Montag, 6. Juli 2009
Carthage
Die Dame von Welt hat sich dieses Wochenende noch mal gebildet. Wäre auch wirklich beschämend gewesen, sechs Wochen in Tunis und immer noch nicht die Ruinen von Karthago gesehen. Da ist ja wirklich jeder All-Inclusive Tourist aus Hammamet kulturbeflissener, die werden nämlich an den Wochenenden busladungsweise durch Carthage gekarrt. Was immerhin eine hervorragende Orientierungshilfe war: folge den Bussen und Du findest die Sehenswürdigkeiten.

Gestern nun also war ich mit meinem italienischen Reisegefährten L.* verabredet. Carthage ist heute einer der schöneren Vororte von Tunis und so läuft man abwechselnd durch Villengebiete mit gepflasterten Straßen und überhängenden Bougainvilleen und stolpert über Ruinenfelder dazwischen. Wenn man Glück hat, findet man zwischendurch ein Hinweisschild, oder man hat eine Reisebegleitung mit gutem Orientierungssinn (und damit meine ich nicht L.). Der Gute kam ein bißchen später, weil er noch eine Maschine Wäsche waschen wollte und dabei die Entdeckung machte, daß die Maschine beim Schleudern durch die Küche wandert. Folglich war seine Anwesenheit bis zum Ende des Waschgangs erforderlich, um die Maschine am Platz zu halten.

Unser erstes Ziel war die Villa Romaine, eine Ansammlung Ruinen auf Byrsa Hill, ein paar Steine, abgebrochene Säulen, aber fantastische Aussicht.





Die Pförtner ordneten uns sogleich als deutsch-italienisches Pärchen ein, kurzer Plausch, sie freuten sich aufrichtig, unsere Nationalitäten richtig geraten zu haben.
Danach haben wir die Thermen von Antonius besichtigt, noch mehr Ruinen, noch mehr tolle Aussicht und zum Schluß sind wir zum Punischen Hafen getrabt. Das nun, ist in der Tat interessant. Wenn man den kläglichen kleinen Teich sieht, ist man arg enttäuscht und braucht viel Phantasie, aber britische Archäologen haben ein fantastisches Modell gebaut mit dessen Unterstützung man dem Vorstellungsvermögen auf die Sprünge helfen kann: sowohl auf der runden Insel in der Mitte als auch rund um den Außenrand waren zu phönizischen Zeiten Docks aneinandergereiht, die insgesamt Platz für 220 Schiffe boten. Natürlicht nicht vom Ausmaß eine QEII, aber immerhin. Sehr beeindruckend. Gleichzeitig war das ein so friedlicher und abgeschiedener Ort, daß ich mir nur mit Mühe vorstellen konnte, daß dies der militärische Heimathafen der maritimen Vormacht ihrer Zeit war.





Ich wünschte mir die ganze Zeit, statt meines gutwilligen doch mäßig interessierten Begleiters den klugen Holzkopf von letzter Woche dabei zu haben: der hätte mich nämlich ganz sicher mit endlosen Vorträgen über Geschichte, Entwicklung und Zusammenhänge unterhalten können. Was ich toll finde. Statt dessen habe ich versucht, mich an das zu erinnern, was er mir gelegentlich erzählt hat und mußte mit den kurzen Absätzen aus dem Reiseführer Vorlieb nehmen.
Um sieben Uhr waren wir so erschöpft von unseren intensiven Bildungsbemühungen in backofenartiger Hitze, daß es Zeit fürs Abendessen schien. Nachdem alle anständigen Restaurants hier natürlich erst ab 20 Uhr geöffnet habe (insbesondere solche, die alkoholische Kaltgetränke anbieten), landeten wir in einer eher touristischen Lokalität an der La Marsa Corniche. Die Kellner waren jedoch überaus bemüht, brachten zuerst L.s Salat, ganz ungefragt ein zweites Tellerchen für mich zum probieren und entschuldigten sich wortreich für die Verzögerung meiner Pasta. Die war gar nicht schlecht und großzügig mit Muscheln, Tintenfisch und Crevetten bestückt (die Monate mit r Regelung ist hier unbekannt). Bis allerdings L.s Pizza irgendwann eintraf, war ich längst fertig mit den Spaghetti und L. nicht mehr hungrig.



Ein schöner Tag, das.

*Ingenieur für eine italienische Firma, für mindestens ein Jahr in Tunis, fast zeitgleich mit mir angekommen, außerdem ein fantastischer Koch! Zaubert spätabends aus dem Stegreif Nudeln und Bruschetta. Durch und durch ein netter Kerl und prima Begleiter für Besichtigungen und Ausgehen. Allerdings: Orientierungsvermögen sechs minus.

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