Freitag, 12. Juni 2009
Männercontent
Ich befinde mich inzwischen geradezu auf der Flucht vor arabischen Männern. Als offensichtlich europäische Frau hat man auf der Straße nie wirklich seine Ruhe. „Bonjour la gazelle“, „Salut mademoiselle“, „Comment allez-vous, welcome!„ - Blicke folgen einem auf Schritt und Tritt, in Cafés und Restaurants wird man von der Seite oder gleich direkt von vorne beäugt. Dafür setzt Madame ihre Sonnenbrille auf, vermeidet jeglichen Blickkontakt und geht einfach weiter. Souverän.

Manchmal funktioniert das allerdings nicht: im Schatten sitzend, ein Buch lesend, ist die Sonnenbrille eher hinderlich. Neben mir am Tisch sitzen zwei Herren, einer sehr jugendlich, der andere ergraut aber dennoch jugendlich – die Haarfarbe wirkt ganz fremd an ihm. Mit großem Feingefühl für den rechten Moment sprechen sie mich an, als gerade meine Crèpe gebracht wird. Ob ich mich mit ihnen unterhalten wolle? Nun, gerade jetzt ist etwas ungünstig. Aber danach? Peut-être... . Als ich später versuche, unauffällig zu verschwinden, leihen sie sich meinen Kugelschreiber aus, reißen den Kopf von einer Arztrechnung (!) ab und geben mir ihre Nummer.

Dann ist da der Syrer, der mich inzwischen geradezu hartnäckig verfolgt. Ich war abends eine letzte Zigarette auf dem Balkon rauchen, abends im Hotel, er saß im angrenzenden Frühstücksraum. Folgte mir nach draußen. Suchte nach englischen Wörtern. Linste verstohlen auf meinen Zimmerschlüssel. Und klopfte zehn Minuten später zaghaft an meine Zimmertür – ob ich eine Zigarette habe – ob wir nicht zusammen... die Zigarette... meine Gesellschaft. Alles ein bißchen verdruckst und verlegen. Eine Zigarette konnte er gerne haben, meine Gesellschaft ganz sicher nicht. Am nächsten Abend saß er schon bereit, als ich ins Hotel kam, erwartungsvoll im Frühstücksraum – und ich bin unten vor die Tür geflüchtet. Ich genieße die gelegentlichen fünf Minuten geistiger Einkehr, lasse meine Gedanken schweifen, träume von der Zukunft, wie sie sein sollte – und mag Gesellschaft dabei überhaupt nicht. Also Flucht.
Kaum hatte ich den ersten Zug eingeatmet, schon sprach mich ein Passant an: Er sei Tunesier... sein Leben lang in Paris gelebt... Deutschland so schön... so ordentlich..... so effektiv und gründlich, wie sich im 2. Weltkrieg gezeigt habe... ich sei merveilleuse, ... schön, klug, und so einige andere schmeichelhafte Adjektive. Ganz offensichtlich ein Mann rascher Entschlüsse – oder zumindest rascher Beurteilung, nicht wahr?

Zu meiner großen Erleichterung scheint der verdächtig anhängliche Syrer inzwischen abgereist – nicht ohne zuvor noch einige Male an meine Tür geklopft zu haben – dafür wurde ich gestern im fraglichen Frühstücksraum von einem anderen Hotelgast um Rat gefragt: er studiere in Tunesien Geographie und wolle diese seine Studien nun in Deutschland oder Frankreich fortsetzen, aber ach!, die bürokratischen Hürden.... ob ich nicht helfen und beraten könne? Konnte ich nicht. Kenne mich weder mit Geographie noch mit Uni Bewerbungen aus. Nein, wirklich nicht.

Mal ehrlich? Was denken sich die Herren dabei? Bin ich ein Reisepaß auf zwei Beinen? Die wandelnde Eintrittskarte ins gelobte Land Europa? Glauben sie ehrlich, ich sei hier auf Männersuche? Oder würde mich auf der Straße so einfach aufreißen lassen, mit einigen lumpigen (und, nebenbei bemerkt, unglaubwürdigen) Komlimenten? Ich weiß, es gibt europäische Damen, die mit anderen Absichten in Afrika auf Reisen gehen, und dennoch – ich stehe dem völlig ratlos und verständnislos gegenüber.

Permalink (11 Kommentare)   Kommentieren





Müllcontent
Die Müllabfuhr war da! Bitte beachten: die Tonne steht doch mitten auf der Straße gerade richtig, oder?

Permalink (0 Kommentare)   Kommentieren