Montag, 27. Juli 2009
Nebenwirkungen
Eigentlich wollte ich das Wochenende nutzen, um meinen Kollegen, der im September hier anfängt zu arbeiten, bei seinen Erkundigungen in Sachen Haus, Auto, Möbel zu begleiten. Vielleicht auch versuchen, wenigstens ein einziges Mal alleine zu Fuß auf die Straße zu gehen. Nach Postkarten für den Holzkopf in Tunis, Sunny und meine Großtanten im Altenheim suchen – vermutlich ein aussichtsloses Unterfangen, aber ich bemühe mich immer gerne.

Alle meine Pläne wurden jedoch am Freitag Abend durchkreuzt. Beim Abendessen am Hotelpool mit dem Kollegen führte ich die Hitze im Gesicht noch auf das Bier zurück. Beim Zubettgehen fand ich die leichte Frösteligkeit ganz angenehm, die mich zum ersten Mal seit meiner Ankunft überkam in der schwülen Hitze dessen, was hier als kalten Jahreszeit gilt. Um zwei Uhr nachts mußte ich einsehen, daß es wohl doch eher Fieber und Schüttelfrost waren, zudem rasende Kopfschmerzen, bei jeder Bewegung glaubt ich schier, mein Kopf müsse explodieren. Und sorgte mich den Rest der Nacht rastlos, ob wohl eine Mücke im Herzen Afrikas vor einer Woche mir ein Souvenir mitgegeben haben könne – waren wir dort doch ganze Tage draußen und schliefen in Betten ohne Moskitonetz. Nach Konsultation mit meiner Kollegin am nächsten morgen schien ein Malaria Test angebracht. Obwohl das Centre Medical de Kinshasa gleich um die Ecke ist, war ich heilfroh um ihre Begleitung. Die Salle d’urgences war spartanisch eingerichtet mit Holzbänken und ohne jede Dekoration außer einem Flachbildschirm an der Wand mit Tierfilmen, aber sauber und ordentlich. Vom Emfpang wurden wir an den Herren verwiesen, der rechter Hand an einem Tisch vor dem Eingang zum Labor saß. Dazwischen führte eine Rampe hinunter zu Untersuchungsräumen im Untergeschoß. Der Herr dort schickte uns zu den Ärzten ins erste Obergeschoß. Ausserhalb des Gebäudes führte eine weitere Rampe hoch zu einem weiteren Warteraum. Am ersten Tresen wurde einem eine Wartenummer zugeteilt, wie es sie in deutschen Behörden oft gibt (warum werden hier ausgerechnet die schlechten europäischen Sitten übernommen?). Nach erfreulich kurzer Wartezeit durften wir unser Anliegen am zweiten Tresen vorbringen, eine Quittung wurde ausgestellt und ich durfte fünfzehn Dollar an der Kasse - sozusagen dritter Tresen - in der gegenüberliegenden Ecke bezahlen. Von dort ging es ins dritte Obergeschoß, Gynäkologie (!?). Erneutes Warten, dann wurde ich in einen Raum gewiesen, der jedes Klischee, das einem zu afrikanischen Krankenhäusern vorstellt, erfüllte. Eine klapperige, schäbige Liege an der Wand, ein alter Schreibtisch, auf einem Rollwägelchen immerhin Gummihandschuhe und andere Utensilien – aber doch alles sehr rudimentär und bescheiden. Der Arzt war jung, ein paar Fragen nach den Symptomen, dann verordnete er eine Blutuntersuchung und erklärte, das Ergebnis könne ich Montag erfragen. Nun weiß man über Malaria nicht viel mit Sicherheit, zweierlei aber steht fest: rechtzeitig behandelt stirbt man nicht daran. Verspätet behandelt an der in Zentralafrika verbreiteten Variante hingegen schon. Der ganze Sinn und Zweck des Tests bestand ja darin, möglichst sicher zu wissen, ob Behandlung angezeigt ist oder nicht – ein Testergebnis am Montag wäre also wenig zweckdienlich gewesen. Der Arzt stimmte zu, schickte mich ohne große Umschweife wieder hinunter. Auf dem Weg dorthin erklärte meine Kollegin, ich soll bei der Blutabnahme darauf achten, daß die Nadel steril sei und mich andernfalls weigern. Üblicherweise wird für einen Malariatest nur ein Tropfen aus der Fingerkuppe benötigt, es blieb unklar, warum man mir gleich richtig Blut abnehmen wollte. Bei dem Mann vorm Labor sammelten wir einen neuen Beleg ein, trabten wieder hoch zum Hauptempfang, erhielten eine neue Quittung, ich bezahlte weitere siebzehn Dollar. Wir gingen wieder hinunter und wurden ins Labor geschickt. Ein kleiner, dusterer Raum, mit schmuddeligen Vorhängen unterteilt, hinter dem offenbar gerade noch jemand anderes behandelt wurde. Wir warteten ungemütlich und verlegen vor dem Vorhang, meine Kollegin musterte ebenso interessiert wie ich die in einem Pappkarton lagernden leeren Blutröhrchen wie auch die zur Mikroskopie vorbereiteten Blutproben, zwischen Glasplättchen in einem abgestoßenen Holzrahmen, die auf einem Rollwagen lagen. Mit Filzstift nummeriert. Gruselig. Der Kittel der Schwester war nicht so sauber, wie ich mir gewünscht hätte, zum Abbinden des Arms ein zerfleddertes Band mit Tierchenmuster, das ohne weitere Umstände um meinen Oberarm geknotet (!) wurde. Die Schwester wechselte die Gummihandschuhe (beruhigend), ein Spritzer Alkohol, die Nadel war zwar nicht eingeschweißt – was ich am liebsten gesehen hätte – war aber doch offensichtlich frisch, jedenfalls zog die Schwester eine Plastikkappe ab und entsorgte sie danach in den Müll. Ein Stück Watte aus einem großen Bausch gezupft – ich mußte irrationalerweise an Zuckerwatte auf der Kirmes denken – und dann wurde ich entlassen. Eine Stunde später teilte mir ein namenloser junger Mann undefinierbaren Ranges mit, der Test sei negativ, aber ich solle trotzdem lieber Medikamente nehmen. Angesichts der Tatsache, daß ich ohnehin schon Prophylaxe betreibe sei es durchaus möglich, daß der Test fälschlich negativ sei und aufgrund der offensichtlich passenden Symptome... . Mit dem Rezept in der Hand fuhren wir als nächstes in die Apotheke. Vor uns ein dicker, sonderbarer Amerikaner ohne jede Französischkenntnisse, der verzweifelt versuchte, Desinfektionsmittel zu verlangen. Ich nehme an, er suchte das rote Iod-Zeugs – aber irgendwie konnte er sich nicht recht verständlich machen und wurde am Ende an eine andere Apotheke verwiesen. Ich war zu geplättet, um mich einzumischen. Die Paracetam*l, die man mir ungefragt andrehen wollte, gab ich zurück, für mein Malariamedikament bezahlte ich zwölf Dollar und für eine kleine Flasche neues Mückenspray weitere fünfundzwanzig. Fand ich daheim schon zehn Euro zu teuer? Nicht mehr. Den Rest des Wochenendes habe ich mehr oder im minder im Bett verbracht, war über Nacht dankbar für die Fürsorglichkeit meiner Kollegin, die mir ihren Schlafsack als Decke fürs Bett herausgelegt hatte – und das in tropischem Klima.

Inzwischen geht es wieder, immer noch Kopfschmerzen und Schweißausbrüche, aber ich werde Ihnen wohl als Berichterstatterin erhalten bleiben.
Ich hätte ja zu gerne gewußt, ob das jetzt Malaria war oder nicht. Dagegen spricht, daß es schon außergewöhnliches Pech wäre, innerhalb von zwei Wochen im Kongo bei vernünftiger Prophylaxe Bekanntschaft mit einem resistenten Strang zu machen. Dafür spricht, daß ich mein Lebtang lang noch nicht solche rasenden Kopfschmerzen hatte, ganz sicher jedenfalls mit keiner normalen Grippe, und der zeitliche Rahmen perfekt zu meiner Dienstreise letzte Woche paßt. Der Test, wie gesagt, hat de facto keine Aussagekraft, in Afrika sind falsch-positive Tests ungefähr genauso häufig wie falsch-negative, zumal wenn man schon präventiv Medikamente nimmt. Andererseits, so berichtete meine Kollegin, sei es in Europa schon schwierig, von Ärzten überhaupt die Anweisung zum Malariatest und deren schnelle Bearbeitung zu erhalten, weil man dort weniger vertraut damit ist. Unsinnig, aber offenbar Realität. Auf etwas andere Art als erwartet war das also durchaus ein sehr aufregendes und lehrreiches Wochenende, auch wenn ich eigentlich andere Pläne hatte.

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