Erhellender Abend
Ich war mit meinem kongolesischen Bekannten M. Abendessen. Mir ist nicht ganz klar, warum sich jemand, der in diesem Land vermutlich glänzende Zukunftsaussichten hat und keinen Mangel an Freunden, Bekannten, Mandanten, Klienten und anderen Menschen, mit mir abgibt und sich geradezu rührend bemüht, mich zu integrieren. Egal, er tut es und ich bin froh darüber. Meistens redet er, ich kann ihm zwar auf Französisch folgen und gelegentliche Bemerkungen einflechten, bin aber selbst immer noch zu ungelenk, um komplexe Gedanken adäquat auszudrücken. Also saß ich ihm gestern Abend gegenüber, hörte zu, und lernte. Eine Menge. Die auftretenden Personen in diesem Kammerstück: meine Vorgesetzte, der schöne Franzose, und unser aller zwei Chefs. Zuerst waren wir ein Bier in der Hotelbar trinken. Dort lernte ich, daß der schöne Franzose wieder im Lande ist – buchstäblich – und vermutlich fünf Etagen über uns in seinem Hotelbett lag und sich von der langen Reise erholte. Da er mit seinem Zimmer nicht glücklich war (falsche Etage), klingelte M. einen seiner unzähligen Cousins heran, seines Zeichens im Hotel Management tätig, und arrangierte einen Zimmerwechsel für den schönen Franzosen. Nach vollbrachter Intervention wollte er den Kollegen informieren und nutzte dafür mein Telefon. Der schöne Franzose lehnte das Gespräch ab – was uns wiederum reichlich Gesprächsstoff gab. Danach waren wir noch zusammen eine Kleinigkeit essen, in einem anderen Restaurant. Und dort lernte ich: der schöne Franzose wollte eigentlich die Position meiner Vorgesetzten haben, hatte dafür auch die Unterstützung des einen Chefs, leider des falschen. Er hat jetzt eine andere Position und die ist vermutlich auch nicht schlecht – nur halt nicht jene, die er eigentlich wollte. Der schöne Franzose ist gerne in Gesellschaft der Schönen und Einflußreichen, wandelt bevorzugt in den Sälen der Macht und betreibt mit viel Energie die Herbeiführung von Möglichkeiten.*
Diese interessanten Details und Einschätzungen garnierte M. mit Anekdoten aus seiner eigenen beruflichen Kamarilla, wo er – bedeutend jünger als die meisten der ihm unterstellten Mitarbeiter – mit mannigfaltigen Intrigen zu kämpfen hat.
Ich bin nach wie vor zu naiv für diese Welt, weil ich derartige Unterströmungen selbst in meinem unmittelbaren Umfeld häufig gar nicht wahrnehme. Würde ich darüber nachdenken, wäre mir schon bewußt, daß es sie gibt – aber auf meinem Bildschirm sind sie nicht drauf, wenn man mich nicht mit der Nase darauf stößt. Vor allem aber sitze ich jetzt hier und stelle wieder einmal fest: solche Intrigen sind mir so fremd. Ich halte viel davon, sich durch qualitativ hochwertige Arbeit und Zuverlässigkeit zu empfehlen, die Machtspiele im Hintergrund hingegen durchschaue ich meistens zu spät oder gar nicht und wundere mich dann, warum ich auf die Nase falle. Aktives Engagement meinerseits ist völlig ausgeschlossen, ich bin eine lausige Lügnerin und noch schlechtere Intrigantin. Damit bin ich vermutlich völlig ungeeignet für jede Form der Karriere in einem größeren Unternehmen und es wäre weise, sich beizeiten nach einem Plan B fürs Leben umzuschauen.
Ich könnte reich heiraten und Mutter einer Division gutangezogener und wohlerzogener Kinderchen werden und dem Vaterland damit zukünftige Steuerzahler schenken. Oder ein Restaurant oder einen Delikatessen Laden eröffnen und die kulinarische Landschaft irgendeines abgeschiedenen Provinznestes bereichern. Oder ins Kloster gehen. Das sind die Möglichkeiten, die mir im Moment einfallen. Alternative Vorschläge bitte an meine Mailadresse.

*Ich bin für den schönen Franzosen vermutlich einfach nicht wichtig genug in meiner untergebenen Position, als daß er sich mit mir abgeben würde, wenn interessantere Persönlichkeiten verfügbar sind. Ernüchternde Erkenntnis und Ende aller romantischen Hoffnungen.

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conma, Donnerstag, 10. September 2009, 17:44
Liebe Debütantin,

da kann ich Ihnen nur sagen: Typisch Frau. Wie kann man auch so naiv sein und annehmen, dass ordentliche Arbeit und ansonsten unauffälliges Verhalten bemerkt und vielleicht sogar als interessant angesehen wird. Das ist absolut karriereschädlich. Aber die Idee im letzten Absatz ist ja für Frauen die wahre Berufung, oder?

damenwahl, Donnerstag, 10. September 2009, 19:06
Naiv, ich weiß... sag ich ja selbst.

miner, Donnerstag, 10. September 2009, 18:43
...gründe doch einfach einen edlen RomméClub, in guter Atmosphäre, mit genialen Drinks....am Besten, bevor die gutangezogenen Kinder das Licht der Welt erblicken :-) Viele Grüße aus dem frühherbstlichen Ffm

damenwahl, Donnerstag, 10. September 2009, 19:11
Schön, Dich hier zu sehen! Rommé Club ist mal eine andere Idee. Mit Essen und Trinken, vielleicht. Ich bitte den Don um all die feinen Rezepte, den Alkohol suche ich selbst aus. Gelegentlich mische ich meinen Gästen ein bißchen Antilope oder Krokodil unters Essen und lache mich heimlich kaputt. Durchaus reizvolle Perspektive!

FFM... Herbst.... gerade ganz weit weg von mir. Draußen sind über dreißig Grad und ich bilde mir ein, daß die ersten Regengüsse schon in der Luft hängen. Ich kann mir nicht vorstellen, am Mittwoch plötzlich im deutschen Herbst zu stehen.

miner, Donnerstag, 10. September 2009, 20:55
Ach, Mittwoch geht´s wieder zurück ? Na, noch ist´s recht erträglich und die Blätter zum Großteil noch grün. Man spürt nur, dass der Herbst in der Luft liegt. Recht angenehm.
Ich freu mich drauf, denn: Der Herbst ist irgendwie mein Frühling....und im Allgemeinen sind die Menschen auch im Herbst wieder ein wenig besser gekleidet & zumindest kann man sich öfter einreden, dass da schöne Gestalten unter den Kleidern stecken.
Denn im Sommer zeigen sie oft zuviel von dem, was sie besser under cover halten sollten :-)

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Ja, melde Dich mal, wenn Du Dich wieder eingelebt hast, evtl. bekommen wir ja mal eine schöne Partie Rommé auf die Reihe...

damenwahl, Donnerstag, 10. September 2009, 21:06
Diesmal nur Stippvisite, zwei Wochen, danach tropische Regenzeit im Kongo, die ich mir keinesfalls entgehen lassen wollte. Aber ab Dezember werde ich alternative Karrierpläne in Betracht ziehen und möglicherweise habe ich dann richtig viel Zeit, um Rommé zu spielen.

arboretum, Donnerstag, 10. September 2009, 21:28
Wollen Sie dann etwa einen sozialen Beruf ergreifen - und mies verdienen?

damenwahl, Donnerstag, 10. September 2009, 22:07
Haha, nein, eigentlich nicht. Mein Vertrag hier endet im Dezember und angesichts meiner totalen Unfähigkeit zur strategischen Intrige sollte ich das vielleicht doch in Erwägung ziehen. Nur kann ich leider so schlecht mit Kindern und alten Leuten umgehen, was ja auch einen der oben genannte Pläne B bis M eher ungeeignet macht. Trophy Wife bin ich auch nicht, andernfalls hätte der schöne Franzose wohl gestern nicht so reagiert. Insofern, die Rommé Runde oder das Kloster... .

miner, Freitag, 11. September 2009, 00:57
Ach man kann auch im Kloster Rommé spielen.


By the way, wer will schon ein Trophy Wife sein ? Come on, holde Dame, das kann ja wirklich nicht das Ziel einer denkenden Gestalt sein ?!? TW´s gibt´s doch ausserdem inflationär viele in den FFM-Gefilden. In allen Farben und Farcetten. Mausefallen auf zwei Beinen, evtl. gut für einen gepushten, gestressten Global-Büro-Power-Manager-Wasweissich-Director.
Ich habe mein Trophy Wife erst mal vor einem Jahr in die Trophy Wife-Spähre geschickt und mag mich jetzt ein bisserl mehr auf andere, wichtigere Sachen konzentrieren u.a. Rommé...denn solch ein Kartenspiel ist wahrhaftig besser für die Nerven ;-) Egal zu welcher Jahreszeit.

conma, Freitag, 11. September 2009, 10:35
Rommé im Kloster? Ich weiß nicht. Ist es in dieser Welt schon so weit gekommen?