Aller Anfang ist schwer
Eigentlich halte ich es ganz gut mit mir alleine aus. Bestenfalls würde man mich als überaus selbständige Person bezeichnen, schlechtestenfalls als Eigenbrötler. Ein Buch, ein Computer mit Internet und die Aussicht auf eine vernünftige Küche reichen aus, damit ich mir selbst genug bin. Ich habe als Kind mehr Stunden mit Büchern im Bett verbracht als spielend im Garten, ich habe im Studium problemlos ganze Wochenenden alleine verbracht und noch vor vier Jahren wäre die permanente Gesellschaft in einer Wohngemeinschaft ein Grauen gewesen. Dann aber kam das vergangene Jahr und irgendwas muß sich geändert haben. Ich habe Küche und Bad mit deutlich jüngeren Praktikantinnen und deutlich älteren Sozialpädoginnen geteilt, habe mich mit chaotischen Männern und pedantischen Damen arrangiert und meine Ruhe selten vermißt. Das gelegentliche Wochenende sturmfrei war nett, aber es war mir kein Bedürfnis. Und jetzt sitze ich in der Schweiz, in der leeren, fremden Wohnung, und bin tatsächlich einsam. Schon im Migros eben war mir so sonderbar verloren zumute. Ziellos trabte ich Gänge rauf und runter, guckte mir fremde Lebensmittel an, ich möchte gar nicht wissen, welchen Gegenwert der Einkauf in Euro hatte, das Warenangebot überforderte mich und das Wetter macht es auch nicht besser: draußen rieselt grauer Schneegriesel träge vom Himmel und ich sollte einen Schirm kaufen, aber dann würde ich wieder naß – also lasse ich es. Ich sage mir: morgen gehst Du die Bibliothek auskundschaften. Übermorgen kommt hoffentlich der Mitbewohner. Überübermorgen sind die ersten Vorlesungen. Es ist nicht lange, nur ein Wochenende. Ich habe ein schönes Buch, ich habe einen vollen Kühlschrank, es wird schon irgendwie gehen. Es ist immer gegangen, ich habe Wochenenden alleine in Tunis verbracht, alleine in Washington, alleine in Wien – auch dieses wird vorübergehen. Aber ich wäre lieber anderswo. Und nicht allein.

Bitte, kommentieren Sie ein bißchen. Schreiben Sie ein paar lustige lange Sachen auf Ihren eigenen Blogs, dann kommentiere ich bei Ihnen. Lenken Sie mich ab, ich bitte Sie. Sonst müßte ich tatsächlich anfangen, produktiv und zielorientiert zu arbeiten und das wäre doch entsetzlich.

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zonebattler, Freitag, 19. Februar 2010, 20:55
Na gut, wenn man schon explizit aufgefordert wird:

»Blindenschach«
»Schnitzeljagd«
»Wie ich mich einstens fast selbst entmannte«

Lustig genug? Zumindest lang genug, um sich ein gutes Viertelstündchen vor dem Lernen und/oder Arbeiten drücken zu können... ;-)

Und abschließend als Betthupferl:

»Flohmarkt-Possen«

Ein schönes Wochenende, warme Füße und einen baldigen Frühling!

damenwahl, Freitag, 19. Februar 2010, 22:51
Vorbildlich, lieber Herr Zonebattler. Mein persönlicher Favorit ist aber die Schnitzeljagd - soviel Mühe und am Ende doch verpasst.
In der Zwischenzeit eine halbe Tüte Chips und eine halbe Tüte Schokonüsse verputzt. Ich könnte mal nach dem Travelpod Spiel suchen... . 21h51, Abend, ich krieg Dich irgendwie rum.

axeage, Freitag, 19. Februar 2010, 22:47
Bitteschöööön:

»Ab die Post«
»Ende einer Dienstfahrt«
»Digital Royal Dansk Cookies«
»Totengräber der Marktwirtschaft«

Auch von mir ein schönes Wochenende.

zonebattler, Freitag, 19. Februar 2010, 22:55
Das »Bitteschöööön:« in der Art des »Hasen Cäsar« gesprochen?!

damenwahl, Freitag, 19. Februar 2010, 23:02
Travelpod aufgeschoben. Den Hasen Cäsar kenne ich nicht. Postsüchtig finde ich gut - das scheint so ähnlich wie meine Bahn-Sucht... auch da wird es nie langweilig, wenn man nur die Augen offen hält. Vielen Dank!

axeage, Samstag, 20. Februar 2010, 09:32
Hase Cäsar - mein Gott, wie lange das her ist.
Mr. Zonebattler scheint auch schon ein paar Jährchen auf dem Buckel zu haben, wenn er den kennt.

zonebattler, Samstag, 20. Februar 2010, 23:03
So sieht es wohl aus, siehe hier. Darum kenne ich nicht nur den Hasen Cäsar (nebst Arno), sondern zum weiteren Exempel auch jene vier. Tja.

terra40, Freitag, 19. Februar 2010, 22:51
Sie könnten mal versuchen eine (oder zwei für den Anfang) meiner Bagatellen zu lesen. Besser als ein einsames Wochenende in Tunis.
Gruß, T.

damenwahl, Freitag, 19. Februar 2010, 23:12
Herr Terra, das mit den Buchrückenbeschriftungen ist mir noch nie aufgefallen - aber Sie haben recht. Darüber denke ich jetzt erst mal bei einer Zigarette nach. Auch Danke!

zonebattler, Samstag, 20. Februar 2010, 07:34
Die Sache mit den unterschiedlich rummen Buchrückenbeschriftungen ärgert mich schon seit ewigen Zeiten - bei CD- und DVD-Hüllen nicht minder. Ich stelle regalgetrennt die jeweilige Minderheitssprache auf den Kopf, damit beim suchenden Abschreiten alles in der gleichen Richtung orientiert ist...

charon, Samstag, 20. Februar 2010, 07:57
in einem bin ich mit george w. bush junior einig. ist ein bestimmtes schmerzniveau (das wohl individuell zu bestimmen ist) ueberschritten, hilft nur noch konsumieren. nicht, dass es einem hinterher auch nur ein gran besser ginge - darum geht es auch gar nicht. hauptsache die dinge, so wie sie in unseren breiten nun einmal fuer uns zurecht gelegt wurden, bleiben im gang. und vielleicht verspuert man wenigstens waehrenddessen eine voruebergehende erleichterung. insofern war der gang zum migros prinzipiell eine verhaltensweise, fuer die sie meinen segen haben. allerdings empfehle ich beim naechsten mal, ein paar fraenkli mehr in die tasche zu stecken, die raemi-strasse vom schauspielhaus kommend richtung limmat-quai hinabzuflanieren und kurz vor ende einer restauration zur linken hand ihren besuch abzustatten. dort setzen sie sich unter einen chagall (vielleicht bevorzugen sie aber auch einen miro oder picasso), bestellen ein entrecôte double (oder doch das zuercher kalbsgeschnetzelte mit einem waadtlaender dazu?) und hintendrein - absolut verpflichtend - eine mousse au chocolat (die beste, wirklich allerbeste! mir bekannte), lassen sich vom leichtfuessigen und ueberaus zuvorkommenden service umgarnen und atmen die atmosphaere eines grossen hauses aus einer zeit als das buergertum (bei all seinen schwaechen) noch nicht mittelklasse war. leider lebt die alte patronne schon lange nicht mehr und auch der sohn, ihrer ganz wuerdig, hat schon das zeitliche gesegnet. gleichwohl, behaupte mir da noch jemand, dass konsum (vielleicht doch ehe bestimmte formen von konsum) einen nicht mit der welt, der schweiz und mit sich selbst versoehnen helfen koenne. wenigstens fuer einen langen abend, den sie schliesslich noch in der eleganten bar ausklingen lassen sollten. und wenn sie sich bis dorthin gewagt haben, werden sie auch schon nicht mehr allein und hoffentlich ein klein weniger einsam sein.

damenwahl, Samstag, 20. Februar 2010, 12:39
Lieber charon, gemerkt, ebenso wie das Café, Herr Stubenzweig. Konsumieren halt tatsächlich immer, allein, ich habe in den letzten Wochen schon reichlich konsumiert und jetzt muß es wirklich mal gut sein. Andererseits: essen geht immer. Jetzt gehe ich erst mal frühstücken. Vielen Dank, die Herren!

pathologe, Samstag, 20. Februar 2010, 09:31
Soso. Was haette ich zu bieten, wenn Herr Zonebattler sich schon in theoretischer Krankheitsgeschichte ausweidet?

Ein Triplet:
http://pathologe.blogg.de/eintrag.php?id=222
http://pathologe.blogg.de/eintrag.php?id=225
http://pathologe.blogg.de/eintrag.php?id=226

Und ein Briefchen (remember Kongo?)
http://pathologe.blogg.de/eintrag.php?id=120

damenwahl, Samstag, 20. Februar 2010, 12:40
Großartig! Herr Pathologe, ich habe laut gelacht und mir dann vor Fernweh die Tränen verkniffen - wie könnte ich Kongo vergessen. Wobei der Sudan auf meiner Wunschliste immer noch ganz weit oben steht, weiß nicht warum. Hört sich wunderbar an. Vielen Dank.

jean stubenzweig, Samstag, 20. Februar 2010, 11:51
Ich täte ja auch das Café Pflümli nicht vergessen und dort einen wunderbaren nehmen. Aber der Zahn der Zeit hat sich an der Inselgrenze nicht abhalten lassen und sich sogar bis nach Zürich durchgefressen.

Aber ich bin sicher, Sie werden sich auch dort bald wohlfühlen. Warten wir's ab.

arboretum, Samstag, 20. Februar 2010, 12:48
Liebe Frau Damenwahl,

es tut mir leid, ich konnte gestern nicht kommentieren oder bloggen, ich musste mir unbedingt die moderne BBC-Adaption von Macbeth mit James McAvoy anschauen. Ich finde, James McAvoy ist eine gute Entschuldigung für alles, insbesondere aber dafür, nicht zu arbeiten.

Ich hoffe, Sie haben in Ihrer neuen Bleibe eine erholsame erste Nacht verbracht und leben sich gut ein.

damenwahl, Samstag, 20. Februar 2010, 17:20
Liebe Frau Arboretum, lieben Dank für die guten Wünsche - ich war in der Zwischenzeit in der Stadt und habe die Regal des Buchladens ausgedünnt, da fühle ich mich gleich viel besser. Wie war denn der Film?

arboretum, Samstag, 20. Februar 2010, 19:18
Veganer* und Shakespeare-Puristen mögen damit Probleme haben, aber mir gefiel James McAvoy als Küchenchef - zumal man ihn in der Rolle auch tatsächlich einmal mit schottischem Originalakzent erlebt. Als ich ihn das erste Mal im Interview hörte, war ich seinerzeit ganz überrascht, da ich ihn zuvor nur mit englischem und irischem Akzent kannte (Amerikanisch hat er auch drauf).

* wegen des Schweinekopfs, den er fachkundig zerlegt: First rule in the kitchen? Respect.

damenwahl, Samstag, 20. Februar 2010, 20:25
Hört sich spannend an. Veganer stelle ich mir langweilig vor. Purismus finde ich auch langweilig, seit ich älter werde. Ich muß zwar nicht unbedingt Lack-und-Leder-Mini und nackte Leute auf der Bühne als Selbstzweck sehen, aber ein bißchen Mut zu Neuem, wenn es klug und durchdacht ist, finde ich wunderbar. Wäre das jetzt R*L, wo man Filme später noch runterladen kann, stände meine Abendplanung schon fest.

arboretum, Samstag, 20. Februar 2010, 21:54
Duncans Sohn Malcolm, der bei Macbeth die Kochkunst erlernen soll, war 'mal für ein Jahr Vegetarier (und wird nie ein guter Koch werden). Shakespeare-Englisch gibt es in der Version aber auch nicht - genauso wenig wie irgendwelche Untertitel. Dafür singt James McAvoy in einer Küchenszene Baby, I love you in der Version der Ramones. :-)

arboretum, Samstag, 20. Februar 2010, 23:50
P.S. Von den Darstellern lohnt es sich auf jeden Fall - beim Drehbuch kann man geteilter Meinung sein.

damenwahl, Sonntag, 21. Februar 2010, 00:36
Shakespeare Englisch fand ich schon damals in Romeo und Julia in der Teenager Version komisch. Das war so gezwungen. Und keine Untertitel ist immerhin eine Herausforderung, wenn die mit schottischem Akzent sprechen. Ich werde es mir jedenfalls merken!

arboretum, Sonntag, 21. Februar 2010, 01:15
Nee, nee, nicht alle.

Die Baz Luhrman Verfilmung mochte ich sehr. Würde ich mir gern einmal wieder anschauen.

mark793, Samstag, 20. Februar 2010, 17:29
Hier mein einziger Blogbeitrag, der mit Bahnfahrt zu tun hat: Wie mir meine (spätere) Frau das erste Mal über den Weg lief - oder besser gesagt ich ihr...

damenwahl, Samstag, 20. Februar 2010, 17:53
Schöööööön. Gibt's davon eine Fortsetzung bei Ihnen? Auf sowas hoffe ich ja auch immer beim Bahnfahren - man kann nie wissen.

mark793, Samstag, 20. Februar 2010, 18:26
Die Fortsetzung im Blog, puh, das wäre eine lange Geschichte. Tatsächlich wären wir uns auch ohne diese Bahnfahrt ein paar Tage später über den Weg gelaufen, da ich von der Redaktion, in der sie volontierte, angefragt wurde für eine Urlaubsvertretung, die ich auch antrat. Meine Bürogemeinschaft war ja ein Stockwerk über der Redaktion. Es gab also genügend Berührungspunkte und ab Frühjahr auch genug Prickeln in der Luft für einen gepflegten Büroflirt bis weit in den Sommer. Freilich war sie in anderen Händen, mich involvierte meine Ex-Freundin mit ihrer Depression noch ziemlich stark, also war irgendwann klar, dass uns diese Geschichte in der Form nicht so recht weiterbringt. Was unserer Freundschaft und der Zusammenarbeit "auf Schicht" aber keinen Abbruch tat. Letztlich war es dann der plötzliche Tod ihres Lebenspartners fünf Jahre später, der sie (und auch mich) aus dem Trott riss. Das ist alles zu furchtbar und turbulent gewesen, um darüber zu bloggen, aber in dieser Trauer, die ich teilte (ich hatte mich mit ihrem Freund nach anfänglichem gegenseitigem Misstrauen ziemlich gut verstanden) ist uns dann allmählich klar geworden, dass das Schicksal mit uns beiden noch bisschen was vorhatte.

damenwahl, Samstag, 20. Februar 2010, 18:36
Entschuldigung, ich wollte nicht aufdringlich sein... aber solche Geschichten sprechen meine Leidenschaft für Märchen an. Und Ihre Beiträge zu dem Thema lese ich so gern!

mark793, Samstag, 20. Februar 2010, 18:54
Kein Problem. Es ist bei aller Tragik schon auch eine ziemlich großartige Geschichte, die ich eigentlich auch gern errzähle. Der Grund, warum ich auf diesem Kanal aber ungern zu weit in Details gehe, liegt darin, dass meiner Frau jahrelang ein früherer Mitbewohner aus Studi-Zeiten nachgestellt hat. Mit ein paar Details der Geschichte, die auch er kennt, wäre er ziemlich schnell im Bilde, und es ist schon nervig genug, inzwischen zu wissen, dass auch unsere Heirat und ihre Namensänderung ihn nicht dauerhaft von unserer Spur weggebracht hat.

Und ebendieser Typ war auch der Grund, warum sie damals bei der Bahnfahrt Sorge hatte, ich könnte von dem geschickt worden sein, ihren Weg zur Arbeit auszubaldowern oder sie sonstwie zu nerven. Aber diesen Verdacht konnte ich dann bei der ersten gemeinsamen Mittagspause schnell und glaubhaft aus der Welt schaffen.