Montag, 3. August 2009
Heimweh
Meine Kollegen sagen „this country really gets to your heart, over time“. G., die schon vor zehn Jahren vorübergehend hier gearbeitet hat, bedauert ihren Abschied aufrichtig. J., seit einiger Zeit regelmäßig auf Dienstreise hier, hat soeben seinen Vertrag für Herbst unterschrieben. V. hat einen kongolesischen Freund und kann sich vorstellen, für immer zu bleiben.
Ich hingegen – merke nichts davon. Dieses Land berührt nicht mein Herz, sondern bislang nur meine Haut und meine Stimmung. Zum ersten Mal im Leben habe ich Neurodermitis, und mag mich selbst nicht mehr leiden. Möglicherweise ist es eine Reaktion auf die Malaria Prophylaxe, das Essen oder das Wasser, aber mir wird mindestens einmal täglich flau und zittrig zu Mute, und es vergeht kein Tag an dem ich nicht denke: Wie gerne wäre ich jetzt daheim, oder irgendwo anders, nur nicht hier.
Ich verabscheue den ewig grauen Himmel, vermisse die Sonne – ein einziges Mal richtiges Licht, das wäre wunderbar. Gerade lag momentelang Sonnenlicht über der Stadt, ich bin gelaufen, meine Kamera zu holen, den Moment festzuhalten – da war er schon vorbei. Es ist angenehm warm, aber zu schwül, in G.s Bungalow hatte ich zuweilen das Gefühl, in der feuchten Luft kaum noch atmen zu können, an Luftfeuchtigkeit zu ertrinken. Dazu der Schmutz in allen Ecken, Handtücher stets leicht klamm, Kleidung braucht ewig zum trocknen und irgendwie kommen mir sämtliche Textilien immer muffig vor – aber vielleicht bilde ich mir das in meinem Widerwillen auch nur ein. Der Muff überträgt sich auf meine Haare, meine Haut, ich nehme ihn mit ins Bett und zur Arbeit, er begleitet mich immer. Pfui.

Ich kann endlos auf den Fluß starren, wie er sich träge dahinwälzt. Das ist ein Satz, den man oft in Büchern liest – jetzt habe ich das Bild dazu im Kopf und oftmals vor Augen. Der Rhein und die Elbe wälzen sich nicht, der Kongo schon.* Diese Formulierung scheint wie gemacht für diesen Fluß. Doch so sehr ich die Aussicht schätze: das Gras auf der kleinen Insel gleich gegenüber kommt mir geradezu giftig grün vor, aggressiv und aufdringlich, so scharf ist der Kontrast zum dreckig-grauen Fluß, verwaschen-grauen Himmel, zur staubig-grauen Stadt.
Nein, ich mag dieses Land nicht. Überhaupt nicht. Ich zähle die Tage bis zu meiner Abreise, stelle mir schon lebhaft den Moment vor, in dem die Räder des Flugzeugs kongolesischen Boden verlassen. Ich werde französische Erdnüsse bekommen und mir eine ausnahmsweise eine Cola light bestellen (sonst trinke ich Wasser auf Flügen, wie ein Kamel in der Wüste), ohne dafür ein Vermögen bezahlen zu müssen, werde die ganzen abgetragenen Kleidungsstücke meinem Taxiste Albert geschenkt haben oder unserem homme de ménage, Jean-Paul, und statt dessen hölzerne Statuetten im Gepäck haben. Memorabilia eines Abenteuers, Erinnerungen für den Rest meines Lebens, um eine einzigartige Erfahrung reicher. Das alles ist gut so, aber dennoch: Ich lebe von Vorfreude, im Moment, jawohl.

*Und das, obwohl der Kongo eine deutlich stärkere Strömung hat und tatsächlich sehr schnell fließt, schneller als die deutschen Bächlein.

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