Freitag, 13. November 2009
Die Polizei - kein Freund und Helfer
Ich habe Respekt vor Polizisten. Ich war nie in Anti-Atomkraft-Bewegungen, habe mich nie an Gleisen festgekettet oder Tiere befreien wollen und verspürte auch nie das Bedürfnis mit Plakaten in der Hand gegen sonstige Unrechte zu protestieren, weshalb ich – möglicherweise mit einem Rest gutgläubiger Naivität – in Deutschland dazu neige, die Polizei als meinen Freund und Helfer zu betrachten. Hier hingegen bin ich gespalten. Wenn ich in meinem Schicki-Club schwimmen gehe, sitzt gelegentlich ein Polizist bei den Wachen am Eingang und sieht sehr harmlos aus. Solide dunkelblaue Uniform – im Schnitt entfernt an Militärkleidung angelehnt – mit gelben Sternen auf der Schulter, das Barrett nicht schneidig auf dem Kopf sondern lässig im Schoß, macht der Polizist den Eindruck eines ganz normalen Menschen, der mit Bekannten eine Runde plauscht. Im Straßenverkehr hingegen sind Polizisten gefürchtet – aufgrund der Macht, oftmals willkürlich eingesetzt, die ihnen zu Gebote steht. Polizisten sind wie fast alle Staatsangestellten der unteren Ränge lausig – und manchmal über Monate gar nicht – bezahlt und bessern ihr Gehalt durch Schikanen auf.
Heute morgen war ich mit meinem Fahrer unterwegs, als uns zwei, drei weiße Prado Geländewagen überholten. Nicht die neuen Modellen der UN, sondern alte, etwas klapprige Fahrzeuge, unmarkiert, innen jeweils acht Polizisten. Einer hing auf der Fahrerseite aus dem Fenster, pfiff durchdringend auf einer Pfeife und wedelte heftig mit den Händen. Alle Autos hatten Warnblinker an und schlängelten sich in gefährlich schnellem Slalom durch den üblichen Verkehr. Eine Schrecksekunde lang bezog ich das hektische Gewedel des Fenstersitzers auf uns, mein Fahrer nutzte nämlich die Gelegenheit, im Kielwasser der Polizisten unsere Fahrt zu beschleunigen. Mehrere Male signalisierte der am Heckfenster sitzende Polizist, wir sollten zurückbleiben (was meinen Fahrer viel weniger beeindruckte als mich). Obwohl die Herren in der drangvollen Enge ihres Fahrzeugs nicht besonders eindrucksvoll sondern eher bedauernswert aussahen, war ich froh, als sich unsere Wege trennten. Ganz egal wie erbärmlich, heruntergekommen oder zusammengestaucht die Amtsgewalt aussieht – hier erfüllt sie mich mit einem unbestimmten Unbehagen und je größer die Präsenz desto größer mein Unbehagen. Respekt vor der Amtsgewalt lernt man hier schnell – denn Amtsgewalt ist unberechenbar. Auf jeder Kreuzung, an jeder Stichstraße stehen Polizisten (kein Wunder bei der Präsenz, daß der Staat pleite ist) und gleich vor meinem Haus kann ich beobachten, wir auffällige Autos freiwillig kleine Scheine aus dem Fenster reichen, noch bevor die Fahrer angesprochen werden.
Während meines ersten Aufenthalts war ich mit einer Kollegin und ihrem Fahrer unterwegs. Der Fahrer lebte regelmäßig Ambitionen am Steuer aus, die der Formel 1 würdig gewesen wären und an einem Tag hätte er dabei fast einen Fußgänger mitgenommen. Es war unklar, wessen Schuld der Beinahe-Zusammenstoß war, in jedem Fall begann der Passant zu schimpfen, ein Polizist näherte sich, verlangte mit uns zu sprechen, unser Fahrer kurbelte das Fenster zu weit hinunter, der Polizist griff hinein, öffnete die Tür und ließ sich auf den Beifahrersitz fallen. Nach einigen Minuten wurde deutlich, daß er von unserem Fahrer eine Zahlung erwartete, stellvertretend auch gerne von uns. Unser Fahrer bat uns um Hilfe, wir lehnten ab – aus Prinzip. Das Gespräch zog sich, wir verstanden nur die Hälfte, wenn die beiden Lingala sprachen, unser Fahrer fuhr irgendwohin, wir riefen unsere Sicherheitsabteilung an, Diskussionen, am Telefon, in Person, endlose zwanzig Minuten, bis der Polizist irgendwann aufgab. In aller Regel kann man – gerade als Weißer – diese Situationen aussitzen, aber es kostet Nerven und vor allem Zeit (die man nicht immer hat). Weiterhin ist es fast immer undurchschaubar, auf welcher gesetzlichen Grundlage der Polizist handelt. Heute hatte sich mein Fahrer in eine sehr ungünstige Parkposition manövriert und erhielt beim Ausparken großzügige Hilfe von einem der Herren in blau, der danach umgehend verlangend an mein Fenster klopfte. Und natürlich nicht erfreut war, als ich den Kopf schüttelte. Die Mehrheit meiner Kollegen vermeidet unter allen Umständen, tagsüber in Privatautos zu fahren, bin ich mit jemandem zum Mittagessen verabredet, nehmen wir immer den Fahrer und ich hole die Freunde im Zweifelsfall ab, statt daß sie selbst mit dem eigenen Auto fahren. Ich weigere mich kategorisch – solange die Entscheidung bei mir liegt – irgendetwas zu bezahlen, aber ich gebe zu: ich bin jedes Mal ein bißchen bange, weil die Konsequenzen kaum abzuschätzen sind. Auch hier scheiden sich die Geister der Expatriates: eine Freundin – mit bescheidenem Gehalt im Privatsektor – bezahlt ebenfalls niemals und wartet notfalls bis zum Sankt Nimmerleinstag. Langjährige Bewohner des Landes haben sich so sehr an die allgegenwärtige Korruption gewöhnt, daß sie souverän verhandeln und schon vorher wissen, wieviel zu bezahlen ist. Kollegen auf Dienstreise bezahlen ohne zu murren. Andere sind wiederum ein Muster an Prinzipientreue und verteidigen in post-kolonialer Konsequenz die These, daß irgendjemand hier einen Anfang machen müsse und dem Treiben Einhalt gebieten. Und bei allem Mitleid mit den armen Teufeln – dem stimme ich zu.

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