit Büchern, Zeitungen und Fruchtsäften in diversen Cafés auf der Av Bourguiba zu verbringen. Samstag Museum, Sonntag Karthago – so der ambitionierte Plan. Am Sonntag um halb vier verspürte ich immer noch keine Neigung, in überfüllten TGM Zügen zu sitzen und orientierungslos zwischen alten Steinen herumzustolpern. Das hier schien ein vielversprechendes Alternativprogramm zu sein: “Belvedere Park…with its green lower area kept heavily watered, is a peaceful and accessible alternative. Vegetation grows much more sparsely as you climb the hill, but there’s an excellent view from the top over Tunis… . The Cafés …. are two of the most relaxed in the city*.” Hört sich gut an? Hört sich gut an. Vor meinem inneren Auge erstanden grüne Rasenflächen, exotische Palmen und Blumenüberfluß, gekieste Wege zu einem kleinen Hügelchen und zum Abschluß ein schattiges Café mit gekühltem Fruchtsaft. Das, so dachte ich, sei ein hervorragender Plan, um den Tag nicht völlig ungenutzt verstreichen zu lassen, ohne mich selbst allzusehr in meiner Bequemlichkeit zu stören.
Kürzlich habe ich irgendwo gelesen: „Willst Du Gott zum lachen bringen, erzähle ihm Deine Pläne“. Ich war ihm sicherlich am Wochenende Anlaß, herzlich, lange und laut zu lachen. Die nächste Metro Richtung Norden habe ich knapp verpaßt, weil ich in die falsche Bahn eingestiegen war. Die richtige Abzweigung zum Park habe ich auch verpaßt und bin dafür fast eine Stunde lang durch ein sonntäglich stilles und leeres Wohnviertel marschiert. Jeder Baum in der Ferne war Anlaß zu hoffen, hier finge nun endlich der Park an und es dauerte geraume Weile, bis ich meinen Irrtum einsah. Es war heiß, ich war durstig wie ein Kamel in der Wüste, und dann stellte sich der Park zu allem Überdruß auch noch als großformatige Enttäuschung heraus. Die grünen Wiesen waren ungefähr so gepflegt wie die Flächen, auf denen deutsches Milchvieh weidet, ein nennenswerter Hügel zum Ersteigen nicht in Sicht und die gekiesten Wege meiner Phantasie waren staubige Trampelpfade durchs Unterholz. Palmen und Bäume gab es wohl, durchgängig besetzt von händchenhaltenden Pärchen oder kreischenden, kletternden Kindern. Am Rande des Parks entlang wandernd bin ich auf den deprimierend tristen Hintereingang des Zoos gestoßen und habe einige Pfauen beobachtet, die in ihrer Farbenpracht in dem staubgraubraunen Gehege wie Figuren aus einer anderen Welt wirkten.
Schließlich, endlich, das Café gefunden, auf einer künstlichen Insel gelegen, allerdings ebenso weit entfernt von meinen naiven Vorstellungen wie Tunis von Berlin: die Anlage – inklusive Kinderkarussell und Brücke – versprühte den Charme einer Minigolfanlage im Nordsee-Hinterland. Während ich den lieben Gott leise lachen zu hören vermeinte, habe ich ein Taxi ins Hotel genommen und den Tag aufgegeben.
*Zitat Rough Guide, der mit jedem neuen Ausflug in meiner Achtung sinkt.
Kürzlich habe ich irgendwo gelesen: „Willst Du Gott zum lachen bringen, erzähle ihm Deine Pläne“. Ich war ihm sicherlich am Wochenende Anlaß, herzlich, lange und laut zu lachen. Die nächste Metro Richtung Norden habe ich knapp verpaßt, weil ich in die falsche Bahn eingestiegen war. Die richtige Abzweigung zum Park habe ich auch verpaßt und bin dafür fast eine Stunde lang durch ein sonntäglich stilles und leeres Wohnviertel marschiert. Jeder Baum in der Ferne war Anlaß zu hoffen, hier finge nun endlich der Park an und es dauerte geraume Weile, bis ich meinen Irrtum einsah. Es war heiß, ich war durstig wie ein Kamel in der Wüste, und dann stellte sich der Park zu allem Überdruß auch noch als großformatige Enttäuschung heraus. Die grünen Wiesen waren ungefähr so gepflegt wie die Flächen, auf denen deutsches Milchvieh weidet, ein nennenswerter Hügel zum Ersteigen nicht in Sicht und die gekiesten Wege meiner Phantasie waren staubige Trampelpfade durchs Unterholz. Palmen und Bäume gab es wohl, durchgängig besetzt von händchenhaltenden Pärchen oder kreischenden, kletternden Kindern. Am Rande des Parks entlang wandernd bin ich auf den deprimierend tristen Hintereingang des Zoos gestoßen und habe einige Pfauen beobachtet, die in ihrer Farbenpracht in dem staubgraubraunen Gehege wie Figuren aus einer anderen Welt wirkten.
Schließlich, endlich, das Café gefunden, auf einer künstlichen Insel gelegen, allerdings ebenso weit entfernt von meinen naiven Vorstellungen wie Tunis von Berlin: die Anlage – inklusive Kinderkarussell und Brücke – versprühte den Charme einer Minigolfanlage im Nordsee-Hinterland. Während ich den lieben Gott leise lachen zu hören vermeinte, habe ich ein Taxi ins Hotel genommen und den Tag aufgegeben.
*Zitat Rough Guide, der mit jedem neuen Ausflug in meiner Achtung sinkt.
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Reibung
Ich bin wahrhaftig kein bekennender Trekkie, aber ich schaue gelegentlich Star Trek, das gebe ich zu. Ein Überbleibsel meiner prägenden Erfahrungen als Teenager in den USA, wo Fernsehen streckenweise wirklich die einzige mir zugängliche Freizeitbeschäftigung war – in der Not frißt der Teufel bekanntlich Fliegen, und manchmal kommt er dabei eben auf den Geschmack.
Meine liebste Folge ist jene, in der die Enterprise Crew mit einem Raumschiff in die Vergangenheit fliegen muß, um Wale zu retten. Sie landen mit dem Ding in San Francisco in einem Park, natürlich im Tarn-Modus, aber man sieht dennoch die Abdrücke im Gras und manchmal laufen verwirrte Passanten gegen das unsichtbare Hindernis. Überdies muß das Fluggerät mit – vergleichsweise – vorsintflutlichen technischen Mitteln repariert werden und manchmal funktioniert das nicht, dann können alle das Raumschiff aus der Zukunft versehentlich sehen und überhaupt gibt es allerlei Komplikationen wegen der Zeitverschiebung. So ähnlich kann man sich das Leben als Expat in Tunis vorstellen. Der Großteil des Alltags ist spürbar Schwellenland – mein Arbeitgeber jedoch sitzt wie ein futuristisches Raumschiff auf der grünen Wiese in meinem Alltag.
Über Mülleimer, Ampeln und deren Nichtbenutzung habe ich schon berichtet. Auf den Straßen sieht man dauernd wilde Babykätzchen*, viele Bauruinen, viele Cafés mit Männern jeden Alters, die ganz offensichtlich sonst nichts zu tun haben. Immer ordentlich und gepflegt, die Älteren zumindest, selten aufdringlich – aber immer präsent. Gelegentlich zertretenes Ungeziefer auf dem Gehsteig. Überhaupt Gehsteig – oft in desolatem Zustand. Vor meinem ersten Aufenthalt in Nordafrika wurde ich gewarnt, nicht die besten Schuhe mitzubringen, die Gehsteige seien in keinem guten Zustand. Darunter konnte ich mir – ganz ehrlich – nichts vorstellen, die Warnung war geradezu kryptisch für mich. Entweder es gibt einen Bürgersteig, oder eben nicht? Davon abgesehen – schreibe ich wie jemand, der mit weniger als fünf Paar Schuhen auskommt oder Plastiksohlen trägt? In Casablanca lernte ich: zwischen Bürgersteig und kein Bürgersteig gibt es eine unerwartete, unendliche Vielfalt von Möglichkeiten: Bürgersteige mit Unterbrechungen (mal ein Block lang keiner), Bürgersteige kaputt und uneben, Bürgersteige aus Schotter, oder geborstenen Platten. Gehwege weisen schon mal ein Gefälle von 15 cm auf einer Schrittlänge auf. Die Abflußrinne zwischen Straße und Bordstein erinnert in ihrer Tiefe gelegentlich an Freiburger Bächle, so hoch gewölbt ist der Asphalt. Und wenn mal ein richtiges Loch im Bürgersteig ist, dann kann man immer dicke Pappe drüberlegen, jawohl. Absolut gängige Praxis, hier.
Straßenverkäufer – auch so was. Zigaretten sogar an größeren Kiosken einzeln kaufen können – nicht nur als Schachtel. Verlotterte Baufälligkeit an vielen Gebäuden, darunter optische Perlen des Art-Déco und der Kolonialzeit. Morgens und abends laufe ich durch die Straßen, beobachte das Leben hinter meiner Sonnenbrille und dann stehe ich vor meinem Arbeitgeber: ein großer, teilweise glasverspiegelter Klotz, im Umkreis einige ähnliche Gebäude, gegenüber ein Café und straßab ein paar Krämerläden. Natürlich kommt hier nicht jeder rein: Zutrittskarte oder Anmeldung an der Rezeption und Abholung durch Mitarbeiter, und schon steht man in einer anderen Welt.
Alle Mitarbeiter tragen Anzüge oder zumindest gepflegte Bürokleidung. Alles ist hübsch gefliest und sauber, die Aufzüge kommen sofort und haben viele Knöpfe. Mein Büro ist vollklimatisiert (individuell regelbar, versteht sich), ausgestattet mit neuen Büromöbeln, Telekommunikation war sofort verfügbar, eigene E-Mail und Telefonanschluß hatte ich innerhalb von 48 Stunden – es könnte auch ein Frankfurter Büroturm sein. Wir arbeiten hier fleißig (8-12, 14-18), die Technik funktioniert, und wir haben einen richtigen, wichtigen Job, Meetings und Materialschränke. Post-its, Laserdrucker und Netzwerke. Auf dem Ordnerschrank gegenüber stehen sogar gläserne Tombstones – Inbegriff des Bankwesens und hier irgendwie fehl am Platz für mein Empfinden. Das hier ist schließlich keine Investmentbank.
Und doch: die Raumnummern sind mit Filzstift auf die Türen geschmiert (provisorisch, bevor die adretten Schildchen angebracht wurden?). Auf den Fluren stehen Kartons und Stapel von aufgelassenen Ordner und hinterlassen einen vermüllten Eindruck. Die Dekoration im Eingangsbereich hatte ich zuerst für die Verkleidung von Baumaßnahmen gehalten, bevor mir irgendwann aufging, daß man dabei wohl kaum Flachbildschirme integriert hätte – also doch stationäre Dekoration mit Ewigkeitsanspruch. Die Toilette? Wurde ganz sicher seit einer Woche nicht geputzt. Jadoch, ein Reinigungsplan hängt wohl an der Tür, aber nur mit einem einzigen einsamen Eintrag, der schon – nun, etwas älter ist. Und raten Sie mal: als der junge Mann von der IT die Druckersoftware mittels Stöckchen auf meinen Privat-Laptop übertragen wollte, wessen Antiviren-Programm hat da laut gejault und geblinkt? Ein Tipp: nicht das seinige. Aber die Technik funktioniert, kopieren, drucken, scannen – alles einwandfrei.
Dennoch: inmitten meines modernen und westlichen Arbeitgeber-Raumschiffs drängelt sich die Schwellenland-Realität immer wieder nach vorne und die schöne Fassade bei meiner Arbeit hat Risse, wenn man länger und genauer hinschaut. Ohne dies wäre es hier allerdings – einfach todlangweilig. Gerade diese Mischung von verschiedenen Welten, die sich manchmal laut krachend aneinander reiben, finde ich so aufregend. Deswegen bin ich hier. Auf meinem Heimweg abends um sechs habe ich einen Parkscheinautomaten gesehen (gekennzeichnete Parkplätze suchte ich vergebens, egal, habe ja kein Auto) - angezeigte Uhrzeit: 10h16.
* Babykätzchen verbinde ich mit Afrika und Schwellenländern.... in Brasilien hingegen sind mir die vielen gepflegten Rassehunde an Hundeleine aufgefallen – das wiederum ist typisch Industrieland, finde ich.
Meine liebste Folge ist jene, in der die Enterprise Crew mit einem Raumschiff in die Vergangenheit fliegen muß, um Wale zu retten. Sie landen mit dem Ding in San Francisco in einem Park, natürlich im Tarn-Modus, aber man sieht dennoch die Abdrücke im Gras und manchmal laufen verwirrte Passanten gegen das unsichtbare Hindernis. Überdies muß das Fluggerät mit – vergleichsweise – vorsintflutlichen technischen Mitteln repariert werden und manchmal funktioniert das nicht, dann können alle das Raumschiff aus der Zukunft versehentlich sehen und überhaupt gibt es allerlei Komplikationen wegen der Zeitverschiebung. So ähnlich kann man sich das Leben als Expat in Tunis vorstellen. Der Großteil des Alltags ist spürbar Schwellenland – mein Arbeitgeber jedoch sitzt wie ein futuristisches Raumschiff auf der grünen Wiese in meinem Alltag.
Über Mülleimer, Ampeln und deren Nichtbenutzung habe ich schon berichtet. Auf den Straßen sieht man dauernd wilde Babykätzchen*, viele Bauruinen, viele Cafés mit Männern jeden Alters, die ganz offensichtlich sonst nichts zu tun haben. Immer ordentlich und gepflegt, die Älteren zumindest, selten aufdringlich – aber immer präsent. Gelegentlich zertretenes Ungeziefer auf dem Gehsteig. Überhaupt Gehsteig – oft in desolatem Zustand. Vor meinem ersten Aufenthalt in Nordafrika wurde ich gewarnt, nicht die besten Schuhe mitzubringen, die Gehsteige seien in keinem guten Zustand. Darunter konnte ich mir – ganz ehrlich – nichts vorstellen, die Warnung war geradezu kryptisch für mich. Entweder es gibt einen Bürgersteig, oder eben nicht? Davon abgesehen – schreibe ich wie jemand, der mit weniger als fünf Paar Schuhen auskommt oder Plastiksohlen trägt? In Casablanca lernte ich: zwischen Bürgersteig und kein Bürgersteig gibt es eine unerwartete, unendliche Vielfalt von Möglichkeiten: Bürgersteige mit Unterbrechungen (mal ein Block lang keiner), Bürgersteige kaputt und uneben, Bürgersteige aus Schotter, oder geborstenen Platten. Gehwege weisen schon mal ein Gefälle von 15 cm auf einer Schrittlänge auf. Die Abflußrinne zwischen Straße und Bordstein erinnert in ihrer Tiefe gelegentlich an Freiburger Bächle, so hoch gewölbt ist der Asphalt. Und wenn mal ein richtiges Loch im Bürgersteig ist, dann kann man immer dicke Pappe drüberlegen, jawohl. Absolut gängige Praxis, hier.
Straßenverkäufer – auch so was. Zigaretten sogar an größeren Kiosken einzeln kaufen können – nicht nur als Schachtel. Verlotterte Baufälligkeit an vielen Gebäuden, darunter optische Perlen des Art-Déco und der Kolonialzeit. Morgens und abends laufe ich durch die Straßen, beobachte das Leben hinter meiner Sonnenbrille und dann stehe ich vor meinem Arbeitgeber: ein großer, teilweise glasverspiegelter Klotz, im Umkreis einige ähnliche Gebäude, gegenüber ein Café und straßab ein paar Krämerläden. Natürlich kommt hier nicht jeder rein: Zutrittskarte oder Anmeldung an der Rezeption und Abholung durch Mitarbeiter, und schon steht man in einer anderen Welt.
Alle Mitarbeiter tragen Anzüge oder zumindest gepflegte Bürokleidung. Alles ist hübsch gefliest und sauber, die Aufzüge kommen sofort und haben viele Knöpfe. Mein Büro ist vollklimatisiert (individuell regelbar, versteht sich), ausgestattet mit neuen Büromöbeln, Telekommunikation war sofort verfügbar, eigene E-Mail und Telefonanschluß hatte ich innerhalb von 48 Stunden – es könnte auch ein Frankfurter Büroturm sein. Wir arbeiten hier fleißig (8-12, 14-18), die Technik funktioniert, und wir haben einen richtigen, wichtigen Job, Meetings und Materialschränke. Post-its, Laserdrucker und Netzwerke. Auf dem Ordnerschrank gegenüber stehen sogar gläserne Tombstones – Inbegriff des Bankwesens und hier irgendwie fehl am Platz für mein Empfinden. Das hier ist schließlich keine Investmentbank.
Und doch: die Raumnummern sind mit Filzstift auf die Türen geschmiert (provisorisch, bevor die adretten Schildchen angebracht wurden?). Auf den Fluren stehen Kartons und Stapel von aufgelassenen Ordner und hinterlassen einen vermüllten Eindruck. Die Dekoration im Eingangsbereich hatte ich zuerst für die Verkleidung von Baumaßnahmen gehalten, bevor mir irgendwann aufging, daß man dabei wohl kaum Flachbildschirme integriert hätte – also doch stationäre Dekoration mit Ewigkeitsanspruch. Die Toilette? Wurde ganz sicher seit einer Woche nicht geputzt. Jadoch, ein Reinigungsplan hängt wohl an der Tür, aber nur mit einem einzigen einsamen Eintrag, der schon – nun, etwas älter ist. Und raten Sie mal: als der junge Mann von der IT die Druckersoftware mittels Stöckchen auf meinen Privat-Laptop übertragen wollte, wessen Antiviren-Programm hat da laut gejault und geblinkt? Ein Tipp: nicht das seinige. Aber die Technik funktioniert, kopieren, drucken, scannen – alles einwandfrei.
Dennoch: inmitten meines modernen und westlichen Arbeitgeber-Raumschiffs drängelt sich die Schwellenland-Realität immer wieder nach vorne und die schöne Fassade bei meiner Arbeit hat Risse, wenn man länger und genauer hinschaut. Ohne dies wäre es hier allerdings – einfach todlangweilig. Gerade diese Mischung von verschiedenen Welten, die sich manchmal laut krachend aneinander reiben, finde ich so aufregend. Deswegen bin ich hier. Auf meinem Heimweg abends um sechs habe ich einen Parkscheinautomaten gesehen (gekennzeichnete Parkplätze suchte ich vergebens, egal, habe ja kein Auto) - angezeigte Uhrzeit: 10h16.
* Babykätzchen verbinde ich mit Afrika und Schwellenländern.... in Brasilien hingegen sind mir die vielen gepflegten Rassehunde an Hundeleine aufgefallen – das wiederum ist typisch Industrieland, finde ich.
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Tunis
Ich sitze fast jeden Abend in meinem Stammcafé (man kennt mich dort inzwischen, die komische Europäerin, die immer mit ihrem Buch aufläuft) und probiere mich durch diverse Varianten von Crêpes. Gelegentlich drehen Blumenverkäufer ihre Runden, mal mehr mal weniger aufdringlich - Buch und Sonnenbrille (meine wichtigsten Accessoires) bewähren sich hier sehr. Gestern nun wurde mir eine dieser Blumen von den jungen Herren am Nachbartisch angedient. Etwas verlegen lehnte ich zuerst ab, habe mich dann aber doch artig bedankt - ein andere Verwendungsmöglichkeit als ich war nämlich nicht in Sicht, ich wollte nicht enttäuschen und sonst waren die beiden auch ganz zurückhaltend. Natürlich habe ich das kleine Blümchen mit aufs Zimmer genommen und dort beiläufig auf den Nachttisch gelegt. Den ganzen Abend duftete es intensiv nach Blüte und ich habe mich - ganz ehrlich - gewundert woher der Blumenduft kommen könnte, weil im Hof unter meinem Fenster nur Bauschutt lagert. Erst heute morgen, als mir die Blüte wieder ins Auge fiel, dämmerte mir der Zusammenhang. Faszinierend, wie dieses kleine Ding noch heute morgen betäubend duftete!
Avenue Bourguiba - Hauptstraße.
Seitenstraße vom Hotel.
Carthage - ich bin noch nicht überzeugt, daß das tatsächlich die Überbleibsel des punischen Hafens von Karthago sein sollen. Mein Reiseführer lügt vielleicht oder ich habe mich verlaufen?
Blick aus dem Büro, achtes Obergeschoß. Mein Chef blickt sogar auf den Lac Tunis, aber ich kann natürlich schlecht bei ihm ins Büro einbrechen, Kamera at the ready, und so...
Avenue Bourguiba - Hauptstraße.
Seitenstraße vom Hotel.
Carthage - ich bin noch nicht überzeugt, daß das tatsächlich die Überbleibsel des punischen Hafens von Karthago sein sollen. Mein Reiseführer lügt vielleicht oder ich habe mich verlaufen?
Blick aus dem Büro, achtes Obergeschoß. Mein Chef blickt sogar auf den Lac Tunis, aber ich kann natürlich schlecht bei ihm ins Büro einbrechen, Kamera at the ready, und so...
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