Montag, 16. Februar 2009
"Meet my good friend..."
Mein gestriger Abend war großartig, einfach filmreif – ich werde das in Hollywood anmelden. Einer der Abende, an denen ich mein Leben wirklich mag. Und sooooo amerikanisch!
Ich soll mich ja in diesem Jahr weiterbilden und Kontakte knüpfen, also wollte ich gestern zu einem Treffen gehen, auf das ich über eines dieser Sozialnetzwerke gestoßen war. Bin also um acht Uhr abends losgetrippelt (als nunmehr arrivierte Washingtonienne angemessen aufgebrezelt) und war um halb neun in Georgetown – schicke Bar/Lounge im asiatischen Stil, mit einem auffällig durchdringenden Geruch nach Sushi und Soja-Sauce in der Luft und sehr vielen schönen Menschen im Vollbewußtsein der eigenen Bedeutung und Coolness.

Nun ist es natürlich immer etwas sonderbar, nach einer Gruppe Ausschau zu halten, die man nicht kennt, gewissermaßen ein Blind Date im Gruppenformat. Ich habe den Barkeeper befragt, den Türsteher, wurde zu einer Gruppe verwiesen, die etwas erhöht in einer Art Chambre Separée saß und habe dort den Nächststehenden auf einer kleinen Treppe angesprochen. Ob das hier die xxx Gruppe sei. Nein, er wäre zwar auch bei xxx, aber hier würden sie den Geburtstag eines Freundes feiern – sprach’s und hielt die Kellnerin an, um mir ein Getränk zu besorgen. K. stellte sich vor, erzählte sodann, daß er türkischer Herkunft sei, seit 8 Jahren in DC – wie es mir denn hier gefiele? Wir kamen ins Gespräch, wobei sich der Verdacht erhärtete, daß der sonst durchaus nette K. das letzte Getränk besser hätte stehen lassen. Innerhalb von zehn Minuten fragte er mich ganze drei Mal, ob ich Washington mögen würde und verkündete außerdem, Istanbul sei die beste Stadt für Heiratsanträge – so romantisch. Jedes Mal, wenn sich jemand an uns vorbei über die Treppe quetschte, wurde ich vorgestellt und lernte Menschen im Minutentakt kennen.
„Hey M., meet my good friend Debutante from Germany“
M. aus New York, ihres Zeichens Einkäuferin bei Ralph Lauren, sehr amerikanisch und sehr betrunken: “Oh, you are from Germany – awesome! I work for Ralph Lauren, do you know Ralph Lauren?“ “I love your scarf, can I have a look” – wobei sie mir den Schal schon vom Hals wickelte und neu drapierte. Wilde Gestik, überschwengliche Umarmungen, und noch bevor ich mich in Sicherheit bringen konnte, zog sie mich zu einer Gruppe flaschenblonder Freundinnen, tätig im Bereich PR und Medien, wo ich tiefere Einsichten in die Unterschiede der New Yorker und Washingtoner Gesellschaft erhalten konnte. Als nächstes tauchte K. wieder auf, man würde jetzt bald weiter ins Tattoo ziehen, ob ich mitkommen wolle? Ob es mir in Washington gefalle? – was ich brav zum vierten Mal mit aller Überzeugung bestätigen konnte. Der Typ da vorne übrigens, das sei der Enkel von J.Y. Coust*eau – dem wurde ich auch vorgestellt.
"P., have you already met my new friend Debutante from Germany? She’s new to Washington…”
Von P. gefragt, ob ich als Europäer auf den Umgang mit „insane Americans“ vorbereitet sei. Was soll ich sagen, ich bin ein „insane German“, also ja, bitte, immer. Schon kam der nächste Bekannte von K., Küßchen rechts, Küßchen links:
„This is my good friend Debutante from Germany, she only just arrived“
- und zu mir im Flüsterton: “this is O., the guy who owns and runs this place, he’s from Argentina”. Später traf ich dann noch L. aus Paris und C. aus Oregon, von denen viel über die Partyszene in DC zu lernen war, insbesondere wie wichtig es ist, zu wissen, an welchen Abenden man wo zu sein habe.

Sämtliche Versuche, doch noch auf die ursprüngliche Abendplanung umzuschwenken und die xxx Gruppe zu finden, wurden durch immer neue Vorstellungsrunden und Getränke unterlaufen. In der Zwischenzeit hatten sich zwei, der hauptberufliche Enkel und die New Yorker Socialite, auf eine der Bänke im Hintergrund zurückgezogen und tauschten Intimitäten aus, als hätten sie kein Zuhause (was ja aber zumindest auf die New Yorker RL Einkäuferin zutraf). Noch etwas später stand ich dann kurz draußen, als jemand auf mich zukam und ansprach, nach nur drei Sätzen erklärte, ich sei „a very special person, such an interesting lady.“ Er wolle sich gerade ein Stück Pizza holen, ob ich mitkommen wolle? Wohlgemerkt, durchaus anständig angezogen und auch sonst kein demonstrativ dubioser Typ - aber fraglos die skurrilste Anmache meines ganzen Lebens und natürlich hoffnungslos zum Scheitern verurteilt. Ich habe ihn stattdessen wieder hineinkomplimentiert und brauchte ganze fünf Minuten, um ihn dort abzuwimmeln. Zurück zu C., der in der Zwischenzeit mein Glas gehütet hatte. Noch mehr nette Konversation, einige Shots, und etliche Neubekanntschaften später reichte es mir dann irgendwann, freundliche Verabschiedung der wenigen verbliebenen Gäste, dann Abmarsch, zusammen mit C., der auch nach Hause wollte. Nicht vorhergesehen hatte ich seine Absicht, auch mich mit nach Hause nehmen... wie sich schnell zeigte.
"So, do you want to come with me to my place?"
Entschlußfreudiger junger Mann, kann ich nur sagen, habe das freundliche Angebot aber doch abgelehnt und bin ins nächste Taxi gestiegen. Der Taxifahrer wiederum konnte erst einige Meter weiter wenden, was mir Gelegenheit gab, zu beobachten, wie mein Verehrer zurück in die Lounge ging, mutmaßlich um sich nach dem Mißerfolg mit mir einen anderen Aufriß zu besorgen. Der Taxifahrer wiederum war Libanese, mit dem ich dann noch eine sehr anregende Diskussion über die politischen Wirren im Libanon und interkulturelle Toleranz hatte.

Bilanz: fünf neue Telefonnummern im Handy, vier Visitenkarten ausgeteilt, zwei Visitenkarten erhalten, zwei Komplimente von Männern bekommen, aber kein "husband material" getroffen, leider.

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Wochenende einer Washingtonienne
Im Moment finde ich mein Leben als Washingtonienne durchaus zufriedenstellend, möchte ich sagen. Das Wetter hier ist immer noch hübsch und heute morgen war ich daher auf der National Mall endlich mal wieder laufen. Und das sah so aus:



Nervig ist nur, daß ich alleine bis dahin schon 10 Blocks über Asphalt laufen muß, und mich die ewigen roten Ampeln dauernd ausbremsen – andererseits hatte ich so Gelegenheit, mit einem Busfahrer zu flirten, also hat es auch sein Gutes.

Den dummen Valentinstag (der hier ja geradezu ein nationales Heiligtum ist), habe ich ebenfalls überstanden. Ich habe keinen der zuckrigen rosa Valentines-Cookies gegessen, keine rosa verpackte Valentines-Schokolade gekauft, leider aber auch keine hübschen rosa Valentines-Rosen bekommen. Auch keine Liebeserklärungen, Heiratsanträge oder sonstigen Komplimente. Es sei denn, man zählt meinen Flirt gestern in der 18th Street Lounge dazu... .

Bemerkenswert finde ich wirklich, wie sehr die Damen sich hier in DC aufbrezeln zum Ausgehen. Cocktailkleider sind da nicht die Ausnahme sondern die Regel und ich muß mich nach Wien erst mal wieder umgewöhnen. Und wenn die Damen dann nach Mitternacht ihr Näschen pudern wollen, erleben sie diesen Anblick:



Manche Dinge muß man einfach nicht verstehen...

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Freitag, 13. Februar 2009
Passend
Gestern Abend war ich mit Kollegen nach der Arbeit noch unterwegs, das Wetter frühlingshaft mild und die Raucherterrasse der 18th Street Lounge brechend voll - bis die ersten dicken Tropfen fielen. Das Wetter in Washington, halt. Das schöne an der Lounge ist jedoch nicht, daß sie sich über einem Matratzen (!) laden befindet, die Räume so putzig plüschig eingerichtet sind oder die Terrasse den Aufenthalt im Freien mit Drinks erlaubt. Nein, die Gruppe Thievery Corporation ist der Eigentümer, und dieser Name hat es mir wirklich angetan - einfach weil er so schön klingt. Kann ich nicht weiter erklären. Und die Musik ist natürlich auch gut.

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Risikofreude
Sicherheit wird völlig überbewertet. Wirklich, ein bißchen Risikofreude macht das Leben doch erst interessant. Das hier darf meine Mama nicht lesen. Andere Leute gehen Fallschirmspringen, schmuggeln Bargeld außer Landes oder besichtigen Kulturdenkmäler im ländlichen Jemen – ich wohne in einer, nett gesagt, „transitional area“. Transitional muß man sich so vorstellen, daß hier zwischen etlichen Kirchen (Washington ist die gefühlte Hochburg der Gottesdienste) von drei Häusern eines hübsch renoviert ist, eines in passablem Zustand und eines schon länger keine instandhaltenden Maßnahmen mehr genossen hat. Um die eine Ecke sind die Hauptstraße, ein Supermarkt der besseren Sorte (für amerikanische Verhältnisse) und ein Öko-Bio-Organic-Fair-trade-Bistro-Laden. Um die nächste Ecke zieht sich der transitional Charakter einige Blocks weit – und in die andere Richtung habe ich noch nicht zu gehen gewagt. Ach, und dann ist da noch ein Polizeiquartier. Ich hoffe, das ist die Erklärung für das andauernde Sirenengeheul.

Zwar hat Washington den Ruf als Stadt mit der höchsten Mordrate in den USA inzwischen abgegeben, aber Erkundigungen zur Qualität der Wohngegend schienen mir im Vorfeld angebracht. Nicht, daß ich in Gated Communities wohnen möchte, aber zu Fuß nach Hause zu laufen ist doch immer schön. Gelegenheit zur Bewegung nach der Arbeit und zum Ausnüchtern, wenn es abends mal später wird. Leider war mein ortskundiger Ratgeber (der von den ersten zwanzig potentiellen Zimmern energisch abriet) gerade nicht verfügbar, als ich zunehmenden Entscheidungsdruck verspürte. Was in der Folge (nach dem Einzug hier) zu ungefähr folgendem Gespräch mit ihm führte:

So, where are you living now, are you happy there? Yeah, it’s a nice place, decent home, great room near XXX Centre. Oh, where exactly do you live? X and Y3 Street. ah. Is that bad? Well, uh, oh… it’s a transitional area – it’s alright… eh, but you might want to take a cab if you are out late. Ohhh – there is a police station just around the corner, should I consider that to be a warning sign or is it reassuring? In that area, it’s definitely reassuring!!! *bloggergirl is really scared and contemplates immediate relocation* So, do you think I can stay there? Yeah, sure, it’s an ok area, just don’t walk east. West is okay, but don’t walk east, especially not after dark…

Was soll ich sagen. Umziehen lohnt sich ja nicht wirklich. Und wenn ich da an einige Schriftwechsel mit potentiellen Vermietern zurückdenke...

„we are a merry bunch of church-going christians and are looking for someone equal-minded“
“please fill out the attached form” (die wollten von meiner Schuhgröße bis zum Gehalt alles wissen)
„great room, must be willing to accept no guest policy“
“renting out sunroom in studio” und nachträglich: “will buy furniture next week”

Nein, da habe ich es doch ganz gut getroffen und kann mich mental schon mal auf meinen nächsten Sommerurlaub im Jemen einstimmen… oder im Dreiländereck für Risikofreudige, Sudan-Libyen-Ägypten.

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Donnerstag, 12. Februar 2009
Geldwert
Eigentlich ist Geld nichts wert, äußerstenfalls das Papier, auf dem es gedruckt wurde – und was ist das schon? Geld ist papiergewordenes Vertrauen, sublimierter Glaube an ein System, spätestens seit dem Ende des Goldstandards. Und wie steht es dann erst mit dem Giralgeld, das man nicht einmal in Händen halten kann?
Die wirtschaftliche Entwicklung der Neuzeit wäre ohne Geld nicht denkbar, dennoch sollte man nicht vergessen, daß seine offene Flanke die Abhängigkeit vom kollektiven Konsens ist, daß Geld etwas wert sei.
In den letzten Jahren gab es zuviel Geld in der Welt, nicht nur in den westlichen Industrieländern, sondern auch in vielen Entwicklungsländern – schön wiedergespiegelt durch enorme Außenbilanzdefizite in der ersten Kategorie und galoppierende Inflation in der zweiten. Jetzt ist das Geld plötzlich weg, und man fragt sich „wohin?, wie konnte es einfach verschwinden?“ während sich alle fassungslos die Augen reiben und normal desinteressierte Bürger mehr über Kapitalmärkte erfahren, als sie je wissen wollten.

Vor einigen Jahren, als viele meiner ehemaligen Kommilitonen ins Investmentbanking strömten wie die Lemminge, von sagenhaften Gehältern angezogen wie die Motten vom Licht, habe ich mir nicht viel dabei gedacht. Ich fand es zweifelhaft, jungen Menschen in Angestelltenverhältnissen Gehälter zu zahlen, die meine Vorstellungskraft fast sprengten; nach meinem Dafürhalten ohne nachvollziehbares Verhältnis von Leistung und Vergütung. Und habe mich heimlich und verschämt gefragt, ob ich vielleicht neidisch auf die Glückskinder meiner Generation sei – die Porsche fuhren und Stiefel kauften, von deren Gegenwert man als Student einen Monat hätte leben können.

Man hätte – noch vor einem Jahr – die Gehaltsspanne zwischen Bankangestellten und Aufsichtsangestellten reflektieren können und erkennen, daß die Aufsicht mit den Finessen der Banken nicht mithalten kann. Man hätte darüber nachdenken können, daß die Unterlegung von Risiken mit Eigenkapital einem guten Zweck dient und es nicht klug war, diese Anforderungen mit Zweckgesellschaften zu unterlaufen. Man hätte darauf kommen können, daß die Realität der wirtschaftlichen Risiken nicht mit mathematischen Modellen abzubilden ist. Alles simple Gedankengänge –
eigentlich. Trotzdem ist keiner drauf gekommen.

Für derartige Feststellungen hätte man vermutlich sehr, sehr gute Kenntnis der Märkte und Mechanismen im Derivatehandel gebraucht, ohne dabei den Blick für das große Ganze zu verlieren. Vielleicht ist das eine unmögliche Kombination – vielleicht waren aber auch die wenigen, die das hätten leisten können, vom Markt korrumpiert. Weiß ich nicht. Will ich eigentlich auch nicht wissen, denn es würde mich die Reste von Glauben an die Funktionalität der Wirtschaft kosten. Und daran möchte ich gerne noch eine Weile glauben.

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