Mittwoch, 11. Februar 2009
Beziehungen als Investment
Interessante Neuigkeiten mit aktuellem Bezug zur Wirtschaftskrise und Konsumverhalten hatte heute ein englisches Blatt zu berichten:

“You'd think all you need to find Mr Right is a keen eye and a bit of patience... That certainly helps, but it will also cost you £3,630, take up 11 years of your life and 39 dates.
Researchers found women fork out £1,233 on clothes, make-up and hairdos during their hunt for the perfect partner. And after trying out 15 different men on their 39 dates, they'll be out of pocket to the tune of £2,397.”

Und bitte, wir reden hier von britischen Pfund – auch wenn der Unterschied angesichts der galoppierenden Entwertung nicht mehr gravierend ist. Immerhin haben die Damen jetzt einen guten Grund, zukünftig unbedingt darauf zu bestehen, bei den ersten Dates eingeladen zu werden – schließlich sind wir ja schon in Vorleistung getreten. Jedenfalls darf man hoffen, daß dieser mutige Aufruf zum Konsum der leidenden Insel-Wirtschaft etwas helfen wird, gerade im gebeutelten London.
Andererseits: 39 Treffen mit 15 Männern macht statistisch 2,6 Treffen pro Frosch. Heißt also, jedes dritte Date wird auf der Hälfte abgebrochen? Und wäre es nicht intuitiv nachvollziehbar, daß dem glücklichen Prinzen mehr als nur drei Dates zuteil werden? Aber woher weiß man, wann ein Frosch sich zum Prinzen wandelt?

Überhaupt finde ich es sonderbar, Beziehungen mit den Mitteln der Investitionsrechnung anzugehen. Andererseits bin ich da vielleicht eine Minderheit, jedenfalls gemessen am folgenden Post, der schon etwas älter, aber aufgrund der geänderten Marktsituation wieder brandaktuell ist. Eine junge Dame war bei craigslist auf der Suche nach einem Ehemann mit - uh, ausgeprägten Versorgerqualitäten, und wurde von einem der potentiell anvisierten Investmentbanker folgendermaßen bewertet:

“So, in economic terms you are a depreciating asset and I am an earning asset. Not only are you a depreciating asset, your depreciation accelerates! Let me explain, you're 25 now and will likely stay pretty hot for the next 5 years, but less so each year. Then the fade begins in earnest. So in Wall Street terms, we would call you a trading position, not a buy and hold.”

Die Zeiten ändern sich, und die Aussage, es handele sich bei Investmentbankern (wie dem eben zitierten Exemplar) wohl doch eher um inflation-indexed junk bonds - könnte angesichts der aktuellen Verwerfungen im Markt durchaus eine korrekte Bewertung des Assets sein - finanziell zumindest.

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Ich liebe Kinder!
Ich sitze auf meinem Bett (Matratze auf dem Boden) im Schneidersitz, mit dem Laptop auf den Knieen. Und mein jüngster Mitbewohner (2 ½ Jahre alt) rennt im Kreis zwischen Bett und Schrank, für bestimmt eine Minute. Schmeißt sich dann bäuchlings auf mein Bett und fängt an zu brabbeln....“want my own computer“. Solange er den nicht hat, versucht er verzweifelt, auf meine Tastatur zu einzukloppen.
Jetzt krabbelt er im Kreis (auf dem Bett) um mich herum.... runter vom Bett, zur Lampe... es macht ihm großen Spaß, so zu tun, als würde er sie gleich ausmachen...

Kopfstand, so halb, eigentlich streckt er nur seinen bewindelten kleinen Hintern in die Luft... und betatscht dann zur Abwechslung mal meinen Bildschirm – hinterläßt Abdrücke mit seinen kleinen Patschefingern. Seine Mama ruft ihn „... come down“ und er echot „come down“ – aber nichts passiert.

Und wieder runter vom Bett, Richtung Kabelstecker... das hatten wir gestern schon, da hat er mal schnell den Schalter umgelegt, noch bevor ich es verhindern konnte – Zapp, alles dunkel, Rechner aus, Musik aus, Licht aus!

"Diedadieda..." und wieder Attacke auf die Tastatur... als nächstes stürzt er sich auf meine Schuhe vorm Schrank,... Schuhspanner raus, rein kriegt er natürlich nicht alleine hin, ich komme ihm zu Hilfe. Als nächstes sind die Schubladen an der Reihe, auf, zu, auf, zu....

"Abcdefg...." er lernt gerade das Alphabet aus einer seiner Kindersendungen im Fernsehen. Ein kurzer Moment der Ruhe, er liegt wieder neben mir, und schlackert mit den Beinchen.

„you coming doooooaaawn?“ fragt er …. Richtet sich wieder auf, der Mutwille steht ihm ins Gesicht geschrieben. Singend wackelt er auf meinem Bett rum. Jetzt haben wir den Schnappverschluß meines Notebooks entdeckt, den kann man ganz prima hin und her schieben... hin-her-hin-her....

"Lölölölölöölölöl..." zur Melodie von „Morgen kommt der Weihnachtsmann“.

„My book is downstairs“ - und verbiegt er die Buchdeckel meines letzten deutschen Buches. Jetzt reicht es mir definitiv und ich nehme ihn an die Hand und wir klettern zusammen die Treppe runter und holen sein Buch, damit kann ich mir zumindest fünf Minuten Ruhe erkaufen.

Zu früh gefreut, er hat sein Buch (Clifford the baby dog) geholt, aber das mußte ich vorlesen. Und weil sich Dog und Duck so ähnlich anhören, läuft er jetzt hier rum und macht „quak quak quak“. Und holt das nächste Buch, diesmal ein besonders großes und dickes...
Ich frage: „another one?“ und er, ganz stolz: „Another one!!!“ – als ob es für mich kein größeres Glück geben könnte, als ihm vorzulesen.

Jetzt sind wir bei „roll, roll, roll your boat“ – mehr Text kann er nicht, aber die Töne trifft er ziemlicht gut. Ich muß laut loslachen und er guckt mich treuherzig an mit seinen Knopfaugen: „wha’s so funny?“.

Das frage ich mich auch – was hat sich verändert, daß ich darüber lachen kann?

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Montag, 9. Februar 2009
Wetter
Eigentlich ist das Wetter ja ein fürchterliches Thema, das typischerweise angehenden oder anstrebenden Führungskräften von drittklassigen Benimm-Trainern als einzig geeignetes Smalltalk-Thema angedient wird. Trotzdem habe ich zum Wetter in Washington einiges zu sagen. Unter Umgehung der (strenggenommen nicht zitierwürdigen) Wikipedia kann man zum Beispiel bei www.nationmaster.com erfahren:

"In North America, humid subtropical climates are almost exclusively the domain of the American South, […] Major cities in this climate zone include […] Washington, DC, Baltimore, Philadelphia, Wilmington, DE and Oklahoma City."

Ungeachtet meiner sonstigen Recherchen (aus denen sehr wohl hervorging, daß es im Winter kalt sein könnte) hatte ich aber beschlossen, zielstrebig den Titel der „Königin des leichten Gepäcks“ weiterzuverfolgen und mit einem Koffer für mehrere Monate auszukommen. Und sämtliche Wollpullover, Wollschals, soliden Schuhe sowie meine hübschen Mützchen* zu Hause gelassen. Großer Fehler! In Washington empfingen mich antarktische –10° Celsius. Der erste Tag war noch ganz erträglich, aber pünktlich zum ersten Arbeitstag schneite es in dicken Flocken – die Option, morgens zu Fuß zur Arbeit gehen war damit vom Tisch. Am nächsten Tag gesellte sich zur Näße von oben noch Kälte von unten – sämtliche Gehsteige waren weitenteils mit soliden Eisplatten überzogen. Ebenso wie unsere Treppe mitsamt Geländer.

Und die zukünftige „Königin des leichten Gepäcks“ hatte natürlich nur Schuhe mit Ledersohlen dabei. Das trug mir unter anderem so nette Kommentare ein wie „brave girl, doing great in those shoes“ oder auch „watch out, it’s slippery back there“. Uh,... thanks!

Mein Unterfangen, am Samstag Georgetown zu besuchen, mußte ich vorzeitig abbrechen wegen der unerträglichen Kälte (korrekter: meiner unangemessenen Kleidung). Aber am Sonntag: strahlender Sonnenschein, 12° Celsius – und ich auf der Treppe vorm Haus, im T-Shirt. Hielt leider nur kurz die Freude, pünktlich zum Wochenanfang wurde es wieder genauso kalt wie vorher. Aus reinem Protest - ich lasse mir vom Wetter doch nicht meine Kleidung diktieren - bin ich jeden Tag im Rock ins Büro , aber schön war das nicht, nein, gar nicht schön...

Jetzt aber ist endlich Besserung in Sicht! Gestern bin ich in Shirt und Pulli die National Mall auf und ab spaziert, heute habe ich wieder draußen gesessen, in den wenigen Cafés mit Außenbereich wird es voll, und Mitte nächster Woche bekommen wir hier voraussichtlich bis zu 19 ° Celsius! Da seid ihr wohl alle neidisch... ha! Und dann werde ich auch für meine T-Shirts, Blusen und Trippelschühchen reichlich Verwendung haben!

*Herrengasse in Wien, Baskenmützen in 120 Farben!

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Sonntag, 8. Februar 2009
Stelle mich vor...
Ich sehe ja ein, daß diese Rubrik nicht endlos so traurig leer bleiben kann, auch wenn mir die demonstrative Selbstentblößung unsympathisch ist - versteckt in Beiträgen fühlt sich das gleich viel subtiler an. Es lebe daher die Zweitverwertung.

Ich habe zu viele Jahre an diversen Universitäten, Fakultäten und Instituten verbracht, dabei zum größeren Teil absolut entbehrliches Wissen gesammelt, und dennoch nicht halb so viel gelernt, wie ich gerne wollte. Deswegen kann ich auch nicht völlig ausschließen, daß ich irgendwann noch einen Anlauf mache, ein anständiger Mensch zu werden und was richtiges zu studieren.

Ich verdiene mein Geld - unter anderem, gelegentlich - mit einer reichlich alltäglichen Bürotätigkeit, die enorm an Renommierpotential gewinnt, weil die Büros häufig in fremden Ländern sind. Das macht die Arbeit zwar nur unwesentlich spannender, dafür aber das Leben außerhalb der Arbeit umso mehr. Zwischen Abenteuerreisen, für die ich auch noch bezahlt werde, sitze ich in der putzigen Schweiz, widme mich gelegentlich meiner immer noch sehr unzulänglichen Bildung, der Bestseller-Abteilung der Universitätsbibliothek und betreibe Elitessenwatch.

Ich mag Hunde gerne, Katzen weniger. Ich schreie nicht, wenn ich meine Wohnung mit Mäusen teilen muß, aber Ratten und Kakerlaken mag ich nicht besonders. Trotzdem schreie ich auch da inzwischen nicht mehr, sondern lächele souverän. Ich mag Belletristik lieber als Sachbücher, Alte Musik lieber als neue, und Essen lieber als Sport. Den betreibe ich allerdings auch gelegentlich, und wie mit den meisten Dinge im Leben: erst wenn man gar nicht mehr darf, merkt man, wie sehr es einem fehlt.

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Mr. President und ich...
Da bin ich. Wie so oft ein bißchen später als die anderen, aber immerhin. Ich habe letztes Jahr sozusagen einen edukativen Jackpot gewonnen – und werde jetzt dafür bezahlt, daß ich mich weiterbilde. Meine armen Eltern haben vermutlich heimlich gedacht „Muß das denn sein, das Kind war doch schon so lange an diversen Universitäten“, aber was soll ich sagen: es muß!

Ich bin jetzt in Washington und ich mag diese Stadt. Eben saß ich noch kurz auf der Treppe vorm Haus, ein Passant mit Hund kam vorbei und lächelte mich an: „Nice evening, how are you?“. Jahaa, nur die übliche Höflichkeit (und eine ehrliche Antwort ist keineswegs erwünscht, sondern geradezu ein Faux Pas), aber trotzdem - reizend!

Den Rummel um die Inauguration habe ich komplett verpaßt, mitsamt aller damit verbundenen Peinlichkeiten und Heilserlebnisse (er ist aus dem Auto ausgestiegen!... er hat Hände geschüttelt!... wobei die Hände vermutlich vor Kälte längst taubgefroren waren und das kaum zu schätzen wußten). Trotzdem ist Obama immer noch... präsent im Alltagsleben:
Die Souvenir-Läden sind mit seinem Porträt auf Tassen, T-Shirts und anderen Memorabilia überladen.
Auf den Grünstreifen zwischen den Straßen: Schilder mit Obama/Biden Schriftzug.
Auf meinem Papierticket für die U-Bahn: Obamas Gesicht.
Auf den Bussen: Grüße zur Amtseinführung von anderen Regierungschefs.
Beim Erwerb der elektronischen U-Bahn-Chipkarte hatte ich die Wahl zwischen einer 5 US$ Karte mit entsprechendem Aufladungswert, oder aber einer 5 US$ Karte ohne Aufladung – dafür aber mit Obamas Gesicht drauf. Und letzte Woche hatten meine Vermieter kurzzeitig einen Hund von Freunden in Pflege, so ein schmutzig-weißes Fellknäuel, das mit einem roten Mäntelchen bei uns anreiste. Und auf dem roten Mäntelchen? Ein Obama Aufnäher!

In der U-Bahn wirbt Ikea mit großen Plakaten in gelb und blau mit dem Slogan „Embrace Change 09“ – wenn das keine schöne Verbindung von Patriotismus und Kommerz ist, harmonisch vereint auf drei mal fünf Fuß Papier.

Obama und ich haben so einige Gemeinsamkeiten. Wir haben fast gleichzeitig einen neuen Job angefangen und unsere Arbeitsplätze liegen in derselben Straße. Und beide beschäftigen wir uns von Berufs wegen mit der Finanzkrise – irgendwie jedenfalls. Allerdings gibt es auch Unterschiede. Während ich nämlich – typisch Europäer – oft zu Fuß gehe oder bestenfalls U-Bahn fahre, steht Mr. President sein persönlicher Hubschrauber zur Verfügung, den man regelmäßig im Luftraum über dem Weißen Haus und der National Mall beobachten kann. Gleich daneben ist der Reagan Airport und sobald das Wetter sich bessert, werde ich mich mit einem Picknick-Korb irgendwo dort hinsetzen und den lieben langen Tag Flugzeuge anschauen, wie sie unfaßbar nah über den Kuppeln der Denkmäler einfliegen – und meinem Fernweh nachgeben.

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