Vorfreude der anderen Art
Ich sitze gerade im Zug und die wunderbare neue Errungenschaft der UMTS Verbindung macht folgende E-Mail meines Mitbewohners noch vor der Ankunft in Frankfurt verfügbar:
HI Damenwahl
How is the trip going?
Someone got stuck in the lift again but while I was not there and also our maid so they had to force the door and change the lock. I don't think that your key is going to work when you get back then. I will try to coordinate with our maid to see what we can do. What time do you arrive on Tuesday?
D.
Wir hatten das Problem schon zwei Mal. Der Aufzug im Haus geht grundsätzlich bis in die achte Etage in unsere Wohnung, und zwar direkt in unsere Wohnung. Allerdings funktkioniert das (wie so vieles im Kongo) nur in der Theorie, praktisch bleibt er leider dort stecken. Bei meinem Einzug war noch der Knopf für die achte Etage nicht vorhanden und natürlich niemand so blöd, den Finger in das gähnende Loch zwischen die ganzen Kabel zu stecken. Wir selbst fahren bis in die siebte Etage und nehmen von dort die Treppe. Nun wurde allerdings der Knopf vor einiger Zeit ersetzt und seither fahren regelmäßig Personen bis zu uns hoch (keine Ahnung, was die bei uns wollen?) und stecken dann im Aufzug fest, der nur von unserer Wohnung aus geöffnet werden kann. Dieses Land ist sogar stressig, wenn man gerade nicht da ist.
HI Damenwahl
How is the trip going?
Someone got stuck in the lift again but while I was not there and also our maid so they had to force the door and change the lock. I don't think that your key is going to work when you get back then. I will try to coordinate with our maid to see what we can do. What time do you arrive on Tuesday?
D.
Wir hatten das Problem schon zwei Mal. Der Aufzug im Haus geht grundsätzlich bis in die achte Etage in unsere Wohnung, und zwar direkt in unsere Wohnung. Allerdings funktkioniert das (wie so vieles im Kongo) nur in der Theorie, praktisch bleibt er leider dort stecken. Bei meinem Einzug war noch der Knopf für die achte Etage nicht vorhanden und natürlich niemand so blöd, den Finger in das gähnende Loch zwischen die ganzen Kabel zu stecken. Wir selbst fahren bis in die siebte Etage und nehmen von dort die Treppe. Nun wurde allerdings der Knopf vor einiger Zeit ersetzt und seither fahren regelmäßig Personen bis zu uns hoch (keine Ahnung, was die bei uns wollen?) und stecken dann im Aufzug fest, der nur von unserer Wohnung aus geöffnet werden kann. Dieses Land ist sogar stressig, wenn man gerade nicht da ist.
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Letzter Tag
Der letzte Tag war anstrengend. Es gab hundert Probleme und Mißverständnisse, ich bin den ganzen Tag hinter meinen Kollegen hergelaufen, um Unterlagen einzusammeln und meine Rückkehr Ende des Monats vorzubereiten und bin nebenbei der obersten Chefin vermutlich auf die Zehen gestiegen. Nicht sehr klug, aber jetzt auch nicht mehr zu ändern. Dafür hat mich der schöne Franzose abends um fünf bis zum Auto gebracht und den Fahrer ermahnt, er möge vorsichtig fahren, elle est précieuse!. Vielleicht besteht doch noch Hoffnung? Für die Fahrt zum Flughafen N’Djili haben wir fast zwei Stunden gebraucht, der Flughafen ist weit draußen und zwei Zwanzigfußcontainer auf LKWs haben den kompletten Verkehr lahmgelegt. Dafür hatte ich reichlich Gelegenheit, aus dem Fenster zu blicken und zu schauen. Hatte ich gedacht, am Tag im Viertel meines Französischlehrers Armut gesehen zu haben, wurde ich gestern eines Besseren belehrt. An manchen Ecken wäre ich am liebsten ausgestiegen und hätte den mageren, in abgerissene Fetzen gekleideten Gestalten meinen kompletten Kofferinhalt und all mein Geld gegeben – hätte ich meinen Koffer denn bei mir gehabt. Der wurde morgens schon im Air France Büro im Hotel eingecheckt und war mir gewissermaßen zum Flughafen vorausgereist.
Wir passierten abends einen älteren Herrn, unrasiert, eine schmutzige Baseballkappe auf dem Kopf, zwei schmuddelige T-Shirts übereinander und eine kaum noch als solche erkennnbare Jeans, außerdem völlig ausgetretene Gummilatschen. Mit der Ferse trat er auf diesen aber gar nicht auf, die Latschen hingen im 45 Grad Winkel an seinen Füßen. Der linke Socken war lila, der recht schmutzig-grau, und erst als ich länger hinsah erkannte ich, daß die Socken an den Fersen riesige Löcher hatten. Wobei Löcher noch ein Euphemismus ist, die Socken waren eigentlich eher so wie Überzieher, ein schmaler Steg dort, wo sich der Mittelfuß hebt, ansonsten von unten praktisch nicht vorhanden. Das sah man aber kaum, weil die Füße so staubig-grau wie die Socken waren. Traurig.
Mitten im Verkehrsinfarkt hielt neben uns ein öffentlicher Taxibus. Zwei Welten nebeneinander. Rechter Hand saß ich alleine in dem feinen, gepolsterten Bus der Reiseagentur, die für meinen Arbeitgeber den Flughafentransport mit sämtlichen Formalitäten übernimmt. Drei Bänke nur für mich, ich hätte mich auch lang ausstrecken können. Nach dem ersten Nieser in der zugigen Klimaanlage wickelte ich mich in Jacke und Schal ein und fühlte mich die ganze Zeit wie ein Voyeur, der aus der Sicherheit der behüteten Autozelle in die feindliche Welt hinausschaut. Zur linken Hand der öffentliche Taxibus. Ein uraltes Mercedes Modell in Sprintergröße, die Bestuhlung ausgeweidet und durch fünf oder sechs schmale Holzbänke ersetzt, auf jeder Bank drängten sich fünf oder sechs Passagiere wie die Sardinen. Rechnen Sie selbst: so ein Taxibus faßt leicht zwanzig Personen oder mehr, die sich fast gegenseitig auf dem Schoß hocken. Rückenlehnen gibt es nicht, festhalten ist überflüssig, umkippen kann da niemand. Es ist heiß, es ist schwül, drinnen in der drangvollen Enge vermutlich noch mehr als draußen. Zusätzlich zu den vorhandenen Fenstern sind runde Guckaugen aus den seitlichen Metallwänden herausgeschnitten und aus dem Radio dröhnt kongolesische Musik und beschallt die halbe Straße. Während ich kontemplativ meinen Gedanken nachhänge, unterhalten sich meine Nachbarn im Taxibus lautstark, gestikulieren, brüllen, singen mit. Mein Fahrer läßt die Fensterscheibe herunter, der Beifahrer des Taxibuses hängt sich halb aus dem Fenster, die beiden wechseln einige Worte in Lingala. Ich gucke, meine Nachbarn gucken, ohne das Gesicht zu verziehen, und dann schaue ich weg, weil ich mich schäme, für meine privilegierte Abgehobenheit. Kurz schrammen zwei verschiedene Welten aneinander vorbei, dann zieht der Verkehr die beiden Busse wieder auseinander und eine Stunde später leitet mich das Personal der Reiseagentur sicher durch das Gewusel auf dem Parkplatz von N’Djili. Die Rezeptionistin begleitet mich zur Toilette, damit ich nicht verloren gehe, in der Zwischenzeit kümmert sich ein anderer Angestellter darum, die Flughafensteuer von 50 USD zu bezahlen und sonstigen Papierkram zu erledigen. Bringt mich danach bis zur Paßkontrolle und wartet an einem Guckfenster, bis ich auch durch die Sicherheitskontrolle durch bin. Diese ist ein schlechter Witz, statt der flachen, rechteckigen Plastikschalen an europäischen Flughäfen gibt es hier das runde, halbhohe Modell aus China, zweifarbig gestrahlt, das einem auch auf der Straße bei Brotverkäufern und Wäscherinnen begegnet. Der Laptop läßt sich kaum reinlegen, interessiert aber auch niemanden besonders. Neben mir möchte jemand irgendwas Verbotenes mit in die Abflughalle nehmen, einige 1000 Francs wechseln den Besitzer und das Problem ist gelöst. Meine Wasserflasche reicht man mir freundlich über die Sicherheitssperre hinweg, mein Feuerzeug hingegen wird mir abgenommen. Auf der anderen Seite ist eine einzige Abflughalle mit ungefähr so vielen Stühlen wie der Wartebereich für zwei oder drei Flugsteige in Düsseldorf bietet, zwei Duty Free Läden und ein Café. Ich überlege kurz und beschließe dann, notfalls auch horrende Kosten in Kauf zu nehmen, wenn ich noch eine Zigarette rauchen kann, bestelle ein Tonic und erlebe eine angenehme Überraschung, als dieses nur 1000 Franc kostet. Schneller als erwartet fahren Busse vor und jemand brüllt Air France. Das ist mein Flug und es ist gut, daß sie schon um halb acht mit dem Boarding anfangen – technisch gesehen, zumindest – denn vor der Flugzeugtreppe werden alle Passagiere noch einmal von AF Personal durchleuchtet und das Handgepäck erneut durchsucht. Der Flug ist nicht ganz ausgebucht, und obwohl ich in der Reihe mit größerer Beinfreiheit sitze, schlafe ich schlecht und bin morgens um fünf bei der Landung völlig geplättet. In Paris ist alles noch leer und ich bin wider Erwarten rechtzeitig für den Anschlußflug am Gate. Dafür treffen mich die Lichter, Läden, Menschen, Schilder, der glitzende Fußboden, die spiegelnden Seiten in Düsseldorf wie ein Faustschlag in die Magengrube. Ich stehe – ungelogen! – minutenlang im Wartebereich und gucke, die Reizüberflutung ist enorm in jenem Moment. So anders! Es ist mir rätselhaft, wie meine Kollegen, die regelmäßig zwischen Johannesburg, Paris, Washington und Kinshasa hin und herjetten, damit umgehen. Kann man sich daran jemals gewöhnen?
Wir passierten abends einen älteren Herrn, unrasiert, eine schmutzige Baseballkappe auf dem Kopf, zwei schmuddelige T-Shirts übereinander und eine kaum noch als solche erkennnbare Jeans, außerdem völlig ausgetretene Gummilatschen. Mit der Ferse trat er auf diesen aber gar nicht auf, die Latschen hingen im 45 Grad Winkel an seinen Füßen. Der linke Socken war lila, der recht schmutzig-grau, und erst als ich länger hinsah erkannte ich, daß die Socken an den Fersen riesige Löcher hatten. Wobei Löcher noch ein Euphemismus ist, die Socken waren eigentlich eher so wie Überzieher, ein schmaler Steg dort, wo sich der Mittelfuß hebt, ansonsten von unten praktisch nicht vorhanden. Das sah man aber kaum, weil die Füße so staubig-grau wie die Socken waren. Traurig.
Mitten im Verkehrsinfarkt hielt neben uns ein öffentlicher Taxibus. Zwei Welten nebeneinander. Rechter Hand saß ich alleine in dem feinen, gepolsterten Bus der Reiseagentur, die für meinen Arbeitgeber den Flughafentransport mit sämtlichen Formalitäten übernimmt. Drei Bänke nur für mich, ich hätte mich auch lang ausstrecken können. Nach dem ersten Nieser in der zugigen Klimaanlage wickelte ich mich in Jacke und Schal ein und fühlte mich die ganze Zeit wie ein Voyeur, der aus der Sicherheit der behüteten Autozelle in die feindliche Welt hinausschaut. Zur linken Hand der öffentliche Taxibus. Ein uraltes Mercedes Modell in Sprintergröße, die Bestuhlung ausgeweidet und durch fünf oder sechs schmale Holzbänke ersetzt, auf jeder Bank drängten sich fünf oder sechs Passagiere wie die Sardinen. Rechnen Sie selbst: so ein Taxibus faßt leicht zwanzig Personen oder mehr, die sich fast gegenseitig auf dem Schoß hocken. Rückenlehnen gibt es nicht, festhalten ist überflüssig, umkippen kann da niemand. Es ist heiß, es ist schwül, drinnen in der drangvollen Enge vermutlich noch mehr als draußen. Zusätzlich zu den vorhandenen Fenstern sind runde Guckaugen aus den seitlichen Metallwänden herausgeschnitten und aus dem Radio dröhnt kongolesische Musik und beschallt die halbe Straße. Während ich kontemplativ meinen Gedanken nachhänge, unterhalten sich meine Nachbarn im Taxibus lautstark, gestikulieren, brüllen, singen mit. Mein Fahrer läßt die Fensterscheibe herunter, der Beifahrer des Taxibuses hängt sich halb aus dem Fenster, die beiden wechseln einige Worte in Lingala. Ich gucke, meine Nachbarn gucken, ohne das Gesicht zu verziehen, und dann schaue ich weg, weil ich mich schäme, für meine privilegierte Abgehobenheit. Kurz schrammen zwei verschiedene Welten aneinander vorbei, dann zieht der Verkehr die beiden Busse wieder auseinander und eine Stunde später leitet mich das Personal der Reiseagentur sicher durch das Gewusel auf dem Parkplatz von N’Djili. Die Rezeptionistin begleitet mich zur Toilette, damit ich nicht verloren gehe, in der Zwischenzeit kümmert sich ein anderer Angestellter darum, die Flughafensteuer von 50 USD zu bezahlen und sonstigen Papierkram zu erledigen. Bringt mich danach bis zur Paßkontrolle und wartet an einem Guckfenster, bis ich auch durch die Sicherheitskontrolle durch bin. Diese ist ein schlechter Witz, statt der flachen, rechteckigen Plastikschalen an europäischen Flughäfen gibt es hier das runde, halbhohe Modell aus China, zweifarbig gestrahlt, das einem auch auf der Straße bei Brotverkäufern und Wäscherinnen begegnet. Der Laptop läßt sich kaum reinlegen, interessiert aber auch niemanden besonders. Neben mir möchte jemand irgendwas Verbotenes mit in die Abflughalle nehmen, einige 1000 Francs wechseln den Besitzer und das Problem ist gelöst. Meine Wasserflasche reicht man mir freundlich über die Sicherheitssperre hinweg, mein Feuerzeug hingegen wird mir abgenommen. Auf der anderen Seite ist eine einzige Abflughalle mit ungefähr so vielen Stühlen wie der Wartebereich für zwei oder drei Flugsteige in Düsseldorf bietet, zwei Duty Free Läden und ein Café. Ich überlege kurz und beschließe dann, notfalls auch horrende Kosten in Kauf zu nehmen, wenn ich noch eine Zigarette rauchen kann, bestelle ein Tonic und erlebe eine angenehme Überraschung, als dieses nur 1000 Franc kostet. Schneller als erwartet fahren Busse vor und jemand brüllt Air France. Das ist mein Flug und es ist gut, daß sie schon um halb acht mit dem Boarding anfangen – technisch gesehen, zumindest – denn vor der Flugzeugtreppe werden alle Passagiere noch einmal von AF Personal durchleuchtet und das Handgepäck erneut durchsucht. Der Flug ist nicht ganz ausgebucht, und obwohl ich in der Reihe mit größerer Beinfreiheit sitze, schlafe ich schlecht und bin morgens um fünf bei der Landung völlig geplättet. In Paris ist alles noch leer und ich bin wider Erwarten rechtzeitig für den Anschlußflug am Gate. Dafür treffen mich die Lichter, Läden, Menschen, Schilder, der glitzende Fußboden, die spiegelnden Seiten in Düsseldorf wie ein Faustschlag in die Magengrube. Ich stehe – ungelogen! – minutenlang im Wartebereich und gucke, die Reizüberflutung ist enorm in jenem Moment. So anders! Es ist mir rätselhaft, wie meine Kollegen, die regelmäßig zwischen Johannesburg, Paris, Washington und Kinshasa hin und herjetten, damit umgehen. Kann man sich daran jemals gewöhnen?
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Bis morgen. In Deutschland.
Ich freue mich gleichermaßen auf Pause vom Tollhaus wie auf die Rückkehr.
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Krisen, diverse
Im Moment bin ich vermutlich des Teufels dickster Haufen. Ich habe die Aufgaben aus meinem bisherigen Vertrag hier zu beenden, gleichzeitig erwartet mein neuer Vorgesetzter schon jetzt maximalen Einsatz – bei minimaler Koordinierung seinerseits – bezüglich der neuen Aufgaben ab Oktober. Ich schreibe bis spät nachts an Bewerbungen, in der Hoffnung, noch eine Ehrenrunde an der Universität drehen zu können und stecke außerdem bis zum Hals in einem administrativen Mehrfrontenkrieg. Mein Visum kann natürlich nicht hier verlängert werden, dafür reicht die Zeit nicht mehr. Wohlgemerkt: ich hatte rechtzeitig gefragt, aber bis mein Arbeitgeber sich bewegte, vergingen drei Tage und die fehlen jetzt. Ich brauche eine neue Versicherung, die keine Ausschlußklausel für vorhersehbare Kriegsereignisse enthält – jeder Mensch bei normalem Verstand würde wohl Länder die mit einer Reisewarnung des Auswärtigen Amtes bewehrt sind, als vorhersehbar unruhig einstufen. Da meine Eltern in den letzten Monaten umgezogen sind und mein Wohnsitz damit ebenfalls, habe ich unzählige Versicherungen, Banken und sonstige Organisationen, die mich meistens mit überflüssiger Werbung, gelegentlich jedoch mit wichtigen Informationen beglücken über die Änderung meiner Adresse zu informieren. Ich muß zum Zahnarzt, zum Friseur – der schöne Franzose, Sie wissen schon, ich will mithalten können, damit er im Oktober vielleicht doch mal mit mir ausgeht -, meine Schwester sehen, meine Eltern sehen, eine Einkaufsliste in Din A4 Größe abarbeiten – und das sind nur die unbedingt notwendigen Dinge.
Gerade jetzt ist unser Haus eine infrastrukturelle Krisenregion. Am Samstag war der Strom so ungleichmäßig, daß wir mit der Musik aus dem Restaurant unten und der flackernden Neonröhre auf unserer Terrasse eine Diskothek hätten eröffnen können. Nachdem mein Rechnerakku leer war, hatte es sich also digital ausgearbeitet und eine Stunde später in der Dämmerung dank Totalstromausfall war auch analog nichts mehr zu machen. Der schöne Franzose hat mich zum Abendessen versetzt, der Abend mit einigen anderen Kollegen trotzdem lustig. Leider so lustig, daß ich gestern morgen nach nur fünf Stunden Schlaf – ich kann es nicht ändern, aus mir unerfindlichen Gründen sitze ich seit der Ankunft in Afrika morgens um spätestens sieben hellwach im Bett – weder Frühstück noch Kaffee zur unmittelbaren Katerbekämpfung anrichten konnte. Der Kühlschrank: nicht mehr kühl. Der Herd: nicht heiß. Eine Stunde später gingen sogar die letzten Lampen aus und dann wurde auch das Wasser abgestellt. Außerdem mußte ich unbedingt ins Büro, um Internetzugang zu haben – hatte aber keinen Fahrer. Mein Taxifahrer macht Wochenende oder Kirche oder Ausflüge, die Kollegen hatten ihren Fahrern freigegeben, mein Mitbewohner war anderweitig verpflichtet. Mangels Alternativen habe ich eine Sicherungskopie aller wichtigen Dateien gemacht, nur wenig Bargeld in die Hosentasche gesteckt (und, ich gebe es zu, eine eiserne Reserve in die Strümpfe) und bin zu Fuß durch die fast menschenleeren Straßen zum Büro gelaufen. Das dauerte nur zwanzig Minuten, danach fühlte ich mich allerdings dank der Temperaturen, die zunehmend der Bezeichnung Tropen Rechnung tragen, völlig fertig. Nur um festzustellen, daß die lieben Kollegen gestern sämtliche Wasserspender geleert haben. Glück im Unglück, als ein Kollege im Obergeschoß eintraf und ich dort im Konferenzraum eine Flasche mopsen konnte. Ich fasse also zusammen: kein vernünftiges Frühstück – trotz Sonntag -, lauwarmer Kaffee (der Wasserkocher verweigerte jenseits der 50 Grad den Dienst), durstig und naßgeschwitzt im Büro und den ganzen Tag dort geblieben. Zu Hause wäre ja nach drei Stunden Arbeitsschluß wegen Rechnerbatterie gewesen, ich hatte also keine Wahl. Schon um 8h21 morgens rief mich der sonderbare Verehrer an, zuerst von seinem Handy, danach von seinem Bürotelefon. Was soll ich sagen, ich bin nicht drangegangen. Habe auch meinen Französischlehrer nur per SMS vertröstet. Und den Rest des Tages sämtliche Anrufe von unbekannter Nummer ignoriert. Leider war auch der Kollege dabei, der mir seinen Fahrer anbieten wollte. Dumm, aber auch. Hungrig um sechs nach Hause gekommen, im Geiste schon die Nudeln im Topf gekocht, die Zucchini angebraten und den Knoblauchduft in der Nase, stellte sich heraus, daß unser Herd immer noch nicht funktionierte. Im Supermarkt gegenüber ein Hühnchen mit Fritten geholt, leider war die Straße gerade stark befahren als ich sie überqueren wollte, so daß es am Ende kaltes Hühnchen und pappige Fritten wurden. Soviel dazu.
Gerade jetzt ist unser Haus eine infrastrukturelle Krisenregion. Am Samstag war der Strom so ungleichmäßig, daß wir mit der Musik aus dem Restaurant unten und der flackernden Neonröhre auf unserer Terrasse eine Diskothek hätten eröffnen können. Nachdem mein Rechnerakku leer war, hatte es sich also digital ausgearbeitet und eine Stunde später in der Dämmerung dank Totalstromausfall war auch analog nichts mehr zu machen. Der schöne Franzose hat mich zum Abendessen versetzt, der Abend mit einigen anderen Kollegen trotzdem lustig. Leider so lustig, daß ich gestern morgen nach nur fünf Stunden Schlaf – ich kann es nicht ändern, aus mir unerfindlichen Gründen sitze ich seit der Ankunft in Afrika morgens um spätestens sieben hellwach im Bett – weder Frühstück noch Kaffee zur unmittelbaren Katerbekämpfung anrichten konnte. Der Kühlschrank: nicht mehr kühl. Der Herd: nicht heiß. Eine Stunde später gingen sogar die letzten Lampen aus und dann wurde auch das Wasser abgestellt. Außerdem mußte ich unbedingt ins Büro, um Internetzugang zu haben – hatte aber keinen Fahrer. Mein Taxifahrer macht Wochenende oder Kirche oder Ausflüge, die Kollegen hatten ihren Fahrern freigegeben, mein Mitbewohner war anderweitig verpflichtet. Mangels Alternativen habe ich eine Sicherungskopie aller wichtigen Dateien gemacht, nur wenig Bargeld in die Hosentasche gesteckt (und, ich gebe es zu, eine eiserne Reserve in die Strümpfe) und bin zu Fuß durch die fast menschenleeren Straßen zum Büro gelaufen. Das dauerte nur zwanzig Minuten, danach fühlte ich mich allerdings dank der Temperaturen, die zunehmend der Bezeichnung Tropen Rechnung tragen, völlig fertig. Nur um festzustellen, daß die lieben Kollegen gestern sämtliche Wasserspender geleert haben. Glück im Unglück, als ein Kollege im Obergeschoß eintraf und ich dort im Konferenzraum eine Flasche mopsen konnte. Ich fasse also zusammen: kein vernünftiges Frühstück – trotz Sonntag -, lauwarmer Kaffee (der Wasserkocher verweigerte jenseits der 50 Grad den Dienst), durstig und naßgeschwitzt im Büro und den ganzen Tag dort geblieben. Zu Hause wäre ja nach drei Stunden Arbeitsschluß wegen Rechnerbatterie gewesen, ich hatte also keine Wahl. Schon um 8h21 morgens rief mich der sonderbare Verehrer an, zuerst von seinem Handy, danach von seinem Bürotelefon. Was soll ich sagen, ich bin nicht drangegangen. Habe auch meinen Französischlehrer nur per SMS vertröstet. Und den Rest des Tages sämtliche Anrufe von unbekannter Nummer ignoriert. Leider war auch der Kollege dabei, der mir seinen Fahrer anbieten wollte. Dumm, aber auch. Hungrig um sechs nach Hause gekommen, im Geiste schon die Nudeln im Topf gekocht, die Zucchini angebraten und den Knoblauchduft in der Nase, stellte sich heraus, daß unser Herd immer noch nicht funktionierte. Im Supermarkt gegenüber ein Hühnchen mit Fritten geholt, leider war die Straße gerade stark befahren als ich sie überqueren wollte, so daß es am Ende kaltes Hühnchen und pappige Fritten wurden. Soviel dazu.
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Geldgeldgeld
Ein völlig unvorstellbares Detail, an das man sich unglaublich schnell gewöhnt, ist die Dollarisierung der Wirtschaft hier. Neben dem Franc Congolais, in 50, 100, 200 und 500 Franc-Scheinen, kann man überall auch mit Dollar bezahlen. Münzen habe ich seit acht Wochen nicht mehr in Händen gehalten. Gibt es nicht. Mehr noch: mit Dollar kommt man weiter als mit Franc. Als die Währung etabliert wurde, war der Wechselkurs ungefähr zwei zu eins, sagt mir jemand. Heute ist ein Dollar 750 oder 800 Franc wert. Wenn ich mittags ein Sandwich für 6 Dollar in der Bäckerei kaufe und mit zwanzig Dollar bezahle, bekomme ich 10 Dollar und 3.000 Francs zurück. Ungefähr, das ändert sich täglich. Franc verwendet man im Wesentlichen zum Trinkgelder geben und nach einer Woche hat man genug an Rückgeld gesammelt, daß sich das Portemonnaie kaum noch schließen läßt, zahlt einmal einen zehn Dollar Betrag mit Franc und hat wieder Luft in der Tasche. Was im Alltag eine simple Unannehmlichkeit für mich bedeutet, ist für das Land jedoch ein riesiges Problem. Läden müssen Kassen anschaffen, die Kassenzettel in beiden Währungen fakturieren können. Die Zentralbank braucht ein Zahlungssystem, das mit beiden Währungen umgehen kann. Unternehmen müssen Bilanzen in beiden Währungen aufstellen, wollen sie nicht in die Schmuddelecke abgeschoben werden. Und wirklich jeder kämpft mit der Volatilität des Franc und den sich ständig ändernden Wechselkursen. Im Supermarkt bezahle ich an der Kasse mit Dollar, dann geht einer der Hiwis dort zu einem Schalter, dort wird das große Rückgeld in Dollar abgezählt und die Kassiererin gibt mir den Rest in Franc heraus. In einem anderen, etwas bescheideneren Etablissement des Lebensmitteleinzelhandels ist die Kasse mit Dollar gefüllt, dafür hat die Kassiererin unterm Tisch einen Schuhkarton mit Franc, aus dem sie die Restbeträge auszahlt.
Kurios für den Besucher von auswärts ist der diskriminierende Umgang mit den verschiedenen Scheinen. Die Franc Scheine sehen ziemlich häufig so schmuddelig aus, daß man ihnen gerne man eine Geldwäsche angedeihen lassen, oder sie vielleicht in S*grotan einweichen wollen würde. 100er und 500er sind sich ohnehin sehr ähnlich und vor lauter Siffigkeit dann endgültig nicht mehr zu unterscheiden. Vor kurzem kam mir ausnahmsweise mal ein völlig neuer Franc Schein in die Hände – eine Serie aus dem Jahr 2002. Andere 2002er sind hingegen völlig zerfleddert. Die kongolesische Münze hat vermutlich ihre Arbeit schon vor Jahren eingestellt, schließe ich daraus, mangels Nachfrage. Dollar Scheine hingegen – müssen makellos sein. Ein Franc Schein darf gerne fünf Mal zusammengeklebt sein, das nimmt ihm nichts von seinem Wert. Einen Dollar Schein mit haarfeinem 2mm Riß hingegen können Sie genauso gut zum Zigaretten Drehen verwenden. Ich trage seit acht Wochen einen solchen mit mir herum und bin ihn nicht los geworden. Serien, die älter als 2000 sind, kommen als Zahlungsmittel ebenfalls nicht in Frage und auch wenn es sich manchmal anbieten würde, mit Ein-Dollarscheinen kleine Beträge zu bezahlen (um ein Rückgeld von 8000 Francs zu vermeiden, ein solches Päckchen würde schon fast einen Geldkoffer rechtfertigen) muß man schon gut verhandeln, um diese an den Mann zu bringen. Letztes Wochenende war ich auf einem Markt Souvenirs kaufen, am ersten Stand händigte man mir zehn Dollar in Einern als Rückgeld aus.
Am zweiten Stand wollte man diese jedoch nicht akzeptieren. Erst als ich von meinem Kauf zurücktrat und erklärte: entweder diese Scheine oder gar keine – haben sie es sich anders überlegt, und knurrend die Einer akzeptiert.
Wenn Sie mich jetzt fragen: warum der ganze Aufwand, muß ich meine völlige Unwissenheit bekennen: ich akzeptiere es einfach als eine weitere Irrationalität in diesem völlig verrückten Land.
Kurios für den Besucher von auswärts ist der diskriminierende Umgang mit den verschiedenen Scheinen. Die Franc Scheine sehen ziemlich häufig so schmuddelig aus, daß man ihnen gerne man eine Geldwäsche angedeihen lassen, oder sie vielleicht in S*grotan einweichen wollen würde. 100er und 500er sind sich ohnehin sehr ähnlich und vor lauter Siffigkeit dann endgültig nicht mehr zu unterscheiden. Vor kurzem kam mir ausnahmsweise mal ein völlig neuer Franc Schein in die Hände – eine Serie aus dem Jahr 2002. Andere 2002er sind hingegen völlig zerfleddert. Die kongolesische Münze hat vermutlich ihre Arbeit schon vor Jahren eingestellt, schließe ich daraus, mangels Nachfrage. Dollar Scheine hingegen – müssen makellos sein. Ein Franc Schein darf gerne fünf Mal zusammengeklebt sein, das nimmt ihm nichts von seinem Wert. Einen Dollar Schein mit haarfeinem 2mm Riß hingegen können Sie genauso gut zum Zigaretten Drehen verwenden. Ich trage seit acht Wochen einen solchen mit mir herum und bin ihn nicht los geworden. Serien, die älter als 2000 sind, kommen als Zahlungsmittel ebenfalls nicht in Frage und auch wenn es sich manchmal anbieten würde, mit Ein-Dollarscheinen kleine Beträge zu bezahlen (um ein Rückgeld von 8000 Francs zu vermeiden, ein solches Päckchen würde schon fast einen Geldkoffer rechtfertigen) muß man schon gut verhandeln, um diese an den Mann zu bringen. Letztes Wochenende war ich auf einem Markt Souvenirs kaufen, am ersten Stand händigte man mir zehn Dollar in Einern als Rückgeld aus.
Am zweiten Stand wollte man diese jedoch nicht akzeptieren. Erst als ich von meinem Kauf zurücktrat und erklärte: entweder diese Scheine oder gar keine – haben sie es sich anders überlegt, und knurrend die Einer akzeptiert.
Wenn Sie mich jetzt fragen: warum der ganze Aufwand, muß ich meine völlige Unwissenheit bekennen: ich akzeptiere es einfach als eine weitere Irrationalität in diesem völlig verrückten Land.
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Entwicklungen
Ich habe mich verändert im letzten Jahr. Ich erinnere mich noch, wie ich vor drei Jahren bei meinem ersten Aufenthalt in einem Entwicklungsland meine erste Kakerlake gesehen habe. In der Küche meines Arbeitgebers spazierte sie über die Arbeitplatte, auf der wir gerade Sandwiches zubereiteten. Ich habe nicht hysterisch gekreischt, war aber doch nachhaltig angewidert und habe danach mit neuer Leidenschaft den Kampf gegen Lebewesen mit mehr als vier Beinen in meiner Wohnung aufgenommen. Es ist nicht leicht, in Pappkartonbauten inmitten der afrikanischen Hitze das Zuhause viecherfrei zu halten, aber dank regelmäßiger Giftaktionen mit diversen Chemikalien habe ich seinerzeit den Kampf gewonnen.
In Ägypten vor einem Jahr war ich schon deutlich entspannter, hatte allerdings Glück und habe erst an meinem letzten Tag die Untermieter im Bad gesichtet. Mittlerweile lebe ich in einem Haus, das von offenen Abwasserkanälen umgeben ist, in denen die Wachleute unten ihre Schüsseln ausspülen und ihre Wäsche waschen. Komme ich abends im Dunkeln nach Hause, gehe ich immer außen um den Schutt und Müll herum, weil ich wiederholt Ratten habe herumspringen sehen. Keine Mäuse – richtige, fette Ratten. Ich mache mir auch keine Illusionen, daß meine Wohnung kakerlakenfrei sein könnte. Spätestens seit ich morgens eine vom Mitbewohner mittels Glas zermalmte Kakerlake in der Spüle entsorgt habe, weiß ich, daß ich mehr als nur zwei zweibeinige Mitbewohner habe. In der gesamten Wohnung gibt es Ameisen. Mittlerweile packe ich Kekse oder Brot immer in zwei Plastiktüten ein, andernfalls wuseln einem beim nächsten Öffnen der Packung zahllose Krabbelviecher entgegen. Die Cafettiera, die unser homme de ménage feucht in den Schrank gestellt hat, muß man vor der Benutzung erst ausschütteln. Ich bin von mir selbst überrascht, daß mich derartige Episoden inzwischen völlig kalt lassen. Ich will gar nicht wissen, wieviel Dreck ich bei meinen diversen Mahlzeiten in den letzten Monaten verspeist habe. Brot auf der Straße gekauft. Küchlein im Supermarkt um die Ecke. Chawarma im Dönerladen. Lebensmittelkontrolle? Fehlanzeige, hier. Ich bin nicht an den Details interessiert, will nicht genau wissen, wieviele Insektenleichen in den letzten Monaten durch mich hindurchgewandert sind – ist egal, das ist es wert.
Jeden Freitag und Samstag Abend bekommen wir Musik, umsonst. Unten im Hof ist ein Restaurant, das seinen Gästen jedes Wochenende Live-Musik bietet. Das Programm ist immer dasselbe, populäre kongolesische Schlager, außerdem Guantanamera, La Bamba und Marina. Danach kann man die Uhr stellen und ich bin zuversichtlich, bis Dezember auch die kongolesischen Titel mitsingen zu können. Selbst das stört mich nicht übermäßig. Würde ich die nächsten drei Jahre hier wohnen, würde ich meine Wohnungsentscheidung vielleicht noch mal überdenken, aber für die begrenzte Zeit meines Aufenthalts ist es vertretbar. Beinahe freue ich mich abends über die heitere Untermalung.
Abgestelltes Wasser? Stromausfälle? Alles mit schöner Regelmäßigkeit fest im Programm vorgesehen, man paßt sich an. Erstens kann man auf die Wassertonnen im Bad zurückgreifen, zweitens kann ich unten im Cercle Elais duschen gehen. Gegen Stromausfälle helfen der Laptop – solange die Batterie reicht – und die immer wieder einmalige Aussicht über den Fluß und die Stadt. Nein, beide Städte, Kinshasa wie Brazzaville, die beide zu meinen Füßen liegen.
Natürlich ist das immer noch Entwicklungsland light. Strom und Wasser gehen oft aus, aber eben auch irgendwann wieder an. Meine Wohnung ist ansonsten sehr passabel, die Ratten hausen acht Etagen unter mir und überhaupt: das ganz harte Programm für Fortgeschrittene blieb mir auch in Kinshasa erspart.
Vor allem aber: ich mag die Aufregungen und kleinen Abenteuer, die jeder Tag mit sich bringt. Man weiß nie genau, was einen erwartet, welche Bilder man heute geboten bekommt. Gestern auf dem Heimweg erhob sich dem Boulevard neben den tiefen Gräben, die Freunde aus Fernost im Rahmen ihrer Infrastrukturprojekte gebuddelt haben, ein Berg von Gepäck. Mehrere Koffer, Reisetaschen, dazwischen Plastiksäcke und Pappkartons. Auf einem der Koffer saß ein Soldat in Uniform, zwischen seinen Knien stand eine schwarze Ziege, die Leine fest in der Hand. Beide beobachteten der vorbeizuckelnden Verkehr. Ich bedauere in solchen Momenten, meine Kamera nicht dabei zu haben (und wenn ich sie hätte, könnte ich dennoch keine Fotos machen, Fotos von Soldaten brächten mich vermutlich in Teufels Küche). Ich schaue dann ganz genau hin und versuche das Bild abzuspeichern, auf daß ich mich irgendwann in fünfzig Jahren erinnern kann, wenn ich in Deutschland sitze, dem Siechtum verfallen und mich nicht mehr rühren kann. Dann habe ich aber zumindest ein aufregendes Leben gehabt.
In Ägypten vor einem Jahr war ich schon deutlich entspannter, hatte allerdings Glück und habe erst an meinem letzten Tag die Untermieter im Bad gesichtet. Mittlerweile lebe ich in einem Haus, das von offenen Abwasserkanälen umgeben ist, in denen die Wachleute unten ihre Schüsseln ausspülen und ihre Wäsche waschen. Komme ich abends im Dunkeln nach Hause, gehe ich immer außen um den Schutt und Müll herum, weil ich wiederholt Ratten habe herumspringen sehen. Keine Mäuse – richtige, fette Ratten. Ich mache mir auch keine Illusionen, daß meine Wohnung kakerlakenfrei sein könnte. Spätestens seit ich morgens eine vom Mitbewohner mittels Glas zermalmte Kakerlake in der Spüle entsorgt habe, weiß ich, daß ich mehr als nur zwei zweibeinige Mitbewohner habe. In der gesamten Wohnung gibt es Ameisen. Mittlerweile packe ich Kekse oder Brot immer in zwei Plastiktüten ein, andernfalls wuseln einem beim nächsten Öffnen der Packung zahllose Krabbelviecher entgegen. Die Cafettiera, die unser homme de ménage feucht in den Schrank gestellt hat, muß man vor der Benutzung erst ausschütteln. Ich bin von mir selbst überrascht, daß mich derartige Episoden inzwischen völlig kalt lassen. Ich will gar nicht wissen, wieviel Dreck ich bei meinen diversen Mahlzeiten in den letzten Monaten verspeist habe. Brot auf der Straße gekauft. Küchlein im Supermarkt um die Ecke. Chawarma im Dönerladen. Lebensmittelkontrolle? Fehlanzeige, hier. Ich bin nicht an den Details interessiert, will nicht genau wissen, wieviele Insektenleichen in den letzten Monaten durch mich hindurchgewandert sind – ist egal, das ist es wert.
Jeden Freitag und Samstag Abend bekommen wir Musik, umsonst. Unten im Hof ist ein Restaurant, das seinen Gästen jedes Wochenende Live-Musik bietet. Das Programm ist immer dasselbe, populäre kongolesische Schlager, außerdem Guantanamera, La Bamba und Marina. Danach kann man die Uhr stellen und ich bin zuversichtlich, bis Dezember auch die kongolesischen Titel mitsingen zu können. Selbst das stört mich nicht übermäßig. Würde ich die nächsten drei Jahre hier wohnen, würde ich meine Wohnungsentscheidung vielleicht noch mal überdenken, aber für die begrenzte Zeit meines Aufenthalts ist es vertretbar. Beinahe freue ich mich abends über die heitere Untermalung.
Abgestelltes Wasser? Stromausfälle? Alles mit schöner Regelmäßigkeit fest im Programm vorgesehen, man paßt sich an. Erstens kann man auf die Wassertonnen im Bad zurückgreifen, zweitens kann ich unten im Cercle Elais duschen gehen. Gegen Stromausfälle helfen der Laptop – solange die Batterie reicht – und die immer wieder einmalige Aussicht über den Fluß und die Stadt. Nein, beide Städte, Kinshasa wie Brazzaville, die beide zu meinen Füßen liegen.
Natürlich ist das immer noch Entwicklungsland light. Strom und Wasser gehen oft aus, aber eben auch irgendwann wieder an. Meine Wohnung ist ansonsten sehr passabel, die Ratten hausen acht Etagen unter mir und überhaupt: das ganz harte Programm für Fortgeschrittene blieb mir auch in Kinshasa erspart.
Vor allem aber: ich mag die Aufregungen und kleinen Abenteuer, die jeder Tag mit sich bringt. Man weiß nie genau, was einen erwartet, welche Bilder man heute geboten bekommt. Gestern auf dem Heimweg erhob sich dem Boulevard neben den tiefen Gräben, die Freunde aus Fernost im Rahmen ihrer Infrastrukturprojekte gebuddelt haben, ein Berg von Gepäck. Mehrere Koffer, Reisetaschen, dazwischen Plastiksäcke und Pappkartons. Auf einem der Koffer saß ein Soldat in Uniform, zwischen seinen Knien stand eine schwarze Ziege, die Leine fest in der Hand. Beide beobachteten der vorbeizuckelnden Verkehr. Ich bedauere in solchen Momenten, meine Kamera nicht dabei zu haben (und wenn ich sie hätte, könnte ich dennoch keine Fotos machen, Fotos von Soldaten brächten mich vermutlich in Teufels Küche). Ich schaue dann ganz genau hin und versuche das Bild abzuspeichern, auf daß ich mich irgendwann in fünfzig Jahren erinnern kann, wenn ich in Deutschland sitze, dem Siechtum verfallen und mich nicht mehr rühren kann. Dann habe ich aber zumindest ein aufregendes Leben gehabt.
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Erhellender Abend
Ich war mit meinem kongolesischen Bekannten M. Abendessen. Mir ist nicht ganz klar, warum sich jemand, der in diesem Land vermutlich glänzende Zukunftsaussichten hat und keinen Mangel an Freunden, Bekannten, Mandanten, Klienten und anderen Menschen, mit mir abgibt und sich geradezu rührend bemüht, mich zu integrieren. Egal, er tut es und ich bin froh darüber. Meistens redet er, ich kann ihm zwar auf Französisch folgen und gelegentliche Bemerkungen einflechten, bin aber selbst immer noch zu ungelenk, um komplexe Gedanken adäquat auszudrücken. Also saß ich ihm gestern Abend gegenüber, hörte zu, und lernte. Eine Menge. Die auftretenden Personen in diesem Kammerstück: meine Vorgesetzte, der schöne Franzose, und unser aller zwei Chefs. Zuerst waren wir ein Bier in der Hotelbar trinken. Dort lernte ich, daß der schöne Franzose wieder im Lande ist – buchstäblich – und vermutlich fünf Etagen über uns in seinem Hotelbett lag und sich von der langen Reise erholte. Da er mit seinem Zimmer nicht glücklich war (falsche Etage), klingelte M. einen seiner unzähligen Cousins heran, seines Zeichens im Hotel Management tätig, und arrangierte einen Zimmerwechsel für den schönen Franzosen. Nach vollbrachter Intervention wollte er den Kollegen informieren und nutzte dafür mein Telefon. Der schöne Franzose lehnte das Gespräch ab – was uns wiederum reichlich Gesprächsstoff gab. Danach waren wir noch zusammen eine Kleinigkeit essen, in einem anderen Restaurant. Und dort lernte ich: der schöne Franzose wollte eigentlich die Position meiner Vorgesetzten haben, hatte dafür auch die Unterstützung des einen Chefs, leider des falschen. Er hat jetzt eine andere Position und die ist vermutlich auch nicht schlecht – nur halt nicht jene, die er eigentlich wollte. Der schöne Franzose ist gerne in Gesellschaft der Schönen und Einflußreichen, wandelt bevorzugt in den Sälen der Macht und betreibt mit viel Energie die Herbeiführung von Möglichkeiten.*
Diese interessanten Details und Einschätzungen garnierte M. mit Anekdoten aus seiner eigenen beruflichen Kamarilla, wo er – bedeutend jünger als die meisten der ihm unterstellten Mitarbeiter – mit mannigfaltigen Intrigen zu kämpfen hat.
Ich bin nach wie vor zu naiv für diese Welt, weil ich derartige Unterströmungen selbst in meinem unmittelbaren Umfeld häufig gar nicht wahrnehme. Würde ich darüber nachdenken, wäre mir schon bewußt, daß es sie gibt – aber auf meinem Bildschirm sind sie nicht drauf, wenn man mich nicht mit der Nase darauf stößt. Vor allem aber sitze ich jetzt hier und stelle wieder einmal fest: solche Intrigen sind mir so fremd. Ich halte viel davon, sich durch qualitativ hochwertige Arbeit und Zuverlässigkeit zu empfehlen, die Machtspiele im Hintergrund hingegen durchschaue ich meistens zu spät oder gar nicht und wundere mich dann, warum ich auf die Nase falle. Aktives Engagement meinerseits ist völlig ausgeschlossen, ich bin eine lausige Lügnerin und noch schlechtere Intrigantin. Damit bin ich vermutlich völlig ungeeignet für jede Form der Karriere in einem größeren Unternehmen und es wäre weise, sich beizeiten nach einem Plan B fürs Leben umzuschauen.
Ich könnte reich heiraten und Mutter einer Division gutangezogener und wohlerzogener Kinderchen werden und dem Vaterland damit zukünftige Steuerzahler schenken. Oder ein Restaurant oder einen Delikatessen Laden eröffnen und die kulinarische Landschaft irgendeines abgeschiedenen Provinznestes bereichern. Oder ins Kloster gehen. Das sind die Möglichkeiten, die mir im Moment einfallen. Alternative Vorschläge bitte an meine Mailadresse.
*Ich bin für den schönen Franzosen vermutlich einfach nicht wichtig genug in meiner untergebenen Position, als daß er sich mit mir abgeben würde, wenn interessantere Persönlichkeiten verfügbar sind. Ernüchternde Erkenntnis und Ende aller romantischen Hoffnungen.
Diese interessanten Details und Einschätzungen garnierte M. mit Anekdoten aus seiner eigenen beruflichen Kamarilla, wo er – bedeutend jünger als die meisten der ihm unterstellten Mitarbeiter – mit mannigfaltigen Intrigen zu kämpfen hat.
Ich bin nach wie vor zu naiv für diese Welt, weil ich derartige Unterströmungen selbst in meinem unmittelbaren Umfeld häufig gar nicht wahrnehme. Würde ich darüber nachdenken, wäre mir schon bewußt, daß es sie gibt – aber auf meinem Bildschirm sind sie nicht drauf, wenn man mich nicht mit der Nase darauf stößt. Vor allem aber sitze ich jetzt hier und stelle wieder einmal fest: solche Intrigen sind mir so fremd. Ich halte viel davon, sich durch qualitativ hochwertige Arbeit und Zuverlässigkeit zu empfehlen, die Machtspiele im Hintergrund hingegen durchschaue ich meistens zu spät oder gar nicht und wundere mich dann, warum ich auf die Nase falle. Aktives Engagement meinerseits ist völlig ausgeschlossen, ich bin eine lausige Lügnerin und noch schlechtere Intrigantin. Damit bin ich vermutlich völlig ungeeignet für jede Form der Karriere in einem größeren Unternehmen und es wäre weise, sich beizeiten nach einem Plan B fürs Leben umzuschauen.
Ich könnte reich heiraten und Mutter einer Division gutangezogener und wohlerzogener Kinderchen werden und dem Vaterland damit zukünftige Steuerzahler schenken. Oder ein Restaurant oder einen Delikatessen Laden eröffnen und die kulinarische Landschaft irgendeines abgeschiedenen Provinznestes bereichern. Oder ins Kloster gehen. Das sind die Möglichkeiten, die mir im Moment einfallen. Alternative Vorschläge bitte an meine Mailadresse.
*Ich bin für den schönen Franzosen vermutlich einfach nicht wichtig genug in meiner untergebenen Position, als daß er sich mit mir abgeben würde, wenn interessantere Persönlichkeiten verfügbar sind. Ernüchternde Erkenntnis und Ende aller romantischen Hoffnungen.
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Es ist kindisch, aber ich freue mich jedes Mal, wenn schöne Musik im Radio kommt. Die Entdeckung des Webradios, zu Verdanken vor allem Herrn Mark und Herrn Stubenzweig, hat mir manchen drögen Arbeitstag versüßt, seit ich im eigenen Büro am Ende des Flurs sitze, wo ich niemanden störe.
Nun habe ich mir zu Weihnachten eine externe Festplatte geschenkt und die gesamte Familie zwangsverpflichtet, zumindest die wichtigsten CDs während meines Heimaturlaubs draufzuspielen, so daß ich viele Sachen jederzeit hören kann. Trotzdem freue ich mich auf kindische, völlig irrationale Weise, wenn bestimmte Werke, die ich besonders mag, im Radio kommen.
Völlig unerklärlich, aber ist so. Das tröstet mich sogar darüber hinweg, daß unsere Küche immer noch eine Dunkelkammer ist und man nunmehr begonnen hat, den Parkplatz vorm Haus aufzureißen. Die Szene vorm Haus ist so surreal - Hindernislauf -, daß ich möglicherweise am Wochenende einen Ausflug vor die Haustür mit meiner Kamera wagen werde.
Nun habe ich mir zu Weihnachten eine externe Festplatte geschenkt und die gesamte Familie zwangsverpflichtet, zumindest die wichtigsten CDs während meines Heimaturlaubs draufzuspielen, so daß ich viele Sachen jederzeit hören kann. Trotzdem freue ich mich auf kindische, völlig irrationale Weise, wenn bestimmte Werke, die ich besonders mag, im Radio kommen.
Völlig unerklärlich, aber ist so. Das tröstet mich sogar darüber hinweg, daß unsere Küche immer noch eine Dunkelkammer ist und man nunmehr begonnen hat, den Parkplatz vorm Haus aufzureißen. Die Szene vorm Haus ist so surreal - Hindernislauf -, daß ich möglicherweise am Wochenende einen Ausflug vor die Haustür mit meiner Kamera wagen werde.
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Viele kleine Widrigkeiten
Gestern war ich die erste Nacht alleine in Kinshasa. Mitbewohner eins ist abgereist. Das ist schlecht für mein Sozialleben, aber gut für mein Budget, jetzt muß ich ihn nicht mehr durchfüttern. Mitbewohner Nummer zwei hätte eigentlich schon Freitag von seiner Dienstreise aus Kivu zurückkommen sollen, aber auf dem UN Flug am Freitag bekam er keinen Platz mehr und jener am Montag wurde abgesagt. Ich kann mir kaum vorstellen, wie ich während des Studiums über Tage alleine in meiner Wohnung vor mich hinpuzzeln konnte - die letzten zwei Jahre haben aus mir scheinbar doch noch einen geselligen Menschen gemacht oder mich zumindest so auf das Wohngemeinschaftsmiteinander konditioniert, daß ich mich gestern geradezu einsam gefühlt habe.
Nachdem mein Französisch Lehrer in aller Treuherzigkeit verkündete, er wolle sich auf eine Stelle als Verwaltungsassistent bei meinem Arbeitgeber bewerben und ich nicht das Herz hatte, ihm die völlige Aussichtslosigkeit seiner Bemühungen vor Augen zu führen;
nachdem außerdem mein Fahrer die morgendliche Verspätung abends aufholte, indem er mir zwanzig Minuten vor der vereinbarten Zeit mitteilte: Ich bin schon da.;
nachdem außerdem der Kühlschrank kläglich leer war und die Küche selbst absolut dunkel und daher unbrauchbar, aufgrund Lampenexplosion (ja, Sie lesen richtig, hier glühen die Drähte von Birnen nicht einfach durch, sondern explodieren mit einem lauten Knall in tausend Stücke);
nachdem außerdem heute morgen das Wasser wieder aus war und uns als nächstes vermutlich der Strom abgestellt wird, wenn wir nicht bis übermorgen die neueste Rechnung bezahlen, ich aber ohne Mitbewohner nicht weiß, wie ich das anstellen soll;
--- hatte ich gestern einen Abend lang keine Lust mehr auf Entwicklungsland. Ich möchte nicht mehr bei jedem Kleidungswechsel von Mücken gestochen werden. Ich möchte keine Ameisen mehr in der Brottüte und keine Maden in den Haferflocken. Ich möchte nicht mehr um Geld streiten müssen. Ich möchte morgens garantiert unbehindert duschen können. Ich möchte mich beim Verlassen des Hauses nicht mehr fragen müssen, ob abends noch alle meine Wertgegenstände da sein werden. Ob ich meinen Reisepass mit Visum zurückerhalten werde. Ob mein Vertrag für Oktober nicht langsam fertig ist.
Ich weiß, das wird vorbeigehen. Aber gerade wird mir alles ein bißchen viel.
Nachdem mein Französisch Lehrer in aller Treuherzigkeit verkündete, er wolle sich auf eine Stelle als Verwaltungsassistent bei meinem Arbeitgeber bewerben und ich nicht das Herz hatte, ihm die völlige Aussichtslosigkeit seiner Bemühungen vor Augen zu führen;
nachdem außerdem mein Fahrer die morgendliche Verspätung abends aufholte, indem er mir zwanzig Minuten vor der vereinbarten Zeit mitteilte: Ich bin schon da.;
nachdem außerdem der Kühlschrank kläglich leer war und die Küche selbst absolut dunkel und daher unbrauchbar, aufgrund Lampenexplosion (ja, Sie lesen richtig, hier glühen die Drähte von Birnen nicht einfach durch, sondern explodieren mit einem lauten Knall in tausend Stücke);
nachdem außerdem heute morgen das Wasser wieder aus war und uns als nächstes vermutlich der Strom abgestellt wird, wenn wir nicht bis übermorgen die neueste Rechnung bezahlen, ich aber ohne Mitbewohner nicht weiß, wie ich das anstellen soll;
--- hatte ich gestern einen Abend lang keine Lust mehr auf Entwicklungsland. Ich möchte nicht mehr bei jedem Kleidungswechsel von Mücken gestochen werden. Ich möchte keine Ameisen mehr in der Brottüte und keine Maden in den Haferflocken. Ich möchte nicht mehr um Geld streiten müssen. Ich möchte morgens garantiert unbehindert duschen können. Ich möchte mich beim Verlassen des Hauses nicht mehr fragen müssen, ob abends noch alle meine Wertgegenstände da sein werden. Ob ich meinen Reisepass mit Visum zurückerhalten werde. Ob mein Vertrag für Oktober nicht langsam fertig ist.
Ich weiß, das wird vorbeigehen. Aber gerade wird mir alles ein bißchen viel.
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Taufe feudal
Am Donnerstag war ich der Quoten-Protestant. In Zentralafrika ist der Katholizismus weit verbreitet und durchdringt die Gesellschaft, oft mit geradezu evangelikalen Zügen. Unser Wachmann Olivier führt seinen Namen selbstverständlich auf die Bibel zurück. Ein Bekannter mit Namen Tamaris erzählte mir ausführlich von biblischen Begebenheiten rund um den Tamariskenbaum – hatte selbigen allerdings genausowenig jemals gesehen wie ich. Und so habe ich am Donnerstag bei der Taufe der kleinen Tochter von F. wieder einmal den Posten des etwas außenstehenden Beobachters eingenommen.
Die beiden Hauptstraßen waren wie immer nachmittags völlig zu mit geradezu ineinander verkeilten Autos, aber meine Befürchtungen, peinlicherweise die letzte zu sein, erfüllten sich nicht. Auch um halb vier (dreißig Minuten nach meiner Ankunft) stand die Festgesellschaft noch vor der Kirche. Es war unerträglich heiß, das Wasser lief mir den Rücken hinunter und sammelte sich beinahe in kleinen Pfützen in meinen Schuhen. So langsam bekomme ich Respekt vor der drohenden feucht-schwülen Regenzeit. Die Messe wurde von einem der Familie seit langen Jahren verbundenen Priester aus Belgien gelesen, der zu diesem Anlaß für eine Woche eingeflogen war. Die kleine A. trug ein etwas zu großes weißes Kleidchen – ebenfalls aus Belgien importiert – und sah aus wie ein entzückendes kleines Sahnebaiser. Die Herren trugen vorwiegend feine dunkle Anzüge, die jüngeren Damen Etuikleider und elegante Tagesgarderobe, diematronenhaften älteren weiblichen Familienmitglieder prächtige und aufwendig geschneiderte afrikanische Kombinationen. Es fehlten nur noch wagenradgroße Hüte, um das Bild der gehobenen Gesellschaft zu perfektionieren.
Die Kirche war mit unerträglich unbequemen kleinen Hockerstühlchen mit überhohen Lehnen und – dankenswerterweise – etlichen Ventilatoren bestückt, die zwar die Hitze etwas erträglicher machten, aber verhinderten, daß ich von der französischen Zeremonie mehr als drei Worte verstanden habe. Als einzige Weiße – mit Ausnahme des Priesters – fühlte ich mich entsetzlich unwohl, da im übrigen wirklich nur die engste Familie versammelt war. Mit Grauen sah ich dem anschließenden Cocktail entgegen und rechnete im Geiste aus, wann ich wohl angemessenerweise die Arbeit als Entschuldigung für einen frühen Abgang geltend machen könne. Der Empfang fand im Haus der Großmutter im Stadtteil Ma Campagne statt, dem Viertel, in dem auch die Domaine Présidentielle liegt. Der großzügige Garten war aufwendig dekoriert mit vielen Tischen, behussten und beschleiften Stühlen, Kinderspielgeräten und einem langen Buffet. Etwas verloren drückte ich mich die erste Stunde am Rande der eintreffenden Grüppchen herum, bis mir einige junge Frauen endlich entgegenkamen und mich ins Gespräch einbezogen. Waren zur Messe noch kaum dreißig Personen anwesend gewesen, wurde der Garten jetzt schnell voll, bis gegen sieben alle Tische besetzt waren. Die Eltern des Taufkindes sind Anfang dreißig und hatten offenbar sämtliche Schulfreunde der letzten zwanzig Jahre eingeladen. Jeder kannte jeden, alle waren zusammen die ersten Jahre zur Schule gegangen, die Mädchen tauschten Erinnerungen an den gemeinsamen Tanzkurs aus (ja, so was gibt es hier für die bessere Gesellschaft!). Weißt Du noch, als Marie neu war und sich überall vorstellte mit „Ich bin Marie und ich komme aus Equateur....“ – „Ja, muhahaha, und dann.... erinnerst Du Dich, als... soooo peinlich!“. Tausende Kilometer von Deutschland entfernt, aber die gleichen Geschichten wie in meiner Schulzeit. Um fünf wurden die Tische fertig dekoriert und der Champagner aufgekorkt. Mein Glas war nie leer und ich am Ende des Abends zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder ein wenig tipsy von Sprudelbrause. Wenig später kamen Tabletts mit Hors d’oeuvre, F. und seine Frau MP. waren vorbildliche Gastgeber, überall präsent, erkundigten sich in regelmäßigen Abständen nach meinem Befinden. In meinem Grüppchen junger Damen der lokalen jeunesse dorée hatte ich mich inzwischen gut eingelebt. Alle studiert, alle gereist, alle mit vernünftigen Jobs. Von Anfang an trennten sich Damen und Herren an den Tischen, was bei uns auch eingehend diskutiert wurde. Die Damen waren sich einig, dies sei typisches Verhalten für verheiratete Herren. Tatsächlich waren mehrere der jungen Frauen an meinem Tisch noch unliiert, ledige Herren hingegen habe ich keine getroffen. Wer mit Anfang dreißig hier nicht verheiratet ist, gilt als spätes Mädchen. Entsprechend spielten am anderen Ende des Gartens etliche Kinder, obwohl kaum eines der jungen Paare nach europäischen Maßstäben alt genug für Kinder im Schulalter aussah. Pünktlich zu Einbruch der Dämmerung fiel der Strom aus und ich hatte Gelegenheit zu lernen, daß trotz der noblen Umgebung Privathäuser in diesem Stadtteil nicht unbedingt über einen eigenen Generator verfügen – es blieb für eine knappe Stunde dunkel, bis unter lautem Gejohle Lichter und Musik wieder angingen und das Buffet eröffnet wurde. Zwischendurch präsentierte mir F. Familienfotoalben. Und die sahen genauso aus wie jene meiner Mama daheim. Die Fotos aus den siebziger Jahren etwas gelbstichig, Großeltern mit Enkeln, Mama mit Kindern in der Badewanne, Opa beim Spielen mit den Kleinen, Gruppenbild der Familie im Garten unter dem immer selben Baum – wären die Menschen nicht dunkelhäutiger gewesen, es hätte ein Familienalbum jeder beliebigen, gutbürgerlichen Mittelstandsfamilie in Deutschland sein können. Gegen neun Uhr hatte ich genug Champagner getrunken und nutzte die Gelegenheit, mich von einigen meiner Tischpartnerinnen – die zu weiteren Taten in die Stadt aufbrachen – nach Hause mitnehmen zu lassen. Taufe auf kongolesisch war so gar nicht kongolesisch. Aber schön.
Die beiden Hauptstraßen waren wie immer nachmittags völlig zu mit geradezu ineinander verkeilten Autos, aber meine Befürchtungen, peinlicherweise die letzte zu sein, erfüllten sich nicht. Auch um halb vier (dreißig Minuten nach meiner Ankunft) stand die Festgesellschaft noch vor der Kirche. Es war unerträglich heiß, das Wasser lief mir den Rücken hinunter und sammelte sich beinahe in kleinen Pfützen in meinen Schuhen. So langsam bekomme ich Respekt vor der drohenden feucht-schwülen Regenzeit. Die Messe wurde von einem der Familie seit langen Jahren verbundenen Priester aus Belgien gelesen, der zu diesem Anlaß für eine Woche eingeflogen war. Die kleine A. trug ein etwas zu großes weißes Kleidchen – ebenfalls aus Belgien importiert – und sah aus wie ein entzückendes kleines Sahnebaiser. Die Herren trugen vorwiegend feine dunkle Anzüge, die jüngeren Damen Etuikleider und elegante Tagesgarderobe, die
Die Kirche war mit unerträglich unbequemen kleinen Hockerstühlchen mit überhohen Lehnen und – dankenswerterweise – etlichen Ventilatoren bestückt, die zwar die Hitze etwas erträglicher machten, aber verhinderten, daß ich von der französischen Zeremonie mehr als drei Worte verstanden habe. Als einzige Weiße – mit Ausnahme des Priesters – fühlte ich mich entsetzlich unwohl, da im übrigen wirklich nur die engste Familie versammelt war. Mit Grauen sah ich dem anschließenden Cocktail entgegen und rechnete im Geiste aus, wann ich wohl angemessenerweise die Arbeit als Entschuldigung für einen frühen Abgang geltend machen könne. Der Empfang fand im Haus der Großmutter im Stadtteil Ma Campagne statt, dem Viertel, in dem auch die Domaine Présidentielle liegt. Der großzügige Garten war aufwendig dekoriert mit vielen Tischen, behussten und beschleiften Stühlen, Kinderspielgeräten und einem langen Buffet. Etwas verloren drückte ich mich die erste Stunde am Rande der eintreffenden Grüppchen herum, bis mir einige junge Frauen endlich entgegenkamen und mich ins Gespräch einbezogen. Waren zur Messe noch kaum dreißig Personen anwesend gewesen, wurde der Garten jetzt schnell voll, bis gegen sieben alle Tische besetzt waren. Die Eltern des Taufkindes sind Anfang dreißig und hatten offenbar sämtliche Schulfreunde der letzten zwanzig Jahre eingeladen. Jeder kannte jeden, alle waren zusammen die ersten Jahre zur Schule gegangen, die Mädchen tauschten Erinnerungen an den gemeinsamen Tanzkurs aus (ja, so was gibt es hier für die bessere Gesellschaft!). Weißt Du noch, als Marie neu war und sich überall vorstellte mit „Ich bin Marie und ich komme aus Equateur....“ – „Ja, muhahaha, und dann.... erinnerst Du Dich, als... soooo peinlich!“. Tausende Kilometer von Deutschland entfernt, aber die gleichen Geschichten wie in meiner Schulzeit. Um fünf wurden die Tische fertig dekoriert und der Champagner aufgekorkt. Mein Glas war nie leer und ich am Ende des Abends zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder ein wenig tipsy von Sprudelbrause. Wenig später kamen Tabletts mit Hors d’oeuvre, F. und seine Frau MP. waren vorbildliche Gastgeber, überall präsent, erkundigten sich in regelmäßigen Abständen nach meinem Befinden. In meinem Grüppchen junger Damen der lokalen jeunesse dorée hatte ich mich inzwischen gut eingelebt. Alle studiert, alle gereist, alle mit vernünftigen Jobs. Von Anfang an trennten sich Damen und Herren an den Tischen, was bei uns auch eingehend diskutiert wurde. Die Damen waren sich einig, dies sei typisches Verhalten für verheiratete Herren. Tatsächlich waren mehrere der jungen Frauen an meinem Tisch noch unliiert, ledige Herren hingegen habe ich keine getroffen. Wer mit Anfang dreißig hier nicht verheiratet ist, gilt als spätes Mädchen. Entsprechend spielten am anderen Ende des Gartens etliche Kinder, obwohl kaum eines der jungen Paare nach europäischen Maßstäben alt genug für Kinder im Schulalter aussah. Pünktlich zu Einbruch der Dämmerung fiel der Strom aus und ich hatte Gelegenheit zu lernen, daß trotz der noblen Umgebung Privathäuser in diesem Stadtteil nicht unbedingt über einen eigenen Generator verfügen – es blieb für eine knappe Stunde dunkel, bis unter lautem Gejohle Lichter und Musik wieder angingen und das Buffet eröffnet wurde. Zwischendurch präsentierte mir F. Familienfotoalben. Und die sahen genauso aus wie jene meiner Mama daheim. Die Fotos aus den siebziger Jahren etwas gelbstichig, Großeltern mit Enkeln, Mama mit Kindern in der Badewanne, Opa beim Spielen mit den Kleinen, Gruppenbild der Familie im Garten unter dem immer selben Baum – wären die Menschen nicht dunkelhäutiger gewesen, es hätte ein Familienalbum jeder beliebigen, gutbürgerlichen Mittelstandsfamilie in Deutschland sein können. Gegen neun Uhr hatte ich genug Champagner getrunken und nutzte die Gelegenheit, mich von einigen meiner Tischpartnerinnen – die zu weiteren Taten in die Stadt aufbrachen – nach Hause mitnehmen zu lassen. Taufe auf kongolesisch war so gar nicht kongolesisch. Aber schön.
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