Freitag, 31. Juli 2009
Was ich nicht haben kann...
Es sind immer die kleinen Dinge, die ich vermisse, die Alltäglichkeiten. Manchmal springen mich einzelne Bilder geradezu an, völlig unvermittelt, während ich im Taxi sitze und nach Hause fahre: plötzlich sehe ich vor mir, wie ich irgendwann vor einem Kleiderschrank stehe (gleich, was für einem) mit all meinen Sachen drin. Ich habe wieder freie Auswahl, die roten Schuhe oder doch neutrale schwarze? Die weiße Bluse mit den Schluppen – vielleicht ein Schal dazu? Jackett oder Strickjacke? Noch im Bett liegend ärgere ich mich morgens das erste Mal, wenn ich an die erbärmliche, klägliche, begrenzte Auswahl im Kleiderschrank hier denke, die mir durch die Gepäckbegrenzung der Fluggesellschaften aufgezwungen wurde. Jedes Teil schon unzählige Male getragen, zunehmend jede mögliche Kombination probiert. Mein Widerwillen geht so weit, daß ich nicht mehr sicher sagen kann: bilde ich mir die Fussel und Verschleißerscheinungen ein, oder ist der gesamte Kofferinhalt inzwischen ein Fall für die Diakonie?

Ich träume auch vom Winter, von Kälte, von trockener Luft. Von Schals und Mützen, dem Kratzen am Hals wenn man sich den ersten Wollschal des Jahres umlegt, und dem molligen Gefühl, sich auf dem Sofa in Decken einzuwickeln. Von Eisblumen am Fenster und raschelndem Herbstlaub. Kastanientierchen. Grünkohl. Hier ist sowas wie Winter – jedenfalls die kühle und trockene Jahreszeit, trotzdem feuchter und wärmer, als mir lieb ist.

Zu anderen Zeit denke ich ganz unvermittelt an bestimmte Bücher, die ich jetzt gerne in Händen hielte. Um etwas nachzulesen. Oder eines meiner Lieblingsbücher zum zehnten Mal zu lesen. An denselben Stellen wie immer zu lachen. Ich weiß, hier handelt es sich um einen klassischen Fall des „auf der anderen Seite vom Zaun ist das Gras immer grüner“-Syndroms – hätte ich das Buch jetzt und hier verfügbar, würde ich es vermutlich gar nicht mehr lesen wollen. Trotzdem. Das ist es ja gerade.

Gestern stand ich mit einer Zigarette auf dem Dach, nachmittags, in der Hand einen Becher viel zu starken Filterkaffee mit Milchpulver und schaute dem Fluß zu. Kleine Grasinseln trieben Richtung Atlantik, während sich der Strom grau-braun dahinwälzte, in der diesigen Ferne sieht man schemenhaft die Hochhäuser von Brazzaville. Jetzt einfach aus der Tür unten gehen, die Straße hinunter, ins Café. Eine Freundin treffen. Plaudern. Milchkaffee trinken. Ein bißchen überlegen: Waffel, oder lieber nicht? Sich dann doch hinreißen lassen, eine Waffel mit Kirschen und Sahne genießen. Das wäre fein. Leider so völlig ausgeschlossen.

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