Mittwoch, 22. Juli 2009
Lichtblick
Manchmal wünschte ich, Reisen in fremde Länder wie vor hundert Jahren auf dem Boden zurücklegen zu können. Dann könnte meine Seele vielleicht eher mithalten und mein Geist wäre nicht völlig überfordert von der Vielzahl der Eindrücke. Vor vier Wochen saß ich wochenends, spätnachmittags, mit einem Martini in der Hand am Swimming Pool in Tunis. Vergangenes Wochenende hingegen saß ich spätnachmittags mit einem Bier in der Hand am Kongo. Dem Fluß. Im Rücken ein Labyrinth unverputzter Baracken, Wellblechhütten und eine Schotterpiste. Alles „under construction“ durch die Chinesen in einem solchen Ausmaß, daß meine Kollegin den Weg beinahe nicht mehr gefunden hätte.
Mit Hilfe von Holzbrettern überquerten wir einen tiefen Straßengraben, hinein in einen staubigen Irrgarten Richtung Flußufer. Auf dem Rückweg waren die Holzbretter weg, einen anderen Ausweg gab es nicht, nach einigem Verhandeln tauchten für umgerechnet zehn Dollar die Holzbretter wieder auf. Vorher waren wir bei einem Künstler in einem der Vororte. Naive Malerei, wirklich nicht mein Geschmack. Völlig verblüfft war ich jedoch von der Vielfalt der Themen, den kritischen Gedanken und der Aufmerksamkeit, mit der auch das Weltgeschehen verfolgt wird. Die Bilder setzten sich ausnahmslos kritisch mit dem Kongo auseinander: Generationenkonflikt – anzugtragende Herren, die spärlich bekleidete Tussis traditionell gewandeten Damen vorziehen. Obama und Sarkozy auf Staatsbesuch. Die angrenzenden Nachbarländer. Taschendiebstahl und Straßentricksereien. Die Vereinten Nationen, Ärzte ohne Grenzen – alles dabei. Die Bilder müssen mir nicht gefallen und ganz sicher würde ich mir keines davon jemals an die Wand hängen, aber soviel Lebendigkeit, kritischer Geist und Zivilgesellschaft – das ist ein Lichtblick in all dem Elend. Ebenso wie regierungskritische Artikel in der Zeitung. Kollegen sagen, jeder kann gegen entsprechendes Geld Artikel in Zeitungen unterbringen – aber eben immerhin jeder. Das ist ermutigend, irgendwie.

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